EINE ZEITUNG STELLT SICH VOR: "FRAKTUR"
von
Eberhard Heller
Seit letzten Jahres erscheint im Turnus von zweimal monatlich eine neue
Zeitung, FRAKTUR, die sich als "Deutscher katholischer
Nachrichtendienst" für die Bereiche "Kirche - Politik - Wirtschaft -
Kultur" sieht, und von sich behauptet, "endlich die kompromißlos
katholische Zeitung" zu sein. In der Ausgabe vom 14. Okt. letzten
Jahres, in der Nr.7, versucht die Redaktion von FRAKTUR ihre
theologische Position zu umreißen. Die eigene Standortbestimmung sollte
neuen Lesern gelten, die sich so ein vollständiges Bild verschaffen
könnten. Die generelle Antwort, die FRAKTUR gibt, lautet: "Wir sind
katholisch, so wie es unsere Vorväter, die Heiligen und die Päpste bis
zu Pius XII. waren." Diese pauschale Selbsteinschätzung wird im
folgenden näher erläutert: "Unsere Zeitung steht auf dem Boden der
katholischen Lehre der Jahrtausende, wie sie bis zum II. Vatikanischen
Konzil (genauer: bis zum Ende des Pontifikates von Papst Pius XII.)
verkündet wurde." Wie weit dies wirklich zutrifft, wird an den
Antworten auf die aktuelle Situation deutlich:
"FRAKTUR lehnt nicht das II. Vatikanum
insgesamt ab, sondern diejenigen seiner Aussagen, die mit der Lehre der
katholischen Kirche nicht vereinbar sind. Da diese Lehren jedoch häufig
mit wahrhaft katholischen Äußerungen verknüpft oder vermischt und daher
für den ungebildeten Laien sehr schwer erkennbar sind, steht FRAKTUR
auf dem Standpunkt, daß jeder Katholik sämtliche Konzilstexte nebst den
aus ihnen abgeleiteten Reformen grundsätzlich mit Skepsis zu betrachten
hat. (...) Der Katholik hat die Pflicht, Gott mehr zu gehorchen als den
Menschen: Wenn Aussagen des Konzils mit der von der Kirche seit 2000
Jahren überlieferten göttlichen Lehre nicht zu vereinbaren sind, dann
steht der Katholik vor einem Konflikt, den er nur lösen kann, indem er
Gott - nämlich der überlieferten Lehre der Kirche - mehr gehorcht als
den Menschen - nämlich den im Konzil versammelten Hirten." Aus dieser
vorgeblich differenzierenden Einstellung resultiert auch die Haltung
zum "jetzigen Papst": "Der Katholik war und ist gewohnt, den Papst als
Stellvertreter Christi und als Haupt der Kirche zu respektieren. Die
Päpste nach Papst Pius XII. haben jedoch, von Johannes XXIII. bis zu
Johannes Paul II. in steigendem Maße, durch Wort und Tat die
überlieferte Lehre der Kirche verwässert, vergröbert, ja verfälscht.
Keiner von ihnen hat allerdings ein Dogma verkündet oder ein
bestehendes Dogma widerrufen. (...) Zum ersten Mal in der Geschichte
der Kirche sieht (der Katholik) sich gezwungen, mit der Lehre der
Kirche (...) gegen die jetzige Kirche - also auch gegen den jetzigen
Papst - Stellung nehmen zu müssen. (...) FRAKTUR steht auf dem
Standpunkt, daß der jetzige Papst immer dann zu kritisieren ist, wenn
seine Taten und Äußerungen nicht mit der katholischen Lehre der
Jahrtausende übereinstimmen." Die Frage, woher es denn komme, daß
"Papst und Kirche mit gespaltener Zunge reden", gibt FRAKTUR die
Antwort: "Die Gründe dafür liegen in der Beeinflussung der kirchlichen
Hierarchie durch kirchenfeindliche Kräfte, die seit langer Zeit -
sicherlich seit mehr als 100 Jahren - in immer stärkerem Maße in sie
eingedrungen sind. Diese Kräfte haben seit dem II. Vatikanum in der
Kirche die Oberhand gewonnen." Dem Einwand, ob "der Papst", wenn er mit
"gespaltener Zunge spricht", nicht selber zu "diesen Kräften" gehöre,
wird wie folgt begegnet: "Das läßt sich nicht absolut einwandfrei
feststellen, da niemand in das Herz des Papstes schauen kann. Es ist
möglich, daß er gutwillig und treuherzig das Beste für Christus und die
Kirche will, aber durch eigene Mängel oder fremde Kräfte daran
gehindert wird, es zu tun. Es ist aber auch möglich, daß er mit
bewußter Absicht an der Zerstörung der Kirche arbeitet."
Hier nur ein kurzer Einwurf, den die Redaktion von FRAKTUR hätte selbst
machen können: Ist es denn überhaupt nötig, ins sog. 'Herz des Papstes'
schauen zu müssen? Natürlich nicht! Es genügt zur Beurteilung, daß ein
Papst eine Häresie öffentlich und hartnäckig vertritt, um ihn als "Papa
haereticus", der "deponens" bzw. "deponendus", zu qualifizieren. Also
die Kriterien, die die Kirche an die Hand gibt, werden von FRAKTUR
nicht angewandt. Die hier skizzierte Selbstdarstellung ähnelt in den
entscheidenden Punkten dem theologischen Programm der Econe-Richtung.
Eine präzise Stellungnahme zur sog. "neuen Messe" erfolgt nicht. Eine
eindeutige Option für den Ritus, "der auf dem Konzil von Trient
bekräftigt wurde", kann ein dezidiertes Urteil über den häretischen
'N.O.M.' nicht ersetzen, da daraus keine Ablehnung der "neuen Messe"
erfolgen muß.
Es bleibt zu erwarten, ob und wie weit die Zeitung nach diesen
Kostproben theologischer Kenntnisse ihr hochgestecktes Ideal noch
verwirklichen kann.
NACHTRAG
Nachdem vorstehende Zeilen geschrieben waren, erreichten mich einige
Unterlagen und Informationen, die mich veranlaßten, dem Unternehmen von
FRAKTUR noch einige Aufmerksamkeit zu widmen. Zu diesen Unterlagen
gehören u.a. eine Rezension des Herausgebers, Herrn Prof. Dr. Diethelm
Brüggemann ("Petrus, liebst du mich?" in der Ausgabe vom 12.8.90) mit
einem Leserbrief darauf aus der Feder von Herrn M.B., ein Rundschreiben
an die Leser von FRAKTUR vom 18.1.81 und die Nr.15 von FRAKTUR vom
24.3.91, in der sich Herr Brüggemann unter dem Titel "Die Sekte von
Econe" mit unserer Zeitschrift, insbesondere mit einem Artikel von
Herrn Dr. Disandro, und der Zeitschrift CODE auseinandersetzt.
Die Kritik an unserer Zeitschrift würde ich übergehen, auch die
herabsetzende Art, sich seinen Gegnern zu nähern, wenn sie nicht einen
Passus enthielte, in dem das religiöse Genie eines Leon Bloy als
"unchristlich" bezeichnet wird:
"Außerdem verbreitet 'EINSICHT' einen
unkatholischen 'Katholizismus'. Sie druckt etwa Auszüge des in den
letzten vorkonziliaren Jahrzehnten fälschlicherweise als 'katholisch'
hochgelobten Schriftstellers Léon Bloy, Auszüge, die auf Anhieb als
völlig unchristlich zu erkennen sind."
Von dieser Einstellung zu einem der bedeutendsten religiösen
Schriftsteller, die Frankreich hervorgebracht hat, der neben Ernest
Hello eine unnachgiebige, kompromißlose Erneuerung des christlichen
Glaubens und des religiösen Lebens unter unendlich vielen persönlichen
Opfern anstrebte, kann man fast erahnen, wie der 'katholische'
Katholizismus des Schreibers solcher im höchsten Maße ungerechten
Sentenzen aussehen muß. Schlaglichter auf diesen Katholizismus, der
sich als "katholisch" apostrophiert, werfen zumindest folgende
Beurteilungen von Personen, die für Herrn Brüggemann im Rampenlicht
kirchlichen Lebens stehen bzw. standen. So schreibt er in der
angeführten Rezension über Mgr. Wojtyla, den er für den rechtmäßigen
Papst hält: "Der Papst kann keinesfalls als Häretiker bezeichnet
werden, wenn er die päpstlichen Verlautbarungen nicht selbst verfaßt
hat, wenn er sie möglicherweise gar nicht versteht. Das aber kann nicht
zweifelsfrei festgestellt werden. Alles ist daher möglich.
Alles ist offen. Die Karten zu diesem Thema müssen neu gemischt
werden." (Da auf diese makabren 'katholischen' Spitzfindigkeiten ein
Leserbrief von Herrn M.B. als Antwort dienen soll, der es wert ist, daß
er den Lesern unserer Zeitschrift vorgestellt wird, hier die
Beurteilung der Einstellung von Mgr. Lefebvre zum "una cum" im "Te
igitur" in der hl. Messe. Herr Brüggemann schreibt: "Jedenfalls war
Erzbischof Lefebvre gut beraten, als er die Gebete für den Papst
(gemeint: "una cum...") - wie es korrekt ist - nicht fallengelassen und
daß er sich nicht auf Spekulationen über Rechtmäßigkeit oder
Unrechtmäßigkeit der Papstwahl oder eines der nachkonziliaren
Pontifikate eingelassen hat." Genau: nach dem Strickmuster "Augen zu
und mitten durch" wurde von Econe aus jener Traditionalismus mit einer
Arroganz verbreitet, die - und das muß festgestellt werden - den
wirklich katholischen Widerstand hat ersticken wollen!
***
Nach diesen Kostproben eines 'katholischen' Katholizismus, der seine
konzeptionellen Ansätze in der Praxis von Econe sucht, hier nun der
angekündigte Leserbrief:
Sehr geehrter Herr Prof. Brüggemann!
Sie argumentieren, daß der Papst keinesfalls als Häretiker bezeichnet
werden kann, wenn er die päpstlichen Verlautbarungen evtl. nicht selbst
verfaßt hat, wenn er sie möglicherweise gar nicht versteht. Das könne
aber nicht zweifelsfrei festgestellt werden. Sie haben vollständig
recht. Deshalb ist es schon seit langem eines meiner Anliegen,
festzustellen, ob nicht auch die Dogmata
a) von der Unbefleckten Empfängnis Mariens, verkündet 1852 von Pius IX.,
b) von der leiblichen Aufnahme Mariens in den Himmel, verkündet 1950 von Papst Pius XII.
stark in Zweifel gezogen werden müssen; denn wer gibt der Christenheit
die Sicherheit, daß diese Kathedral-Entscheidungen von den
entsprechenden Päpsten selbst verfaßt worden sind, ja, ob diese Päpste
überhaupt verstanden haben, was sie da verkündet haben, ob sie nicht
evtl. wie JP II ein Häppchen doof sind? Wer gibt mir jetzt überhaupt
noch Sicherheit, ob nicht mein kompletter "Denzinger" auf Lug und Trug
aufgebaut ist? Wieviele unvernünftige Ghostwriters mögen da wohl am
Werk gewesen sein? Und niemand hat verstanden, was er da überhaupt zu
Papier brachte! Selbst die angeblichen Worte Christi: "Was auch immer
(quodcumque) du auf Erden binden wirst, wird auch im Himmel gebunden
sein, und was auch immer (quodcumque) du auf Erden lösen wirst, wird
auch im Himmel gelöst sein", erscheinen mir nun logischerweise als
nachösterliches Gemeindeeinschiebsel. Schon hier hat die Gemeinde dem
Heiland Worte untergeschoben, die Dieser gar nicht sagen wollte, weil
Er sie gar nicht verstanden hätte. Auch Luther kann keinesfalls als
Häretiker bezeichnet werden, wenn er seine Verlautbarungen nicht selbst
verfaßt hat, wenn er sie möglicherweise gar nicht verstanden hat. Das
aber kann nicht zweifelsfrei festgestellt werden. Alles ist daher
möglich. Alles ist offen. Die Karten zu diesem Thema müssen neu
gemischt werden. Jedermann wird nun nach Ihren Ausführungen verstehen,
daß selbst die jüngste deutsche Geschichte neu interpretiert werden
muß. Denn wer kann schon genau sagen, ob Hitler alles das, was er
unterschrieben hat, auch vorher genau gelesen hat? Und wenn er es
gelesen hat, ob er dann auch alles verstanden hat? (...) Ich wünsche
Ihnen weiterhin den Mut, una cum Ch. Morgenstern dem philosophischen
Grundsatz zu huldigen: "Und also schloß er messerscharf, daß nicht sein
kann, was nicht sein darf." Sie haben die ganze Konzilskirche auf Ihrer
Seite und tun keinem weh. (...)
(gez.: M.B. aus Hagen)
N.B. man muß sich einmal darüber klar werden, bei welchen Relativismen
die sog. Verteidiger der econeistischen Position Zuflucht suchen
müssen, um die Praxis von Mgr. Lefebvre und von denen, die sie
mittragen, 'rechtfertigen' zu können!
Einen Einblick in die Situation von FRAKTUR und die interne Verbindung
zu Econe, besonders zu ihrem Generaloberen, Franz Schmidberger, gewährt
ein Rundschreiben der Redaktion an ihre Leser vom 18.1.91: "Wir können
FRAKTUR nur fortsetzen, wenn unsere Leser uns durch Spenden
unterstützen. (...) Die Zeitung muß eine 'Durststrecke' von ca. zwei
Jahren überstehen, damit sie sich trägt. (...) Wir haben im Augenblick
ca. 500 Abonnenten; jeden Tag kommen ein bis zwei hinzu. (...) Und
wieso waren wir so 'dumm', uns auf ein derart riskantes Unternehmen
einzulassen? Haben wir uns verkalkuliert? Nein. Wir haben FRAKTUR in
enger Fühlungnahme mit dem deutschen Distrikt der 'Priesterbruderschaft
St. Pius X.' vorbereitet. Der deutsche Distriktobere wußte - bis in die
Einzelheiten des Lay-Out hinein - genau, welchen Inhalt und welchen
Charakter die Zeitung haben würde. Der Plan - wir haben die Zeitung
seit 1987 vorbereitet - wurde seinerzeit vom Generaloberen gefördert:
'Eine ausgezeichnete Idee'. Uns war zugesagt worden, daß die
Priesterbruderschaft 2000 bis 3000 Exemplare zum Auslegen in ihren
Meßzentren abnehmen werde. (...) Urplötzlich, am 29. April 1990 (...)
ließ man uns fallen. (...) Kein Wort der Erklärung - bis heute nicht.
(...) Das alles geschah, wie wir guten Grund haben anzunehmen, auf
einen Wink des Generaloberen hin. "
Man wird es abwarten müssen, ob die "Winke des Generaloberen" Franz
Schmidberger auch in Zukunft solche Wirkung haben oder ob nicht die
jahrzehntelangen Widersprüche, die nur mühsam in der Person von Mgr.
Lefebvre zusammengehalten wurden, sich nach der einen oder anderen
Richtung hin artikulieren. Intern sind die theologischen Debatten, die
bisher unterdrückt wurden, schon im Gange. Man macht sogar
Zugeständnisse an heimliche Sedisvakantisten, nur Schmidberger dürfe
davon nichts erfahren. Und sicherlich werden die Kritiker unter den
Seminaristen nicht gerade ihre 'Munition' bei Herrn Prof. Brüggemann
mit seinen Relativismen einkaufen. E. Heller
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