ANMERKUNGEN ZUM SOG. "NOVUS ORDO MISSAE"
von
Dr. Wolfgang Schüler
Abschließend möcht ich noch auf den Novus Ordo zu sprechen kommen. Er
ist weit mehr als nur ein abendfüllendes Thema, und ich will mich
deshalb auf zwei Aspekte beschränken, die philosophisch relevant sind,
und von denen der erste in enger Verbindung zu dem Gesagten steht:
1. Die Umfunktionierung des Opfers zu einem Mahl;
2. die Fälschung der Wandlungsworte bei der Konsekration des Weines. (Anm.d.Red.: wird ausgelassen, da Argumente bekannt.)
Mahl statt Opfer?
Zu 1: Vorbemerkung:
Bei der Definition eines Begriffes zeichnen wir eine Eigenschaft unter mehreren aus, die das Wesen des Begriffs kennzeichnet.
Beispiel: Der Mensch ist ein Vernunftwesen. Diese den Begriff
definierende Eigenschaft ist nicht austauschbar gegen eine andere. Wenn
man etwa definieren würde: der Mensch ist ein zweibeiniges,
ungefiedertes Lebewesen, dann hätte man nicht denselben Begriff, was
man schon daran erkennt, daß nach der zweiten Definition ein
Beinamputierter kein Mensch mehr wäre, wohl aber nach der ersten.
Es ist auch unsinnig zu behaupten, früher hätte man den Akzent mehr auf
die Eigenschaft "Vernunftwesen" gelegt, heute mehr auf die Eigenschaft
"zweibeinig-ungefiedert" .
Nun ist durch das Konzil von Trient eindeutig festgelegt, daß die
Heilige Messe ein Opfer ist. Im Catechismus Romanus heißt es: "Die
Messe ist sowohl ein Lob- als auch ein Versöhnungsopfer".
Außerdem heißt es im ersten Kanon des Konzils v. Trient über das
Meßopfer: "Wenn einer sagt, in der Messe werde Gott kein wahres und
eigentliches Opfer dargebracht ... der sei im Banne!" Und im dritten
Kanon heißt es: "Wenn einer sagt, das Meßopfer sei ... eine bloße
Gedächtnisfeier des am Kreuz vollzogenen Opfers ... der sei im
Banne!"*)
Man beachte die scharfe Abgrenzung gegen den Irrtum, welche - wie
dargelegt - notwendig zur Wahrheitsposition gehört. Demgegenüber heißt
es in dem berüchtigten Paragraphen 7 der Institutio Generaiis zur neuen
'Messe': "Das Herrenmahl oder die Messe ist die heilige Versammlung
oder Vereinigung des Gottesvolkes an einem Ort, unter dem Vorsitz des
Priesters zur Feier des Herrengedächtnisses. Daher gilt für die
örtliche Versammlung der heiligen Kirche in vorzüglicher Weise die
Verheißung Christi: wo zwei oder drei in meinem Namen versammelt sind,
da bin ich mitten unter ihnen" Folgerungen:
a) Danach ist die Messe das Herrenmahl,
also ein Mahl; sie ist aber angeblich auch eine Versammlung (des
Gottesvolkes), die stattfindet, um das Gedächtnis des Herren zu feiern.
Weder das eine noch das andere ist ein Opfer; die Bestimmung der Messe
ist hier somit sachlich falsch.
b) Der Priester ist danach Vorsitzender der Versammlung, was eine implizite Leugnung des Weihepriestertums bedeutet.
c) Das Volk spielt eine mitzelebrierende Rolle, was der katholischen Lehre vom Meßopfer widerspricht.
In allen drei Punkten liegt ein glatter Widerspruch zur katholischen
Lehre vor. Auch der Nachsatz: Wo zwei oder drei in meinem Namen
versammelt sind, da bin ich mitten unter ihnen, ist in diesem
Zusammenhang äußerst dubios. Dieses Wort des Herrn bringt nämlich eine
geistige Anwesenheit zum Ausdruck. In der heiligen Messe geht es aber
gerade nicht um diese, sondern um seine leibliche Anwesenheit.
In der erwähnten Schrift der Kardinale Bacci und Ottaviani heißt es zu
dieser Definition der Messe: "Die Definition der Messe ist also auf die
des 'Mahles' beschränkt, was im folgenden andauernd wiederholt wird
(Nr. 8,48,55d,56), und dieses 'Mahl' wird charakterisiert durch die
Versammlung, der der Priester vorsitzt und durch das Vollziehen des
Gedächtnisses des Herrn, indem man an das erinnert, was er am
Gründonnerstag getan hat. Darin ist weder die wirkliche Gegenwart
enthalten, noch die Wirklichkeit des Opfers, noch die Sakramentalität
des zelebrierenden Priesters, noch der in ihm selbst liegende Wert des
eucharistischen Opfers, unabhängig von der Anwesenheit der Versammlung.
Mit einem Wort: Keiner von den wesentlichen dogmatischen Werten der
Messe, die doch ihre wahre Definition ausmachen, findet sich hier vor.
Diese gewollte Auslassung kommt ihrer 'Überwindung' und daher,
wenigstens in der Praxis, ihrer Negation gleich. Im zweiten Teil
desselben Paragraphen wird, die schwerwiegende Umdeutung noch
verschlimmernd, behauptet, daß für diese Versammlung die Verheißung
Christi 'in hervorragender Weise' gilt: 'Wo zwei oder drei in meinem
Namen versammelt sind, da bin ich mitten unter Ihnen' (Mt 18,2o). Diese
Verheißung, die nur die geistige Gegenwart Christi mit seiner Gnade
betrifft, wird - abgesehen von der stärkeren Intensität - qualitativ
auf dieselbe Ebene gestellt wie die substantielle und physische
Gegenwart bei der sakramentalen eucharistischen Präsenz". Nach
ausführlicher Analyse kommen die beiden Kardinale zu dem Schluß: "Es
ist offensichtlich, daß der Novus Ordo Missae nicht mehr den Glauben
von Trient darstellen will. An diesen Glauben jedoch ist das
katholische Gewissen für immer gebunden. Der wahre Katholik sieht sich
also durch die Promulgation des neuen Ordo in ein tragisches Dilemma
verstrickt".
Auf vielfältigen Druck hin wurde dann der Paragraph 7 der Institutio
Generaiis folgendermaßen abgeändert: "In der Messe bzw. Herrenmahl wird
das Volk zusammengerufen und vereint, unter dem Vorsitz des Priesters,
der auch die Person Christi repräsentiert, um das Gedächtnis des Herrn
bzw. das eucharistische Opfer zu feiern. Daher gilt in hervorragender
Weise für diese örtliche Vereinigung der hl. Kirche die Verheißung
Christi: 'Wo zwei oder drei in meinem Namen versammelt sind, da bin ich
mitten unter ihnen' (Mt 18,2o). Denn in der Feier der Messe, in der das
Kreuzesopfer fortdauert, ist Christus wirklich gegenwärtig in der
Versammlung selbst, die in seinem Namen versammelt ist, in der Person
des Dieners, in seinem Wort, und unstreitig substantiell und
ununterbrochen unter den eucharistischen Gestalten".
Sowohl als auch
Während also die ursprüngliche Fassung glatt falsch war, treffen wir in
der korrigierten Form Wahrheit und Irrtum nebeneinander an. Einerseits
wird vom Kreuzesopfer und von der wirklichen Gegenwart Christi unter
den eucharistischen Gestalten gesprochen, andererseits aber wird an der
Bestimmung "Herrenmahl" festgehalten, bei dem der Priester den Vorsitz
führt. Mit einer solchen Zwielichtigkeit hat dann der französische
Episkopat für seinen Bereich aufgeräumt, indem er, eindeutig im
progressistischen Sinne, mit Bezug auf die Messe erklärte: "Es handelt
sich schlicht darum, das Gedächtnis des einen schon vollzogenen Opfers
zu begehen, des vollkommenen Opfers, in dem Christus sich selbst
dargebracht hat ..."
Dieses Beispiel straft übrigens alle diejenigen Lügen, die behaupten,
das "Konzil" sei intakt gewesen, und alles Negative im jetzigen
Erscheinungsbild der Kirche sei auf Abweichungen vom "Konzil"
zurückzuführen. Ganz anders lief die Sache ab: Aus der
Wahrheitsposition fiel man auf dem Konzil heraus in eine Position des
Nebeneinander von Wahrheit und Irrtum und schlitterte dann, in der
nachkonziliaren Zeit, immer mehr in die Richtung des reinen Irrtums!
Übrigens ist es auch falsch zu sagen, früher hätte man bei der heiligen
Messe den Akzent mehr auf das Opfer gelegt, während man heute mehr das
Mahl betone. (Demnächst wird man dann vielleicht "definieren", die
Messe sei ein Vorgang, bei dem Kerzen brennen.) Es geht hier ja nicht
um eine Anzahl von Bestimmungen, denen nach Belieben andere Gewichte
gegeben werden können. Eine solche quantitative Betrachtungsweise ist
der Sache völlig unangemessen.
Die Eigenschaften, welche die heilige Messe bestimmen, sind nicht alle
gleichrangig. Die einzig sie definierende Eigenschaft, die ihr Wesen
zum Ausdruck bringt, ist das Opfer. Alles andere kommt dem hinzu: das
Mahl ist Frucht des Opfers, aber nicht das Opfer Frucht des Mahles.
Diese einzig die Messe definierende Eigenschaft kann als solche nicht
gegen eine andere ausgetauscht werden, ohne daß das Wesen der heiligen
Messe geändert wird.
Anmerkung:
*) In seiner Enzyklika "Mediator Dei" vom 2o-11ï1947 schreibt Papst
Pius XII.: "Es weicht also vom Wege der Wahrheit ab, wer das hl. Opfer
nur feiern will, wenn das christliche Volk zum Tisch des Herrn
hinzutritt; noch mehr ist im Irrtum, wer - um es als unbedingte
Notwendigkeit hinzustellen, daß die Gläubigen zusammen mit dem Priester
das eucharistische Mahl empfangen - arglistig behaupten, es handle sich
hier nicht nur um ein Opfer, sondern zugleich um ein Opfer und ein Mahl
der brüderlichen Gemeinschaft und es sei die gemeinschaftlich
empfangene Kommunion sozusagen der Höhepunkt der ganzen Opferfeier. Es
muß immer wieder betont werden: Das eucharistische Opfer ist seiner
Natur nach eine unblutige Hinopferung des göttlichen Opferlammes, was
auf geheimnisvolle Weise durch die Trennung der heiligen Gestalten und
durch ihre Darbringung an den ewigen Vater zum Ausdruck kommt."
(Anm.d.Red.)
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