DIE HL. RITA VON CASCIA
von
Eugen Golla
Obwohl Rita schon dem ausgehenden Mittelalter angehört, trägt das, was
uns über die so populäre Heilige überliefert wird, stark legendäre
Züge, da die nicht zahlreichen Lebensbeschreibungen vielfach aus
späterer Zeit stammen und mündliche Überlieferungen als Grundlage haben.
Wie der hl. Franz von Assisi stammt auch Rita aus dem lieblichen
Umbrien, wo sie etwa 1381 in Rocca Porena, nahe Cascia geboren wurde.
Ihre Eltern, die wegen ihrer Gottesfurcht bei den Mitbürgern hoch in
Ehren standen, waren schon bejahrt, als ihre Gebete um ein Kind erhört
worden waren. Sie gaben ihrem Töchterchen den Namen Margherita, der in
die volkstümliche Form Rita verkürzt wurde. Schon im Alter von 12
Jahren wollte sich das Mädchen für das Klosterleben entscheiden: die
Eltern aber bangten um ihre Versorgung und entschlossen sich, sie zu
verheiraten. Ihre Wahl war nicht glücklich: sie suchten für ihre
Tochter einen Mann aus, der sich als jähzornig und brutal entpuppte und
der auch nicht davor zurückschreckte, die junge Frau zu mißhandeln. Mit
engelgleicher Geduld ertrug aber Rita diese Behandlung, ohne ein
Zeichen von Klage. Mit Einwilligung ihres Mannes unterzog sie sich
strengen Fasten, eifrigen Gebeten und übte viele Werke der
Barmherzigkeit aus. Schließlich wurde ihr die Gnade zuteil, daß sich
ihr Mann änderte - zum Erstaunen aller, die ihn kannten - und sein
rohes Benehmen ablegte.
Seine frühere Rauflust ließ allerdings bei manchen den Gedanken an
Rache nicht erlöschen: nach 18 Jahren währender Ehe wurde er von
ehemaligen Feinden ermordet. Er hinterließ zwei achtzehnjährige Söhne,
die sein zu Gewalttaten und zu Jähzorn neigendes Naturell geerbt
hatten. Rita, die den Mördern ihres Mannes verziehen hatte, bat auch
ihre Söhne von Vergeltung abzusehen: vergebens! Da bat sie Gott, er
möge ihre Söhne, die den Tod ihre Vaters rächen wollten, von dieser
Welt zu nehmen, ehe sie sich durch eine neue Bluttat versündigt hätten.
Beide Söhne fielen kurze Zeit darauf einer Seuche zum Opfer.
Nun allein in dieser Welt stehend, versuchte Rita, ihren seit früher
Jugend gehegten Wunsch nach einem Leben im Kloster zu erfüllen, und bat
um Aufnahme im Kloster der Augustinerinnen von Cascia. Dreimal erhielt
sie einen ablehnenden Bescheid, da man nur junge Mädchen, aber keine
Witwen aufnehmen wolle. In ihrer Verzweiflung nahm sie Zuflucht zu den
drei Heiligen, die sie schon immer besonders verehrt hatte: den hl.
Johannes den Täufer, den hl. Augustinus und den hl. Nikolaus von
Tolentino. Als sie eines Tages, wie so oft, bis Mitternacht gebetet
hatte, erschienen ihr diese drei Heiligen und geleiteten sie in das
Kloster, in das sie trotz verschlossener Tore, die mit eisernen
Schlössern verriegelt waren, ohne weiteres eintreten konnte. Als dieses
Wunder bekannt wurde, erhielt die beharrliche Witwe die Genehmigung zur
Aufnahme in die Ordensgemeinschaft.
In ihrem neuen Stand führte Rita ein intensives und konzentriertes
religiöses Leben. Sie trug das Zilizium, ein härenes Gewand, das in der
Bußpraxis der Urkirche und des Mittelalters verwendet wurde, heftete
Dornen in ihr Gewand und widmete besonders die Zeit von Mitternacht bis
zum Sonnenaufgang der Meditation über die Passion des Herrn.
Im Jahre 1443 fühlte sie nach einer ergreifenden Predigt des
Volkspredigers Jacopo della Marca, eines Franziskanerpaters, der in
Italien schon berühmt geworden war und später heiliggesprochen wurde,
einen Schmerz am Kopf. Ein Dorn aus einer Dornenkrone hatte sich gelöst
und war ihr in die Schläfe gedrungen. Die Schmerzen, welche diese nun
ständig offene Wunde verursachten, ertrug sie mit großer Geduld bis zu
ihrem Tode. Es heißt, daß sie sich ein einziges Mal schloß und zwar
anläßlich ihre Besuches von Rom, wohin Rita gepilgert war, um den
Jubiläumsablaß zu gewinnen. Da 1450 das erste Jubiläumsjahr im 15.
Jahrhundert stattfand, unternahm somit Rita in ihrem 70. Lebensjahr die
Pilgerfahrt in die Heilige Stadt.
Sehr zahlreich sind die Berichte über Wunderheilungen, die sie bewirken
konnte. So wird erzählt, daß sie krankes Mädchen, dessen Mutter sie um
ihre Fürbitte gebeten hatte, geheilt wurde. Rita starb nach langer
Krankheit im Alter von etwa 77 Jahren am 22. Mai 1457. Es wird
berichtet, daß eine Cousine, die einen steifen Arm hatte, beim Berühren
des in der Kirche aufgebahrten Leichnams Ritas geheilt wurde. Papst
Urban VIII. gestattete 1627 nach Prüfung der an ihrem Grabe sich
ereignenden Wunder ihre Verehrung als Selige. Ihre Heiligsprechung
erfolgte 1900 durch Papst Leo XIII. Die Kirche feiert ihr Fest am 22.
Mai. Ein Beweis für die Beliebtheit der Heiligen ist die an ihrem
Festtage stattfindende Weihe der sog. Rita-Rosen. Über ihren Ursprung
berichtet die Legende, daß auf Ritas Wunsch mitten im Winter eine Rose
an einem Rosenzweig erblühte.
Benützte Literatur:
Melchers, Erna und Hans: "Die Heiligen, Geschichte und Legende" Augsburg 198o, Artikel "Rita von Cascia".
Stadler, Joh. Ev.: "Vollständiges Heiligenlexikon in aiphabet. Ordnung" 5.Band, Augsburg.
"Vies des Saints" Band 5, Paris 1947.
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DER HL. PFARRER VON ARS:
Die Mutter Gottes hat uns zweimal als ihre Kinder angenommen, bei der
Menschwerdung Christi und am Fuß des Kreuzes. Sie ist also zweimal
unsere Mutter. Das Herz Mariens ist so liebevoll und zärtlich zu uns,
daß die Herzen aller Mütter zusammen, verglichen mit ihrem, ein Nichts
sind. Nur die hl. Jungfrau hat das erste Gebot ganz erfüllt: "Du sollst
den einen Gott anbeten und ihn aus all deinen Kräften lieben." Sie hat
dieses Gebot aus ganzem Herzen erfüllt... Alles, worum die Mutter ihren
Sohn bittet, wird ihr gleichermaßen gewährt. |