§ 7. Der göttliche Gründer, das Gegründete und seine Jüngerschaft
Zwischen dem Gründer und dem Gegründeten, d.h. der sozialen Ganzheit
der "una Ecclesia" und ihren Gliedern, besteht keine Wechselbeziehung,
kein Wechselverhältnis (relatio mutua), da ein Gründer vom Gegründeten
genau so wenig abhängig ist wie ein Künstler vom Kunstwerk, sondern nur
eine Ursprungsbeziehung oder ein Ursprungsverhältnis (relatio
originis). Immer dann, wenn diese Relatio nicht mehr intellektiv erfaßt
oder verfälscht wurde, geriet man in eine chaotische und irrgläubige
Auffassung von einer "Una Sancta" oder von einer
"heiligen—katholischen" Kirche (ohne Komma dazwischen), so daß hernach
in einer solchen 'religiösen Atmosphäre' die Mystizisten und die
klerikalistischen Ideologen und andere 'geistlichen Scharlatane' leicht
ihr Unwesen treiben konnten. Der hl. Paulus wäre sicherlich gegen diese
Leute vorgegangen, um ihnen das Handwerk zu legen. Unseres Wissens
scheint in dieser Sache das kirchliche Lehramt geschlafen zu haben.
Oder kann man sich dieses Schweigen noch anders erklären? Christus
sagte nicht bloß zu Seinen in ein Gefolgschaftsverhältnis berufenen
Jüngern und Aposteln sondern ganz allgemein und grundsätzlich "zu den
(vielen) ihm gläubig gewordenen Juden: 'Wenn ihr in meinem Worte
verbleibt, werdet ihr wahrhaftig meine Jünger sein; ihr werdet die
Wahrheit erkennen, und die Wahrheit wird euch freimachen' " (Joh
8,31-32). Daraus aber folgt: wenn man als ein Ihm gläubig gewordenen
Mensch nicht in Seinem Offenbarungsworte verbleibt, nicht an Seiner
Heilslehre festhält und sich nicht Seiner Wahrheit unterwirft, dann
geht man des wahren Jünger—seins verlustig und wird zu einem "toten
Glied" der Kirche. Niemand aber kann in Seinem Wort wirklich verbleiben
ohne die "tractio Patris" und ohne Erkenntnis "per fidem et rationem".
Schmal ist der Weg ins Himmel—Reich, breit hingegen die Autobahn in die
Hölle! Konnte wohl etwas lächerlicher sein als die Auffassung von der
Kirche als einer bloßen "Heilsanstalt", zu der dann natürlich auch
"Seelsorger" paßten, die das 'Heil verwalteten', vor allem aber für
ihren eigenen Leib sorgten? Das Ganze roch nach einer großen
psychiaterischen Klinik, in der Therapeuten eine sonntägliche
Gruppentherapie veranstalteten, mehr oder weiniger feierlich, gemütvoll
und herzergreifend. Dies war auch die Geburt des in sich verkrümmten
"Milieukatholizismus" und der geistlosen "Volksfrömmigkeit". Von einer
"Ecclesia militans" in der Gesellschaft, die sich rapide veränderte,
umstrukturierte und pluralistisch wurde, war nichts mehr zu erblicken.
Die hie und da in Erscheinung tretenden "Einzelkämpfer" mit einem
unsichtbaren Kreuz auf der Stirne fielen nicht mehr ins Gewicht und
blieben, wie man zu sagen pflegt, auf der Strecke (soweit es die
"Heilsanstalt" betraf). Die Kirche ist genau so weinig wie der Staat
ein Institut, sondern ein Sozial—Gebilde (compages socialis) und als
ein solches ein gewirktes Werk (opus operatum) der göttlichen
Menschensohnes, nicht jedoch eine religiöse Einrichtung und damit
Menschenwerk. Wie viele haben öffentlich auf irgendeine Weise bekundet
und sogar dreimal geschworen wie Simon Petrus, Ihn nicht zu kennen? Von
den heutigen Judassen möchten wir erst gar nicht reden, die allerdings
nicht die Neigung verspüren, sich selbst an einem Stricke aufzuhängen.
Wo steht denn geschrieben, daß sich Verleugnung oder Verrat nicht
wiederholen oder niemals wiederholen können? Es ist tröstlich, wenn man
weiß, daß Christus Seine Kirche nicht auf Päpste und Bischöfe gebaut
hat, sondern auf die Apostel und Propheten; bevor Er sie jedoch
aufbaute und in ihren Grundelementen festlegte, mußte Er sie zuerst
einmal gründen. Darum hilft es auch gar nicht, sich in dieser komplexen
Sache, um sie zu erfassen, auf Mt 16,18 zu berufen und damit zu
operieren. Dies hat nur zu falschen Perspektiven geführt und den sog.
"Primat Petri" mit ganz unnötigen Problemen belastet. Man hat sich
diesbezüglich von seiner Leugnung oder Mißdeutung durch dumm—dreiste
Protestanten und andere Häretiker und Schismatiker viel zu sehr
beeindrucken lassen, obwohl diese 'Christen' vom Sein und Wesen der
Ek—klesia des göttlichen Menschensohnes überhaupt keinen Begriff haben.
Sie jonglieren nur mit einem Erkenntnis—leeren Wort herum, das nichts
bezeichnet und nichts Quidditatives zum Ausdruck bringt. Im übrigen
kann man das sehr leicht feststellen. Wir aber werden nicht aufhören zu
fragen nach dem in dieser Welt Gegründeten durch den göttlichen
Gründer, also nach Seinem 'opus operatum' der Kirche.
Innerhalb des Bereiches der zwischen dem Gründer und dem Gegründeten
bestehenden und unaufhebbaren 'relatio originis' be—gründete
(konstituierte) Christus im Hinblick auf die Teile oder Glieder eines
neuen Gesellschafts—Ganzen ein spezifisches Jünger—Verhältnis, aber
nicht ein solches der Gleichmacherei oder irgend eines Kollektivismus
(Kommunismus oder Sozialismus), sondern der Distinktion und eines Ordo,
d.h. eines in seinen Gliedern geordneten Sinn—Ganzen. Dieser
Sach—verhalt trat schon am Anfang in Erscheinung. (Die Kirche ist weder
eine gesichtslose "Hammelherde" von "Gläubigen" noch eine geistlose
Gesellschafts—Masse von "Glaubenden", die heute nicht mehr an der
Vergangenheit kleben, sondern "zukunftsorientiert" sind, wie die
katholisierenden Pseudobischöfen seit dem Vatikanum 2 verkünden.) In
diesem Zusammenhang sollte man aber niemals vergessen, daß bei der
Begründung des Jünger-Verhältnisses das Jünger—werden auf einer
Berufung durch den göttlichen Menschensohn beruht und daß nicht alle
Jünger zum Gleichen und Selbigen berufen sind, ganz abgesehen davon,
daß man einer Berufung wieder verlustig gehen kann; denn das Verbleiben
im Worte Christi hängt sowohl von einer besonderen göttlichen
Gnaden—Gabe ab als auch vom freien Willen des Einzelmenschen. Wenn
Gott, der Vater, durch den Sohn willige Menschen, die mit der Erbsünde
und ihren Folgen belastet sind, zum göttlichen Menschensohn zieht, dann
ist damit noch gar nichts Endgültiges geschehen, geschweige denn
entschieden. Das Jünger—sein ist auch nicht notwendig ein bleibender
Besitz. So etwas hatten sich immer nur hochmütige und eitle Kleriker
eingebildet, nicht jedoch Laien, die wußten, was das bedeutet: "Ihr
seid das Salz der Erde. Wenn aber das Salz seine Kraft verliert, womit
soll es gesalzen werden? Es taugt zu nichts weiter, als daß es
hinausgeworfen und von den Menschen zertreten werde" (Mt 5,13). Es gab
schon lange vor dem Vatikanum 2 das seltsame Gebilde einer
"Kleruskirche", die fälschlicherweise als "Papstkirche" bezeichnet
wurde (vor allem von Protestanten) und in der sich ein Haufen von
Leuten (vulgus incautum ovium) vereinigt hatte, die keine Jünger
Christi waren. Und nach dem "Konzil" wurde dann jahrelang in Wort und
Schrift das Märchen von einer "Krise der Kirche" verbreitet, die es nie
gegeben hat, wohl aber eine Krise des Klerus, der ja in dieser
"Kleruskirche" seine Wurzeln hatte. Die sog. Traditionalisten mit ihrer
sektiererischen Mentalität hatten davon nicht die geringsten Kenntnisse
und wurden deshalb auch so leicht zu einem Spielball er "römischen
Konzilskirche" gemacht.
Der göttlichen Menschensohn "sammelte" nicht Jünger "um sich" (wie ein
Hochschulprofessor Schüler oder wie ein Volkstribun Anhänger oder wie
ein Parteiboß Kumpane) – das ist primitiver Naturalismus und blinder
Rationalismus -, sondern Er berief im Zuge der Gründung Seiner Kirche
Menschen ohne Ansehen der Person zu Jüngern, und zwar nach Seinem
Willen und gemäß Seiner Maßstäbe. Alle Jünger werden sich im stillen
gefragt haben: warum nun gerade ich? Warum nicht auch dieser oder
jener? Das liegt in der Natur der Sache. Außerdem konnte eine solche
Berufung sogar zu einer großen Versuchung werden: denn selbst unter den
Aposteln war ein offener Streit ausgebrochen, obwohl die Situation
nicht schlechter hätte sein können, "wer von ihnen als der Größte
gelte. Er aber sprach zu ihnen: 'Die Könige der Heidenvölker spielen
den Herrn über sie und die Gewalthaber lassen sich 'Gnädige Herren'
nennen. Ihr sollt nicht so sein; sondern der Größte unter euch werde
wie der Kleinste und der Gebietende wie der Dienende' " (Lk 22,24-26).
Diese Textstelle brauch man nicht zu interpretieren, wenn man bedenkt,
welche Titel sich gewisse Herren in der Kirche schon zugelegt haben, um
ihr Ansehen zu steigern und leichter Macht ausüben zu können. Schon ein
kleiner Kaplan war ein "Hochwürdiger Herr" und fühlte sich auch so. Auf
der anderen Seite standen dann die Heuchler, die, wenn sie etwas näher
unter die Lupe genommen werden, sogleich mit dem Worte bei der Hand
waren, sie seien doch nur "einfache Priester", gleichsam simple
Arbeiter im Weinberg des Herrn oder kleine Gemeindebetreuer bzw.
"Seelenhirten", die es doch mit "einfachen Leuten" zu tun hätten.
Die Jünger Christi unterschieden sich von den "Johannes—Jüngern" nicht
bloß qualitativ, sondern wesenhaft, da das von Christus begründete
Jünger—Verhältnis auf einer Berufung beruhte, die zudem noch den
eigentümlichen Charakter einer Erwählung hatte. Eine solche Sache aber
hat nicht das geringste zu tun mit einer Auswahl oder Wahl von frommen
Leuten aus "Anhängern Jesu". Darum kann man genau so wenig von einer
Wahl 'der' Apostel wie von einer Wahl 'der' Jünger sprechen, da es sich
um einen ganz außergewöhnlichen Vorgang handelt, und zwar um einen
Vorgang, der innerhalb des Gründungsprozesses der lebendigen Ganzheit
einer Ek-klesia gelegen hat. Denn Christus hatte bereits überall, wo Er
öffentlich auftrat, durch Seine Worte und Taten (bildlich gesprochen)
'gesät, Pflanzen wachsen lassen und zur Frucht gebracht', als Er zu
Seinen Jüngern sprach: "Die Ernte ist groß, aber die Arbeiter sind
weinige. Bittet daher den Herrn der Ernte, daß er Arbeiter in seine
Ernte sende" (Mt 9, 37-38), um die Ernte unversehrt und unbeschädigt
einzubringen. Diese Arbeiter sind nützliche Knechte, weil sie von ihrer
Arbeit etwas verstehen, im Gegensatz zu einem "unnützen Knecht", der
beim Einbringen der Ernte vieles wieder verdirbt; außerdem sind die
nützlichen, weil zu einer bestimmten Arbeit geeignete Knechte, weder
Sklaven noch Fronarbeiter, sondern Lohnarbeiter, die vorher mit ihrem
Herrn einen Arbeitsvertrag abgeschlossen haben, in dem auch der Lohn
festgesetzt worden war. Es führt zu nichts, sondern nur auf Abwege,
wenn man die Aussagen der Hl. Schrift ohne Vernunft zu verstehen und
ohne Verstand zu begreifen sucht. "Im Glauben" aber erfaßt man gar
nichts, auch wenn man noch so 'fromm und gläubig' ist. Das Gegenteil
behaupten nur die falschen Lehrer oder Irrlehrer und die falschen
Evangelisten oder Frohbotschaftsverkünder, die allesamt von einem
wahnhaften religiösen Glauben infiziert sind, der natürlich auch seine
wohlbekannten Ursachen hat. Nichts ist so verborgen, daß es nicht doch
einmal zum Vorschein kommt, und zwar in aller Öffentlichkeit. Man
braucht nicht erst darauf zu warten, bis die Wahrheit des Satzes in
Erscheinung tritt: "an ihren Früchten werdet ist sie erkennen." Denn
nicht selten genügen bereits ihre Worte und Gedanken, um zu erkennen,
wie die Früchte aussehen werden.
In Hinblich auf die Berufung und Erwählung (destinatio temporalis) von
religionsmündigern, bildungsfähigen, lernwilligen und zu bestimmten
Zwecken geeigneten Menschen, gleichgültig ob zu Jüngern oder zu
Aposteln, bestand zunächst überhaupt kein Unterschied. Ein Unterschied
ergibt sich erst aus anderen Prinzipien, die aber nicht den
Gründungsprozeß der Kirche betreffen, sondern ihren Aufbau, der
wiederum teils göttlichen teils menschlichen Ursprungs ist. Man darf
diese ganze Sache nicht umkehren oder auf den Kopf stellen, sonst
begreift man gar nicht das reale und einzigartige Werk des göttlichen
Menschensohnes und macht sich hier nur falsche Vorstellungen, die im
übrigen ebenfalls eine schon ziemlich lange 'Tradition' haben. Warum
haben denn die Pharisäer und Schriftgelehrten, die sich als die
'wahren' "Jünger des Moses" (Joh 9,28) bezeichneten, dieses neue
Jünger—wesen im jüdischen Volke so sehr beargwöhnt, für Teufelswerk
gehalten und gefürchtet, das sich auf den "Nazoräer" konzentrierte, der
angeblich nie müde wurde, bei jeder Gelegenheit das Schreckgespenst
einer nur ihm ergebenen Jüngerschaft an die Wand zu malen, bestehend
aus Männern und (sogar) Frauen?! Das war etwas noch nie Dagewesenes und
für diese Leute auch völlig unbegreiflich. Darum gerieten sie ja auch
in Wut, als sie Christus lehren hörten: "Zum Gericht bin ich in diese
Welt gekommen, damit die nicht Sehenden sehen und die Sehenden blind
werden", und dann zu Ihm sagten: "Sind etwa auch wir blind?". Die
zurechtweisende Antwort Christi war vernichtend. Denn Er erwiderte
ihnen nicht bloß: sicherlich seid ihr geistig blind, borniert und
aufgeblasen, sondern: "Wenn ihr blind wäret, so hättet ihr keine Sünde;
nun aber sagt ihr: Wir sehen! Darum bleibt eure Sünde" (Joh 9,39-41).
Was werden sich wohl diejenigen gedacht haben, die dabei waren, so
etwas hörten und miterlebten ? Man muß es sich einmal klar machen, wie
einschneidend solche "Schwert-Worte" gewirkt haben müssen!
Wenn heutzutage Zeitgenossen auftreten, die behaupten, saß sie "Jesus
begegnet" seien oder "Jesus sehen" würden, oder verkünden "Jesus liebt
dich" (und alle), dann kann jeder echte Christ von vornherein wissen,
mit wem oder was er es zu tun hat. Es ist besser, solchen Leuten aus
dem Wege zu gehen und mit ihnen erst gar nichts zu tun haben. Denn es
handelt sich um Häretiker oder irrgläubige Illusionäre mit einer
ausgesprochenen primitiven Religiosität und einem wahnhaften religiösen
Glauben. Die "römische Konzilskirche" und konziliar—ökumenische "Mutter
Kirche" verdaut das alles wie eine fette 'heilige Kuh' mit einem großen
Magen. Nur ein ganz kleiner Teil von denen, die Mitleid verdienten,
wurden vom göttlichen Menschensohn auch geliebt, und zwar auf die Weise
der Freundschaft (amor amicitiae); die übrigen jedoch waren für Ihn nur
eine Last, die Er geduldig trug. Warum weiß man das alles nicht mehr?
Und warum konnten schon früher hochgestellte 'Kirchenleute', denen das
'gläubige Volk' nicht bloß untertan, sondern untertänig war,
ungehindert und ungestraft in Wort und Schrift aus dem göttlichen
Menschensohn eine lächerliche Figur machen, wie z.B. auch einen
holdseligen, milde blickenden und mit sanfter Stimme redenden "Jesus",
den schon zu Lebzeiten kein Mensch ernst genommen hätte? Das Gegenstück
dazu war dann ein mystifizierter und gänzlich irrealer "lieber
Heiland", über den sich nicht bloß die Nicht—katholiken lustig machten.
In diese lichtlosen Glaubensperspektiven gehört(e) auch das
'Bittgebet': "Maria mit dem Kinde lieb uns allen deinen Segen gib."
Denn weder Maria noch ihr Ehemann noch Kinder und Jugendliche fallen
unter den Jünger- und Apostel—Begriff, da dieser zuerst durch Berufung
und Erwählung näher bestimmt ist. Was jedoch Maria betrifft, so war sie
von niemandem und zu nichts berufen und erwählt, sondern von Gott, dem
trinitarischen, zu einem bestimmten Zweck in der Heilsgeschichte
aus—erwählt (prädestiniert), was etwas ganz anderes ist, etwas
schlechthin Einzigartiges und Unwiederholbares im Menschengeschlecht.
Darum gebührt ihr eine Verehrung über alle Maße, die man sonst Menschen
angedeihen lassen kann, sofern es sich um authentische Heilige handelt.
Die Jünger und Apostel waren keine Heiligen, wohl aber konnten sie, wie
auch andere, heilig werden, wenn... . (NB: Der Pater Rupert Mayer S.J.
war und ist nicht ein Heiliger, weil ihn ein Häretiker und Apostat
heilig gesprochen hat; seine Heiligsprechung durch solche Leute war
eine Beleidigung dieses Mannes.)
Somit steht fest, was schon von Anfang an als eine Tatsache in
Erscheinung trat: im Zuge des Gründungsprozesses der sozialen Ganzheit
einer Ek—klesia hat Christus zugleich durch direkte Berufung und
Erwählung von verschiedenen Menschen zu Seiner Gefolgschaft ein
Gefolgschaftswesen begründet, das zu Ihm in einer unmittelbaren
Beziehung (oder in einem unmittelbaren Verhältnis) stand. Es war jedoch
ein großer Irrtum, diese Sache auf die Apostel zu beschränken oder
einzuschränken, ganz abgesehen davon, daß Christus auch unter "den
Zwölfen" Unterscheidungen traf, sie nicht gleich wertete oder gar
'gleichmachte'. In Sachen 'Gefolgschaftswesen', das in der königlichen
Herrschaft des göttlichen Menschensohnes wurzelt und ihr unmittelbar
verbunden ist, besteht zwischen Jüngern und Aposteln überhaupt kein
Unterschied. Zudem darf man den symbolischen Gehalt der quantitativen
Bestimmungen "12 Apostel / 72 Jünger" nicht überbewerten oder falsche
Schlüsse daraus ziehen. Ekklesiologisch ist nur das spezifische
Gefolgschafts—Verhältnis wesentlich und von entscheidender Bedeutung.
In diesem Zusammenhang aber gilt: "Von jedem, dem viel gegeben wurde,
wird viel gefordert werden; und wem viel anvertraut wurde, von dem wird
man um so mehr verlangen." "Eure Lenden sollen umgürtet sein" (mit dem
Schwerte des Wortes Christi) "und eure Lampen brennend" (nicht wie
glimmende Dochte rußend). "Der Jünger steht nicht über dem Meister
(...) Es ist genug für den Jünger, daß er werde wie sein Meister."(Lk
12, 48/35; Mt 10,24-25) Damit ist deutlich genug gesagt: eine
Gefolgschaft Christi, die ja niemals zwei Herren dienen kann und darf,
ist nur dann eine wahre (echte), wenn sie wird oder zumindest zu werden
versucht wie der sie Berufende und Erwählende; außerdem besteht sie aus
Menschen, die durch unbedingten Gehorsam gegenüber Seinen Lehren und
Geboten treue Freunde und zugleich Feinde Seiner Feinde sind. Christus
hat nie gelehrt und geboten: 'liebet Meine Feinde' oder 'tuet Gutes
denen, die Mich hassen'! Man sollte sich einmal die Frage stellen: was
würde aus dem Sozial—Gebilde der Kirche werden, wenn die Gefolgschaft
Christi, die ein wesentlicher Teil des Ganzen ist, nur noch aus "toten
Gliedern" bestünde? Nun, dann würde die Kirche keineswegs untergehen,
sondern nur schwer krank sein. Doch dem ließe sich ja vorbeugen gemäß
dem dringenden Rate Christi: "Wenn dir deine rechte Hand (die rechte
Hand ist ein Symbol für den Machtgebrauch) zum Ärgernis wird, so hau
sie ab und wirf sie von dir; denn es ist besser für dich, daß eines
deiner Glieder verlorengehe, als daß dein ganzer Leib in die Hölle
fahre" (Mt 5,30). Bei Feinden Christi in der Kirche hört die
"Bruderliebe" auf, weil sie sinnlos, lächerlich und gegenstandslos
geworden ist. Leider tun sich viele sehr schwer, diese Feinde zu
erkennen, weil ihnen hierfür die Kriterien unbekannt sind. Außer dem
verstehen es Feinde Christi meisterlich, Freundschaft und Liebe zu
Christus zu heucheln und andere zu täuschen. Sogar die Apostel ließen
sich bis zuletzt von einem Judas Iskariot täuschen und hinters Licht
führen. Auch ein solches Stigma trägt die Kirche an sich, da diese nun
einmal aus sündigen Menschen besteht und so als ein sukzessives
Sozial—Gebilde eben keine "Gemeinschaft der Heiligen" ist.
Nun aber zeigte sich im Gründungsprozeß der einzig—einen "una Ecclesia"
auch ein anderes wesentliches Element des Ganzen, das gleichsam
parallel zum Gefolgschaftswesen (dem sozusagen "harten Kern" einer
Ganzheit) in Erscheinung trat, nämlich ein spezifisches
Nachfolge—Verhältinis. Man darf diese Relation zum Gründer der Kirche
nicht, wie es so oft geschehen ist, verwechseln mit der sog.
"Nachahmung Christi" (imitatio Christi), sonst erfaßt man nicht ihr
Wesen und ihre Eigenart. Denn auch diese Nachfolge beruht auf einer
Berufung Christi, ist eine Partizipation an Seinem Reiche und
vermittlet sich nur durch eine Erkenntnis dessen, der von sich
geoffenbart hat: "Ich bin das Licht der Welt; wer mir nachfolgt, wird
nicht in der Finsternis wandeln, sondern wird das Licht des Lebens
haben" (Joh 8,12). Von Licht und Finsternis aber kann man
vernünftigerweise nur im Bereich der menschlichen Erkenntnis sprechen
(auch der christliche Glaube ist ein bestimmter Modus geistiger
Erkenntnis) und woraus dann folgt, daß diejenigen, welche in der
"Finsternis wandeln", d.h. so ihr 'religiöses Leben' vollziehen, "tote
Glieder" der Kirche sind. Dies nicht gewußt oder sich darin getäuscht
zu haben, hatte immer schon eine Pastoral auf Irrwege geführt und sich
am 'falschen Objekt' betätigen lassen. Und wie viele Priester hatten
sich in ihrem klerikalistischen Hochmut eingebildet, eine Pastoral an
sich selbst gar nicht mehr nötig zu haben?! Dies waren allesamt Leute,
die keine Berufung hatten oder einer Berufung verlustig gegangen waren.
Das hier gemeinte Nachfolgen ist ein im Wege der Erkenntnis williges
Sich—ziehen—lassen in die Wahrheit Seiner Offenbarung. Seiner Lehren
und in das Wie Seines Denkens und Beurteilens der Dinge in dieser Welt
in Seinem Lichte, das "die Welt nicht ergriffen hat" (Joh 1,5) und auch
nicht ergreifen kann. Nicht einmal allen Aposteln, sondern nur drei von
ihnen, und dies auch nur aus pädagogischen Gründen, gab Christus die
Gelegenheit, die Stimme Seines Vaters zu vernehmen: "Dieser ist mein
geliebter Sohn, an dem ich mein Wohlgefallen habe; auf ihn (allein!)
sollt ihr hören!" (Mt 17,5), nicht aber auf andere oder auf euer
eigenes Sinnen und Trachten. Es war nichts mit einem Bau von "drei
Hütten" oder anderem Unfug. Sie sollten nur Christus hören und auf Ihn
hören und nur Ihm als dem Licht der Welt nachfolgen, um einmal das
Licht des Lebens besitzen zu können. Einen anderen Weg gibt es nicht.
Christus gebot diesen drei Aposteln nur, über das von ihnen "Geschaute"
zu schweigen, nicht jedoch über das, was sie zu hören bekamen, denn
dies bezieht sich auf alle Jünger und über sie auf alle anderen Glieder
der Kirche, ja sogar auf alle Menschen als das "Licht der Welt", das
allerdings niemand kraft eigenen Vermögens erreichen und ergreifen
kann. Weder Jesus von Nazareth noch der Prophet aus Galiläa (aber auch
nicht der Hl. Geist), sondern der inkarnierte Logos—Sohn und Messias
ist "das wahre Licht", das in die Welt kam und jeden Menschen erleutet
(Joh 1,9), sofern man sich zu Ihm ziehen und dursch Sein Wort
erleuchten läßt. Damit aber ist zugleich gesagt: das Licht der Wahrheit
Christi ist heils—notwendig, d.h. zum Heil des Menschen unbedingt
notwendig, eine 'conditio sine qua non', um einmal das "Licht des
Lebens", nämlich das übernatürliche Leben in Gott, "zu haben". Dies
jedoch ist unmöglich ohne ein besonderes Nachfolge—Verhältnis, das von
der "lux intelligibilis Christi" (Thomas von Aquin) geprägt und geformt
ist. Schmal ist der Erkenntnisweg und gar nicht so leicht zu
beschreiten oder auf ihm zu 'wandeln', bis der Mensch zu der Einsicht
gelangt: "Das aber ist das ewige Leben, daß sie dich, den allein wahren
Gott, erkennen und den du gesandt hast Jesus Christus" (Joh 17,3). Hart
war die Rede und wenig 'tröstlich' in ihrem Entweder—Oder, als Christus
klar stellte: "Wahrlich, wahrlich, ich sage euch: Wenn einer auf mein
Wort achtet, wird er den Tod nicht schauen in Ewigkeit" (Joh 8,51). Auf
Sein Wort achten hat die Heilsbedeutung: seinen Wahrheits—sinn klar zu
erfassen, es im willigen Gehorsam anzunehmen und sich ihm bedingungslos
zu unterwerfen. Andernfalls verfällt man, wie Thomas von Aquin sagt,
der "Finsternis der Verdammung", einem lichtlosen Existentialzustand
ohne Ende, in dem es nur noch Heulen und Zähneknirschen gibt und
Feindschaft aller gegen alle herrscht. Der Mensch gerät durch eignes
Verschulden in ein heil—loses Reich, das ständig zerfällt, ohne sich in
ein 'Nichts' auflösen zu können. Warum werden heutzutage die so
schwerwiegenden Aussagen Christi von den vielen Alt—"Gläubigen" und
Neu—"Glaubenden" gar nicht mehr begriffen, falls man sich mit ihnen
überhaupt noch befaßt? Zudem verknüpft sich in der Nachfolge—Beziehung
mit dem intellektiven Achten auf Sein Wort unmittelbar ein voluntatives
Halten Seiner Gebote, so daß sich schon der Apostel Johannes zu
schreiben veranlaßt sah: "Daran erkennen wir, daß wir ihn erkannt
haben, wenn wir seine Gebote halten. Wer sagt: 'Ich habe ihn erkannt',
hält jedoch seine Gebote nicht, der ist ein Lügner, und in ihm ist die
Wahrheit nicht" (1 Joh 2,3-4). Auch Lügner dieser Art sind "tote
Glieder" der Kirche. Nur naive Leute und religiöse Scharlatane haben
immer behauptet, man könne diese Lügner in den eigenen Reihen nicht
erkennen. Es ist jedoch schon diese Behauptung eine Lüge. Denn auch im
religiösen Glauben wird immer etwas über etwas gedacht und was dann
normativ das Tun und Sichverhalten bestimmt. Jeder religionsmündige und
erwachsene Christ aber ist verpflichtet, das in einem religiösen
Glauben Gedachte kritisch zu prüfen, um nicht vertrauensselig und blind
etwas für wahr zu halten, das gar nicht wahr ist.
Die originative Gründung des Sozial—Gebildes einer einzig—einen und
ganzheitlich—einen Ek—klesia durch den göttlichen Menschensohn ist gar
nicht denkbar ohne Berufung, Erwählung, Gefolgschaft und Nachfolge
vieler, deren Anzahl nur Christus (und Sein Vater) gekannt hat und die
keineswegs Heilige waren, wohl aber religiöse Menschen, auf die sich
die Verheißung bezieht: "Selig, die Hunger und Durst haben nach der
Gerechtigkeit, denn sie werden gesättigt werden" (Mt 5,6). Und schon im
allgemeinen besteht das Wesen der Gerechtigkeit, die als Habitus eine
sittliche Tugend (virtus = ein Tauglich—geworden—sein für etwas) ist,
in dem beständigen Willen, dem Anderen zu geben, was ihm zusteht, aber
auch zu nehmen, was ihm nicht zusteht, wenn er sich dieses zu Unrecht
angeeignet hat, gleichgültig ob durch brutale Gewalt oder durch
geschickte Erschleichung und betrügerische Machenschaften oder durch
religiöse Gesinnungsheuchelei. Nichts aber ist schwieriger als das
Gerecht—sein—wollen und das Gerechtigkeit—ausüben im Namen Christi und
wovon sich kein Christ drücken kann. Denn Christus der HERR hat
geboten, nach der Gerechtigkeit zu streben und gerecht zu sein und dann
verheißen: "Selig, die Verfolgung leiden um der Gerechtigkeit willen;
denn ihrer ist das Himmelreich" (Mt 5,10) Gerechtigkeit ausüben aber
heißt auch bestrafen, und zwar empfindlich; verboten allein ist ein
ungerechtes Bestrafen und, was noch schlimmer ist, ein Rache—nehmen.
Denn "Mein ist die Rache, spricht der Herr; und ich will (werde)
vergelten zu seiner Zeit" (Röm 12,19; Dt 32,35). Nur Häretiker zogen
daraus den falschen Schluß: also braucht man keine Gerechtigkeit zu
üben bzw. auszuüben. Die Legislative und Judikatur 'in dieser Welt'
strotzen vor Ungerechtigkeiten; also schaue man sich jene 'Christen'
genau an, die sich 'der Welt anpassen' und sich für ehrenwerte
Zeitgenossen halten, ja sogar für "lebendige Glieder" der Kirche. Es
ist doch nicht schwer, jene Katholiken zu verstehen, denen sich ständig
die Frage aufdrängt: "wo ist eigentlich die 'wahre Kirche'?"! Indes
sucht man sie oft in der verkehrten Richtung und beschreitet dann
falsche Erkenntniswege, weil nicht mehr gewußt wird, was das heißt:
"Suchet zuerst das Reich Gottes und seine Gerechtigkeit". Die
individuell—konkrete Gestalt dieses Reiches, die Christus Seine Kirche
genannt hat, aber ist konstituiert (innerlich begründet) durch
Berufung, Erwählung, Gefolgschaft und Nachfolge. Diese Determinationen
im realen Sein und Wesen der Kirche beruhen, um mit Thomas von Aquin zu
sprechen, auf einem "ordo originis" und bilden bereits einen ersten
"ordo perfectionis". Wer von dieser komplexen Sache nichts weiß oder
sie verwirrt oder verdunkelt oder durch Umkehrung von Ursache und
Wirkung auf den Kopf stellt oder sie in das Zwielicht eines falschen
Glaubens—"mystizismus" taucht, der hat nicht den geringsten Begriff vom
Sein und Wesen der Kirche, auch wenn er ständig die Vokabel bzw. das
Fremdwort "Kirche" im Munde führt oder damit jongliert. Die Vielzahl
solcher Jongleure ist heute Legion, innerhalb und außerhalb von
"Kirchen", die allerdings keine Ek—klesia sind, geschweige denn eine
'wahre'. Diese großen und kleinen Sekten—Gebilde haben kein
"fundamentum principale" in der einzig—einen "Ecclesia sua" des
göttlichen Menschensohnes; sie sind bloßes Menschenwerk. Andere
wiederum sind nachweislich reines Teufelswerk. Ihre aktiven Mitglieder
reagieren auch sehr empfindlich, wenn sie sich in ihren 'religiösen
Gefühlen verletzt' glauben, da sie in dem Wahne leben, die 'wahren
Gläubigen' und die von Gott 'Auserwählten' zu sein. "Der Sohn Gottes
aber ist dazu ('im Fleische') erschienen, daß er die Werke des Teufels
vernichtete." Und "Wer anders ist der Lügner als derjenige, der
leugnet, daß Jesus der Christus ist? Das ist der Antichrist (und seine
Vorläufer!), der den Vater und den Sohn leugnet." Ja, "Jeder, der den
Sohn leugnet, hat auch den Vater nicht (...)" (1 Joh 3,8; 2,22-23).
Von den und den verschiedenen Werken des Teufels und seiner
Gefolgschaft 'in dieser Welt' aber weiß man heutzutage so gut wie gar
nichts mehr, obwohl sie deutliche erkannt werden können. Hierzu gehört
auch die offenkundige Verblendung des Geistes vieler in ihrem Denken
und Wollen, die nicht dasselbe ist wie Irrgläubigkeit. Darum ist man ja
auch unfähig geworden, eine wahre Religion von einer unwahren (oder
falschen) zu unterscheiden, und weiß generell auch nichts mehr von der
'einzig wahren', die allein zum Heil des Menschen führt. Der so oft
beklagte Glaubensverlust setzt immer einen Wissensverlust voraus, da
beides Modi der geistigen Erkenntnis sind. Darum schrieb der hl. Paulus
dem schwachen und wankelmütigen 'Bischof' Timotheus ausdrücklich: "denn
ich weiß, (wem und) an wen ich geglaubt habe, und bin überzeugt, daß er
mächtig ist, mein anvertrautes Gut zu bewahren" (2 Tim 1,12). Wenn
Priester—Theologen den 'Gläubigen' das Märchen von einem "Wagnis des
Glaubens" suggerierten, dann waren das entweder Lügner oder sie wußten
gar nicht mehr, wovon sie überhaupt redeten. Denn der christliche
Glaube ist ein Werk der übernatürlichen göttlichen Gnade und hängt
nicht vom Menschen ab; zudem wirkt die Glaubens—Gnade ja nun gerade
dahingehend, daß sie die Finsternisse und Irrungen des menschlichen
Geistes im Denken und Wollen zu heilen bezweckt, wenn der Mensch ihrem
Wirken kein Hindernis oder Hemmnis (obstaculum) entgegensetzt. Noch
sinnloser aber war es, den Leuten mit Nachdruck zu bedeuten: du mußt
glauben, sonst bist du nicht mehr katholisch, und woraufhin dann andere
mit Recht erwiderten: ich muß gar nichts! Niemand muß glauben, hoffen
und lieben, da Gott oder Christus niemanden dazu zwingt oder nötigt.
Das Müssen und das Sollen sind genau so wenig dasselbe wie das Können
und das Vollbringen. (Es gibt freilich Baumeister genug, die Häuser
bauen, auch geistige, in denen jedoch ein Mensch nicht zu leben oder zu
wohnen vermag, wenn er gesund bleiben möchte.) Indessen sollte man sich
immer der geoffenbarten Wahrheit bewußt bleiben: "Gott erbarmt sich,
wessen er will, und verstockt, wen er will" (Röm 9,18). Niemand kann
von sich behaupten, denn das wäre bereits eine blanke Lüge, er lebe
schon jenseits der Möglichkeit einer geistigen Verstockung und
Verblendung. Im übrigen sind Verstockte und Verblendete von keinem
Menschen mehr bekehrbar und keineswegs seltene Fälle oder immer nur
Randerscheinungen im Leben der Kirche. Dies lehrt bereits ihr
Gründungsprozeß, als viele wieder von Christus abfielen und "tote
Glieder" zum Vorschein kamen. So wiederholt sich eben vieles und auch
auf die gleiche Weise. Denn "wo das Aas ist, da sammeln sich auch die
Geier". |