ZEHN JAHRE SEDISVAKANZERKLÄRUNG
S.E. MGR. P. M. NGÔ-DINH-THUC
Am 25. Februar dieses Jahres wiederholt sich der Tag, an dem eine
Dekade zuvor S.E. Erzbischof Ngô-dinh-Thuc seine "Declaratio" über die
Sedisvakanz und die Ungültigkeit der neuen Sakramentsriten
unterzeichnete, die er dann am 21. März 1982, am Sonntag "Laetare",
während einer feierlichen hl. Messe öffentlich verkündigte. Dieses
Jubiläum ist für uns Anlaß, um das Schicksal einer Erklärung zu
verfolgen, die wie keine andere Stellung nehmen forderte, an dem sich
wie kaum zu einer anderen Gelegenheit die feige und mißgünstige Haltung
jener offenbarte, für die die "Declaratio" eigentlich bestimmt war: für
die angeblich 'streitende Kirche'. Sieht man einmal von einer gewissen
offenen Zustimmung ab, so ist ein Dokument selten so gründlich in der
Öffentlichkeit und den Traditionalistenkreisen verschwiegen worden wie
die Erklärung über die Sedisvakanz.
Außer in der EINSICHT wurde die "Declaratio" meines Wissens nur noch in
Mexiko und in Südamerika in öffentlichen Organen verbreitet. Auch die
Presse, der wir sie zugeleitet hatten, weil sie schon über die sog.
'unerlaubten' Bischofsweihen - bedingt durch P. Barbaras Verrat -
genüßlich berichtet hatte, und der damit eine Begründung für diese
Handlungen geliefert werden sollte, unterschlug Mgr. Ngô-dinh-Thuc's
Erklärung, selbst in ihrem Nachrichtenteil.
Die Ablehnung, ja Gehässigkeit ging teilweise sogar soweit, daß
Erzbischof Ngô-dinh-Thuc verdächtigt wurde, er habe die "Declaratio"
nur verfaßt, um den Personen der Una-voce-Gruppe eine Gefälligkeit zu
erweisen. (Ich brauche nicht zu betonen, daß solche Unterstellungen aus
Kreisen angeblich treu gebliebener Katholiken stammten.)
Dabei hätte man meinen dürfen, daß nun, da endlich ein Bischof, der
sich zudem in der jüngeren Kirchengeschichte ausgezeichnet und das
besondere Vertrauen Papst Pius XI. besessen hatte, als Bischof der
Kirche förmlich und öffentlich den allgemeinen Abfall der Hierarchie
und des Großteils der Gläubigen bestätigte, unmittelbare Zustimmung aus
allen Lagern konservativer katholischer Christen erfolgen würde! Denn
bisher hatten alle diesbezüglichen Stellungnahmen - mochten sie auch
theologisch noch so klar vorgetragen worden sein - keinen offiziell
verbindlichen Charakter, da nur ein Amtsinhaber der Kirche für die
Kirche verbindlich sprechen kann. Hier nun hatte ein Bischof der Kirche
seine Stimme endlich (!) erhoben! In der "Declaratio", die sachlich
nichts Neues brachte, wurde zum erstenmal aber von offizieller Seite
die Sedisvakanz festgestellt (!). (N.b. auch wenn die "Declaratio"
nicht "ex officio", sondern "ex caritate" abgegeben worden ist, so hat
sie dennoch offiziell verbindlichen Charakter, da sie von Erzbischof
Ngô-dinh-Thuc als Bischof der katholischen Kirche verkündet worden
ist.)
Und warum diese Unterdrückung, diese Ablehnung, gerade von den sog.
'Mitstreitern'? Weil sie von einem Bischof verfaßt und unterzeichnet
worden war, der sich wegen des Skandals von Palmar de Troya nicht der
allgemeinen Traditionalistengunst erfreute, der sozusagen nicht mehr
'hoffähig' war,... weil sie in einer Zeitschrift erschien, die vielen
äußerst unbequem geworden war - zumindest galt das für den
deutschsprachigen Bereich. Man hatte eine solche Erklärung - neben der
Weihe von Bischöfen - nicht von Erzbischof Ngô, sondern von dem
Prälaten aus Econe erwartet... (Auch heute noch, nachdem beide Bischöfe
bereits gestorben sind, weckt die Erinnerung an Mgr. Ngô-dinh-Thuc nur
unangenehme Empfindungen, man stößt auf eine tief sitzende Ablehnung,
weil man dem Erzbischof nicht verzeihen kann oder will, daß er in
Palmar Bischöfe und Priester geweiht hat. Dabei sollten sich diese
Personen fragen, ob sie Pius XII. oder andere Bischöfe mit den gleichen
Aversionen bedenken, die doch auch mit ihren Kandidaten Mißgriffe taten
und Priester zu Bischöfen konsekrierten, die später nicht bloß,
kirchlich gesehen, Sekten gründeten und Skandale verursachten, sondern
mit aller Konsequenz die Kirche zerstörten.)
Dennoch hat die "Declaratio" in den letzten zehn Jahren nicht nur
deutliche Spuren hinterlassen, sondern diese Zeit auch entscheidend
mitgeprägt - man mag das leugnen oder nicht. Obwohl ungeliebt, weil von
einem ungeliebten Autor verfaßt und verkündet, war und ist sie das
einzige nachkonziliare relevante Dokument, durch welche die treuen
Katholiken ihre Situation offiziell definieren können. Und das hat
schließlich auch die sog. 'Ästheten' gezwungen, sie nicht nur
zähneknirschend zu akzeptieren, sondern sie sogar schon als feste
Gegebenheit stillschweigend in ihren Darstellungen vorauszusetzen.
Jeder kann den Beweis für diese Behauptung selbst aufstellen und
kontrollieren: seit der Veröffentlichung der "Declaratio" im Februar
1982 spricht man in der Öffentlichkeit von "Sedisvakanz" und
"Sedisvakantisten". Und auch die 'Konzils-Kirche'- die n.b. viel
schneller und konsequenter reagierte und dem Dokument und seinem
Verfasser weit größere Beachtung und Aufmerksamkeit schenkte als die
traditionalistisch-dünkelhaften Herren Professoren, die sich in ihrem
Kalkül betrogen fühlten (man denke nur an die Entführung von Erzbischof
Ngô aus dem Seminar in Rochester !!!) - hat den Terminus "Sedisvakanz"
aufgegriffen. Ähnlich wie bei der Econe-Sekte versucht man da wie dort
das Thema des unbesetzten apostolischen Stuhles zwar nicht zu
tabuisieren - das geht heute nicht mehr -, sondern die Anhänger dieser
Auffassung als Extremisten zu isolieren - das geht heute ganz gut.
Aber Leute wie Schmidberger sind sicherlich nicht so völlig blind,
nicht zu sehen, wie eine Idee ihre eigenen Konsequenzen austreibt und
wie weit er mit seiner intransingenten Haltung hinsichtlich der
Anerkennung eines offenkundigen Apostaten als Papst gekommen ist, was
er selbst einmal früher abgelehnt hatte.
Im nachfolgenden veröffentlichen wir noch einmal die "Declaratio", um
sie den vielen neuen Lesern einmal im Wortlaut vorzuführen.
Eberhard Heller
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