ARBEITEN FÜR DIE KIRCHE
von
Stefano Filiberto
übers. von Marianne Helmbrecht
In der derzeitigen Krise der Kirche sind nach und nach Gruppen
entstanden - egal wo -, die mit allen Mitteln versuchen, dem Vordringen
der modernistischen und liberalen Irrtümer entgegenzutreten, die von
jenen verbreitet werden, die sich widerrechtlich die Ämter der
katholischen Hierarchie angeeignet haben (...). Weil sie wesentliche
Grundsätze der neuen anthropozentrischen 'Religion' propagieren, haben
sie ihre Autorität in der Kirche verloren. Alle diese
Widerstandsgruppen geben nun vor, für die Kirche zu arbeiten, da sie ja
in dieser oder jener Weise deren Lehren vertreten. Aber logischerweise
erhebt sich an einem bestimmten Punkt die (berechtigte) Frage: Arbeiten
sie tatsächlich effektiv für die Kirche... oder arbeiten sie nur für
sich selbst? Haben sich all diese Gruppen wirklich das Wohl der Kirche
zum Ziel ihrer Aktivitäten gesetzt?
Eine schwierige und vielleicht hinterhältige Frage. In Wahrheit ist in
der Zeit der derzeitigen Sedisvakanz leider das gesamte Konzept dessen,
was arbeiten für die Kirche meint, verlorengegangen. Kaum hat sich eine
Gruppe mit dem redlichen Ziel gebildet, die Lawine der Häresien und
Irrtümer, welche Tag für Tag von den Modernisten und der illegalen
'Konzils'-Hierarchie verfochten werden, aufzuhalten und abzuwehren,
ziehen sich ihre Mitglieder fast immer wieder in ihre Schneckenhäuser
zurück, eifersüchtig bewacht von ihren Anhängern und Sympathisanten, so
daß sie, anstatt für die Kirche zu arbeiten, mit ihren Aktivitäten den
Ausspruch "Cicero pro domo sua?" heraufbeschwören ("Cicero, für dein
Haus?", d.h. "arbeitest du nur für oder in deine Tasche?"). Außerdem
nehmen viele dieser Gruppen sehr schnell rigoristische Haltungen ein,
sei es auf dem Gebiet der Lehre in Fragen, über die noch nicht
entschieden ist oder über die noch diskutiert werden muß, oder sei es
bezüglich Fragen in Disziplinar- und Moralangelegenheiten. Und so
präsentieren sich leider nach kurzer Zeit vor unseren Augen Gruppen von
Priestern und Gläubigen, die zu Sektierern geworden sind, selbst
ständig im Streit miteinander liegend, auch in Personalfragen und in
allen sonstigen Angelegenheiten, die eigentlich irrelevant sind.
Aus diesem Grund scheint es angebracht zu sein, kurz einige grundsätzliche Anmerkungen dazu anzufügen.
In der Geschichte der Kirche scheinen - abgesehen von ihren Anfängen -
immer wieder zwei (antagonistische) Tendenzen auf: die eine, die wir
als liberalistische definieren können, welche zu Kompromissen neigt,
und die andere, nicht weniger verwerflich, die wir als rigoristische
qualifizieren müssen. Über beiden herrscht souverän die wahre
Einstellung, die der immerwährenden katholischen Kirche.
Diesen beiden (falschen) Tendenzen können fast alle Häresien und
Irrtümer, die die Kirche zermürbt haben und noch immer zermürben,
zugeschrieben werden. Die zweite Tendenz, also die rigoristische, hat
sich als reine Re-aktion auf den Modernismus und Liberalismus leider,
aber auch gerade im Milieu der sog. 'Traditionalisten' breit gemacht.
Diese Tendenz hat ihre Anfänge in der christlichen Antike und hat sich
zu wiederholten Malen in der Kirche ausgewirkt. Die augenfälligsten
Beispiele dafür sind u.a.: die Haltung der afrikanischen Kirche im
palächristianischen Zeitalter, die später dem Montanismus den Weg
ebnete; der sog. 'franziskanische Geist' und - in der Neuzeit - der
Jansenismus. All diese Irrtümer, Fehlhaltungen und Häresien wollten
nicht die tolerante Haltung der römischen Kirche teilen, sie wollten
all jenen die Pforten des Paradieses verschließen, die nicht ihren
unerbittlichen und intransingenten Direktiven folgen
wollten. (Anm.d.Red.: Hierher gehört auch die unerhörte Forderung von
dem verstorbenen Mgr. Guerard des Lauriers, nur denen das
Weihesakrament zu spenden, die sich seiner - n.b. unhaltbaren! -
Theorie vom sog. "Papst/Nicht-Papst" (materialiter, non formaliter)
unterwerfen, die heute mit besonderer Penetranz von seinem Epigonen
Mgr. McKenna O.P. in den USA weiter verfochten wird... nachdem Mgr. G.
des Lauriers kurz vor seinem Tode mehr oder weniger von seiner Theorie,
für die es - soweit mir bekannt - in der Lehre der Kirche keine
Belegstelle gibt, also reine Privatmeinung war, Abstand genommen hatte.
E. Heller)
Von Seiten gewisser Kleriker, die sich treue Anhänger der Lehre der
immerwährenden Kirche nennen - sie zitieren zwar die Texte der Heiligen
Schrift, legen sie aber nach eigenem Gutdünken aus - und die aus der
Tradition der Kirche nur das herausziehen, war ihrer persönlichen
Einstellung am ehesten entspricht, werden tagtäglich immer die gleichen
Parolen wiederholt. Für die Kirche arbeiten, heißt jedoch etwas ganz
anderes!
Grundsätzlich kann man dieses Ziel schon verfolgen (und soll man es
auch), aber ohne es zum Selbstzweck des Vereins zu machen und ohne den
Mitgliedern die Idee einzupauken, die einzigen Bewahrer der Wahrheit zu
sein. Man sollte im Gegenteil die Mitglieder anspornen, möglich
gebildete Priester aufzusuchen und entsprechend der apostolischen Lehre
mit ihnen die Fragen, deren Lösung schwierig erscheint, aufrichtig und
geduldig zu erörtern und eventuell Theologen und Experten zu Rate
ziehen, um richtige Lösungen zu finden.
Kurz gesagt, vielen Gruppen fehlt dieser kooperative Geist, der zu
anderen Zeiten die katholische Kirche beseelt hat und der den
Schwerpunkt des Wissens widergegeben und zum Grundpfeiler sowohl der
gebildeten als auch der literarisch-künstlerischen Welt erhoben hat.
Zum Schluß sei noch angemerkt, daß sich gewisse Gruppen unvermerkt
zurückgezogen haben und nicht mehr danach trachten, die gegenwärtige
Krise, die auf der Vakanz des Apostolischen Stuhles beruht, theologisch
zu bewältigen, sondern statt dessen in einem Zustand verharren, den man
'fromme Erwartung' nennen könnte. D.h. man beschränkt sich darauf, die
Sakramente zu verwalten bzw. zu empfangen, irgendwelche Privatandacht
zu verrichten, letztendlich auf ein grandioses Wunder hoffend, welches
alles regeln und die Kirche in den Normalzustand versetzen soll. Allen
Ernstes versichern sie uns, das Wichtigste sei nun die Heiligung der
Seele durch die Sakramente und das Gebet, alles übrige harre nicht auf
eine Lösung durch uns, sondern sei Sache des Ewigen Vaters, der in
Seiner Weisheit alles lösen wird. Die so etwas behaupten, vergessen,
daß alle möglichen Religionsgemeinschaften und Schismatiker auch
gültige Sakramente und das Gebet vieler Anhänger haben, aber daß sie
nicht die wahre Lehre und Zugehörigkeit zum römischen Stuhl haben, das
einzige Moment, vom dem her die Kirche immerhin ihre Einheit ableitet.
Hierüber besteht leider keine Einigkeit. Es bedeutet daher, Gott,
unseren Herrn zu versuchen, indem man ein direktes Eingreifen in die
heutigen Verhältnisse erwartet.
Es wird notwendig sein, daß wir unsere Bequemlichkeit vergessen und
unsere persönlichen Meinungen über nur mögliche Wahrscheinlichkeiten
aufgeben. Es ist an der Zeit, daß wir tätig werden, damit der Friede in
die katholische Welt zurückkehrt. Nur so können wir wirklich sicher
sein, ernsthaft und ehrlich für Unsere heilige Mutter, die Kirche
Unseres Herrn, zu arbeiten.
(aus IL NUOVO OSSERVATORE CATTOLICO Nr. 1, Mai 92)
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