PREDIGT ÜBER DIE GEBURT DES HERRN
vom
hl. Basilius d. Gr., Bischof von Cäsarea (329-379)
Vorbemerkung der Redaktion
Da viele Gläubige das Weihnachtsfest wegen der extremen Notsituation
ohne die sakramentalen Tröstungen und ohne die weihnachtliche Liturgie
verleben müssen, sind wir seit Jahren bemüht, für die Weihnachtsausgabe
unserer Zeitschrift einen Geistlichen zu finden, der es übernimmt, mit
seiner Ansprache an die Leser ersatzweise einigen Trost zu verbreiten
und den Lesern seinen priesterlichen bzw. bischöflichen Segen zu
erteilen. So ist es durch diese Ansprachen gelungen - ich denke da auch
besonders an die Predigten von + H.H. Pfr. Aßmayr -, die geistige Not
ein wenig zu lindern und manchen aus seiner Einsamkeit herauszureißen.
Für die vorliegende Ausgabe hatte Bischof Carmona bei seinem Besuch in
München Mitte Oktober versprochen, unmittelbar nach seiner Rückkehr
nach Mexiko den Weihnachtsartikel zu schreiben. Gott hat es anders
gewollt: am Fest Allerheiligen ist Bischof Carmona in Mexiko tödlich
verunglückt. R.i.p.
Eberhard Heller
***
Wir müssen uns bewußt bleiben, wie weit die Sprache hinter der Wahrheit
zurückbleibt. Wenn schon der Verstand der Natur des Geheimnisvollen
nicht beikommen kann, so kann auch keine Sprache das irgendwie Gedachte
adäquat zum Ausdruck bringen. Gott auf Erden, Gott unter Menschen,
nicht im Feuer und unter Posaunenschall, nicht auf rauchendem Berge
oder bei Dunkel und bei herzerschütterndem und ohrenbetäubendem
Sturmwinde Gesetze gebend, sondern in leiblicher Erscheinung sanft und
gütig mit seinesgleichen verkehrend. Gott im Fleische, nicht aus weiten
Entfernungen wirksam wie in den Propheten, sondern vereint mit einer
der Menschheit wesensgleichen Natur, um so durch sein mit uns
verwandtes Fleisch die ganze Menschheit zu sich zurückzuführen.
Wie ging nun, fragt man, die Herrlichkeit von einem auf alle über? Wie
war die Gottheit im Fleische? Wie das Feuer im Eisen, nicht durch
Übergang, sondern durch Mitteilung. Nicht entweicht ja das Feuer in das
Eisen, sondern teilt ihm, am Orte verbleibend, nur von seiner Kraft
mit; auch nimmt es nicht ab durch die Mitteilung, erfüllt vielmehr
ganz, was mit ihm in Berührung kommt. So nun ist auch Gott das Wort
nicht aus sich herausgetreten, und hat dennoch unter uns gewohnt (vgl.
Joh. 1,14.), und ohne eine Veränderung zu erleiden "ward das Wort
Fleisch"(ebd.). Der Himmel verlor den nicht, der ihn umfaßt, und doch
nahm die Erde den Himmlischen in ihren Schoß auf. Denk dabei nicht an
ein Herabsinken der Gottheit; denn sie geht nicht wie ein Körper von
einem Ort an einen andern. Auch bilde dir nicht ein, die Gottheit hätte
sich verändert in Form einer Verwandlung ins Fleisch; denn das
Unsterbliche ist unveränderlich.
Wie, fragt man, ward nicht Gott das Wort mit leiblicher Ohnmacht
angefüllt? Wir antworten: So wenig, als das Feuer von den Eigenschaften
des Eisens berührt wird. Schwarz ist das Eisen- und kalt; aber vom
Feuer durchglüht nimmt es doch die Form des Feuers an, wird selbst
glühend, ohne das Feuer zu schwärzen, flammensprühend, ohne die Flamme
abzukühlen. Ebenso hat auch das menschliche Fleisch des Herrn an der
Gottheit teilgenommen, ohne der Gottheit von seiner Schwachheit
mitzuteilen. Oder gibst du nicht zu, daß die Gottheit ebenso wirke wie
dieses sichtbare Feuer? Träumst du vielmehr in deiner menschlichen
Schwäche von einem Leiden beim Leidensunfähigen und weißt nicht, wie
die verwesliche Natur durch ihre Vereinigung mit Gott die
Unverweslichkeit erlangt hat? Nun, vernimm vom Geheimnis! Deshalb ist
Gott im Fleische, um den darin verborgenen Tod zu töten. Wie die
Arzneien als Gegengift dem Zersetzungsprozeß Einhalt gebieten, sobald
sie mit dem Körper sich verbinden, und die Finsternis im Hause
verschwindet, sobald man das Licht herbeibringt, so ist auch der Tod,
der in der menschlichen Natur herrschte, durch die Gegenwart der
Gottheit verscheucht worden. Und wie das Eis im Wasser, solange Nacht
ist und Schatten, die Nässe beherrscht, unter dem Strahle der wärmenden
Sonne aber schmilzt, so hat auch der Tod bis zur Ankunft Christi
geherrscht. Als aber die rettende Gnade Gottes erschien (vgl. Tit.
2,11.) und die Sonne der Gerechtigkeit aufging (vgl. Mal. 4,2.), da
wurde der Tod verschlungen im Siege (vgl. 1 Kor. 15,54.), weil er die
Gegenwart des wahren Lebens nicht ertragen konnte. O Tiefe der Güte und
Liebe Gottes! Dank dieser übergroßen Menschenfreundlichkeit haben wir
das Joch der Knechtschaft abgeschüttelt. Und da suchen Menschen noch
nach dem Grunde, weshalb Gott unter den Menschen weilte, indes sie doch
seine Güte anbeten sollten.
Was sollen wir mit dir anfangen, o Mensch? Solange Gott in der Höhe
weiite, hast du ihn nicht gesucht; nachdem er aber zu dir
herabgestiegen und jetzt in seinem Fleische mit dir verkehrt, nimmst du
ihn nicht auf! Vielmehr fragst du erst nach dem Grunde, weshalb du mit
Gott verwandt geworden. So vernimm ihn! Deshalb war Gott im Fleische,
weil dieses verfluchte Fleisch geheiligt, das geschwächte Fleisch
gestärkt, das gottentfremdete wieder ihm nahegebracht, das aus dem
Paradiese verstoßene wieder in den Himmel zurückgeführt werden sollte.
Und welches war die Werkstätte für diesen Heilsplan? Der Leib der hl.
Jungfrau. Welches sind die wirkenden Ursachen der Geburt? Der Hl. Geist
und die überschattende Kraft des Allerhöchsten. Doch vernimm lieber die
eigenen Worte des Evangeliums! "Denn als seine Mutter Maria", heißt es,
"mit Joseph verlobt war. fand es sich, daß sie, ehe sie zusammenkamen,
vom Hl. Geiste empfangen hatte."(Matth. 1.18.) Jungfrau, und dabei
verlobt mit einem Manne, war sie als das geeignete Werkzeug zur
Erlösung ausersehen, damit so die Jungfrauenschaft geehrt und
andererseits die Ehe nicht verrufen werde. Die Jungfräulichkeit wurde
als geeignet zur Heiligung ausersehen; mit der Verlobung aber war der
Anfang zum ehelichen Leben gegeben. - Zugleich aber hatte sie im
Bräutigam einen Schirmer ihres Lebens, insofern Joseph berufener Zeuge
der Reinheit Mariens sein und Maria nicht dem Verdacht ausgesetzt
werden sollte, die Jungfräulichkeit verletzt zu haben. - Ich kann aber
noch einen anderen Grund anführen, keineswegs weniger gewichtig als die
genannten: Es war nämlich der geeignete Zeitpunkt für die Menschwerdung
des Herrn gekommen, der längst vorherbestimmt und vor Grundlegung der
Welt beschlossen war, jener Zeitpunkt, da der Hl. Geist und die Kraft
des Allerhöchsten jenes gottragende Fleisch bilden mußten. Weil aber
das zu jener Zeit lebende Menschengeschlecht nichts der Reinheit Maria
Ebenbürtiges aufzuweisen hatte, das die Kraft des Geistes hätte
aufnehmen können, sie aber zuvor schon verlobt war, so wurde die selige
Jungfrau auserkoren, da ja ihre Jungfrauschaft unter der Verlobung
keineswegs gelitten hatte. - Es ist übrigens von einem alten Vater
(Ignatius von Antiochien in seinem "Brief an die Epheser". Vgl. auch
Hieronymus in Matth. lib. I, cl.) noch ein weiterer Grund genannt
worden: An eine Verlobung mit Joseph hätte man deshalb gedacht, um dem
Fürsten dieser Welt Maria Jungfräulichkeit verborgen zu halten. Man
hätte durch die äußere Verlobung der Jungfrau den Bösewicht gleichsam
geblendet, ihn, der schon längst den Jungfrauen nachstellte, seit er
aus dem Munde des Propheten vernommen: "Siehe, die Jungfrau wird
empfangen und einen Sohn gebären!"(Is. 7,14.) So wurde nun durch die
Verlobung der Feind der Jungfrauschaft hintergangen. Er wußte ja, daß
die Ankunft des Herrn im Fleische die Zerstörung seines eigenen Reiches
bedeuten würde.
"Ehe sie zusammen kamen, fand es sich, daß sie empfangen hatte vom Hl.
Geiste." (Matth. 1,18.) Beides fand Joseph, die Schwangerschaft wie
deren Ursache, daß sie nämlich vom Hl. Geiste herrührte. Aus Furcht
davor, eines solchen Weibes Mann zu heißen, "beschloß er, sie heimlich
zu entlassen" (Matth. 1,19.)ª weil er von ihrem Zustand nicht offen zu
sprechen wagte. Da er aber gerecht war, ward ihm eine Offenbarung des
Geheimnisses. "Während er nämlich mit diesem Gedanken umging, da
erschien ihm ein Engel des Herrn im Schlafe und sprach: 'Fürchte dich
nicht, Maria, dein Weib, zu dir zu nehmen." (Matth. l,2o.) Denke nicht
daran, mit ungereimten Einfällen die Sünde verheimlichen zu können! Du
wirst doch gerecht genannt; ein gerechter Mann darf aber
Ungerechtigkeiten nicht mit dem Stillschweigen zudecken. "Fürchte dich
nicht, Maria, dein Weib, zu dir zu nehmen!" Joseph hatte also verraten,
daß er über Maria nicht zürnte noch sie verachtete, daß er sich
vielmehr nur fürchtete, weil sie vom Hl. Geiste empfangen hatte. "Denn
das in ihr Gezeugte ist vom Hl. Geist." (Matth. 1,22.) Hieraus erhellt,
daß beim Herrn die Menschwerdung nicht nach dem gewöhnlichen Naturlaufe
vor sich ging. Denn das, womit sie schwanger ging, war dem Fleische
nach sofort vollendet und erhielt, wie der Wortlaut verrät, nicht erst
in allmählicher Entwicklung seine Gestalt. Denn es heißt nicht: das
"Empfangene", sondern das "Gezeugte". Das aus Heiligkeit
zusammengesetzte Fleisch war also würdig, mit der Gottheit des
Eingeborenen vereint zu werden. (...)
So wollen denn auch wir diese große Freude in unsere Herzen aufnehmen!
Diese Freude verkündigten ja die Engel den Hirten (vgl. Luk. 2,lo). Mit
den Magiern wollen auch wir anbeten, mit den Hirten lobpreisen, mit den
Engeln frohlocken! "Denn heute ist uns der Heiland geboren worden,
welcher ist Christus, der Herr." (Luk. 2,11.) "Gott ist der Herr, und
uns ist er erschienen"(Ps. 117,27.), nicht in der Gestalt Gottes, damit
er das Schwache nicht erschrecke, sondern in der Gestalt eines
Knechtes, um das Geknechtete zur Freiheit zu führen. Wer wäre so
schläfrig, wer so undankbar, daß er sich nicht freuen, daß er nicht
frohlocken und fröhlich sein sollte ob dem heutigen Tag? Das Fest ist
der ganzen Schöpfung gemeinsam: Es schenkt der Welt den Himmel, sendet
die Erzengel zu Zacharias und zu Maria und stellt Engelchöre auf, die
da singen: "Ehre Gott in den Höhen und Friede auf Erden, und unter
Menschen ein Wohlgefallen."(Luk. 2,14.) Sterne laufen frei am Himmel;
Magier rühren sich aus dem Heidenlande; die Erde nimmt ihn auf in eine
Höhle: keiner bleibe unbeteiligt, keiner ohne Dank. Lassen auch wir ein
Wort des Frohlockens erschallen! Einen Namen wollen wir dem Feste
beilegen: "Gotteserscheinungstag" (Theophanie) heiße es! Feiern wollen
wir das Errettungsfest der Welt, den Geburtstag der Menschheit! Heute
war die Strafe Adams aufgehoben. Es heißt nicht mehr: "Du bist Staub
und wirst wieder zu Staub zurückkehren" (Gen. 3,19), sondern du wirst,
mit dem Himmlischen verbunden, in den Himmel aufgenommen werden. Man
wird nicht mehr hören: "In Schmerzen wirst du Kinder gebären."(Gen.3,
16.) Denn selig die den Emmanuel geboren, und selig die Brüste, die ihn
genährt haben! (vgl. Luk. 11,27.) "Ein Kind ist uns geboren, ein Sohn
ist uns geschenkt, auf dessen Schultern die Herrschaft ruht." (Is.
9.6.) Mein Herz wallt auf vor Freude, und es quillt mein Geist (vgl.
Ps. 44,2.), aber zu schwach ist meine Zunge, zu ohnmächtig meine Rede
um die Größe meiner Freude zu verkünden. Stelle dir doch die
Menschwerdung des Herrn und Gottes würdig vor! Stelle dir die Gottheit
ohne Flecken, ohne Makel vor, auch wo sie jetzt in irdischer Natur
wohnt! Sie heilt das Gebrechen, ohne selbst vom Gebrechen angesteckt zu
werden. Siehst du nicht, daß unsere Sonne auch den Kot bescheint, ohne
selbst verunreinigt zu werden, und daß sie das Schmutzige beleuchtet,
ohne üblen Geruch aufzunehmen? Im Gegenteile, sie trocknet die giftigen
Säfte auf, die sie lange beschienen. Warum bangst du also für die
fehler- und fleckenlose Natur, als könnte sie etwa von uns beschmutzt
werden? Deshalb ward er ja geboren, damit du durch die Verwandtschaft
gereinigt werdest. Deshalb wächst er heran, damit du verwandtschaftlich
ihm zu eigen werdest.
O Tiefe der Güte und Liebe Gottes zu den Menschen! Wegen des Übermaßes
der Geschenke glauben wir dem Wohltäter nicht. Wegen der großen
Menschenfreundlichkeit des Herrn versagen wir ihm den Dienst! 0
törichte und boshafte Unerkenntlichkeit! Die Magier beten an, und die
Christen grübeln nach, wie Gott im Fleische, und in welchem Fleische er
sei, und ob er als Vollendeter oder Unvollendeter empfangen worden!
Unnützes übergehe man in der Kirche Gottes mit Stillschweigen, man
halte hoch den überkommenen Glauben und disputiere nicht über das
Verschwiegene! Schließ dich denen an, die mit Freuden den Herrn vom
Himmel her aufnahmen! Denke an die erleuchteten Hirten, an die
Propheten-Priester (Zacharias und Simeon.), an die frohlockenden
Frauen, nämlich an Maria, als sie von Gabriel geheißen wurde sich zu
freuen (vgl. Luk.1,28.), und an Elisabeth, die den Johannes trug, der
in ihrem Schöße freudig aufhüpfte (vgl. Luk.1,44.). Anna verkündete
eine frohe Botschaft (vgl. Luk. 2,38.), Simeon nahm das Kind in seine
Arme (vgl. Luk. 2,28.), und beide beteten in dem kleinen Kind den
großen Gott an; sie nahmen keinen Anstoß an dem Kinde, das sie sahen,
sondern lobpriesen die Herrlichkeit seiner Gottheit. Wie ein Licht
durch gläserne Tafeln leuchtet ja die göttliche Macht durch den
menschlichen Leib und erhellte die, welche die Augen ihres Herzens
reingehalten hatten. Mögen bei diesen auch wir befunden werden und mit
enthülltem Antlitz die Herrlichkeit des Herrn wie in einem Spiegel
schauen, damit auch wir von Klarheit zu Klarheit umgewandelt
werden(vgl. 2 Kor. 3,18) durch die Gnade und Menschenfreundlichkeit
unseres Herrn Jesu Christus.
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