EINE WEIHNACHTSMESSE IN IRLAND
- AUS DEN TAGEN DER VERFOLGUNG
von
Mairin Callnan
In vielen Teilen Irlands erzählen noch bis auf den heutigen Tag die
Leute ihren Besuchern stolz vom heroischen Kampf, den ihre Ahnen in den
Zeiten der Verfolgung für die Verteidigung und Bewahrung des Glaubens
der Väter gekämpft haben (im 17. Jahrhundert).
An keinem Beispiel kann dieser Kampf überzeugender dargestellt werden
als an den authentischen Geschichten über die "Meßfelsen", die Irlands
Kampf für den Glauben und das Vaterland in der ganzen Welt berühmt
gemacht haben.
Unterdrückung, Entbehrung und Intoleranz gegenüber dem katholischen
Glauben wurden im England der Reformation "rechtens", und die schlimmen
Folgen der Strafgesetze gegen die Katholiken wurden anschließend auch
auf Irland übertragen, um die irischen katholischen Untertanen des
Königs Wilhelm von Oranien zur Annahme des Protestantismus zu zwingen.
Aber trotz Kerker, Feuer, Tortur und Henkersbeil schlugen alle
Bemühungen fehl. Reiche wie arme Katholiken zeigten in diesem
entscheidenden Kampf gleichen Heldenmut. Das bewegendste Zeugnis für
Treue und Entschlossenheit jedoch sind die Meßfelsen, die in den Bergen
und Tälern des Landes versteckt waren, und zu denen Priester und
Gläubige sich zur Meßfeier auf Schleichwegen im Dunkel der Nacht
begaben, im unermüdlichen Bemühen um die Weitergabe des Glaubens an
ihre Kinder, gegen fast unüberwindliche Widerstände.
Die treffendsten Geschichten über die Meßfelsen haben die nördlichen
Grafschaften Irlands zu erzählen, die noch bis auf den heutigen Tag in
Verteidigung des Glaubens ihr Kreuz tragen, und hier ist eine wahre
Geschichte, die die Schreiberin dieser Zeilen zur Stärkung und Erhebung
der Herzen erzählen möchte.
Diese Geschichte berichtet davon, wie ein irischer Bischof seine
tückischen Feinde in einer bitterkalten Christnacht gegen Ende des 17.
Jahrhunderts überlistete.
Dieser Bischof war niemand anders als der berühmte Bischof von Dromore,
Dr. Patrick Donnelly, der vom heiligen Oliver Plunkett geweiht worden
war. Er hatte keine Stätte, wo er sein Haupt betten konnte. Seine
Unterkunft war eine Lehmhütte, die in der Wildnis zwischen Slieve
Gullion und dem Burren gelegen war. Der Bischof bewegte sich in seiner
geistlich ausgehungerten Herde unter verschiedenen Verkleidungen und
sein Name war bei seinen Gläubigen nicht bekannt. Eine der
Verkleidungen, die ihm den besten Schutz boten, war die eines
wandernden Musikanten. Er war in die Lumpen eines Landstreichers
gehüllt, bettelte zu seinem Lebensunterhalt und trug eine alte Harfe
unter dem Arm mit sich herum.
Ein Gebiet, das durch die Taten dieses verfolgten Kirchenmannes
geheiligt wurde, hat einen Meßfelsen, der unter dem Namen Carrigdhu
bekannt ist; er liegt in der Nähe der Nordseite von Slieve Gullion,
zwischen Dundalk und Armagh. An einem Heiligabend gegen Ende des 17.
Jahrhunderts hinterließ ein wandernder Harfenspieler bei Leuten, denen
er vertrauen konnte, die Nachricht, daß um Mitternacht in Carrigdhu die
heilige Messe gelesen werde. Gleichzeitig streute der Harfenist
gegensätzliche Nachrichten aus, die für das Gebiet des Feindes bestimmt
waren und besagten, daß Weihnachtsmorgen die hl. Messe in der Nähe von
Moira Castle gelesen werde; jedoch drohe jedermann Gefahr, der dorthin
zu gelangen versuche. Diese Nachricht erreichte die Soldaten, die in
Newry stationiert waren, und sie durchkämmten die ganze Nacht alle Wege
und Straßen um Moira Castle, fanden aber keine Meßgänger. Weit weg von
Moira Castle stahlen sich unterdes Männer und Frauen in der Dunkelheit
schweigend durch ein stilles Tal zum Meßopfer von Carrigdhu. Der
zerlumpte Harfenspieler hatte versprochen, daß er sie von jeder etwa
drohenden Gefahr warnen werde, und sie sollten sich bis zu seiner
Ankunft unauffällig verhalten.
Die Menschen versammelten sich wie angeordnet, aber es war kein
Harfenspieler weit und breit zu sehen. Vielen wurde etwas eigenartig
zumute, denn in jenen gefährlichen Zeiten traute der Bruder den Bruder
nicht. Ein alter Mann schlug vor, den Rosenkranz zu beten, und wenn
danach kein Priester erschienen wäre, sollten alle still nach Hause
gehen. Plötzlich trat Stille ein. "Introibo ad Altare Dei". Die hl.
Messe hatte begonnen, und weder Regen noch Sturm, weder Schnee noch Eis
konnten die Freude der kleinen Gemeinde dämpfen, die sich unter
Lebensgefahr um den rohen Altar versammelt hatte, um das Kind von
Bethlehem zu begrüßen und zu empfangen. Zum Schluß spendete der
Priester den Segen und verschwand in der Dunkelheit, so geheimnisvoll
wie er gekommen war. Jemand aus der Menge bemerkte später den
zerlumpten Harfenisten, der den Leuten, die sich auf den Weg nach Hause
machten, Hinweise zuflüsterte.
Als der Morgen graute, war bei Carrigdhu alles ruhig, nicht aber auf
der Straße nach Moira Castle. Einige betrunkene Soldaten, die von ihrer
Priesterjagd zurückkehrten, fanden zusammengekauert am Wegesrand einen
alten heruntergekommenen Musikanten: seine Harfe lag neben ihm. Sie
rüttelten ihn aus dem Schlaf und forderten ihn auf, etwas Lustiges
aufzuspielen. Die Musik half ihnen, den morgendlichen Trübsinn zu
vertreiben, und der befehlende Offizier, der die Armut und das Elend
des armen Bettlers sah, gab ihm einen Mantel und veranlaßte seine
Kameraden zu einer kleinen Geldsammlung, da es Weihnachtsmorgen war.
Hätten die Soldaten nur gewußt, daß der zerlumpte Musikant niemand
anders war als Dr. Patrick Donnelly, Bischof von Dromore, der am Felsen
von Carrigdhu die Messe gefeiert hatte - vor einigen Stunden, um
Mitternacht!
(aus: "Bulletin" des Priorats Dublin Jan/Febr. 1989, zitiert nach "Mitteilungsblatt...")
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