§ 2. Die Gründung der Kirche als eines heiligen Reiches 'in dieser Welt'
Es war deshalb, wie aus obigem ersichtlich ist, wenig hilfreich und
leider auch zu einem großen Teil ein Irrtum, wenn früher (1923) fast
generell die Auffassung vertreten wurde: "Das Gottesreich ist kein
Gebiet, sondern eine Herrschaft, ein gnadenvolles Walten Gottes über
Denken, Wollen und Fühlen des Menschen; es ist eine Gottesgabe, ein
Heil, aber kein unsichtbares, denn es äußert sich in großen Gnadentaten
Gottes, in der Anerkennung des Herrn und seines Gesalbten, im Aufleben
einer Gemeinde von Gläubigen und Heiligen. Aber es stellt auch
Forderungen an die Menschen. Es ist eine Aufgabe, die sie erfüllen
sollen: eingehen und sich eingliedern in das Reich, dessen 'Joch' sie
auf sich nehmen in Unterwerfung und Hingabe." (Stanislaus von
Dunin-Borkowski S.J.) – Wessen Joch eigentlich? Etwa das eines seine
Herrschaft aufrichtenden transzendenten Gottes, das noch niemand
bemerkt hat und den nicht einmal Moses zu Gesicht bekommen hatte, oder
etwa das eines immer unsichtbar bleibenden 'Gottesreiches' voller
Gnaden oder großer 'Gnadentaten' Gottes? Außerdem erhebt sich die
Frage: wie kann oder soll sich jemand in etwas eingliedern, das in der
Welt des Menschen als 'Gottesreich' nirgendwo existiert und somit auch
niemandem ein Joch auferlegen kann? Im übrigen ist ein "nur"
'gnadenvolles Walten' Gottes über Denken, Wollen und Fühlen des
Menschen kein wirkliches Herrschen, wie es der Begriff eines Reiches
fordert. Denn Herrschaft bedeutet tatsächliche Macht—ausübung und ist
in ihrem Wesen ein zweckdienlicher Gebrauch der Macht mit Hilfe
geeigneter Mittel, um in erster Linie der Wahrheit und dem Recht
allgemeine Anerkennung in der menschlichen Gesellschaft zu verschaffen.
Andernfalls schlägt Herrschaft sofort in eine Tyrannis um, die viele
Gesichter hat. Von Gott aber läßt sich nur sagen, daß er kein
allmächtiger Großtyrann oder Despot ist, wohl aber der Herr der
Schöpfung, dem alles Er—schaffene unterworfen ist und von ihm abhängt.
Darum gibt es auch keinen "lieben Gott", der wie ein sanftmütiger
Großvater oder Patriarch irgendwo thront oder sein Zelt unter den
"Menschenkindern" aufgeschlagen hat. So etwas waren und sind
bestenfalls kindliche Träumereien von spätpubertierenden "Gläubigen",
denen jegliche Gotteserkenntnis fehlt. Es führt zu nichts Gutem, dies
zu verschweigen oder mit frommen Sprüchen zuzudecken. Gewiß ist das
Reich Gottes mit seiner ihm eigenen Herrschaft weder ein "Gebiet"
(regio) noch ein staatliches oder staatsähnliches Territorium und somit
auch kein "Gottesstaat"; der hl. Augustinus sprach in einem mehr oder
weniger mystischen Sinne nur von einer "civitas Dei", d.h. von einer
'heiligen' Stadt Gottes, und zwar im Unterschied und Gegensatz zu dem
damaligen 'un—heiligen' "Imperium Romanum" mit seiner babylonischen
Metropole. Aber es war und ist ein Irrtum, die Herrschaft als eine
"Gottesgabe" nur dem Reiche Gottes zu reservieren; denn jede echte
Herrschaft unter Menschen und über Menschen ist eine Gottesgabe und
damit eine "res sacra" (heilige Sache), die allerdings jederzeit von
einem menschlichen Herrscher brutal mißbraucht werden kann,
gleichgültig ob es sich dabei um eine Einzelperson handelt oder um
irgendeine kollektive "Obrigkeit".
Doch auch die Herrschaft Gottes im Menschengeschlecht und über die
Menschen vollzieht sich immer mit Hilfe geeigneter Mittel und
keineswegs immer nur auf eine geheimnisvolle Weise oder im Verborgenen.
Es gibt Menschen, die dafür ein sehr feines Gespür haben und dann, wenn
sie eine religiöse Situation in der Gesellschaft kritisch oder mit
Sorge beurteilen, für gewöhnlich als Pessimisten verunglimpft werden,
die "zu wenig Glauben haben". Von diesem Hintergrund her aber versteht
man dann viel besser das schwerwiegende Gebot Christi, das sich nicht
zuletzt auf diejenigen bezieht, die zu einer Herrschaft gelangen:
"Suchet zuerst das Reich Gottes und seine Gerechtigkeit", sowie die
Warnung: "Niemand kann zwei Herren dienen" (Mt 6,33/24). Darum war und
ist es auch nur ein frommer Irrtum, zu meinen, das Reich Gottes äußere
sich "im Aufleben einer Gemeinde von Gläubigen und Heiligen", denn eine
derartige 'Gemeinde' ist, falls es sie überhaupt geben sollte, weder
zum Herrschen berufen noch dazu fähig noch überhaupt befugt, irgend
etwas moralisch und rechtlich verpflichtend zu befehlen oder
vorzuschreiben. Im übrigen gehörten zu den 'Reichsbürgern' des Reiches
Gottes auch Ungläubige, was nicht dasselbe ist wie Häretiker und
Gottlose, sowie Unheilige, ganz abgesehen davon, daß noch kein echter
Heiliger von sich selbst gesagt hat, er wäre ohne Sünde und also ein
Heiliger. Der göttliche Menschensohn jedoch war kein Heiliger, sondern
der Heilige, da Er sündelos und allheilig aus sich selbst war.
Schließlich aber muß man noch fragen, was denn das in concreto heißen
soll, das Reich Gottes äußere sich "in der Anerkennung des Herrn und
seines Gesalbten"? Das ist eine nichtsagende Aussage, eine theologische
Floskel, die darüber hinaus auch noch falsch ist. Denn Gott ist es
völlig gleichgültig, ob jemand ihn "anerkennt" oder nicht, da ihn ja
auch die Teufel anerkennen, indem sie ständig gegen ihn und den Gründer
seines Reiches in der Welt agieren; sie und ihre Gefolgschaft unter den
Menschen anerkennen nur nicht seine Oberherrschaft. Das mehrdeutige und
subjektivistisch verfälschte Wort "Anerkennung" war immer schon bestens
geeignet, viel Verwirrung unter den "Gläubigen" zu stiften. "Du
glaubst", schrieb der Apostel Jakobus (2,19), "daß es nur einen
(einzigen) Gott gibt. Du tust recht! Aber auch die Dämonen glauben es
und zittern." Viele Katholiken und "Andersgläubige" glauben dies auch,
aber sie zittern nicht, da sie immer nur erkenntnisleer "anerkennen",
aber von der Herrschaft Gottes und dem Kommen seines Reiches nichts
wissen. Gott anerkennen bedeutet zumindest, ihn wirklich zu kennen, ein
wahres Wissen von ihm zu haben und seine Gebote unbedingt zu befolgen.
Andernfalls ist alles Spiegelfechterei, perfider Gemeinbetrug und nur
ein großer Zirkus. Den Feinden des Reiches Gottes ist ein solcher
Zustand wohlbekannt, und deshalb lachen sie ja auch über diese irreale
und keine Auswirkungen zeitigende Haltung, die subjektivistisch und
"nach innen" gekehrt, ja verdreht ist "in der" vermeintlichen
"Anerkennung des Herrn und seines Gesalbten". Eine solche Haltung und
Gesinnung aber sind zutiefst unwahr und auch keineswegs wahrhaftig.
Ein weiterer Irrtum, der mit dem letztgenannten eng zusammenhing und
noch verheerendere Auswirkungen zur Folge hatte und sogar heute wieder
neu aufgewärmt wird (besonders von klerikalen Liturgieschwärmern und
Kultmystizisten), um im Trüben fischen zu können, war die lichtlose
"Glaubenslehre" von einem Reiche Gottes, das "nicht hier oder dort",
sondern prinzipiell und immer nur " 'in uns' ist, d.h. in unserem
Innern" (Klaus Gamber u.a.). Dieser Irrtum war zwar ein schon
abergläubischer Glaubensirrtum, aber er ging nicht daraus hervor,
sondern aus einem erstaunlichen Mangel an intellektiv—rationaler
"religiöser Erkenntnis" in Verbindung mit einen bewußten Mißverstehen
der Hl. Schrift im Text und Kontext. Das Reich Gottes ist und bleibt
nun einmal, auch wenn dies viele Dunkelmänner nicht wahr haben wollen,
etwas Ge—schaffenes "in dieser Welt"; zudem ist es als eine
ge—schaffene Entität kein subjektiver, sondern ein objektiver und auch
kein einfacher, sondern ein komplexer Sach—verhalt, der grundsätzlich
erkennbar ist und sein muß, auch wenn er nicht von jedermann erkannt
wird. Es existiert weder das Reich Gottes noch ein anderes Reich "in
uns", sei dieses nun ein irdisches wie der Staat oder ein
außerirdisches wie das der Dämonen mit dem "Fürsten dieser Welt(zeit)".
Christus sagte nicht und zu niemandem, der Ihm aufmerksam zuhörte, daß
das Reich Gottes, eben weil es sich um ein Reich handelt, in uns bzw.
in euch sei, sondern daß es "unter euch" ist, und dann fügte Er noch
sehr aufschlußreich hinzu: "es werden Tage kommen, da ihr euch sehnen
werdet, einen einzigen Tag des Menschensohnes zu sehen, und ihr werdet
nicht sehen" (Lk 17, 21-22), das heißt: ihr werdet das
übernatürliche—reale Gegenwärtigsein des Reichsgründers niemals
sinnlich erfassen, weder durch äußere Wahrnehmung noch durch innere
Vorstellung. Von geistiger Blindheit ist hier jedoch nicht die Rede:
Und wer von einem Reiche Gottes "in uns" redet, der hatte auch noch nie
begriffen, was jene erschütternde Aussage in concreto bedeutet: "Und
das Wort ist Fleisch geworden und hat unter uns gewohnt, und wir haben
seine Herr—lichkeit geschaut, eine Herr—lichkeit... voll Gnade und
Wahrheit" (Joh 1,14). Dieses Schauen war weder ein sinnenhaftes noch
ein rein geistiges, sondern ein rationales und intellektiv—konkretes
Erfassen einer unverwechselbaren und einzigartigen Realität, die in der
Wesensgestalt des göttlichen Menschensohnes gegeben war und in
Erscheinung trat. Als Jesus der Christus öffentlich auftrat, mit Macht
und Autorität lehrte und von seiner Macht auch einen handfesten
Gebrauch machte, da war nichts mehr zu erblicken von einem "Jesuskind",
"Jesusknaben", "lieben Heiland" oder "Sohn Mariens" etc.. Unter solchen
Perstpektiven wurde immer schon der Weg zu einer klaren Erfassung des
göttlichen Menschensohnes verdunkelt und versperrt, so daß nicht einmal
die Warnung in Seinen harten Worten verstanden wurde: "Meint nicht, daß
ich gekommen bin, das Gesetz oder die Propheten aufzuheben. Ich bin
nicht gekommen aufzuheben, sondern zu erfüllen. Denn wahrlich, ich sage
euch: Bis der Himmel und die Erde vergehen, wird nicht ein Jota oder
ein Häkchen vom Gesetz vergehen, bis alles geschieht. ... Wenn euere
Gerechtigkeit nicht weit vollkommener sein wird als die der
Schriftgelehrten und Pharisäer, so werdet ihr nicht hineingehen in das
Himmelreich" (Mt 5,17-20)! Damit aber richtete Christus eine erste
Schranke auf und schob allen denen einen Riegel vor, die glaubten
(meinten), es sei leicht, in das Reich Gottes, das im Kommen war, zu
gelangen und seiner 'Reichsbürgerschaft' teilhaftig zu werden. Zugleich
aber wird aus diesen Aussagen bereits deutlich, daß sich das Reich
Gottes nicht wie andere Reiche begrenzen oder umgrenzen läßt und somit
auch kein völkisches oder nationales oder territoriales oder globales
sein kann. M.a.W.: es existiert, wenn und solange es existiert, immer
nur im Menschengeschlecht und unter den Menschen, gleichgültig welcher
Rasse, Hautfarbe und Kultur. Daraus aber folgt, daß es eine Mitte haben
muß, in der es sich zentriert und von der her es sich ausweitet und
auch ins Grenzenlose erstreckt, d.h. über den Menschen hinaus. Die
meisten Juden jedoch erhofften und erwarteten ein ganz anderes Reich
mit einem Herrscher nach Art eines "Super-David", der das schon
ziemlich zerstreute "auserwählte Volk" wieder vereint, nach innen und
nach außen Ordnung schafft und auch das Schwert gebraucht – zuerst
gegen die Römer "vor Ort" und dann, nun dann wird man halt weitersehen!
Doch schon der hl. Johannes der Täufer hatte diesen Hochmut
gebrandmarkt, indem er den Pharisäern und seinen Volksgenossen
unmißverständlich ins Gesicht sagte: "Ihr Natternbrut! Wer hat euch
gelehrt, dem kommenden Zorn(Gottes) zu entfliehen? Bringt darum Frucht,
die der Bekehrung entspricht, und glaubt (doch) nicht, euch einreden zu
dürfen: Wir haben Abraham zum Vater! Denn ich sage euch: Gott kann dem
Abraham aus diesen Steinen Kinder erwecken. Schon ist die Axt an die
Wurzel der Bäume gesetzt" (Mt 3,7-10). Im übrigen hat noch niemand mit
frommen Sprüchen und langen Gebeten kranke Bäume gefällt oder einen
Sumpf trocken gelegt.
Das Reich Gottes im Menschengeschlecht und unter den Mensch – seien
diese nun gut oder böse, gebildet oder ungebildet, reich oder arm, alt
oder jung, gesund oder krank, gläubig oder ungläubig (was nicht
dasselbe ist wie glaubenslos) – ist und kann nur sein ein einziges
Reich. Es gibt keine drei Reiche, etwa eines des Vaters oder eines des
Sohnes oder eines des Hl. Geistes. Dies ist bereits a priori evident,
wenn man zu denken angefangen hat und weiß, wer oder was Gott ist. Nun
aber besteht für viele keine geringe Schwierigkeit hinsichtlich der
Erkenntnis diese einzig—einen Reiches, obwohl es etwas Ge-schaffenes
oder Ge-gründetes ist und auch eine reale Mitte hat, so daß es sehr oft
dort gesucht wird, wo es überhaupt nicht zu finden ist (und schon gar
nicht "in uns" oder in "unserem Innern"). Diese Schwierigkeit beruht
auf zwei Tatsachen und Umständen, die bei Menschen generell gegeben
sind, gleichgültig ob es sich um Christen oder Nichtchristen handelt.
Denn das Reich Gottes ist ontisch und onto-logisch eine geistige Größe
einfacher Natur (oder Wesenheit) und somit in sich ungeteilt und auch
unteilbar; zugleich aber ist es als ein real Seiendes (ens reale) ein
singuläres Einzig--Eines (ens unicum) und somit einmalig und
unwiederholbar. Beides aber kann nur intellektiv--rational erfaßt
werden, da eine solche Sache der sinnlichen (sinnenhaften) Erkenntnis,
angefangen mit der sinnlichen Wahrnehmung und Erfahrung, gänzlich
unzugänglich ist. Dies muß man sich einmal deutlich, nüchtern und
illusionslos zu Bewußtsein bringen. Denn hier liegt der Grund, weswegen
sogar Christus, der Herr und Lehrmeister, sich in Sachen Himmel-Reich
oder Reich Gottes gezwungen sah, zu Vorstellungsbildern und bildlichen
Vergleichen (Gleichnissen) zu greifen, um sich einer Volksmenge
überhaupt verständlich zu machen – selbst auf die Gefahr hin, gar nicht
verstanden oder gründlich mißverstanden zu werden, wie es dann ja auch
geschehen ist. Dieses Faktum gehört ebenfalls zu den "Leiden Christi"
'im Anblick des Volkes', das sich in seinem Größenwahn für das
"auserwählte" hielt. Nicht selten geriet Christus sogar gegenüber
Seinen Jüngern und Aposteln wegen ihrer Unverständigkeit in Zorn, aber
nicht weil sie ungebildet gewesen sind oder dumm waren, sondern wegen
ihrer Denkfaulheit und dem Festhalten an falschen
"Glaubensvorstellungen". In der Tat, es hat sich seit damals im großen
und ganzen nichts geändert, es sei denn, daß es noch viel schlimmer
geworden ist, da man sogar unter Christen weitgehend aber auch gar
nichts vom Reiche Gottes in der Welt weiß. Warum eigentlich wird diese
Tatsache so hartnäckig und mit konstanter Boshaftigkeit geleugnet? Und
warum wird, anderseits, von 'hohen' "kirchlichen Kreisen" gegenüber den
"Gläubigen" bei jeder sich bietenden Gelegenheit der Eindruck erweckt,
man habe davon noch ein wahres Wissen (dunkel zwar, aber dann um so
geheimnisvoller!), obwohl man doch nur an der Festigung oder
Erweiterung eigener Macht und Herrschaft interessiert ist? Das neue
"Volk Gottes" des Vatikanums 2 weiß freilich nicht, was sich hinter den
Kulissen seiner Vorsteher, der neuen Pharisäer und Schriftgelehrten,
abspielt, die es jedoch, nebenbei bemerkt, sehr gut verstanden haben,
bei ihren Volksgenossen und –genossinen 'den Glauben zu erwecken', sie
seien ein von einem 'heiligen Geiste' beschattetes "pilgerndes
Gottesvolk" und hätten dementsprechend natürlich auch einen
'Hohenpriester' im Tempel zu Rom, der nur "Pilgerreisen" macht, 'um
ihren Glauben zu stärken'. So etwas glauben heute fast alle Katholiken
und viele Nichtkatholiken, d.h. sie halten in ihrer Blindheit und
Verblendung einen solchen Schwindel für wahr.
Eine weitere Schwierigkeit in der geistigen Erfassung des einzig—einen
Reiches Gottes in der Welt liegt darin, daß es in seinem Wesen und in
sich (per se et in se) sowohl einfach (simplex) als auch komplex oder
zusammengefügt (complexus vel coniunctionatus) ist, so daß immer die
Möglichkeit besteht, in der Erkenntnis auf Irrwege zu gelangen oder
sich durch äußere Erscheinungen täuschen zu lassen. Denn es hat kein
Da—sein in einer Volks—Menge, gleichgültig wie groß diese nun ist, da
es kein Massenphänomen ist. Deshalb zeigt es sich auch nicht in
Prozessionen, Aufmärschen oder Großveranstaltungen mit bunten Fahnen,
blankgeputzten Standarten, riesigen Transparenten, auf denen Parolen zu
lesen oder markante Köpfe zu sehen sind, oder mit hochgetragenen
Statuen und Bildern, reich gekleidet und geschmacklos verziert, etc.;
es zeigt sich nicht in Prunk, Pracht, Lichterglanz und wohlriechendem
Weihrauch. Nur die Reiche "von dieser Welt" stellen sich so dar und
wogegen nicht einmal etwas einzuwenden ist. Wer jedoch das Reich Gottes
unter solchen Perspektiven sucht, der wird es niemals finden. Die
besonders raffinierten Feinde des Reiches Gottes kalkulierten völlig
richtig, als sie das Programm aufstellten: man nehme denen, die auf
irgend eine Weise an ein 'Himmelreich' mit einem "Himmelsvater" und
einer lieben "Himmelsmutter" glaubten, ihr Anschauungsmaterial oder
gebe ihnen ein noch falscheres… und schon hat sich ihr "katholischer
Glauben" an ein Reich Gottes in der Welt in blauen Dunst aufgelöst. So
einfach geht das, wenn man es geschickt anfängt. Deshalb ist es auch
kein Nachteil, sich jetzt einmal an die dritte "Versuchung Christi" zu
erinnern. Denn diese war zwar äußerst primitiv und gegenüber dem
göttlichen Menschensohn sogar mehr als dumm, dennoch aber als Methode
ungemein erfolgreich bei allen denen, die vom Phänomen der Macht
fasziniert waren und denen es nach Macht über Menschen gelüstete –
einer Macht jedoch über dem Recht oder außerhalb des Rechts oder ohne
Recht, was alles auf dasselbe hinausläuft. Zu der gleichen "feinen
Gesellschaft" gehören aber auch diejenigen, die heute, um andere
einzuschläfern, überall einen sog. "Gewaltverzicht" propagieren, als ob
ein solcher Verzicht von vornherein und grundsätzlich ein Akt der
Humanität und höchst moralisch sei, was nicht im mindesten der Wahrheit
entspricht. Diese Zeitgenossen verwechseln ständig, vorsätzlich und in
perfider Absicht die Begriffe. Darum lachen sie auch nur über jene
Offenbarung Christi, obwohl sie diese noch nie verstanden haben: "Mir
(allein) ist alle Gewalt gegeben im Himmel und auf Erden" (Mt 28,18).
Daraus aber folgt nicht, daß der göttliche Menschensohn bereits von
aller Gewalt auch Gebrauch gemacht hätte, weder damals noch heute. Auch
dieses Faktum sollte niemals übersehen werden, wenn man sich über das
Reich Gottes und seine Gründung, die sich in einem gesellschaftlichen
Prozeß ereignete bzw. vor sich ging, vernünftige Gedanken macht.
Andernfalls nämlich wird auch jenes tiefsinnige Wort Christi nicht
verstanden oder mißdeutet: "Von den Tagen Johannes des Täufers an bis
jetzt leidet das Himmelreich Gewalt, und die Gewalttätigen reißen es an
sich" (Mt 11,12). |