ZWISCHEN ZWEI STÜHLEN
von
Werner Nicolai
Wenn man nit einem Mitglied der "Priesterbruderschaft St. Pius X."
spricht oder korrespondiert, macht man stets die Erfahrung, daß die
Frage der Sedisvakanz, die sich auf die Rechtmäßigkeit und die darauf
basierende Amtsgewalt der nach 1958 regierenden 'Päpste' bezieht, als
peinlich empfunden wird. Es ist etwa so, als habe man eine
gesellschaftliche Konvention in unschicklicher Weise verletzt.
Da es sich jedoch nicht ganz vermeiden läßt, auf diese leidige und
ärgerliche Frage einzugehen, geschieht dies auf eine theologisch höchst
unbefriedigende und den oder die Fragesteller mißbilligende Art. Das
neueste Beispiel hierfür ist die Buchbesprechung von Mgr. Richard
Williamson in der Nr. 138 des MITTEILUNGSBLATTES DER
PRIESTERBRUDERSCHAFT ST. PIUS X., worin u.a. wiederum bekräftigt wird,
daß die Bruderschaft von Mgr. Lefebvre "trotz vieler häretisierender
Worte und Taten der Päpste Paul VI. und besonders Johannes Paul II.
daran festhält, daß sie Päpste sind bzw. waren, falls nicht und bis ein
klarer Beweis für das Gegenteil hervortritt".
Weiter führt Mgr. Williamson aus:
"Gewiß, wer häretisiert, ist mindestens
ein materieller Häretiker, d.h. einer, der entgegen der katholischen
Wahrheit spricht oder handelt, ohne das zu merken oder das tun zu
wollen, aber er ist noch kein formeller Häretiker, d.h einer, der
bewußt und hartnäckig das leugnet, wovon er weiß, daß es geoffenbarte
katholische Wahrheit ist."
Nun, in den unteren Rängen der Hierarchie mochte es seinerzeit wohl so
manchen "materiellen" Häretiker gegeben haben, sei es mangels einer
gediegenen Ausbildung oder wegen unzureichender Tauglichkeit. Aber es
ist doch absurd anzunehmen, daß ein Bischof oder sogar ein Papst
"entgegen der katholischen Wahrheit" (die er doch bewahren soll, als
Inhaber der obersten Lehrgewalt!!! Anm.d.Red.) hätte sprechen und
handeln können, "ohne das zu merken (!) oder tun zu wollen"! Hier wird
erkennbar, daß sich die "Priesterbruderschaft" zwischen die Stühle
"materielle" und "formelle" Häresie gesetzt hat: materielle Häresie zu
unterstellen bei hochgebildeten und erfahrenen Kirchenfürsten ist
abwegig, indes man auf eine formelle Häresie wohl bis zum St.
Nimmerleinstag wird warten müssen; denn so dumm ist kein Häresiarch,
daß er, der sich die Irreführung der Gläubigen zum Ziel gesetzt hat,
für jeden erkennbar sich selbst entlarvt. 1)
Im übrigen fällt auf, daß in der o.a. Buchbesprechung Johannes XXIII.
nicht genannt wird, obwohl doch gerade er die Lawine losgetreten hat,
die seither alles katholische Leben mehr oder weniger zerstört bzw.
eingeebnet hat. 2) Es ist gewiß ebenso notwendig wie legitim, die
leitenden Persönlichkeiten der Bruderschaft zu ersuchen, das Problem
der Sedisvakanz theologisch gründlich und umfassend zu klären anhand
der vorhandenen Dokumente des Lehramtes der Kirche. Ansätze dazu gab es
schon vor dreizehn Jahren, als Mgr. Lefebvre schrieb:
"Nach zwölf Jahren nachkonziliarer
Periode ist es leichter, den Versuch einer Gesamtansicht über die
schwerwiegenden Irrtümer zu unternehmen, die schon auf dem Konzil und
seit dem Konzil die Kirche verunsichern und die Haltung derjenigen
bedingen, die in der Kirche die größte Verantwortung tragen, und zwar
bis zu einem solchen Grad, daß man sich bei vielen von ihnen mit Recht
fragen kann, ob sie noch dem katholischen Glauben anhängen und
folglich, ob sie noch ihre Jurisdiktionsgewalt besitzen. Es erscheint
mir, daß man nach ausreichender, sachlicher Überlegung annehmen darf,
daß die Urheber dieser Veränderung, die sich mit dem zweiten
vatikanischen Konzil in der Kirche abzeichnet, diese Umgestaltung
energisch angestrebt haben mit dem Ziel eines neuen Humanismus, wie ihn
schon die Pelagianer wünschten und wie die Urheber der Renaissance ihn
in die Tat umgesetzt haben. Diese Personen - die Kardinale Montini,
Bea, Frings, Liénart usw. - haben es schon vor dem Konzil für notwendig
erachtet, nach einem neuen Weg zu suchen, um die Kirche universaler zu
gestalten, um sie annehmbar zu machen für die moderne Welt mit ihren
falschen Philosophien, ihren falschen Religionen, ihren falschen
politischen und sozialen Grundsätzen. Sie haben es vorgezogen, den Weg
des Glaubens im Dunkeln zu lassen, da er den Irrtum und dem Laster
gegenüber zu intolerant ist". 3)
Unter den hier genannten Urhebern der Umgestaltung, deren Ziele sich
eindeutig mit längst von der Kirche verurteilten und verdammten
Irrtümern - Pelagianismus, Neuhumanismus u.a. - decken, nennt Mgr.
Lefebvre auch den Kardinal Montini, obwohl dieser als Paul VI. zur Zeit
der Abfassung der o.e. Äußerungen bereits 14 Jahre seine
verhängnisvolle Herrschaft über die Kirche ausübte. Und somit ist zu
fragen, ob die erkennbare Absicht eines Hierarchen (angemessener:
Häresiarchen, d.i. als Häretiker herrschend) die Kirche in den Irrtum
zu führen nicht als eine Apostasie zu werten ist.
Die Hinwendung eines Katholiken zu einer von der Kirche verurteilten
Irrlehre führte stets zum Ausschluß, der Exkommunikation. Doch welche
Katastrophe, wenn Männer ihre Spitzenstellung innerhalb der Kirche dazu
mißbrauchen, wenn möglich alle Gläubigen in den Irrtum zu führen! Es
ist nur zu verständlich, daß ein solches, in der Geschichte der Kirche
noch nie dagewesenes Vorhaben, den meisten Katholiken unglaubhaft und
widersinnig erschien. Immerhin wurde eine solche Gefahr für die Kirche
schon im 16. Jahrhundert erkannt, denn Papst Paul IV. erließ eine
Rechtsverordnung (Bulle), "Cum ex apostolatus officio", die am 15. März
1559 datiert:
"§ 6. Sollte zu irgendeinem Zeitpunkt
an den Tag kommen, daß ein Bischof, Kardinal oder Legat oder gar der
Römische Pontifex vor seiner Beförderung zum Bischof bzw. vor seiner
Berufung zum Kardinal oder zum Papst vom katholischen Glauben
abgewichen oder in irgendeine Häresie gefallen sei, so gelten folgende
Bestimmungen:
- Die Beförderung bzw. Berufung ist, auch wenn ihr alle Kardinale zugestimmt haben, null und nichtig.
- Sie kann weder durch Übernahme des Amtes oder Empfang der Weihe noch
durch die anschließende Machtausübung, noch (im Falle des Papstes)
durch Inthronisation, Adoration oder allgemeinen Gehorsam nachträglich
(...) Gültigkeit erlangen.
- Sie darf auch nicht für teilweise legitim gehalten werden. (...)
- Die so beförderten oder berufenen Personen selbst verlieren eo ipso
und ohne weitere Deklaration Würde, Ehre, Titel, Autorität, Amt und
Gewalt samt und sonders.
§7. (...)
- Wer diesen so Beförderten oder Berufenen Treue und Gehorsam nicht
versagt, zerreißt gleichsam das Gewand des Herrn und soll deshalb durch
Zensuren oder Strafen gezüchtigt werden. (...)
§ 10. Überhaupt keinem Menschen sei es erlaubt, dieses Statut,
Approbation, Sanktion und Aufhebung von Verfügungen enthaltenen Urkunde
abzuschwächen oder dummdreist zuwiderzuhandeln. Wer aber dies
anzutasten sich unterstünde, der wisse, daß er sich den Zorn des
Allmächtigen Gottes und den seiner heiligen Apostel Petras und Paulus
zuzieht." 4)
Entgegen der Auffassung mancher Leute, diese päpstliche Verfügung habe
heute keine Geltung mehr, sei darauf verwiesen, daß sie, ebenso wie die
Bulle "Quo primum" des hl. Papstes Pius V. von 1570 zur Einführung des
Römischen Meßbuches, sich an die universale Kirche wendet ohne
zeitliche Begrenzung. Dies geht aus dem - hier stark verkürzten Inhalt
- unbestreitbar hervor. Mit Paul IV. erkennt ein wachsamer
Stellvertreter Christi Gefahren, die für die Gesamtkirche und bis zum
Jüngsten Tage vorstellbar sind.
In seiner Predigt vom 18.9.1977 in Econe hatte Mgr. Lefebvre über die
Möglichkeit eines irrenden bzw. häresierenden Papstes folgendes
ausgeführt:
"Und es erscheint unfaßbar, daß ein
Nachfolger Petri auf irgendeine Weise in der Übermittlung der Wahrheit,
die er weiterleiten muß, versagen kann; denn er kann nicht - ohne damit
beinahe aus der Reihe der Päpste auszufallen - das nicht weitergeben,
was die Päpste immer weitergegeben haben: das Glaubensgut, das ihm
ebenso wenig gehört wie den anderen. (...) Sollte es nun vorkommen, daß
- infolge absolut unverständlicher Umstände, die wir nicht begreifen
können, die unsere Fassungskraft übersteigen - sollte es nun vorkommen,
daß ein Papst, derjenige also, der auf dem Stuhle Petri sitzt, in
irgendeiner Weise die Wahrheit, die er zu übermitteln hat, verdunkelt
oder sie nicht mehr treu weitergibt, oder daß er es zuläßt, daß sich
die Dunkelheit des Irrtums ausbreitet (...), i-n diesem Fall müssen wir
vor Gott von ganzem Herzen, aus ganzer Seele bitten, daß derjenige, der
sie an uns weiterzuleiten beauftragt ist, erleuchtet werde. " 5)
Niemand wird ernsthaft die Kraft des Gebetes für verirrte Seelen in
Frage stellen wollen. Aber die von Mgr. Lefebvre festgestellten und mit
Recht beklagten Zerstörungen des Glaubens und ihre schrecklichen Folgen
müssen doch unbedingt eine andere Reaktion hervorrufen, als ein
Eingeständnis, daß ein Nachfolger Petri, der daran mitwirkt, sowie die
damit verbundenen Umstände, nicht zu "begreifen" seien und die
"Fassungskraft übersteigen".
In diesem Zusammenhang sei an die dogmatisch korrekte Auffassung des
leider viel zu früh verstorbenen H.H. Dr. Otto Katzer erinnert. Er
verwies auf die verworfene und durch Papst Pius VI. verurteilte Synode
von Pistoja, gleichsam einer Vorübung für das Vatikanum II. Es würde zu
weit führen, die Geschichte dieser Synode zu berichten. Doch ist es
wichtig für das Verständnis der Hirtenpflicht, die Eingangsworte der
Bulle "Auctorem fidei" vom 27.8.1794 zu lesen:
"Denn wenn ein Vorgesetzter der
hochheiligen Kirche Gottes unter dem Namen eines Priesters das Volk
Christi vom Weg der Wahrheit in den Abgrund der in die Irre führenden
Überredung ablenkt, und dies in einer sehr bedeutenden Stadt: dann ist
wahrhaft das Wehklagen zu verdoppeln, und es ist größere Sorgfalt
anzuwenden. (...) Es handelt sich nicht um die Gefahr für die eine oder
andere Diözese, die allgemeine Kirche wird von jeglicher Neuerung
erschüttert. Allenthalben wird nicht allein schon längst ein Urteil des
höchsten Apostolischen Stuhles erwartet, sondern durch inständig
wiederholte Bitten gefordert. Es sei fern, daß die Stimme des Petrus
auf diesem Stuhl jemals schweige, auf welchem dieser immer lebend und
gegenwärtig den Verlangenden die Wahrheit des Glaubens darbietet. Eine
längere Nachsicht ist in dergleichen Dingen nicht ratsam, denn es ist
ein fast ebenso großes Verbrechen, hierin nachsichtig zu sein, als
derartig Gottloses zu verkünden. Eine solche Wunde muß daher
ausgeschnitten werden, weil durch sie nicht nur ein Glied leidet,
sondern dem ganzen Körper der Kirche Verderben droht." 6)
H.H. Dr. Katzer zitiert dann aus der Konziliensammlung des Theologen Mansi:
"Gegen apostolische Dekrete ist es
niemand gestattet aufzutreten, so daß, wenn jemand etwas anderes
behaupten wollte, er sich selbst verurteilen würde, aber nicht diese
(Dekrete)! Eine bereits entschiedene Angelegenheit erneut dem
Unverstand einiger weniger auszusetzen, ist nicht gestattet. Das tun
nur einige wenige Pseudo-Bischöfe und Widerspenstige. (...) Wenn es
gestattet wäre, menschlichen Meinungen freie Bahn zu lassen (...),
würden die Streitigkeiten und Auseinandersetzungen kein Ende nehmen,
wenn es erlaubt wäre, das, was von mehreren Päpsten festgelegt wurde,
von neuem zu beurteilen. (...) Wir, die wir Hüter der väterlichen
Beschlüsse sein sollen, dürfen solche Anfeindungen nicht zulassen, nach
dem Wort des hl. Petrus Damianus: "Bedenke, daß der, der die Schlüssel
Petri besitzt, gegen jede neue Lehre sich erheben muß und die Förderer
der Schlechtigkeit mit dem Richterspruch unschädlich machen muß." 7)
In einem anderen Aufsatz bemerkt Dr. Katzer:
"Natürlich ist es notwendig, die unter
Umständen etwas mühsame Arbeit auf sich zu nehmen und in den
päpstlichen Bullen und Konzilsbeschlüssen nachzuforschen". U.a. zitiert
er den berühmten Theologen Suarez: "Ein Papst, der Irrlehren vertritt,
ist nicht mehr Papst, und wenn er irrt, dann irrt er nicht mehr als
Papst, wie auch die Kirche (hiermit) nicht irrt; sie kann einen anderen
wählen." - "Ein Papst steht allein dadurch, daß er sich der Häresie
schuldig macht, außerhalb der Kirche und ist von Gott selbst seines
Amtes enthoben." 8)
Am 24. Februar 1977 hatte Mgr. Lefebvre die an ihn gerichtete Frage
"Welche Haltung sollen wir gegenüber Papst Paul VI. einnehmen?" wie
folgt beantwortet:
"Die eigentliche Frage lautet daher:
War Papst Paul VI. je oder ist er noch der Nachfolger Petri? Fällt die
Antwort negativ aus - Paul VI. war niemals Papst, oder ist er es nicht
mehr -, so müssen wir uns wie in einer Periode der Sedisvakanz
verhalten, was das Problem vereinfachen würde. Gewissen Theologen
behaupten das, indem sie sich auf von der Kirche gebilligte Aussagen
früherer Theologen berufen, die sich mit dem Problem eines häretischen
oder schismatischen Papstes, oder eines Papstes, der sein Amt als
oberster Hirte praktisch verläßt, auseinandergesetzt haben. Es ist
nicht auszuschließen, daß diese Hypothese eines Tages von der Kirche
bestätigt wird; denn sie hat gewichtige Argumente auf ihrer Seite. In
der Tat sind diejenigen Akte Papst Pauls VI. zahlreich, die, wären sie
vor zwanzig Jahren von einem Bischof oder Theologen ausgeführt worden,
unter dem Verdacht der Häresie oder der Begünstigung der Häresie
verurteilt worden wären. Vor der Tatsache aber, daß es der Inhaber des
Thrones Petri ist, der das tut, steht die noch katholische Welt bzw.
das, was davon übrig ist, verblüfft und wortlos. Sie zieht das
Schweigen einer Verurteilung vor und nimmt in der Hoffnung auf bessere
Zeiten lieber an der Zerstörung der Kirche teil, als sich zu
widersetzen. Es stellt sich jedoch die Frage, in welchem Maße der Papst
der wahre Verantwortliche für jene Akte, die der Häresie Vorschub
leisten, ist. Einige geben die Antwort, er sei es überhaupt nicht, er
stehe vielmehr unter Drogen, werde gefangen gehalten usw. Diese Antwort
erscheint mir unannehmbar. Der Papst ist offenbar im vollen Besitz
seiner geistigen Kräfte, er weiß sehr wohl um seine feste Absicht, das
Konzil und die daraus hervorgehenden Reformen zu verwirklichen". 9)
Und dann erfährt man:
"Unsere Schlußfolgerung in diesem Fall
ist folgende: Wir sind mit Papst Paul VI. als Nachfolger Petri, wenn er
diese seine Rolle erfüllt, aber wir weigern uns, Papst Paul VI. als
Nachfolger Luthers, Rousseaus, Lamenais usw. zu folgen. Das offizielle
und fortdauernde Lehramt der Kirche erlaubt uns zu sehen, wenn Papst
Paul VI. nach der einen oder anderen Weise handelt." 10)
Kann ein Papst, so ist doch zu fragen, das eine Mal in Übereinstimmung
mit der Tradition, mit der Lehre der Kirche reden und handeln, und ein
andermal entgegen der Überlieferung, ohne eo ipso sein Amt zu
verlieren? Im weltlichen Bereich ist es undenkbar, daß jemand
ungestraft die Grundlagen und -sätze einer Institution, eines
Unternehmens oder einer Organisation mißachtet und verletzt, ohne dafür
gemaßregelt und im Wiederholungsfall seines Postens enthoben zu werden.
Aus der französischen Zeitschrift SOUS LA BANNIÈRE stammt das folgende Zitat:
"Derjenige, der auf den Stuhl Petri
gesetzt wurde, nimmt teil an falschen Gottesdiensten (...). Was ist die
Schlußfolgerung angesichts dieser wiederholten Akte der communicatio
(Original: communio) in sacris (d.h. der Teilnahme an Kulthandlungen
Andersgläubiger)?" - "Es ist möglich, daß wir genötigt sind zu glauben,
daß dieser Papst nicht Papst ist" 11). Wir gelangen nun auf's neue
dahin zu sehen, daß Mgr. Lefebvre diese fundamentale Frage stellt, die
für unsere finstere Zeit so entscheidend für unseren Glauben ist:
"Wojtyla, der sich als Papst nennt
unter dem Namen Johannes Paul II., ist er Papst? Kann es möglich sein,
daß er Papst ist, er, der offen und mit Hartnäckigkeit die Häresie
bekennt (ausübt, lehrt), und bei den falschen Religionen an
Kulthandlungen teilnimmt; ist es möglich, daß er fortgesetzt als
Zerstörer des Apostolischen Glaubens auftritt, er, dem der Ewige
auftrug, seine Brüder im Glauben zu stärken?"' 12)
"Nachdem Mgr. Lefebvre diese Frage bereits 1976 gestellt hatte, schien
er sie während der folgenden zehn Jahre zurückgewiesen zu haben wie
auch ihre Behandlung durch andere. Heute stellt er sie von neuem, und
er geht weiter! Privat, doch ohne davon im geringsten ein Geheimnis zu
machen, sagt er zu denen, die ihn fragen, und natürlich auch zu seinen
Priestern und Seminaristen: 'Ich zitiere nicht mehr Johannes Paul II.
im Kanon der Messe.' Und dies, wie es scheint, seit mehr als einem
halben Jahr. Wir können uns nur freuen über diesen Entschluß."13)
"Doch wir haben die Pflicht, aus
Klugheit das weitere abzuwarten aus Furcht, daß dieses Aufbegehren im
Sande verläuft oder daß lauernde Verräter ihn hintergehen könnten oder
daß Geheimverhandlungen mit Rom erneut aufgenommen, das Glaubenszeugnis
entwerten. Auch aus Sorge um die Wahrheit ist es noch nötig, daß Mgr.
Lefebvre die damit zusammenhängenden Glaubenspositionen einnimmt,
insbesondere durch eine Prüfung und Stellungnahme gegenüber den Thesen,
die er so lange Zeit den Studierenden verweigert hat, u.a. die seines
einstigen Lehrers im Seminar, Mgr. Guérard des Lauriers, mit denen er
sich heute in der Praxis aussöhnt, zumindest hinsichtlich des 'una
cum'."14)
"Inder Sorge um die Gerechtigkeit müssen wir schließlich erwarten, daß
Akte der Loyalität dazu führen, das Unrecht, das zahlreichen
entlassenen Priestern der Bruderschaft angetan wurde,
wiedergutzumachen, wovon einige als Exkommunizierte gelten, und die mit
Strafmaßnahmen verfolgt wurden, die so weit gingen, daß man ihnen den
Glauben absprach. Auch wurde ihnen der Zutritt zu einer Kapelle
verweigert, wenn sie auf der Durchreise die Messe zelebrieren wollten.
Und alles dies nur wegen des einzigen 'Verbrechens', welches Mgr.
Lefebvre heute als seine eigene Auffassung erklärt: nicht zu beten "una
cum" Wojtyla während des gleichen hl. Meßopfers und des
Altarsakramentes. Beten wir aus ganzem Herzen für Mgr. Lefebvre, damit
der Hl. Geist ihn erleuchte und im Zeugnis des Glaubens bestärke und
daß die hll. Schutzengel über seine Tage wachen. Warten wir in Ruhe,
daß Gott Seine Kirche auferwecke wie Er unseren Herrn auferweckt hat am
Morgen des dritten Tages." 15)
Der Artikel in SOUS LA BANNIÈRE schließt mit der Anrufung der
allerheiligsten Jungfrau Maria und des hl. Josephs. Ganz im Gegensatz
zu den von SOUS LA BANNIERE behaupteten "hoffnungsvollen" Klängen und
der Behauptung, Mgr. Lefebvre würde Mgr. Wojtyla nicht mehr im Canon
der hl. Messe nennen (eine Behauptung, von der die Redaktion EINSICHT
nie etwas vernommen hat, wenigstens ernsthafterweise nichts - und in
vier Jahren erfährt man auch einiges Persönliche von den theologischen
Positionsänderungen des Chefs von Econe), hat sich offensichtlich in
den letzten Jahren an der Haltung der Priesterbruderschaft St. Pius X.
nichts geändert, denn Mgr. Williamson, der sicherlich auf der Linie
seines Chefs liegen dürfte, schreibt in dem eingangs erwähnten Artikel:
"Die Priesterbruderschaft St. Pius X.
hat den Sedisvakantismus von Anfang an verworfen und tut dies
weiterhin. Den Katholiken wird gesagt, daß, falls sie einen Priester
der Bruderschaft finden, der diese Position einnimmt, dieser sich
außerhalb der Linie der Bruderschaft befindet, und tatsächlich haben
eine Anzahl von Bruderschafts-Priestern wegen ihres agressiven (sic!)
Sedisvakantismus die Bruderschaft verlassen oder ihre Entlassung nötig
gemacht." 16)
Es ist im Rahmen dieses Beitrages nicht möglich, auf alle hier
aufgeworfenen Problemstellungen einzugehen, aber es gilt doch
festzuhalten, daß Mgr. Lefebvre in der Frage der Sedisvakanz eine
unsichere und theologisch nicht durchgeklärte Einstellung gezeigt hat,
gleichwohl er jedoch die von ihm geweihten und abhängigen Priester im
Gewissen bindet. Dies wirft eine Reihe von Fragen auf, die nicht
beiseite geschoben werden dürfen. Mit Sicherheit steht diesbezüglich
weit mehr auf dem Spiel, als sich so mancher einreden mag. Und ich kann
nur wiederholen, daß sich die Theologen in der Priesterbruderschaft
endlich einmal ganz unvoreingenommen und gründlich mit dieser Frage
befassen sollten.
Abschließen möchte ich mit folgendem Zitat:
"Ohne eine tiefe Wahrheitsliebe ist es
nicht möglich, in dieser Zeit zu bestehen. Denn denen, die die Liebe
zur Wahrheit nicht haben, schickt Gott 'die wirksame Kraft der
Verführung, daß sie der Lüge Glauben schenken' (2. Thess. 2,11). Wer
immer noch meint, es gebe einen Papst in Rom und das 'ewige Rom' sei
identisch mit der Kirche, dem fehlt der Realitätsbezug. Dessen Handeln
ist nicht mehr voraussehbar (...). Sodann ist es erforderlich, daß in
der heiligen Messe endlich Klarheit gegenüber dem römischen Apostaten
geschaffen wird. Wer als Priester Johannes Paul II. im Kanon der hl.
Messe als Papst erwähnt - im Te igitur also - beschmutzt das reine
Opfer, ja er beleidigt Gott und die Kirche schwer. Er zeigt damit auch
selbst, daß er im Widerspruch mit der Wahrheit lebt, nämlich daß er
seinem Papst ungehorsam ist. Wie will er verlangen, daß man ihm
gehorcht, wenn ein Gläubiger ihn auf den Widerspruch aufmerksam macht?
Ferner ist sehr wichtig, zur tridentinischen Messe zurückzukehren. Die
'Johannesmesse' bedeutet in vieler Hinsicht bereits einen Bruch mit der
Tradition, besonders dadurch, daß der Kanon aufgebrochen wurde. Sie ist
aber auch das Werk eines Mannes, der das Vatikanum II in Gang setzte,
um ein 'neues Pfingsten' zu verwirklichen. Schließlich muß endlich die
kirchliche Situation theologisch aufgearbeitet werden. Die neuen
Sakramentsriten (Original: Sakramente) sind auf das genaueste zu
analysieren und die Ergebnisse der Untersuchungen bekanntzumachen. Die
Irrlehren des Neuen Rom müssen, wo immer sie auftauchen und von wem sie
auch geäußert werden, öffentlich widerlegt und zurückgewiesen werden.
Nur so ist es möglich, den von Christus geforderten Kampf gegen die
'römische Hure' (Offb. 18,6) wirklich mit aller Kraft zu leisten, zur
Ehre Gottes und zur Rettung der Seelen." 17)
Anmerkungen:
1) Der Ausdruck "Irreführung" fußt auf der historischen Tatsache einer
mehr als hundert Jahre andauernden Unterwanderung der Kirche durch die
Geheimgesellschaften. Man lese dazu auch den Artikel des Verfassers
"Die Kirche wird eine schreckliche Krise durchmachen" in EINSICHT Nr.2,
Juli 1987, S. 51 f. - Anm.d.Red.: Wie bereits in der damaligen Debatte
mit dem inzwischen verstorbenen H.H. Pfr. Milch dargelegt wurde, kann
nach CIC, can 16 ß 2a gerade bei hochgestellten Amtsinhabern nicht
angenommen werden, daß sich jemand in einem Irrtum befinde, ohne dies
zu wissen, besonders nicht bei demjenigen, der vorgibt, die oberste
Lehrgewalt zu besitzen!!! Selbst wenn Wojtyla unbewußt Häresien als
oberster Lehrinhaber verbreitet, so muß, er im Rechtsbereich, d.h. im
foro externo auch als formeller Häretiker angesehen und als solcher
behandelt werden, und nicht nur bloß als materieller. (Vgl. dazu
EINSICHT Nr.3, Sept. 1980, S.lo2; ebenso P. Matthäus Conte a Coranata:
"Institutiones" Bd. IV: "De delictis et poenis" n. 1856, Turin 1928.)
2) Es sei hier auf ein Buch des italienischen Journalisten und
Fachmannes für Geheimwissenschaften, Pier Carpi, verwiesen: "Die
Prophezeiungen von Papst Johannes XXIII." in dem u.a. die Aufnahme
Roncallis in einen Geheimbund ausführlich beschrieben wird.
3) Lefebvre, Marcel: "Satans Meisterstück", S.18.
4) Vgl. EINSICHT Mai 1972, S.l ff.
5) Lefebvre, Marcel: "Satans Meisterstück", S.33.
6) Übersetzung nach FREUDE AN DER WAHRHEIT, Wien, Nr.77, S.l, 2, 8.
7) EINSICHT April 1979, S.24o f.
8) a.a.O, Okt. 1979, S.168.
9) Lefebvre, Marcel: "Satans Meisterstück", S.43 f.
10) a.a.O., S.45.
11) SOUS LA BANNIERE No.4, Mars/Avril 1986, Artikel von Adrien Loubier.
12) a.a.O. 13) a.a.O. 14) a.a.O. 15) a.a.O.
16) Williamson in MITTEILUNGEN DER PRIESTERBRUDERSCHAFT ST. PIUS X., Juni 199o, S.3o.
17) SAKA-INFORMATIONEN , September 1988, S.147.
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