§ 5. Die Schaffung oder Hervorbringung
einer neuen Gesellschaft im jüdischen Volke
Es ist bekanntlich sehr schwierig, eine völkisch oder volkhaft geprägte
Gesellschaft mit ihrer Sprache und Kultur von innen heraus zu
verändern, gleichgültig ob es sich dabei um eine geschlossene und
einheitliche oder um eine offene und plurale handelt (eine schlechthin
pluralistische aber gibt es nicht; sie ist eine Fiktion). Noch
schwieriger aber ist es, eine durch eine Religion geprägte
Gesellschaft, die nicht dasselbe ist wie eine Religions—'gemeinschaft',
von innen heraus zu verändern. Völlig aussichtslos jedoch scheint es zu
sein, aus einer solchen Gesellschaft eine ganz neue und gänzlich anders
geartete ins Leben zu rufen und ihr Dauer zu verleihen. Um so
verwunderlicher aber ist es, daß der göttliche Menschensohn nun gerade
diesen Weg einschlug, den kein 'kalkulierender Mensch' oder politischer
Agitator und Stratege beschritten haben würde, um seinen Zweck zu
erreichen. Darum stellen sich hier mehrere Fragen, vor allem die: wie
war so etwas überhaupt möglich? Es hilft nicht im mindesten, wenn man
jetzt meint, bei Gott ist eben kein Ding unmöglich. Denn auch Gott kann
nicht aus 2 mal 2 gleich 5 machen. Dies meinen nur Leute, die von der
Allmacht Gottes keinen Begriff haben. Nun ist aber die Antwort auf
diese Frage sogar leicht, wenn man realistisch und sachbezogne denkt
und sich nicht auf theologische Mystizismen oder einen a—logischen
Glauben einläßt, zumal da so etwas immer in den Dunstkreis falscher
'Geheimnisse' führt. Die 'religiöse Literatur' ist voll davon. Indessen
war alles, was Christus lehrte und tat, vernünftig und ein machtvolles
Wirken göttlicher Weisheit unter den Menschen, auch wenn viele das
nicht verstanden. So ist es nun einmal im menschlichen Leben, das
damals auch nicht anders war als heute. Die Schaffung (oder
Hervorbringung) dieser neuen und einzigartigen Gesellschaft, die keine
"Familie" war und auch nicht die mindeste Ähnlichkeit mit einer solchen
Gesellschaftsform hatte, ermöglichte sich nämlich und war nur möglich
durch einen unmittelbaren Rückgriff auf die Wesens—Natur des Menschen
als eines von Gott er—schaffenen vernunftbegabten und geselligen
Lebewesens (animal rationale et sociale) und ohne Rücksicht auf seine
individuelle Ausprägung. Volk und Rasse, Zivilisierte und Barbaren,
Familie und Sippe, Gesellschaftsklassen und Gesellschaftsgruppen etc.,
alles dies hatte für Christus keine Bedeutung und keinen Wert für Seine
Zwecke, sondern nur der Mensch. Darum bezeichnete Er sich selbst als
den (nicht: einen) Menschensohn, worüber viel zu sagen wäre. Heute weiß
man in dem fürchterlichen "Jesus—Geschwätz", mit dem sich angeblich
"mündige Christen" nur interessant machen wollen, nichts mehr darüber.
Als Christus eine Frau aus dem von den Juden verachteten Volke der
Samariter Seines Wortes würdigte und sie sogar um einen Trunk Wasser
bat, da waren einige Jünger äußerst verärgert darüber, weil sie ihren
völkisch—rassistischen Hochmut noch nicht abgelegt hatten, zum
"auserwählten Volk" zu gehören. Im Talmud heißt es noch etwas
konkreter: "Ein Stück Brot, von einem Samariter gereicht, ist unreiner
als Schweinefleisch." Christus aber erbat sich sogar einen Trunk Wasser
von einer Samariterin, die außerdem noch moralisch nicht ganz sauber
war. Welch' ein Skandal! In der Tat, der göttliche Menschensohn "stand
quer" zu allem, was man von Ihm erwartete, dann aber zu sehen und zu
hören bekam.
Die Schaffung (procreatio) einer ganz neuen, gänzlich anders gearteten
und einzigartigen Gesellschaft durch einen unmittelbaren Rückgriff auf
die soziale Wesens—Natur des Menschen lag von Anfang an in der Absicht
Christi und Seiner königlichen Herrschaft, um etwas zu gründen bzw. ins
Leben zu rufen, das Er Seine Ek—klesia nannte, die ja etwas
Ge—schaffenes ist. Und auch nur auf diese Weise konnte das einzig—eine
Reich Gottes unter den Menschen eine konkrete Gestalt annehmen. Das
bestens geeignete Mittel hierfür aber war eine Berufung vieler (deren
Anzahl nur Christus bekannt war) in ein Gefolgschaftsverhältnis aus
einer durch den göttlichen Menschensohn ausgelösten 'religiösen
Bewegung' im jüdischen Volke (nicht: von seiten desselben). Zudem
sollte man wissen und niemals übersehen, daß sich immer nur der
göttliche Menschensohn eine Gefolgschaft schafft und schaffen 'kann',
nicht jedoch Gott, der Vater, oder Gott, der Hl. Geist. Diese
Gefolgschaft, bei der es nicht gleichgültig ist, aus wie vielen
Menschen sie besteht und wo sie existiert (lebt) – man kann sie auch
als den männlichen Kern der von Christus ins Leben gerufenen neuen
Gesellschaft bezeichnen (Christus war kein "Gleichmacher"!) -, hat
verschiedene Wesens—Eigenschaften (proprietates), durch die sie sich
von allen anderen Gefolgschaftsverhältnissen, die sich unter Menschen
finden, grundsätzlich unterscheidet:
1.) sie kann niemals zwei Herren dienen; denn wenn sie das täte oder
auch nur versuchen würde, dann würde sie sich selbst aufheben und zu
existieren aufhören, da sie auf einer gnadenhaften Berufung Christi
beruht. Thomas von Aquin hat diese Berufung mit Recht als eine
"destinatio temporalis" bezeichnet, d.h. als eine zeitliche Erwählung,
die nichts mit Prädestination zu tun hat, wohl aber eine ganze Menge
mit der göttlichen Vorsehung (providentia). "Denn wie der Vater die
Toten erweckt und lebendig macht, so macht auch der Sohn, die er will,
lebendig"(Joh 5,21), nämlich die vorher im religiösen Geiste Toten.
Dann aber gilt hart und entschieden: "Niemand, der seine Hand an den
Pflug legt und zurückschaut, ist tauglich für das Reich Gottes" (Lk
9,62);
2.) sie tut nichts, wozu sie nicht von Christus legitimiert ist, und
unterläßt alles, was Seinem Ansehen und Seiner Ehre schaden könnte,
3.) sie steht zu Christus, ihrem einzigen Herrn, in einer
bedingungslosen Freund—Beziehung und unterwirft sich gänzlich Seinem
Willen aus Liebe zu Ihm. Dies wiederum schließt jede Sklavenmoral,
jedes Kriechertum und jede falsche Demut aus. Gefragt allein ist der
Mut des Dienstes und die Tapferkeit. "Wollt nicht auch ihr weggehen?"
(Joh 6,67) fragte einmal Christus, der Herr, prüfend und prophylaktisch
die Apostel, unter denen sich der Verräter befand, nachdem Sein Joch
immer schwerer geworden war, nämlich das Joch Seiner Lehre. – Wo findet
sich heute in der degenerierten "Christenheit" und in den lächerlichen
Gebilden von "Kirchen" eine solche Gefolgschaft? Es genügt schon, sich
diese Frage zu stellen, um zu erkennen, wer heutzutage im
Menschengeschlecht und unter den Menschen seine Herrschaft global
aufzurichten beginnt – systematisch, trickreich, mit großartigen
"Verheißungen" und überaus menschenfreundlich! Überall wird geredet von
einer Menschenwürde, die gar keine ist, oder von den Menschenrechten
bei gleichzeitiger hartnäckiger Leugnung der Rechte Gottes und des
göttlichen Menschensohnes. Doch auch die 'christliche Herde' von heute
sieht aus wie ein großer Saustall und hört sich auch so an.
Nun aber muß noch folgendes beachtet werden: denn die in ein
Gefolgsschaftsverhältnis Berufenen – diesbezüglich besteht zwischen
Jüngern und Aposteln überhaupt kein Unterschied, nicht einmal ein
gradueller – waren nur ein Teil der durch Christus ins Leben gerufenen
und auf Ihn hin—geordneten neuen Gesellschaft, die, wie jede
Gesellschaft, eine Viel—Einheit von Menschen (nicht: eine Einheit
vieler Menschen) und ein lebendiges Ganzes ist, das als ein solches ein
Ganzes eigener Art und Wesenheit ist (totus sui generis et essentiale).
Wenn dies nicht beachtet und nicht intellektiv erfaßt wird, dann
versteht man weder die Gründung einer bzw. der Kirche noch die
qualitative Form ihrer Einheit, die in ihrem Gründer und nur in ihm ihr
Fundament hat, dem "Eckstein" dieses Gesellschafts—Ganzen (totum
sociale). Das heißt, philosophisch gesprochen: "forma dat esse in
composito et ordine" (Thomas von Aquin). Die alten Kirchenväter haben
sich verständlicherweise darüber nie Gedanken gemacht und kamen deshalb
auch nicht zu einem klaren Kirchenbegriff. Das ist kein Vorwurf,
sondern nur eine Feststellung. Sie blieben 'in Sachen Kirche' entweder
einem naiven Naturalismus oder einem platonischen bzw. neuplatonischen
Mystizismus verhaftet. (NB: die "traditio ecclesiastica" wurde sehr oft
überbewertet, obwohl sie nicht bloß ungelöste Probleme, sondern auch
falsche Auffassungen enthielt.) Zudem müssen im obigen Zusammenhang
noch folgende philosophischen Prinzipien beachtet werden, um das Wesen
oder zumindest die Quiddität (Washeit) einer komplexen Sache zu
erfassen, anstatt sich in vagen Vorstellungen zu bewegen:
1. das Ganze ist qualitativ mehr als die Summe seiner Teile;
2. ein Teil teilt oder grenzt sich nicht ab gegen das
Ganze, dessen Teil es ist, sondern immer nur gegen einen anderen Teil;
und
3. das entitative Ganze besteht logisch und onto—logisch seinem Wesen nach früher als alle seine Teile.
Als sich der göttliche Menschen—sohn auf dem Wege nach Golgotha befand
(gemäß Seinem Willen und im Gehorsam gegen Seinen Vater), da hatte es
den Anschein, als sei die aus einer 'religiösen Bewegung'
herausgerufene neue Gesellschaft in heller Auflösung begriffen oder
bereits untergegangen. Dem aber war nicht so. Denn Christus hatte
vorher, wie wir oben darlegten, dem Pontius Pilatus ausdrücklich
versichert, daß Er ein königlicher Herrscher sei und "Untergebene"
habe. Wenn man jedoch an Äußerlichkeiten kleben bleibt, dann "sieht"
man freilich nichts mehr und macht aus der Hl. Schrift ein Märchenbuch
für Kinder und fromme Männlein und Weiblein. (Schon lange war aus einem
gemüthaften Christentum mit seinen "frommen Seelchen" ein gemütliches
Familienchristentum 'religiöser Gemeinschaften' geworden mit einem
'geweihten Bischof' an der Spitze.) Außerdem sagte Christus einmal:
"Noch andere Schafe habe ich, die nicht aus diesem Hofe (=dem damaligen
jüdischen Schafstall) sind; auch diese muß ich führen..." (Joh 10,16).
Doch dies ist ein anderes Problem, das nicht zu der Frage nach der
Gründung der Kirche gehört, die in ihrer Idee und Wirklichkeit auf
einem holistischen Begriff beruht, nicht jedoch auf einem wesenslosen
Kollektiv—begriff. Christus trat nicht auf, um eine Menge Leute um sich
zu 'sammeln', die auf religiöse Abwege geraten waren, und diese
'Jüngerschar' (Männer und Frauen mit ihren Kindern) durch 'fromme
Belehrungen' dann wieder auf den rechten Weg zu bringen, sondern um dem
einzig—einen Reiche Gottes eine konkrete Gestalt zu geben, indem Er
eine neue Gesellschaft hervorbrachte und ins Leben rief und ihr
zugleich die Form eines lebendigen Ganzen gab. Dies war onto—logisch
aufgrund des Rückgriffes auf die soziale Wesens-Natur des Menschen
eine, um mit Thoma von Aquin zu sprechen, "eductio aliquid
(aliud-quid!) de potentia in actum", und was gar nichts 'mysteriös
Geheimnisvolles' an sich hat. Im Gegenteil, diese Sache ist intellektiv
erfaßbar und rational begreifbar. Alle, die von einer "Stiftung" oder
auch "Schöpfung" (Er—schaffung) der Kirche redeten, hatten nicht den
entferntesten Begriff von diesem einzigartigen lebendigen
Sozial—Gebilde und seinem Eigen—wesen (essentia propria) sowie von dem
realen Modus (der Art und Weise) seiner Einheit, die in sich ein
individuell—konkrete Ganzheit eines Einzig—Einen ist und auch nur so im
Menschengeschlecht und unter Menschen existieren kann.
Hier darf man nicht mehr der Frage ausweichen: was eigentlich haben
sich die "Priester und Gläubigen" dabei gedacht, wenn sie innerhalb
oder außerhalb der 'Kultgemeinschaft' das Bekenntnis ablegten: Credo
"unam Ecclesiam"? Nun, wir wissen es noch, nämlich entweder überhaupt
nichts oder etwas ganz Falsches. So war es generell und woran sich bis
heute ebenfalls nichts geändert hat. Deshalb gab es dann ja auch
klerikalistische Priester und Laien, die in einem wahnhaften religiösen
Glauben die Hierarchie in der "una Ecclesia" mit der Ek—klesia des
göttlichen Menschensohnes identifizierten ("gleichschalteten") und
ebenfalls nichts mehr wußten von der lebendigen Ganzheit und dem
Eigenwesen der hierarchischen Kirche, die etwas von Ihm Ge—schaffenes
ist und bleibt. Im übrigen sei noch darauf hingewiesen, daß ein bloßer
Mensch, selbst wenn er noch so genial gewesen wäre, niemals eine Kirche
hätte gründen und einem solchen Sozial—Gebilde auch Dauer verleihen
können. Es gab und gibt allerdings 'Wissenschaftler', die die
stumpfsinnige Behauptung aufstellten, die Kirche sei aus einer
"Jesus—Sekte" oder aus einer "enthusiastischen Jesus—Gemeinde"
eintstanden, die sich dann unter den einfachen, armen und ungebildeten
Leuten schnell ausgebreitet habe. Nur der hl. Paulus habe später auch
die Gebildeten "herumgekriegt". Es ist zwecklos, solche 'aufgeklärten'
Zeitgenossen belehren oder gar 'bekehren' zu wollen.
Der göttliche Menschensohn trat nicht auf und lehrte einen "Exodus" aus
'dieser Welt' oder aus einem Volke (Er war kein Moses und hatte auch
niemanden erschlagen) oder aus der menschlichen Gesellschaft, sondern
brachte durch die Macht Seiner 'unglaublichen' Worte und
außergewöhnlichen Taten, was allgemein auffiel und große Verwunderung
erregte, eine neue Gesellschaft hervor, ein sich aus Menschen bildendes
lebendiges Ganzes, das Teile hat. Das alte lateinischen Wort
"con—gregatio", das dafür gebraucht wurde, hat diese Bedeutung; es ist
abgeleitet vom Verbum "con—gregare", das wörtlich den Sinn von
"zusammen—herden" hat, sei es durch sich selbst oder durch einen
anderen. Vielleicht versteht man jetzt jene Worte Christi, als Er u.a.
sagte: "Ich bin der gute Hirt", also nicht bloß irgendein guter Hirt,
sondern der einzige, und der außerdem noch allein fähig ist, verlorene
Schafe (Menschen) 'zusammenzuherden', sofern sie "auf seine Stimme
hören"; ja mehr noch, denn "er ruft seine Schafe mit Namen und führt
sie hinaus" aus ihrer Verlorenheit und einem 'verderbten Geschlecht';
und wenn er dann "die Seinigen alle herausgetrieben hat, geht er vor
ihnen her, und die Schafe folgen ihm, weil sie seine Stimme kennen.
Einem Fremden aber werden sie nicht folgen, weil sie die Stimme der
Fremden nicht kennen", d.h. sich ihre falschen Lehren nicht aneignen,
sondern sie entschieden abweisen (Joh 10. Kap.). Der "gute Hirt" saß
nicht, auf Schäfchen wartend, auf einem 'heiligen Berge' in
Meditationen versunken und 'wandelte' auch nicht mit frommen Lämmchen
in einem 'heiligen Lande' umher. Wer kennt und kannte denn nicht die
Darstellungen vom "guten Hirten" in der 'christlichen Kunst', bei denen
es einem übel werden konnte; mit Recht machten sich die Feinde der
Kirche darüber lustig, genau so wie über die Herden mit ihren sich für
Hirten haltenden "Mietlingen". Auch auf diese Weise wurde die
katholische Kirche von innen heraus zersetzt: diese "Fremden" "kamen
von uns, aber gehörten nicht zu uns". Dabei hing von Anfang an das Wort
Christi wie ein Damoklesschwert über den weißen und schwarzen Schafen:
"Zum Gericht bin ich in diese Welt gekommen, damit die nicht Sehenden
sehen und die Sehenden blind werden" (Joh 9,39)! Es ist verständlich,
wenn heutzutage Katholiken fragen: "wo ist die 'wahre Kirche'?".
Aus dem oben Dargelegten aber wird noch ein Weiteres offenkundig, das
nicht übersehen werden sollte und ebenfalls von großer Bedeutung ist.
Denn das Wirklich—werden dieser neuen Gesellschaft, in deren Mitte der
göttliche Menschensohn stand, war als eine individuell—konkrete
Ganzheit eines Einzig—Einen in ihrem Wesen keine Ideal—union, also
nicht etwas, das nur wie ein "ens rationis" im Denken und Glauben
existiert, sondern eine Real—union, und zwar eine doppelte, nämlich:
sowohl in sich selbst, da sie eine "res composita et ordinata" ist
(nicht jedoch eine chaotischen Ansammlung von "Gläubigen", die sich
einbilden, eine "Familie Gottes" oder sogar ein neues "Volk Gottes" zu
sein), als auch in bezug auf denjenigen, von dem sie ge—schaffen oder
hervorgebracht wurde und von dem sie in ihrem Bestand grundsätzlich
abhängig ist (res adhaesionis). Das Wort Christi "ohne mich könnt ihr
nichts tun" (Joh 15,5) hat ontische und ontologische Geltung für dieses
lebendige Ganze, nicht bloß für einen Teil des selben, indessen nicht
für jeden Einzelnen auf die gleiche Weise. Man kann die durch Christus
ins Leben gerufene und aus der Wesens—Natur des Menschen eduzierte neue
Gesellschaft als einen "Lebekörper" bezeichnen, wenn man nicht den
schwerwiegenden Fehler macht (auch dieser Irrtum hat schon eine
ziemlich lange 'Tradition'), diesen "corpus Christi" für einen
Organismus zu halten und auszugeben, auch nicht in einem analogen
(verhältnisähnlichen) Sinne. Denn ein Organismus hat keine lebendigen
Teile oder Glieder oder Organe, die mit Vernunft begabt und zur
Wahlfreiheit befähigt sind und über sich selbst verfügen. M.a.W.: die
Ek—klesia war nie eine "organische Einheit" (unitas organica), sondern
in ihrem Wesen ein Gesellschafts—Ganzes eigener Art (totum sociale sui
generis) in dieser Welt und unter den Menschen. Außerdem hat die
Real—union eines ekklesiologischen Sozial-Gebildes überhaupt nichts zu
tun mit einer "brüderlichen Gemeinschaft" (communitas fraterna) und
womöglich noch mit einem "Bruder Jesus" oder "Jesus, unser aller
Bruder" in der Mitte; auch solche blasphemische Weisheiten werden heute
verbreitet. Die Feinde der Kirche reiben sich grinsend die Hände; sie
hatten aber auch schon lange nichts mehr einzuwenden gehabt gegen die
bekannten "Kirchengläubigen" 'in Jesus und Maria', da hier doch ganz
offensichtlich die Real—union eines großen kirchlich—religiösen
"Lebekörpers" in heller Auflösung begriffen war. In diesem Zusammenhang
gehört auch die Irrlehre und irre Lehre von der christlichen Familie,
besonders der katholischen, als einer "Kirche im Kleinen". (Wehe denen,
die "kirchlich verheiratet" waren, aber keine Kinder hatten; "da liegt
kein Segen darauf", sagten so manche "Geistlichen" und schnüffelten im
Privatleben herum; einfache und ungebildete Leute waren einer solchen
"Pastoral" hilflos ausgeliefert.)
Die soziale Real—union vieler im Wesen des individuell—konkreten, d.h.
ungeteilten und unteilbaren sowie im Werden zusammenwachsenden
Ganzheits—Gebildes einer Ek—klesia, ist entitativ viel weniger als eine
physische Einheit, wie sie z.B. beim Menschen in der substantiellen
Einheit von Leib und Seele gegeben ist, aber dennoch viel mehr als eine
nur moralische Einheit, wie sie sich z.B. auch in Körperschaften,
Verbänden oder religionsgemeinschaftlichen Vereinigungen in einer
staatlich organisierten Gesellschaft finden, da sie etwas auf dem
Fundament der sozialen Wesens—Natur des Menschen durch Christus
Geschaffenes und Eduziertes ist und dadurch ein Eigenwesen besitzt.
Dieses hat zwar, nachdem es einmal zu existieren angefangen hat oder
ins Da—sein getreten ist, die Fähigkeit, durch sich selbst zu leben,
aber niemals aus sich selbst, sondern nur aus dem, der es geschaffen
hat. Hier wird etwas Einzigartiges offenkundig, nämlich die Tatsache,
daß der göttliche Menschensohn von Anfang an die Absicht hatte, in
einem gesellschaftlichen Prozeß nicht bloß eine Kirche zu gründen,
sondern immer 'nur' "Seine Ek-klesia" (Ecclesia sua), ein lebendiges
Ganzes mit seinen Teilen oder Gliedern, das jedoch nur in Ihm und durch
Ihn Bestand hat und an dem "Fremde" allerdings nicht den geringsten
Anteil haben, sondern nur diejenigen, die Christus als "die Seinigen"
bezeichnet hat. Diese allein machen die Real—union vieler aus, was man
auch als innere Personalunion bezeichnen kann. Von einer solchen aber
war schon lange nichts mehr zu erblicken, verständlicherweise, denn
sogar in Katechismen mit Imprimatur wurde die Irrlehre verbreitet: "Die
Kirche ist" (d.h. in ihrem Sein und Wesen und nichts anderes als) "die
sichtbare Gemeinschaft" (also keine "societas", kein
Gesellschafts—Gebilde) "aller gläubigen Christen auf Erden unter einem
gemeinsamen Oberhaupte, dem Papst." Nicht bloß das naive 'Kirchenvolk'
hielt einen solchen boden—losen Unsinn für wahr, den die aus alten
Gräbern wieder auferstandenen neuen Hohenpriester, Schriftgelehrten und
Pharisäer in die Welt gesetzt hatten, um Macht auszuüben. Das Vatikanum
2 machte dann zur Verblüffung nicht weniger "Gläubigen" weltweit
'sichtbar', was es mit diesen hohen Herren auf sich hatte. Es kamen,
biblisch gesprochen, die von einem unheiligen und unreinen Geiste
erfüllten "Nichtse" zum Vorschein.
Die von Jesus Christus geschaffene und ins Leben gerufene einzig—eine
"una Ecclesia", die Er Seine Kirche nannte, war und ist in ihrem Wesen
keine "res simplex", sondern eine "res complexa et composita", aber
dergestalt, daß sie nicht und in keinerlei Hinsicht eine Resultante
ihrer Teile oder Glieder ist, sondern genau umgekehrt, d.h. die Glieder
sind nur eine wesensnotwendige Folge aus einer ursprünglichen Ganzheit,
in der allein sie Glieder sind. Dies sollte man so realistisch wie nur
möglich intellektiv erfassen, sonst werden manche Aussagen Christi
überhaupt nicht verstanden, beispielweise auch diese nicht: "Nicht
jeder, der zu mir sagt: Herr, Herr! wird in das Himmelreich eingehen"
(gemeint ist hier das Ewige Leben in Gott und die 'visio beatifica');
"sondern wer den Willen meines Vaters tut, der im Himmel ist. Viele
werden an jenem Tage (dem Letzten Gericht) zu mir sagen: Herr, Herr,
haben wir nicht geweissagt in deinem Namen? Haben wir nicht Dämonen
ausgetrieben in deinem Namen? Haben wir nicht viele Wunder gewirkt in
deinem Namen? Alsdann werde ich ihnen offen erklären: Ich habe euch
niemals gekannt; weichet von mir, ihr Übeltäter! (Mt 7,21-23). Wer
kennt nicht diese Herr—Herr—sager, die nicht wissen, wovon sie reden
oder anderen heuchlerisch ein X für ein U vormachen? Das ist nichts
Neues, sondern war immer schon so, gleichgültig ob Glieder der Kirche
nun 'geweiht' waren oder nicht. Von Bedeutung allein ist die
realistische und nüchterne Erkenntnis: "Aus unserer Mitte gingen sie
hervor, aber sie gehörten nicht zu uns" (1 Joh 2,19), und zwar von
Anfang an nicht! Im übrigen wird auch der große Imitator Christi, der
Anti—christ(us) (nicht die kleinen "falschen Messiasse"), den
erfolgreichen Versuch machen, eine und seine "Kirche" unter den
Menschen zu gründen, die den Namen "Synagoge Satans" trägt. Wie viele
werden dieses Sozial—Gebilde für die Ek—klesia des göttlichen
Menschensohnes halten und dort einen allen sympathischen "ökumenischen
Kult" feiern? Die "römische Konzilskirche" liegt auf diesem Wege. Wir
wissen nicht so recht, ob man darüber lachen oder weinen soll, wenn ein
von vielen hochgeschätzter 'neukatholischer' Theologe den
neomodernistischen Irrtum verkündet, es ginge beim konziliaren
Ökumenismus in der Hauptsache um "Das Ringen der Kirche um Einheit"
(Heinrich Fries), womit allerdings die häretische Behauptung
aufgestellt wird, daß die "una Ecclesia" nie existiert hat und von den
Christen erst noch geschaffen oder ins Werk gesetzt werden müsse.
Darauf kann man doch nur ironisch sagen: nun, da ringt mal schön!
Diesen Theologen fällt nicht einmal auf, wie lächerlich so etwas ist.
Aber sie brauchen eben solche Theologumena, um ihre 'wissenschaftliche
Existenz' zu rechtfertigen und ihr einige Bedeutung zu verleihen. Die
"pluralistische Gesellschaft" mit ihren emanzipierten Gruppen nimmt so
etwas nicht im mindesten ernst. |