DIE HL. AGNES
von
Eugen Golia
Agnes zählt zu den berühmtesten und volkstümlichsten Heiligen.
Kirchenväter wie der hl. Hieronymus und der hl. Augustinus verehren sie
in ihren Schriften und der hl. Ambrosius gibt uns in seinem Werk "De
virginibus" die Grundlage der in lateinischer Sprache verfaßten
Legenden. Darin wird das Leben der hl. Agnes etwa wie folgt umrissen
(es existieren verschiedene Versionen):
Agnes, die Tochter vornehmer christlicher Eltern in Rom,hatte schon als
Kind das Gelübde der Keuschheit abgelegt. Als sie im Alter von etwa 12
Jahren der Sohn des Präfekten zur Frau begehrte, wies sie ihn ab, da
sie schon mit dem himmlischen Bräutigam verlobt sei. Gekränkt klagte er
sie als Christin an. Das junge Mädchen blieb aber trotz aller Drohungen
fest und standhaft bei seinem Entschluß und wurde deshalb wegen
Gotteslästerung zum Dienst in einem Freudenhaus verurteilt. Als sich
ihr in der Nacht der Sohn des Präfekten näherte, um sie zu
vergewaltigen, traf ihn ein Feuerstrahl, so daß er wie tot niedersank,
aber auf das Gebet von Agnes hin wieder zum Leben zurückkehrte. Ihre
Feinde aber ruhten nicht, bis ein neues Verfahren gegen sie eingeleitet
wurde.
Nunmehr der Zauberei beschuldigt und in einem Schauprozeß zum Tode
verurteilt, wurde sie vor einer riesigen Menschenmenge in einen
brennenden Scheiterhaufen geworfen. Weil sie aber in dem Flammenmeer
vor dem Verbrennen verschont blieb, ließ sie der Richter durch das
Schwert enthaupten.
Der hl. Ambrosius schreibt: "Im Alter von zwölf Jahren erlitt Agnes das
Martyrium. Fluchwürdige Grausamkeit, die nicht dieses jugendliche Alter
verschonte oder vielmehr wunderbare Kraft des Glaubens, die sogar in
diesem Alter Zeugen zu finden vermochte. (...) Die Mädchen ihres Alters
sind nicht imstande einen zürnenden Blick ihrer Eltern zu ertragen, ein
Stich mit der Nadel bringt sie zum Weinen, als wäre dies eine
Verwundung. Agnes hingegen, furchtlos unter den blutigen Händen ihrer
Henker, unbewegt in schweren Ketten, die mit Getöse nachgezogen wurden,
öffnet sich furchtlos der Spitze des Schwertes, das der Soldat gegen
sie mit Wut zückt. Ohne zu wissen, was der Tod ist, ist sie bereit, ihn
zu erleiden. Schleppt man sie gegen ihren Willen zu den Altären *),
hält sie beim Vorübergehen an den Feuerbecken die Hände Christus
entgegen. Über die verfluchten Opferstätten macht sie das siegreiche
Zeichen des Kreuzes Christi. (...) Nicht mit soviel Freude geht die
Braut in den Hochzeitssaal wie die Jungfrau - glücklich über ihren
Erfolg - zur Stätte der Hinrichtung eilt, wobei sie als Schmuck ihres
Hauptes keine künstliche Frisur, sondern Christus hatte, als Kranz
nicht Blumen, sondern Tugenden. Alle weinten, sie allein war tränenlos.
Man wunderte sich, daß sie ihr Leben nicht schonte, daß sie, die es
noch gar nicht gekostet hatte, es hingab, als wäre sie schon
gesättigt."(...)
Vieles bleibt in der Vita des hl. Ambrosius über die hl. Agnes offen.
Er beruft sich auf die Tradition und geht davon aus, daß seine Leser
Kenntnis vom Leben der Heiligen besitzen. So wissen wir weder ihr
Geburts- noch ihr Todesjahr. Ersteres muß zwischen 240 und 290 liegen,
das letztere zwischen 254 und 304. Da die große Verfolgung der Christen
unter Diokletian 303 begann, kann Agnes somit auch zu deren Opfern
zählen. Agnes, von der eigentlich nur ihr Name als historisch belegt
gelten kann, zählt dennoch im wahrsten Sinne des Wortes zu den am
meisten genannten und gefeierten Heiligen unserer Kirche: seitdem der
Kanon unserer hl. Messe besteht, somit seit mehr als 1500 Jahren, wird
sie im "Nobis quoque peccatoribus", der Bitte um die Aufnahme in die
Gemeinschaft der Heiligen, mit sechs weiteren Glaubensheldinnen als
Zeugin des Glückes der Seligen angeführt. Wie nicht anders zu erwarten,
wurde sie im sog. 'N.O.M.' als für eine Mahlfeier unnützer Ballast und
alter Zopf gestrichen.
In der Kirche des Abendlandes findet das Hauptfest der hl. Agnes seit
den ältesten Zeiten am 21. Januar statt. Das Evangelium des Tages ist
das Gleichnis von den klugen und den törichten Jungfrauen. Dieses,
sowie Verse aus dem Brautgesang des 44. Psalms durchziehen auch die
anderen Teile des Propriums dieser Messe.
Auf die lateinische Deutung ihres Namens (agna = das Lamm), die aber
nicht korrekt ist, da Agnes aus dem Griechischen (agnä, die Reine)
abzuleiten ist, geht auch der Brauch zurück, daß in Rom in der Kirche
der hl. Agnes an diesem Tag alljährlich die Wolle zur Herstellung der
erzbischöflichen Pallien geweiht wird. Am 28. Januar wird die Oktav,
die ursprünglich als ihr Geburtstag galt, gefeiert. Außerdem ist im
Stundengebet dieses Tages zu lesen, wie Agnes ihren Eltern, die, wie es
in frühchristlicher Zeit vielfach Sitte war, in der Nacht über ihrem
Grabe wachten, erschien und sie tröstete mit dem Hinweis, daß sie der
himmlischen Freuden teilhaftig geworden sei.
Rom besitzt zwei zu ihrer Ehre errichtete Gotteshäuser. Die sterblichen
Überreste der Heiligen wurden sorgfältig gesammelt und in ein den
Eltern gehörendes Landhaus gebracht. Nachdem die Kirche ihre
öffentliche Freiheit erlangt hatte, pilgerten viele Kranke zu ihrem
Grabe, um dort durch ihre Fürbitte Heilung zu erlangen, unter anderen
auch Konstantia, eine Tochter Kaiser Konstantin des Großen, die bald
danach, wie die meisten Mitglieder ihrer Familie, getauft wurde. Die
über dem Grab errichtete Kirche, S. Agnese fuori le mura (St. Agnes vor
den Mauern) zählt zu den ältesten Gotteshäusern der Ewigen Stadt, die
trotz der im Laufe der Jahrhunderte erfolgten Restaurationen und
Umbauten die Eigentümlichkeiten der antiken christlichen Kirchen
bewahrt hat. Die zweite, der hl. Agnes geweihte Kirche Roms, S. Agnese
in Agone, erhebt sich an der Westseite der Piazza Navona. Das im
prunkvollen Barockstil errichtete Gotteshaus beherrscht mit seinen
beiden Glockentürmen und der großen Kuppel den gesamten Navona-Platz
und soll sich an der Stelle befinden, wo nach der Überlieferung Agnes
vor der im Stadion versammelten Menschenmenge vom Henker entkleidet
wurde, ohne jedoch ihre Schamhaftigkeit zu verletzen, da sich plötzlich
ihre Haare lösten und sie verhüllten.
Benützte Literatur:
Melchers, Erna und Hans: "Die Heiligen. Geschichte und Legende" Augsburg 1980.
Parsch, Pius: "Das Jahr der Heiligen" Bd.I, Klosterneuburg 1932.
Stadler, Joh. Ev.: "Vollständiges Heiligenlexikon in alphabet. Ordnung" Bd.I, Augsb. 1858.
"Vies des Saints" Bd.I, Paris 1935.
Anmerkung:
*) Gemeint sind die Altäre der heidnischen Götzen. Anm.d.Red.
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