ZUM TODE VON MGR. LEFEBVRE
von
Eberhard Heller
Nach längerer Krankheit ist am 25. März dieses Jahres, am Montag in der
Karwoche, Mgr. Marcel Lefebvre in Martigny / Schweiz im Alter von 85
Jahren gestorben, nachdem es eine ganze Weile um ihn und seine
Bruderschaft in der Öffentlichkeit ruhiger geworden war. Die Beerdigung
fand am Dienstag nach Ostern in Econe statt.
Marcel Lefebvre war am 29.11.19o5 in dem nordfranzösischen Tourcoing,
Diözese Lille, geboren worden. Zum Priester wurde er am 21.9.1929 durch
Mgr. Lienart, den damaligen Bischof von Lille, geweiht, von dem er am
18.9.1947 auch zum Bischof konsekriert wurde. Im Jahre 1932 war AbbÈ
Lefebvre in die Ordensgemeinschaft der Missionare vom Hl. Geist
eingetreten und wurde als Missionar in Gabun / Afrika bis 1946
eingesetzt.
Bis zu seiner Bischofsweihe Regens eines Seminars, ernannte ihn Pius
XII. am 22.8.1948 zum Apostolischen Delegaten für das
französischsprachige Afrika. Am 14.9.1955 bestieg Mgr. Lefebvre den
Bischofsstuhl von Dakar. Durch Johannes XXIII. wurde er 1960 in die
zentrale Vorbereitungskommission für das II. Vatikanum berufen, der
u.a. auch S.E. Mgr. Pierre Martin Ngo-dinh-Thuc angehörte. Wegen seines
Verzichtes auf den erzbischöflichen Stuhl von Dakar erhielt er 1962 die
Diözese Tulle in Frankreich, die er jedoch nur kurze Zeit leitete. Von
seinem danach ausgeübten Amt als Generaloberer des Ordens der
Missionare vom Hl. Geist trat er wegen dessen "liberalen Tendenzen" im
Jahre 1968 zurück. Mgr. Marcel Lefebvre hatte sich bereits während des
Konzils als Verfechter einer konservativen Linie bekannt gemacht,
nachdem es seinem Konsekrator Lienart, inzwischen zum Kardinal kreiert,
am 15.10.1962 gelungen war, auf dem Konzil die verhängnisvolle Wende
herbeizuführen, als es darum ging, die 160 Mitglieder der
Konzilskommission zu wählen, in die ausschließlich dezidierte
Modernisten aufgenommen wurden.
Für unseren Freundeskreis wurde Mgr. Lefebvre als Vertreter der
Tradition interessant, als er 1970 ein Seminar nach katholischen
Vorstellungen in Fribourg / Schweiz eröffnet hatte, das bald nach Econe
umzog. Mgr. Lefebvre galt damals als Hoffnungsschimmer im Widerstand
gegen die einsetzende Zerstörung "von oben", war er doch zunächst in
der Öffentlichkeit der einzige Bischof, der sich der Einführung der
modernen Riten widersetzte. Viele hätten ihn als Führer der
Traditionalisten gesehen, was er aber stets ablehnte. Schnell waren
nach Econe Kontakte geknüpft. Mgr. Lefebvre erwiderte die Besuche und
kam nach München. Allein aus dem Freundeskreis der Una Voce - Gruppe
Maria traten eine ganze Reihe von Studenten ins Econer Seminar ein,
unter ihnen - was beinahe vergessen ist - der jetzige Generalobere
Franz Schmidberger, Abbe Klaus Wodsack, kurzfristig Oberer für den
deutschsprachigen Distrikt, und Michael Wildfeuer, derzeitiger Rektor
der Schule in Diestedde. Bald jedoch setzte die Kritik aus den Reihen
derjenigen, die eine religiös und theologisch stringent katholische
Linie verfolgten, am theologischen Programm Lefebvres und seiner
Haltung zum sog. N.O.M. und dem Okkupanten des römischen Stuhles, Paul
VI. ein, den Mgr. Lefebvre und auch Mgr. Ngo-dinh-Thuc aus der
Vorbereitungskommission bestens kannten. Die erste Kritik stammte aus
der Feder des Vaters unseres Kirchenkampfes, Herrn Dr. Hugo Maria
Kellner, der aus den U.S.A. nach Econe angereist kam und sich gründlich
informierte, Resultat: das theologische Konzept von Mgr. Lefebvre ist
inkonsequent, seine praktisch Zielsetzung illusionär.
Die vorgetragene Kritik erhärtete sich. In den folgenden Jahren zeigte
sich, daß er nicht bereit war, sich theologisch-dogmatischen Argumenten
zu öffnen. Ein schrittweises Abrücken des Freundeskreises erfolgte. Im
Jahre 1978 erfolgte unsererseits die erste deutliche Kritik am Econer
Programm und seinem Chef, nachdem Mgr. Lefebvre im Jahre 1976 bereits
die "friedliche Koexistenz der vor- und nachkonziliaren Riten"
gefordert hatte. Es soll hier nicht verschwiegen werden, daß es im
Freundeskreis umstritten war, ob man zum einen Mgr. Lefebvres Taktieren
mit dem Vatikan tolerieren könne oder müsse, und zum anderen, ob man
sich durch eine öffentliche Stellungnahme von ihm absetzen solle. Die
Widersprüche zwischen Orthodoxie und Orthopraxie von Mgr. Lefebvre
wurden aber mittlerweile so deutlich und belasteten den wirklichen
Widerstand in einem Ausmaße, daß immer mehr seiner Anhänger von ihm
abrückten.
Mgr. Ngo-dinh-Thuc war damals höchst erstaunt, als Bischof Lefebvre ihn
wegen der Bischofsweihen im Jahre 1981 und ihrem Bekanntwerden für
verrückt erklärte - öffentlich!, die er - Lefebvre - dann einige Jahre
später, 1988, drei seiner Priester selbst spendete. Ich übersehe nicht,
daß dadurch eine Veränderung in seinem Verhältnis zum abgefallenen Rom
eingetreten ist, provoziert durch Wojtyla, und mir entgeht auch nicht,
daß sich die Econer Bruderschaft in letzter Zeit verstärkt
theologischen Problemen zuwendet, Problemen, die wir bereits vor
zwanzig Jahren gelöst haben, an deren Aufarbeitung u.a. die Abbés
Wodsack, Schmidberger und Wildfeuer mitgewirkt hatten.
Schließlich soll ein weiteres Problem nicht unerwähnt bleiben: das
Problem der Gültigkeit der Weihen von Marcel Lefebvre zum Priester und
zum Bischof durch den Freimaurer und Satanisten Lienart - eine
Tatsache, die Lefebvre selbst in einer Rede am 25.5.1976 in Montreal /
Kanada bestätigte. Mir ist kein ernsthafter Versuch bekannt, sich den
damit verbundenen Fragen zu stellen. Man hat das ganze Problem
verdrängt. Theologen vom Range eines H.H. Dr. Katzer, Mgr. Carmona und
Mgr. Vezelis, selbst Mgr. Guerard des Lauriers rieten dazu, die Weihen
sub conditione nachzuholen. Auch das Angebot S.E. Mgr. Ngo-dinh-Thuc,
die sakramentale Sicherheit durch Weihen sub conditione wieder
herzustellen, ließ Mgr. Lefebvre unberücksichtigt.
So bleiben nach dem Hinscheiden ihres Gründers der Bruderschaft St. Pius X. diese ungelösten Probleme als Erbe hinterlassen.
Requiescat in pace
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