5. Die Religion als ein sittliches Macht-Phänomen
Es liegt im Wesen der Religion, wenn sie eine wahre ist und
vernunftgemäß vollzogen wird, daß sie über eine Gottverehrung
(veneratio) hinaus zur Anbetung (adoratio) Gottes führt, die der
höchste geistige Akt der Religion ist. In ihm verbinden sich in der
menschlichen Person zwei Momente, nämlich Hingabe an Gott und
Unterwerfung unter Gott, zu einer konkreten Einheit, die auch einen
sichtbaren Ausdruck hat. Wenn die Anbetung fehlt oder ausfällt oder
nicht geleistet wird, dann hat ein Mensch (auch wenn er sich religiös
gibt) eine wahre Religion entweder nie besessen oder ist bereits von
ihr abgefallen. Heutzutage gibt es diese Leute wie Sand am Meer, auch
unter denen, die sich Christen nennen. Christus hat zum Teufel, der
sich an Ihn heranmachte, mit Entschiedenheit gesagt, indem Er ihn
zugleich zurechtwies und von sich abwies: "Du sollst den Herrn, deinen
Gott, anbeten und ihm allein dienen!" (Mt 4,10). (Außerdem hat,
nebenbei bemerkt, Christus geoffenbart, daß der Teufel nur an Ihm
"keinen Anteil" habe.) Im übrigen hat der Teufel überhaupt nichts gegen
irgendeine "Gottesverehrung" oder irgendeinen "Gottesdienst", wohl aber
alles gegen eine tatsächliche Anbetung Gottes von seiten des Menschen
als eines mit Vernunft und freiem Willen begabten Geschöpfes, da es als
ein solches "capax Dei" ist (empfänglich für Gott). Eine Anbetung
Gottes durch den Menschen muß unbedingt zerstört oder zumindest
vereitelt werden, um die Anbetung eines und eines höchsten Nicht-Gottes
zu erreichen. Wir wissen, wer das ist und daß er in Erscheinung treten
wird. Wir wissen aber auch, was das für Leute sind, die ihm vorhergehen
und ihm seine Wege bereiten. Die Nihilisten, A-theisten und andere sind
für ihn nur ein geeignetes Mittel zum Zweck. Die Geschichte des
Menschengeschlechtes war und ist immer eine Heils- und
Unheilsgeschichte zugleich, aber nicht in derselben Beziehung. Sie
ereignet sich immer unter Menschen; eine heile Welt hat es noch nie
gegeben und wird es auch nicht geben, denn der Mensch ist eben nur
"capax Dei", nie jedoch im Besitz Gottes.
Das ist nicht verwunderlich, da der kreatürliche Mensch ein Werde-Wesen
ist und zwischen Geburt und Tod sein Dasein führt, mehr schlecht als
recht. Es führt zu nichts Gutem, davor die Augen zu verschließen.
Nun aber ist eine Anbetung Gottes unmöglich ohne eine intellektive
Erkenntnis seiner unantastbaren Majestät und Heiligkeit in ihrer
unvergleichbaren Hoheit, Machtfülle und Ehre. Der intentionale Grundakt
und Aktvollzug der "adoratio Dei" (der Gottesanbetung), die aus dem
Intellekt und Willen des Menschen hervorgeht, ist ein Kardinalkriterium
für die Wahrheit einer Religion. Von daher aber versteht man den Kummer
des hl. Paulus, als er sein Sorgenkind, den Bischof Timotheus, darauf
hinweisen mußte: "Schon sind einige abgefallen (nämlich von Gott und
Christus) und dem Satan gefolgt" (1 Tim 5,15). Wenn heutzutage überall
die sog. 'Religionsfreiheit' propagiert wird, die bereits in vielen
Staaten gesetzlich verankert wurde, dann ist damit nicht bloß die freie
Ausübung der Religion gemeint, sondern jeder Religion, die von Menschen
'anerkannt' wird, gleichgültig, ob diese nun wahr oder unwahr, sittlich
gut oder sittlich schlecht ist. M.a.W.: es ist völlig gleichgültig, wen
oder was die Leute da in ihren Religionsgemeinschaften 'anbeten' oder
'verehren'!! Sie dürfen nur nicht, wie es so schön heißt, den
'öffentlichen Frieden' stören und anderen ihre Freiheit beschneiden
oder sie antasten.
Es gibt heute keinen Staat, der in seinem Wesen nicht gottlos ist.
Daraus aber folgt nicht, daß er religionslos wäre und keine 'Götter'
haben würde, die er 'verehrt' und beweihräuchert. Wenn heutzutage
Staatsdiener, 'Kirchendiener' und Politiker von einer "christlichen
Wertegemeinschaft" reden, dann täten Christen gut daran, in dieser
Ideologie den bekannten Pferdefuß zu erkennen. Denn diese (angebliche)
"Wertegemeinschaft" kennt keine Anbetung Gottes, da sie keine Wurzel in
der, christlichen Religion hat, die allein ein sittlicher Wert und
zudem noch der höchste menschlichen Daseins ist. Für eine "christliche
Wertegemeinschaft" stirbt kein Christ, wohl aber für die Wahrheit der
christlichen Religion, die wiederum ohne reale Anbetung Gottes (privat
und öffentlich) gar nicht gedacht werden kann.
Hier kann man auch die Frage stellen: welche 'Kirchen' eigentlich
führen den (die) Menschen zu dieser sittlichen Höhe? Wo leuchtet noch
das Licht der Wahrheit und der Heilswahrheit? Wo unterwirft man sich
Gott - und nur Gott -, also Ihm einzig und allein? Die Religion ist in
ihrer Wesens-Wirklichkeit eben auch ein Macht-Phänomen. Die sittliche
Kraft zieht eine Religion nicht aus sich selbst, sondern aus der
Erkenntnis und Anbetung Gottes. Denn die Religion als solche hat, wie
bereits gesagt, ihren Ursprung in Gott, ihren Anfang jedoch im
Menschen.
Mit der wahren Religion ist auch die Erkenntnis des ersten Gebotes
Gottes, des Schöpfergottes in seiner Allmacht, seinem Inhalt nach ganz
eng verbunden und das bereits im wachen und unverbildeten sittlichen
Bewußtsein, das ein religiöses ist, erfaßt wird. Es gibt keinen
normalen Menschen, der, wenn er geistig reif geworden und des
selbständigen Denkens fähig ist, diesbezüglich in totaler Unwissenheit
leben würde. Nur infame Lügner behaupten das Gegenteil. In diesem
Gebote aber spricht Gott nicht nur: "Du sollst keine anderen Götter
neben mir haben" - denn diese sind als erschaffene immaterielle
Geistwesen nicht Gott und als unreine, böse Geister "Nichtse" -,
sondern auch: "Du sollst keine fremden Götter Mir zum Trotz haben",
d.h. dir machen und Mich dadurch beleidigen, denn diese sind nur deine
eigenen Wahngebilde, und zwar sowohl geistige (z.B. Ideologien oder
menschliche 'Heilsgestalten', um die sich oft ein Personenkult rankt)
als auch physische (z.B. ein "goldenes Kalb", eine "heilige Kuh" oder
menschenähnliche riesige Figuren, die Schrecken oder Furcht einflößen,
oder auch Statuen und Bilder mit widersinniger Symbolik etc.)
Göttliche Gebote aber sind Gebote, nicht jedoch 'Einladungen' oder
'Ermunterungen' zur Führung eines sittlichen Lebens. Durch die Gebote
Gottes wird der Mensch, wie im religiösen und sittlichen Bewußtsein
deutlich genug erkannt wird, ganz hart und unausweichlich in die
existentielle Situation zwischen Heil und Unheil gestellt; in der er
selbst frei entscheidet, was er aus sich macht, und zwar, was man oft
vergißt; im Angesicht Gottes. Es liegt ganz in der Macht des Menschen,
ob er sich existentiell als ein denkendes und frei wollendes Lebewesen
auf Gott, der allein das Heil zu ermöglichen vermag, hinbewegt oder
nicht. Der Mensch vor Gott ist trotz seiner Kreatürlichkeit dennoch
keine ohnmächtige Existenz. Ohnmächtig wird er erst, wenn ihn der
Hochmut packt. Im übrigen sollte man die Zehn Gebote weder mißverstehen
noch ihren Sinn verfälschen. Dieser Versuchung sind heute viele
erlegen. Außerdem gibt es eine Menge Katholiken und Nicht-Katholiken,
Christen und Nicht-Christen, die schon lange die Zehn Gebote vergessen
haben, nachdem sie sich der Gottvergessenheit anheim gegeben hatten.
Dann aber erfaßt man nicht mehr das wesenhafte Gegenwärtigsein Gottes,
das ein ungegenständliches ist, und vollzieht in seinem Leben eine
unwahre Religion. Viele sind sich dessen gar nicht bewußt. Im übrigen
sollte man wissen, daß das Eigentümliche der Zehn Gebote Gottes nicht
darin besteht, das Heil des Menschen zu bewirken, sondern ihn nur
darauf hinzuordnen. M.a.W.: durch sie wird der Mensch nicht erlöst,
auch wenn er imstande wäre, sie zu erfüllen. Dies haben schon die
Tempeljuden zur Zeit Christi, insbesondere die Pharisäer und
Schriftgelehrten, nicht mehr verstanden. Und deshalb verwechseln sie
und andere bis heute im Hinblick auf das Heil die Begriffe Bedingung
und Ursache.
Der Mensch gibt sich nicht das Sittengesetz und kann es sich auch gar
nicht geben, denn dies setzt eine reale Macht voraus, die er nicht hat.
Vielmehr kann der Mensch es nur empfangen, nur dazu ist er vermögend,
da es ein gegebenes ist, das ihm mit seinem Dasein gegeben wurde, und
zwar von einem absoluten Gesetzgeber, der in seinem Sein und Wesen
unwandelbar ist und der es auch kraft seiner Allmacht zu sanktionieren
vermag. Was weiß der eine Religion habende Mensch von heute von der
allgemeinen Wesens-Wirklichkeit des Sittengesetzes und seines
Gegebenseins? Es genügt schon, sich diese Frage zu stellen, um eine
heillose Situation in den Blick zu bekommen, in die man selbst
eingebunden ist. Nun weiß aber doch jeder normale Mensch, der sich
seiner selbst bewußt geworden ist, was das sittliche Sollen, das alle
verpflichtende Soll-Sein, bedeutet, nämlich daß das Gute unbedingt zu
tun und das Böse unbedingt zu lassen ist. Die Probleme beginnen immer
erst dann, wenn in Einzelfällen Unklarheiten oder Zweifel darüber
bestehen, ob dieses oder jenes im objektiven Sinne wirklich gut oder
nicht schon ein Übel oder böse ist. Außerdem hat Gott dem Menschen das
Sittengesetz nicht deswegen gegeben, um ihn, wie alle Gottlosen
behaupten, zu versklaven, sondern zu seinem Wohle, um ihn auf sein
mögliches Heil auszurichten und durch Gebote hinzuordnen. Zudem ist das
Sittengesetz, das in den Geboten Gottes eine konkrete Gestalt annimmt,
ein streng autoritatives. Echte Autorität aber ist kein Gewaltphänomen,
denn sie nötigt und zwingt den freien Willen des Menschen nicht mit
Gewalt, sondern sie bindet ihn durch die Macht und die Güte oder das
innere Gutsein der Wahrheit. Deshalb macht auch nur die Wahrheit
wahrhaft frei.
Wenn eine Religion von alledem nichts mehr weiß oder diesbezüglich in
Lehre und Praxis von Irrtümern geprägt ist, dann kann sie nicht mehr
als eine wahre bezeichnet werden. Sie ist im christlich-religiösen
Sinne letztlich ein Produkt Satans, den Christus auch als den "Feind
Gottes" und als "den Starken" bezeichnet hat. Darum ist der Teufel (mit
seinen Anhängern) im wahrsten Sinne des Wortes der Todfeind des
Menschen.
Die Wesens-Wirklichkeit der Religion mit ihren zwei inkommensurablen
Seiten ist ein sittliches Machtphänomen, welches das ganze
Menschengeschlecht seit Adam und Eva auf eine geistige Weise bewegt -
entweder auf Gott hin oder von Gott weg. Dazwischen aber liegt nichts,
auf das man sich herausreden könnte. Sinn- und zwecklos ist es,
jemandem, von dem man glaubt, er habe es nötig, Religion beizubringen
oder einzuflößen. Man kann einen Menschen immer nur entweder von einer
unwahren Religion befreien oder ihn von einer wahren Religion abbringen
und ihn zum Religionsapostaten machen. Zudem gibt es heute eine Menge
Christen, die auf eine verschiedene Weise einer 'christlichen Religion'
anhängen, die nicht bzw. nicht mehr wahr ist.
Die Tatsache, daß die Religion auch ein Macht-Phänomen ist, macht sie
noch lange nicht zu einer unsittlichen Sache. Vielmehr ist das
Gegenteil gerade wahr, und der Beweis dafür liegt bereits darin, daß
nur eine wahre Religion ein Existenzrecht hat, und zwar sowohl im
privaten als auch im öffentlichen Leben der Menschen. Diese geistige
Realität wird heutzutage so gut wie überhaupt nicht mehr erfaßt,
geschweige denn in ihrer Bedeutung begriffen. Es gibt im
Menschengeschlecht und unter Menschen - gleichgültig, welcher Religion
sie offen oder insgeheim anhängen - kein Recht ohne Macht, wohl aber
eine menschliche 'Macht' ohne Recht, die überall zu finden ist und ihr
Haupt erhebt Diese 'Macht', von der ebenfalls ständig Gebrauch gemacht
wird, zeigt sich darin, daß sie sich nicht mehr der erkannten Wahrheit
unterwirft und nicht mehr der Gerechtigkeit dient. Sie generiert zu
dem, was man als 'brutale Gewalt' bezeichnet. Macht ohne Recht zerstört
das sittlich Gute, das unbedingt Sein-Sollende, und die Gerechtigkeit,
die der Gegenstand des Rechts ist, und macht aus Recht Unrecht. Damit
aber wird auch klar, daß der Mensch kein Recht auf eine unwahre und
ungerechte Religion hat. Der moderne liberale und demokratische Staat
gewährt in seinem Hochmut jeder Religionsgemeinschaft öffentlichen und
privaten Rechts das angebliche 'Recht', ihre Religion ungehindert
auszuüben, gleichgültig, ob diese nun wahr und recht bzw. rechtens ist
oder nicht. Man sollte sich einmal fragen, woran es denn wohl liegen
könnte, daß eine wahre Religion dennoch ohnmächtig werden kann? Das
liegt nämlich nicht an ihr selbst, sondern immer nur an denen, die sie
geistlos und vernunftwidrig ausüben und auch kein echtes Zeugnis für
ihre Wahrheit ablegen. Der hl. Paulus wußte, wovon er redete, als er
schrieb: "Keiner ist gerecht, auch nicht einer; keiner ist verständig,
keiner fragt nach Gott (...). Gottesfurcht ist ihnen fremd" (Rom 3,10
f.). "Wer also meint, er stehe, der sehe zu, daß er nicht falle" (1 Kor
10,12). Viele Christen glauben, sie stehen in ihrer Religion aufrecht
und ohne Furcht vor Gott, dabei sind sie schon lange gefallen und
ohnmächtig geworden. Manche halten sogar die Funzel, die in ihnen
flackert, für eine Leuchte beseligenden Lichtes.
Schließlich sei noch auf etwas anderes hingewiesen, weil auch darüber
viel Unklarheit herrscht, obwohl es sich um etwas Fundamentales
handelt. Wir meinen den realen Unterschied, der zwischen der
Wesens-Wirklichkeit der Religion und der Tugend der Religion besteht,
die eine streng moralische ist. Unter einer Tugend (virtus) aber
versteht man eine geistige Kraft und ein Tauglichsein für etwas, das
für das Leben des Menschen von besonderem Wert ist. Darum darf man
nicht aufgrund eines irrigen religiösen Glaubens, wie es häufig der
Fall ist, der Tugend der christlichen Religion etwas unterstellen, was
diese in ihrem Wesen gar nicht ist. Sie ist nämlich auch nur eine
natürliche "virtus moralis" und keineswegs eine übernatürliche. Sie
kann nur durch eine Gnade Gottes gestützt und vervollkommnet werden,
wenn Gott es will, nicht jedoch in eine übernatürliche umgewandelt
werden. Hier darf man sich nicht täuschen, sonst verfällt man sehr
schnell der Sünde der religiösen Eitelkeit und dem Hochmut, moralisch
besser zu sein als die anderen, die angeblich weniger religiös und
nicht so tugendhaft sind und sein können. Die Tugend der christlichen
Religion ist, wie noch im Hochmittelalter gewußt wurde, im Umkreis der
sog. Kardinaltugenden beheimatet und wird mit Recht als eine wahre
"Tochter der Gerechtigkeit" (Thomas v. Aq.) bezeichnet, von der her sie
ihre Kraft und Stärke bezieht. Darum steht die echte Tugend der
Religion, die ein religiöser Mensch besitzen und von der er geprägt
sein kann, in dem beständigen Willen, Gott, dem er alles verdankt, zu
geben, was Ihm und nur Ihm zusteht, und zwar freiwillig und aus
Dankbarkeit, sogar unter Einsatz des Lebens. Dies ist freilich nicht
möglich, wenn man vom persönlichen Gott keinerlei Kenntnis hat oder in
Gottvergessenheit lebt. "Selig, die Hunger und Durst haben nach der
Gerechtigkeit, denn sie werden gesättigt werden" (Mt 5,6). Wer Menschen
etwas gibt, das nur Gott zusteht (z.B. Anbetung, unbedingten Gehorsam,
absolute Hingabe, ausschließliche Liebe etc.), der hat keine wahre
Religion und ist eine unsittliche Existenz. Ein solcher Mensch lebt in
Gottlosigkeit und hat seine 'Götter'.
Nur eine wahre Religion hat die Kraft, einen Machtvollzug des Menschen
zu verhindern, der, wie überall festgestellt werden kann, das Recht
(Naturrecht) beugt und nicht mehr die Aufrichtung der Gerechtigkeit zum
Gegenstand hat. An diesem Unheilsprozeß aber beteiligen sich auch eine
Menge Christen, denen man in der Gesellschaft, im Staat und in den
'Kirchen' begegnet. Vielen ist es nicht einmal mehr bewußt, daß sie vom
Christentum bereits abgefallen sind.
Der Mensch hat kein Recht auf eine unwahre Religion und ihre freie
Ausübung, weil er ein Geschöpf Gottes ist, nicht jedoch ein Geschöpf
Satans. Warum ist dies so vielen gebildeten und ungebildeten
Zeitgenossen männlichen und weiblichen Geschlechtes nicht mehr im
Bewußtsein präsent? "Der Gerechte lebt aus dem Glauben", sicherlich. Im
übrigen sollte man gerade heutzutage die Macht der Religion nicht mit
einer "Religion der Macht" verwechseln, bei der es sich um einen
gemeingefährlichen Religionsbastard handelt, der, moraltheologisch
bewertet, aus der "Hoffart des Lebens" hervorgeht. (Siehe hierzu Gustav
E. Kafka im Sammelband "Häresien der Zeit", Herder 1961) Gott "sendet"
denen, die "die Liebe zur (ewigen) Wahrheit nicht angenommen haben"
oder sich ihr entzogen "eine Kraft (Machtentfaltung) der Verführung, so
daß sie der Lüge glauben, damit alle gerichtet werden, die der Wahrheit
nicht glaubten, sondern an der Ungerechtigkeit Wohlgefallen fanden" (2
Thess 2,10-12). Wir stehen heute global in diesem Unheilsprozeß, den
sich der Mensch selbst zuzieht. Die Welt ist voll von unwahren
Religionen.
Es kommt nicht von ungefähr, wenn sich in der heutigen Zeit so manchen
Katholiken die noch orthodox katholisch sind, die Frage aufdrängt und
nachhaltig ihr Denken bewegt "Was ist das eigentlich: die Religion?".
Wir haben einige Antworten gegeben, die vielleicht auch andere
Perspektiven eröffnen als die gewöhnlichen, welche wiederum geeignet
sein können, das religiöse Bewußtsein der Fragenden zu schärfen. Der
Mensch, der als Mensch nicht religionslos existieren kann, ist schon
aufgrund seiner Kreatürlichkeit ein fragendes Wesen, das, wenn es eine
gewisse geistige Reife erlangt hat, nach letztgültigen Antworten sucht,
um nicht sein Leben sinnlos zu leben. Wer nicht mehr wirklich fragt und
sich in Frage gestellt weiß, hat aufgehört, ein wahrer Mensch zu sein,
gleichgültig, welche Religion er hat. Was sind das wohl für Christen,
die 'fraglos' existieren oder jeder echten religiösen Frage
ausweichen?!
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