§ 11. Kirche unter dem Kreuz
Die Gründung der "una et sancta Ecclesia", die eine geistige und
übernatürliche Zeugung (in similitudinem alterius) involviert, war nur
möglich durch den göttlichen Menschensohn und auf Seinem Wege zum
Kreuze. Wir haben gezeigt, was das im Wesentlichen beinhaltet und was
alles aus dem Gedächnis erschreckend vieler verschwunden ist, die sich
Christen, ja sogar Katholiken nennen. Aber vielleicht versteht man
jetzt das Wort Christi besser: "Jedem, der hat, wird gegeben, und er
wird im Überfluß haben; wer aber nicht hat, dem wird auch das, was er
noch hat, genommen werden" (Mt 25,29). Als Simon Petrus einmal heimlich
versuchte, Jesus Christus, dem "Messias" und "Sohn des lebendigen
Gottes" und 'Heiland des Menschengeschlechts', von dessen Weg zum
Kreuze abzubringen, sprach Er zu ihm: "Hinweg von mir, Satan
(Widersacher); du bist mir zum Ärgernis; denn du denkst nicht das, was
Gottes, sondern was der Menschen ist" (Mt 16,23). Wie viele
'Kirchengläubige' und sehr frommen Leute mit 'Heiligenschein' aber
denken nie, was Gottes und Christi ist, sondern immer nur, was der
Menschen ist und ihnen selbst gut tut oder was ihre 'Lebensqualität'
fördert. Zu dieser 'Herde' gehören auch die bekannten 'Heilsegoisten',
die immer nur auf ihr eigenes 'Seelenheil' bedacht sind, nicht aber auf
das des 'lieben Nächsten', auch wenn die Welt um sie herum zum Teufel
geht (im wahrsten Sinne des Wortes). Auch das sind absterbende oder
bereits tote Glieder der Kirche. Es hat keinen Sinn, dies leugnen zu
wollen, oder vernunftwidrig zu meinen, dies sei halt 'menschlich'.
Nein, das ist nicht menschlich, sonder schwer sündhaft. Es nutzt gar
nichts und ist schlechthin wertlos, wenn man, wie Christus gesagt hat,
"sein Leben gewinnt", aber an seiner Seele Schaden leidet, da man nicht
den Willen Gottes tut. Und wer kennt nicht diese Heuchler, die da
'herzinniglich' beten "Dein Wille geschehe" – aber, bitte, nicht bei
mir selbst, sondern immer nur bei den anderen! Man kann eine solche
'Gebetsmeinung' schon an ihren Gesichtern oder an ihrem Tun und
Sichverhalten ablesen. Oder glaubt jemand, Christus habe im Zuge der
Gründung Seiner Ek—klesia nicht gesehen, welchen Verführungen und
Versuchungen die "kleine Herde" ausgesetzt war? Wem wurde es damals und
wem wird es heute nicht un—heimlich, wenn er die Worte hört: "Wer sein
Leben retten will, der wird es verlieren; wer aber sein Leben um
meinetwillen verliert, der wird es finden" (Mt 16,25)? "Was ruft ihr
mich: Herr, Herr! Und tut nicht, was ich sage?" (Lk 6,46). Dies gilt
für alle (erwachsenen) Glieder der Kirche und in jeder Beziehung, nicht
aber für den einen mehr und für den anderen weniger, und niemand
verlasse sich weder auf sich selbst noch auf einen anderen, sonst ist
er verlassen. Verlaß ist allein auf den, der die Heils—wahrheit
geoffenbart hat und von sich selbst sagen konnte: "Deshalb, weil ich
mein Leben hingebe, liebt mich der Vater, so daß ich es wieder
empfange. Niemand nimmt es von mir, sondern aus mir selbst gebe ich es
hin; ich habe die Macht, es hinzugeben, und ich habe die Macht, es
wieder zu empfangen" (Joh 10,17-18). "Was kann", fragte Christus Seine
Nachfolger, "der Mensch als Gegenpreis für seine Seele geben?" (Mt
16,26). Nun, nichts kann er wirklich geben und hingeben, es sei denn
sein Leben. "Laß die Toten ihre Toten begraben" (Lk 9,60), denn was
endgültig tot ist, wird nicht wieder lebendig.
Christus hat keine Ek—klesia gegründet oder ins Leben gerufen, um sie
dann wieder zu einem Leichnam mit toten Gliedern werden zu lassen oder
zu einer 'religiösen Heilanstalt' für 'verinnerlichte' (introvertierte)
Geistes- bzw. Gemütskranke, sondern um ein lebendiges "totum sociale
sui generis" an sich zu ziehen und dadurch auf den Weg des wahren
Heiles zu bringen. Dieser Weg aber ist ein Weg des Kreuz tragens und
führt zum Kreuze der Erlösung. Darum belehrte Christus diejenigen, die
Sein Wort bereitwillig hörten, annahmen und befolgten: "Nun ist
(ergeht) das Gericht über diese Welt (= über das der Sünde verfallene
Menschengeschlecht); nun wird der Fürst dieser Welt hinausgeworfen
werden. Und ich werde, wenn ich von der Erde (am Kreuze) erhöht bin,
alle an mich ziehen" (Joh 12,31-32). Daraus aber folgt nicht, daß alle
Menschen erlöst wurden, sondern nur, daß der Mensch als ein mit der
Schuld der Erbsünde beladenes Geschöpf Gottes durch den göttlichen
Menschensohn erlöst worden ist, so daß ein jeder die "ewige
Glückseligkeit" erlangen kann, wenn... Denn "der Stachel des Todes ist
die Sünde" (1 Kor 15,56), und zwar sowohl die allgemeine Erbsünde als
auch die persönliche Todsünde, zu der auch der selbstverschuldete
Unglaube und der unwahre Glaube gehören.
Die überall zu hörende Auffassung von der 'Kirche' als nur einer
"Gemeinschaft der Gläubigen" ist das reinste Hirngespinst, in sich
sinnlos und ohne jede Bedeutung. Eine solche 'Kirche' hat kein
Fundament im göttlichen Menschensohn und kein Recht, sich auf Ihn zu
berufen. Es gibt auch keine Wieder—vereinigung von oder der 'Kirchen',
da diese Gebilde in der Gesellschaft nicht einmal Teile im Sein und
Wesen der heilsgeschichtlichen "una et sancta Eccclesia" sind, sondern
bloßes Menschenwerk oder, um mit dem hl. Paulus zu sprechen, ein "Werk
des Fleisches". Die nur katholisierende 'röm. Konzilskirche' aber ist
sowohl ein solches als auch das Werk eines "unreinen Geistes". Darum
ist sie auch (nach einem Worte Christi) unfähig, "den Starken zu
binden", wie weltweit offenkundig ist. Wer will das leugnen? Doch
leider sind erschreckend viele, wenn es sich um göttliche Dinge (res
divinæ) oder religiöse Sachverhalte (res religiosæ) handelt, gar nicht
in der Lage, Schein und Wirklichkeit zu unterscheiden. Dagegen aber
läßt sich herzlich wenig tun, wie die Erfahrung lehrt. Denn der Mensch
ist schon von Natur aus geneigt, nicht nach der Erkenntnis der
göttlichen Wahrheit zu streben, sich ihr nicht zu unterwerfen und nicht
nach ihrer Norm zu handeln, was eine reale Folg der Erbsünde ist. Auch
Christus stand als "Lehrer Israels" im Anblick des Volkes vor dieser
Tatsache und litt darunter. Denn schon "das Herz der Weisen ist im
Trauerhaus, das Herz des Toren aber im Haus der Freude. Besser, den
Tadel des Weisen zu hören, als daß man dem Lied der Toren lauscht"
(Pred 7,4-5). Noch belastender aber wird es, wenn man auf Toren trifft,
die der festen Überzeugung sind, weise zu sein, ja sogar 'erleuchtet'.
Es ist besser, sich mit solchen 'Religiösen' oder auch Religiosen' erst
gar nicht einzulassen, da sie ein religiöses Ärgernis sind. Außerdem
machen sie aus der Ek-klesia Jesu Christi ein Tollhaus zur Freude und
zum Gelächter ihrer Feinde.
In Sachen der heilgeschichtlich einzigartigen "una et sancta Ecclesia",
die eine religiöse "res naturalis et supranaturalis" ist, sind
heutzutage ihr Gründer und das Gegründete sowie ihr Zeuger und das
Gezeugte weitgehendst aus dem Gedächnis verschwunden und im Bewußtsein
der meisten, ja fast aller 'Gläubigen', die sich Christen nennen, gar
nicht mehr präsent. Als die (nicht: eine) 'Kleine Herde' durch den
göttlichen Menschensohn ins Leben gerufen wurde und ins Da—sein trat,
bestehend aus Jüngern, Aposteln und Anhängern, den wahrhaft
"Untergebenen" des "rex Christus", da wußten alle Seine Schafe, daß
sich ein Leidens—weg eröffnet und ein solcher ihr Leben bestimmen wird
– um Jesu Christi willen, aber auch zu ihrem Heil, zu ihrer Erlösung,
durch "den Heiligen Gottes". Darüber hatte der allein "gute Hirt"
niemanden im unklaren gelassen. Diese Menschen, unter denen sich
übrigens auch Heiden befanden, und die man auch als die ersten Christen
bezeichnen kann, verstanden noch das Wort Christi vom Menschensohn, der
gekommen ist, um "sein Leben als Löse—preis hinzugeben für viele" (Mt
20,28). Von einem Lösepreis "für alle" ist da überhaupt nicht die Rede
und hätte auch gar keinen Sinn. Denn ein solcher Lösepreis für andere
hat die Bedeutung eines Sieges—preises über den "ewigen Tod" und
impliziert ein Erlöst- und Heilig—werden in diesem Leben, das einen
Anfang und ein Ende hat. Heute hat man aus dem göttlichen Menschensohn
sowohl einen lächerlichen "lieben Jesus" als auch einen judaistischen
"Sündenbock" 'für alle' gemacht. Die ersten Christen haben von solchen
Wahnsinnslehren nichts gewußt, da sie von Christus über etwas ganz
anderes belehrt wurden. Doch nur wenige dürften Sein Offenbarugs—Wort
verstanden haben: "Mit einer (blutigen) Taufe muß ich getauft werden;
und wie sehr drängt es mich, bis sie vollbracht ist!" (Lk 12,50).
Sicherlich aber haben es drei Menschen verstanden, wenn auch aus
verschiedenen Gründen: zuerst Maria, die geheiligte Mutter des Herrn,
und dann Johannes, der Apostel und 'Lieblingsjünger Jesu', sowie
Stephanus, der erste Märtyrer und Studienfreund des hl. Paulus. Von
dieser Taufe hatte Johannes der Täufer nur eine dunkle Ahnung, als er
einmal Christus vorübergehen sah und zu seinen Jüngern sagte: "Seht,
das Lamm Gottes!" (Joh 1,36). Es war jedoch, geistig gesehen, noch ein
langer und dorniger Weg von einem Johannesjünger zu einem Jünger Jesu
Christi, der nur das ist, was er ist, durch eine gnadenhafte Berufung
zu einer treuen Gefolgschaft und bedingungslosen Nachfolge auf einem
Wege des Kreuzes. Die ganze Ek—klesia ist davon in ihrer Existenz
geprägt, wie schon ihr Gründungsprozeß beweist, der sich
heilsgeschichtlich auf eine eigentümliche Weise wiederholt, da Christus
immer ihr Ziel—Gut, ihr Haupt und ihr Herr ist und bleibt.
Es gibt keine Verwirklichung des einen und heiligen Reiches Gottes oder
der Ek—klesia Jesu Christi 'in dieser Welt' ohne den, der "der Weg, die
Wahrheit und das Leben IST." Dieser allein war und ist ontologisch und
ontisch das Fundament und der Eckstein dieses natürlichen und
übernatürlichen "totum sociale sui generis" – nicht jedoch die
'Hierarchie in der Kirche'. Denn Christus hatte schon den Aposteln
unmißverständlich gesagt: ohne Mich könnt ihr gar nichts tun! Daraus
aber folgt: wenn jemand etwas ohne Ihn tut oder was Ihm gar nicht
entspricht, dann tut er immer etwas gegen Ihn und was Ihm nicht
entspricht. Die Einbildung, der Hochmut und die Machtgier, ohne Ihn
etwas tun zu können, waren typisch für das Natterngezücht des
Klerikalismus einer sich auf Schleichwegen mehr und mehr etablierenden
"Kleruskirche", die die ganze Laienschaft zu einem bedeutungslosen
Akzidens der Kirche machte. Klerikalisten waren (und sind) sehr leicht
zu erkennen. Denn ein Klerikalist verstand nie und war auch gar nicht
willens, zu begreifen, welche Wahrheit der hl. Petrus meinte, als er
von Rom aus an die Kirche in der Diaspora schrieb: "Ihr aber seid ein
ausgewähltes Geschlecht, ein königliches Priestertum, ein geheiligtes
Volk, ein Volk, das dazu erworben wurde, damit ihr die Ruhmestaten
dessen verkündet, der euch aus der Finsternis in sein wunderbares Licht
berufen hat" (1 Petr 2,9). Es ist absurd und führt zu nichts, immer nur
'die Tradition' zu beschwören oder sich in einem blinden Glauben für
einen Traditionalisten zu halten, wenn man an religiösem
Gedächnisschwund leidet, in der Regel selbstverschuldet, und nicht
weiß, was sich schon seit langem in der katholischen Kirche abgespielt
hatte und sie von innen heraus zersetzte. Die ständige Fixierung auf
lebensbedrohende Übel und Gefahren von außen, verstellten den Blick für
tödliche Übel im Inneren dieses sozialen Ganzen mit seinen Teilen oder
Gliedern, die ja auch "untereinender Glieder sind" und sogar
voneinander leben: materiell, geistig und spirituell. – Neulich wurde
mit dem 'Segen Roms' ein Prälat Sterzinsky in der Ostberliner
St.—Hedwigs—Kathedrale zum neuen 'Bischof' von Berlin 'geweiht' und
verkündete dann in Anwesenheit von mehr als 2000 freudig gestimmten
Neukatholiken die 'Frohbotschaft': "Das Joch des Herrn ist süß" und
"drückt nicht"! Niemand von den gebildeten und ungebildeten 'Gläubigen'
und Gästen erfaßte und durchschaute diesen grandiosen Schwindel, der da
wie auf der Bühne eines Schmierentheaters aufgeführt wurde. Alle waren
'sichtlich bewegt' und dankten Gott für seine Wohltat. Wenn der "Fürst
dieser Welt(zeit)" und seine Engel Menschen wären oder Tiere, dann
hätte man ein schallendes Gelächter oder ein Grunzen hören können. Aber
so ist es nun einmal: wer Ohren hat, der höre, anstatt sie sich zu
verstopfen oder großohrig falschen tönen begierig zu lauschen, wenn sie
einen umschmeicheln.
Im übrigen wurde schon im 5. Jahrhundert die Gefahr einer geistigen
Verarmung und Zersetzung der ganzen Kirche durch Vermassung erkannt,
als Salvianus von Massilia (gest.um 480) besorgt schrieb: "Verschwunden
und längst vorüber ist jene herrliche, alles überragende, beseligen
Kraft der Frühzeit deines Volkes, Kirche, da alle, die sich zu Christus
bekannten, den vergänglichen Besitz an irdischem Vermögen in die ewigen
Werte himmlischer Güter verwandelten. ...denn als sich die Masse der
Gläubigen vervielfachte und anschwoll, wurde der Glaube selbst
verringert und verlor an Kraft, und mit dem Mengenwachstum ihrer Kinder
wird die Mutter krank. Und so ist du, Kirche, durch deine gesteigerte
Fruchtbarkeit schwächer geworden, bist durch die Mehrung zurückgesunken
und hast an Kräften abgenommen. Gewiß: du hast über die ganze Welt hin
die Glieder ausgesandt, die zwar dem Namen nach den Glauben haben, aber
keine Glaubenskraft, und so begannst du reich zu werden an Scharen,
aber arm an Glauben; du wurdest weiter (ausgedehnter) dem Leibe nach,
aber verkümmertest an Geist. Du bist...eine fast nie dagewesene,
unerhörte Art von Fortschritt und Rückschritt in einem. ...sind doch
heute deine Kinder zum größten Teil Händler mit todbringender Ware,
irdischen, nein teuflischen Krämern und Schankwirten gleich, und
schachern mit Dingen, die selbst zugrunde gehen und andere zugrunde
richten. Um Geldgewinn kaufen sie den Schaden am ewigen Leben; um
fremdes Gut zu erwerben, verschwenden sie das eigene. Der Erde
überliefern sie ihre traurigen Schätze, die den Erben eine kurze
Freude, den Stiftern einen langen Schmerz bringen werden." etc. usf.
... Ach, wie gegenwartsnah das doch klingt, als wäre es heute
geschrieben! Die Kirche muß göttlichen Ursprungs sein, sonst würde sie
schon lange nicht mehr existieren! Indessen existiert sie immer nur als
"die Kleine Herde" im Gegensatz zur übrigen Bevölkerung oder
'Massengesellschaft'. Das hat man wohl total vergessen in Anbetracht
eines aufgeblähten 'Kleruskörpers', der sich zu allem Übel auch noch
als die Hierarchie "der" Kirche ausgab, obwohl er nur in der
hierarchischen Kirche existieren kann, und dann wiederum entweder zum
Guten oder zum Bösen. Man komme uns doch bloß nicht mit dem Hl. Geist,
denn dieser weht, wo er will, nicht aber dort, wo es gewisse
Herr—schaften wollen. Warum wird nicht mehr gewußt, was das Wort
Christi bedeutet und alles beinhaltet: "Was aus dem Fleische geboren
ist, ist Fleisch; was aber aus dem Geist geboren ist, ist Geist" (Joh
3,6)?!
Der Gründungs- und Zeugungs—prozeß der "una et sancta Ecclesia", dieses
einzigartigen "opus operatum" des göttlichen Menschensohnes, fand seine
erste Vollendung in der Kraft Seines blutigen Opfer—Todes am Kreuz auf
Golgotha. Durch diesen Tod, der die Sünden—schuld des Menschen tilgte,
aber wurde die "Ecclesia sua" in ihrem Sein und Werden endgültig und
unzerstörbar rein, heilig und makellos, so daß sie dadurch auch in die
Lage versetzt wurde, in einem analogen Sinne mit ihrem heiligen Haupte
wieder aufzuerstehen, sei es auf eine geistige und übernatürliche Weise
in diesem Leben oder einmal mit Leib und Seele zu einem ganz anderen
Leben. Zu ihren vollkommenen und makellosen Gliedern gehören jedoch nur
jene, die "ihre Kleider weiß gewaschen haben im Blute des Lammes" (Offb
7,14). Indessen folgt daraus nicht, daß sie nur aus solchen Gliedern
besteht oder offenkundig "tote Glieder" immer mit sich schleppen muß
(so verhält es sich ganz und gar nicht; so etwas 'lehrten' nur Heuchler
und Betrüger). Denn der göttlichen Menschensohn gab sich nicht hin für
Seine und Seines Vaters Feinde, sondern für Seine, von der Schuld der
Sünde niedergedrückten, Freunde und für alle, die "mühselig und
beladen" sind und unter der "Knechtschaft der Sünde" lebten und litten.
"Er gab sich hin für uns, damit er uns loskaufe von aller
Ungerechtigkeit und für sich rein mache ein Volk, das ihm gehört (nicht
bloß: angehört) und eifrig ist im Wirken des Guten (Tit 2,14). Dabei
sollte man freilich nicht übersehen, daß nur derjenige, welcher ohne
Todsünde ist, das im Sinne Christi wirklich und wahrhaft Gute zu wirken
vermag. Im übrigen ist das Wirken des Guten nicht dasselbe wie jemandem
etwas Gutes tun; denn so etwas tun auch die Heiden, wenn sie das
Sittengesetz befolgen. Christi Lehre in Wort und Werk ist aber keine
bloße Morallehre, sondern eine Heilslehre, die auch das vollkommene
Reinwerden und die Heiligheit zum Gegenstand hat. Andernfalls würde
sich die christliche Existenz in ihrem Wesen von einer
nicht—christlichen gar nicht unterscheiden. Darum irrten alle, die
meinten, die Kirche sie eine "moralische Anstalt" oder ein "religiöses
Erziehungsinstitut" für Mitglieder einer 'Religionsgemeinschaft' – also
nur ein Kulturphänomen und so nicht anderes als Menschenwerk 'in
dieser' und 'von dieser Welt', das deshalb auch nur als ein solches
eine Daseinsberechtigung in Staat und Gesellschaft habe, bestenfalls!
In Wahrheit aber toleriert man nur 'Kirchen' oder kirchenähnliche
Gebilde (im Plural), niemals jedoch die Ek—klesia Jesu Christi, da
diese von ihrem Wesen her eine "Ecclesia militans et in via" (kein
statisches, sondern ein dynamisches Gebilde) 'in der Welt' ist. Und
immer dann, wenn diese eindeutig und unverwechselbar in Erscheinung
tritt, formieren sich ihre Feinde, deren Geist 'von dieser Welt' ist.
Außerdem formiert sich eine feindselige Genossenschaft (Kumpanei)
sowohl außerhalb als auch innerhalb der Kirche, die das gleich Geschäft
betreibt. Auch das wurde bereits im Gründungsprozeß der Kirche
offenkundig. Darüber braucht sich doch niemand zu wundern, Denn der
göttliche Menschensohn wurde schließlich gesetzt im Zeichen und zum
Zeichen des Widerspruchs 'in dieser Welt' – Er selbst und damit auch
Seine Ek—klesia. Darum gilt insbesondere für sie: "Wer nicht mit mir
sammelt", der tut und wirkt nicht nur nichts Gutes, sondern "der
zerstreut" und wirkt nur Schlechtes in allem, was er auf religiösem
Gebiet tut. Wenn Glieder der Kirche niemandem mehr zu einem echten
(nicht vorgetäuschten) religiösen Ärgernis werden, dann ist eine Menge
faul in der "res publica ecclesiastica" und dann lebt man bereits 'in
Gemeinschaft' mit "fremden Schafen", die nicht von "Seiner Herde" sind,
gleichgültig ob (privat) in der Familie oder (öffentlich) in der
Gesellschaft oder (sektiererisch) in einer mysteriösen
'Glaubensgemeinschaft', die, um mit Christus zu sprechen, "schon
gerichtet ist". |