EIN KOMMENTAR FUR UNSERE ZEIT
verfaßt vom hl. Hilarius vor 1600 Jahren
übersetzt von Eugen Golla
Weshalb, o mein Gott, erlaubtest Du mir nicht, in den Zeiten eines Nero
oder Decius Deinen heiligen Namen zu bekennen und der Diener Deines
einzigen gezeugten Sohnes zu sein? Des Feuers vom Hl. Geist voll, hätte
ich die Folter nicht gefürchtet, denn ich hätte an Isaias gedacht, wie
er in zwei Teile zersägt worden ist. Ich hätte nicht das Feuer
gefürchtet, indem ich mir das ins Gedächtnis gerufen hätte, was die
drei Jünglinge im Feuerofen sangen. Das Kreuz sowie das Zerbrechen
sämtlicher Gebeine meines Leibes hätte aus mir keinen Feigling gemacht,
ermutigte mich doch dann der gute Räuber, der ins Paradies versetzt
wurde. Würden sie mich in die grausigsten Wogen des tiefen Ozeans
geworfen haben, hätte ich über ihre Drohung gelacht, lehrtest Du mich
doch durch das Beispiel von Jonas und Paulus, daß Du sogar im Meere
Deinen Dienern das Leben zu geben vermagst.
Wenn ich Glücklicher doch auch mit Menschen kämpfen könnte, die sich
selbst als Feinde Deines Namens bekennen würden! Jeder hätte
diejenigen, die versuchen würden, mit Folter, Schwert und Feuer einen
Christen zum Widerruf zu zwingen, Verfolger geheißen. Und mein Tod wäre
dann ein genügendes Zeugnis für Deine Wahrheit, o Gott! Der Kampf wäre
so ein offener gewesen, und niemand hätte gezögert, diejenigen, die
Dich leugnen und uns foltern und morden würden, beim wahren Namen zu
nennen. Dein Volk, welches gesehen hätte, daß es sich um eine
offenkundige Verfolgung handeln würde, wäre seinen Hirten im Bekenntnis
des Glaubens nachgefolgt.
Leider haben wir es aber in der gegenwärtigen Situation mit versteckten
Verfolgern zu tun, mit Feinden, die mit sanfter Zunge reden, wie z.B.
einem Constantius *), der sich zum Antichristen wandelte, der uns nicht
mit Peitschen, sondern mit Schmeicheleien geißelt; der - statt uns
auszurauben (was uns das geistige Leben gäbe), uns mittels Reichtum
besticht, um uns zum ewigen Tode zu führen; der uns nicht in die
Freiheit des Kerkers führt, sondern uns zu den Ehrungen seines
Palastes, um uns zu unterdrücken; der nicht unseren Körper zerfleischt,
sondern unsere Herzen; der uns nicht mit dem Schwert enthauptet,
sondern unsere Seelen im Gold ertötet; der uns nicht durch einen Herold
verkünden läßt, wir sollen verbrannt werden, sondern hinterrücks das
höllische Feuer für uns anzündet. Er diskutiert mit uns nicht, um zu
siegen, sondern er schmeichelt uns, um über unsere Seelen zu herrschen.
Er bekennt angeblich Christus, um ihn so besser verleugnen zu können.
Er versucht eine Einheit zu erreichen, die (in Wahrheit) den Frieden
zerstört. Er wirft einige Häretiker nieder, um auch die Christen
vernichten zu können. Er ehrt die Bischöfe, damit sie aufhören, als
Bischöfe zu wirken. Er baut Kirchen auf, um den (wahren) Glauben
niederzureißen.(...)
Man lasse die Menschen sprechen, wie und was sie wollen, und mich wegen
meiner scharfen Zunge der Verleumdung anklagen! Es ist die Pflicht
eines Dieners der Wahrheit, die Wahrheit zu sagen. Wäre das, was ich
hier vorbringe, gelogen, so laßt mich brandmarken als bekannter und
berüchtigter Verleumder. Kann ich aber meine Behauptung beweisen, dann
überschreite ich nicht die Grenzen der apostolischen Freiheit noch
verletze ich die Demut eines Nachfolgers der Apostel, wenn ich nach so
langem Schweigen auf solche Weise zu euch rede. (...) Nein, das ist
nicht Übertreibung, das ist der Glaube; es ist nicht Übermut und
Unüberlegtheit, es ist Pflicht; es ist nicht Leidenschaft, sondern
Gewissenspflicht.
Constantius, ich sage Dir das gleiche, was ich auch dem Nero oder dem
Decius oder dem Maximian gesagt hätte: Du kämpfst gegen Gott, du wütest
gegen die Kirche, Du verfolgst die Heiligen, Du hassest die Verkünder
Christi, Du zerstörst die Religion, Du bist ein Tyrann, nicht in
menschlichen Angelegenheiten, sondern in denen, die Gott zugehören, Ja
das ist es, was ich sowohl Dir als auch jenen sagen würde. Aber
vernimm, was nur Dir allein gesagt werden kann: Du nennst dich zu
Unrecht einen Christen, denn Du bist (in Wahrheit) ein Feind Christi.
Du bist ein Vorläufer des Antichristen und ein Verbündeter seines
Mysteriums des Bösen; Du, ein Glaubensrebell, verfertigst
Glaubensformeln. Du schleust Deine eigenen Kreaturen auf die
Bischofssitze. Du ziehst das Gute ab, um das Böse einzuführen. (...)
Mit Hilfe eines fremden genialen Planes, den bisher noch niemand
aufgedeckt hat, fandest Du einen Weg zu verfolgen, ohne Märtyrer zu
machen.
Wir verdanken euch, Nero, Decius und Maximian, viel! Eure Grausamkeit
diente uns. Wir überwanden den Teufel mit Hilfe eurer Verfolgung. Das
Blut der heiligen Märtyrer, die ihr machtet, wurde in der ganzen Welt
gesammelt und ihre ehrwürdigen Überreste stärkten uns im Glauben durch
ihr stummes, aber unaufhörliches Zeugnis. (...) Aber Du, Constantius,
grausam, wahrhaft grausam durch deine sublime Grausamkeit, bist ein
Feind, der gegen uns wütet, der uns mehr Unrecht zufügt und uns wenig
Hoffnung auf Verzeihung läßt. (...) Du beraubst die Gefallenen der
Entschuldigung und Reue, die sie bei ihrem ewigen Richter vorbringen
könnten, wenn sie ihm ihre Narben und Wunden zeigen könnten, die sie
für Ihn erduldet hätten; denn ihre Torturen hätten Ihn vielleicht
veranlaßt, ihnen ihre Schwäche zu verzeihen. Du aber, Du rasendster
aller Menschen, erfandest eine Verfolgung, die, wenn wir fallen, uns
der Verzeihung beraubt, und wenn wir triumphieren, uns nicht zu
Märtyrern macht. (...) Wir sehen Dich, reißenden Wolf, unter deinen
Schafskleidern. Du schmückst die Heiligtümer von Gottes Tempel mit dem
Gold des Staates und opferst ihm das, was Du seinen Tempeln entnahmst
oder mit Hilfe von Edikten besteuertest oder durch Bußgelder
erpreßtest. Du beugtest Dein Haupt zwar zum Segen, tratest dann aber
auf dem Glauben herum. Du empfingst seine Priester mit einem Kuß, der
demjenigen glich, durch den Christus verraten wurde. Du erließest dem
Klerus das Entrichten eines Tributs und der Steuer an den Cäsaren, um
sie zu bestechen, damit sie Renegaten gegenüber Christus werden, indem
Du Deine eigenen Rechte vorrangig einforderst, um Gott die Seinigen
streitig zu machen!
(aus: "Buch gegen Auxentius" vom hl. Hilarius von Poitiers, gest. um 367.)
Anmerkung:
*) Constantius II. war der Sohn Constantius des Großen und röm. Kaiser von 337-361; er gilt als Förderer des Arianismus.
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