KEIN ANDERES EVANGELIUM
- AUSZUG AUS EINER PREDIGT -
von
+ H.H. Dr. Otto Katzer
Liebe Christen,
am vergangenen Sonntag haben wir von der heiligmachenden Gnade gesagt,
daß sie der lebendige Abglanz des dreieinigen Gottes in unserem Herzen
ist: die Anteilnahme an der Natur Gottes! Zugleich mit ihr dringen in
unsere Seele die eingegossenen Tugenden: Glaube, Hoffnung und Liebe,
Klugheit, Gerechtigkeit, Tapferkeit und Mäßigkeit. Aber auch die Gaben
des Hl. Geistes nehmen in der Seele Platz bzw. ergreifen sie, und sie
läßt sich ergreifen: Wissen, Weisheit, Rat, Stärke, Kunst, Frömmigkeit
und Gottesfurcht. Wir haben uns den Unterschied zwischen den Tugenden
und den Gaben des Hl. Geistes verständigt und gezeigt, daß wir bei den
Tugenden mehr aktiv sind, während bei den Gaben des Hl. Geistes der Hl.
Geist selbst in uns wirkt und unser Mitwirken meistens darin besteht,
daß wir Seinem Wirken nichts in den Weg legen.
An zwei Beispielen wollen wir sehen, wie die Tugenden und die Gaben des
Hl. Geistes uns zurüsten und fördern können. Wenn wir also bei der
Fahrt durch das Meer des Lebens uns der Ruder bedienen, benutzen wir
gleichsam die uns eingeflößten Tugenden um weiterzukommen. Setzen wir
dagegen die Segel, so treibt der Wind des Hl. Geistes uns ohne eigene
Mühe dem Ziel entgegen. Um diesen Sachverhalt noch näher zu beleuchten,
benutze ich noch ein weiteres Beispiel, ein Beispiel, das von Mutter
und Kind handelt. Dieses kann uns den Unterschied zwischen einfacher
Tugend und den Gaben des Hl. Geistes weiter verdeutlichen. Das Kind an
der Hand der Mutter ist gleichsam die Seele unter der Führung der
Tugenden. Das Kind auf dem Arm der Mutter kommt schneller und ohne
eigene Mühe zum Ziel: die Seele unter der Einwirkung des Hl. Geistes.
Im dritten Beispiel nehme ich die Harfe als Vergleich her. Wir stellen
uns die Seele als eine wohlklingende Harfe vor. Die Seele der reinsten
Jungfrau und Gottesmutter Maria verströmte, als sie die Worte: "Siehe,
ich bin die Magd des Herrn" aussprach, einen einmaligen wunderbaren
Wohlklang - Ausdruck der eingegossenen Tugenden Glaube, Hoffnung und
Liebe. Doch dann griff der Hl. Geist in die Saiten ihrer Harfe und
zauberte die erhabenste, staunenswerteste Laudatio daraus hervor, das
Leben des reinsten und vollkommensten Menschen auf dieser Erde: den
Gottmenschen - Ausfluß der Gaben des Hl. Geistes.
Wie der Hl. Geist sich der Mutter Gottes bediente, wie die heiligen
Kirchenväter von Maria als der süßesten Harfe sprachen, welche der Sohn
benutzte, um den Vater zu preisen, in gleicher Weise können wir die hl.
Kirche mit einer solchen Harfe vergleichen. Auch hier greift von Zeit
zu Zeit der Hl. Geist ein und bestimmt die unfehlbaren, unumstößlichen
Lehren und Beschlüsse des öffentlichen und außerordentlichen Lehramtes
der Kirche. Somit sind wir alle als Katholiken. Klerus wie Laienschaft,
diesen Dogmen verpflichtet. Wer sich ihnen widersetzt oder sich
weigert, sie anzunehmen, oder sie nicht so annimmt, wie sie formuliert,
d.h. definiert wurden, sündigt schwerstens gegen den Hl. Geist.
Im Jahre 1786 wurde in Pistoia in Norditalien eine Provinzialsynode
abgehalten, bei der praktisch all das, was heute in der sog. neuen
Konzils-'Kirche' wie aus platzenden Eiterbeulen durchbricht, schon
vorgetragen wurde. Sie wurde von Papst Pius VI. verworfen. Dort
tauchten u.a. schon die Forderung nach Kürzung der Liturgie, besonders
der hl. Messe, nach Einführung der Landessprache in der Liturgie und
die lautgesprochene Verwendung der Sprache in derselben. Als eine gegen
den Geist der hl. Kirche, als vermessene Anmaßung, die Kirche
beleidigend, den Spott der Häretiker herausfordernd, die Grundsätze der
Kirche mißachtend wurde diese Bischofskonferenz von Pius VI. verworfen.
Der Hl. Geist ist eben kein schlaftrunkenes Wesen, das von Zeit zu Zeit
ein Nickerchen nötig hätte und derweil die Kirche sich selbst
überließe. Auch die "aktive Teilnahme der Laien" im Gottesdienst war
eine der damaligen Forderungen - ein alter Hut also, wie wir sehen -,
wie auch noch andere, heute wieder in Mode gekommene Provokationen. All
dies wurde verworfen. Deren Propagandisten, Vordenker und Nachschwätzer
wurden mit der Exkommunikation belegt, mit dem Kirchenausschluß
bestraft bzw. als Häretiker verurteilt. Denn die Lehren des
Apostolischen Stuhles und seine Beschlüsse sind unumstößlich, und
selbst der, der sie als Papst, als Stellvertreter Christi definiert und
verkündet hat als verbindliche Lehre, ist weder imstande noch befugt,
daran etwas zu ändern oder diese Lehren wieder zurückzunehmen...
legitimerweise! Und durch die Verkündigung als verpflichtende Lehre
sind natürlich auch alle nachfolgenden Päpste gebunden! N.b. anhand
dieses Kriteriums läßt sich ganz einfach und mit Bestimmtheit
feststellen, daß seit dem Tode Pius XII. Sedisvakanz herrscht, d.h. daß
der Stuhl Petri nicht besetzt ist.
Wir haben das letzte Mal darüber gesprochen, daß die hl. Kirche es
verworfen hat, die Frau am liturgischen Geschehen bei der hl. Messe zu
beteiligen. Das ist weder eine Zurücksetzung noch eine Herabstufung der
Frau, meine Lieben, am allerwenigsten aber eine Verurteilung oder etwa
eine Verachtung des weiblichen Geschlechtes. Es ist Christus selbst,
der im Abendmahlssaal die Liturgie des Neuen Bundes begründend, allein
den Aposteln Seinen Auftrag übergeben hat: "Tut dies zu meinem
Gedächtnis!" Heilig soll und kann jeder sein, und diese unüberbietbare
Würde ist keinem Geschlecht vorbehalten! Ich möchte heute nur noch
darauf hinweisen, daß die hl. Kirche den Laien die aktive Teilnahme am
Gottesdienst verboten hat, weil diese die dafür erforderlichen Weihen
nicht erteilt bekommen haben. Darüber berichtet schon das Alte
Testament. Eines Tages traten unter der Führung Korachs 250 Männer aus
Israel an Moses heran und sprachen: "Nun ist es genug mit euch. Denn
die ganze Gemeinde, alle miteinander sind heilig und Gott, der Herr ist
mitten unter ihnen. Warum erhebt ihr euch über die Gemeinde des Herrn?"
Moses wandte sich bestürzt an Gott und Gottes Strafgericht folgte auf
dem Fuß: die Erde tat sich auf und verschlang alle 250 Männer samt
ihren Familien. (Vgl. Num. 16) Auf dem Konzil von Trient brachte Kard.
Villabandaeus diese Forderung der Reformatoren wieder zur Sprache: den
Kelch - die Kommunion unter beiden Gestalten -, Zulassung verheirateter
Männer zum Priesteramt und die Erlaubnis der Laienpredigt. Er lehnt
dieses kategorisch ab als
- gegen jedes göttliche Gesetz gerichtet,
- gegen die christliche Ökonomie gerichtet,
- gegen die Sitten der hl. Kirche verstoßend,
- gegen die Erlasse der Päpste verstoßend,
- gegen die Beschlüsse der Allgemeinen Konzilien verstoßend,
- gegen jedes Recht und gegen die hl. Ordnung gerichtet!
Noch klarer verurteilt diese Forderungen der Vorsitzende jenes Konzils,
Kard. Hosius, daß es nämlich niemand gestattet sei, die hl. Gefäße zu
berühren, weder Kaiser noch König, und daß es noch weniger geduldet
würde, wenn sich jemand in die hl. Handlungen einmischen wolle. Er
beruft sich dabei auf den hl. Clemens, besonders aber auf den hl.
Sixtus, der mit Nachdruck hervorhob, daß solche Dreistigkeit den Zorn
Gottes hervorrufen würde, unter dem Schuldige wie Unschuldige zu leiden
hätten. Kardinal Hosius wies auch auf das Beispiel des Korach, auf
Oseas, auf Saul und auch auf Belsazer als beispielhaft für Gottes Zorn
hin. Er nannte weiter die hl. Päpste Stephan (254-257), Siricius
(384-399) und Leo V. (903), mehrere allgemeine Konzilien - und hier vor
allem auf das IV. Konstantinopolitanische - hin. Sie alle,
einschließlich des Tridentinums selbst, wie auch noch die Apostolische
Konstitution "Auctorem fidei" Pius VI., mit der die Synode von Pistoia
ein für allemal verdammt wurde, verurteilen Forderungen solcher Art.
"Wer mit dem Feuer spielt, wer sich nach der Hölle sehnt, wird sie
erleben!" Und heute? Was ist die Ursache, daß wiederum diese alten
Ladenhüter von den Reformern hervorgezogen werden? Prof. Lorenz,
Nobelpreisträger für Medizin, bezeichnet die "völlige Unfähigkeit des
sich Einfühlens und Sichdurcharbeitens zu einem Werterlebnis" als die
Geisteskrankheit des 20. Jahrhunderts. Und deshalb hat das Heilige uns
Heutigen gar nichts mehr zu sagen. Was bedeutet schon ein geweihter
Kelch, wenn uns 30 Millionen Morde schon nichts mehr bedeuten, welche
Jahr für Jahr an den unschuldigsten und wehrlosesten Wesen begangen
werden? Wenn uns das nicht mehr berührt, wie sollte uns dann die
unbotmäßige Benutzung heiliger Gefäße berühren, die den Laien von den
Reformer-'Klerikern' ja direkt in die Hand gedrückt werden? - Ich
schließe meine Predigt mit den Worten des hl. Paulus: "Macht euch nicht
gleichförmig dieser Welt, sondern (...) erforscht, was der Wille Gottes
ist, was gut, wohlgefällig und vollkommen." (Rom. 12,2) Amen.
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