DIE SÜNDE WIDER DIE TUGEND DES GLAUBENS
- AUSZUG AUS EINER PREDIGT -
von
+ H.H. Dr. Otto Katzer
Wir haben bereits bei anderer Gelegenheit daran erinnert, daß die
heiligmachende Gnade der lebendige Abglanz des dreieinigen Gottes in
unserem Herzen ist und daß sie es uns ermöglicht, an der göttlichen
Natur teilzuhaben. Mit der heiligmachenden Gnade sind vor allem
verbunden die eingegossenen Tugenden: Glaube, Hoffnung und Liebe,
Klugheit, Gerechtigkeit, Tapferkeit und Mäßigkeit. Von diesen
eingegossenen Tugenden wird gesagt, daß sie ein übernatürliches Licht
und eine übernatürliche Kraft sind, die es uns ermöglichen, beständig
Gutes zu wirken.
In Verbindung mit den eingegossenen Tugenden werden auch die Gaben des
Hl. Geistes vermittelt: Weisheit und Verstand, Rat und Stärke,
Wissenschaft und Frömmigkeit und Furcht des Herrn. Allerdings ist von
unserer Seite gefordert, daß wir um sie bitten und daß wir sie
bereitwillig annehmen und getreu mit ihnen mitwirken wollen. Ohne diese
Mitwirkung können wir auch deren Früchte nicht ernten.
Zwischen den Tugenden und den Gaben des Hl. Geistes müssen wir
unterscheiden. Der hl. Thomas v.A. macht uns darauf aufmerksam, daß bei
den Tugenden wir aktiv tätig sein müssen, während wir die Gaben des Hl.
Geistes eher empfangen. Über diesen Unterschied wollen wir uns anhand
eines Vergleiches etwas mehr Klarheit verschaffen. Wenn wir auf unserem
sog. Lebensschifflein das "Meer des Lebens" durchfahren wollen, können
wir zum einen zu den Rudern greifen, d.h. uns aus eigener Kraft
fortbewegen. Damit sind die Tugenden gemeint. Spannen wir aber die
Segel auf und lassen unser Schifflein vom Winde vorwärts treiben, so
gleicht dieses Bild einer Seele, die sich unter der Leitung und Führung
des Hl. Geistes befindet. Sie muß nur "ihre Segel spannen", d.h. auf
das Wehen des Hl. Geistes acht geben. Dieses Bild zeigt, was wir wohl
bedenken sollten, daß die Mitwirkung bei der Zuteilung der Gaben des
Hl. Geistes darin besteht, daß wir uns nicht gegen sie verschließen,
sondern uns ihnen freiwillig überlassen. Es ist unbedingt notwendig,
sich in den Tugenden zu üben und den Hl. Geist dabei um Seine Führung
zu bitten. Bei einem Menschen, der sich nicht in den Tugenden übt,
werden sich auch die Gaben des Hl. Geistes nicht entfalten können.
Die erste dieser Tugenden ist die Tugend des Glaubens. Was heißt
christlich glauben? Christlich glauben heißt: alles für wahr halten,
was Gott geoffenbart hat und durch die hl. Kirche uns zu glauben
vorlegt. Die Lehre der hl. Kirche war nicht gleich zu Beginn schon voll
entfaltet. Ich sage nicht: entwickelt, sondern entfaltet! Eine Knospe
z.B. entwickelt sich nicht, sondern sie entfaltet sich. In ihr ist
schon die ganze Blüte enthalten, so wie im Samenkorn der große Baum
schon enthalten ist, und es bedarf nur genügender Zeit, bis er
ausgewachsen ist. So ist es auch mit der Lehre Christi. Zu Beginn war
sie auch noch nicht voll entfaltet. Deshalb wurden an das Lehramt der
Kirche immer wieder Fragen gerichtet, die zu beantworten waren, bzw.
Probleme gestellt, die eindeutig und verbindlich gelöst werden mußten;
Lösungen jedoch waren gefordert, die in der Offenbarung angelegt waren.
Wenn nun pro Jahr nur zehn solcher Fragen an das kirchliche Lehramt
gerichtet worden wären, hätten es im Laufe von zwei Jahrtausenden über
20000 Antworten bzw. Problemlösungen und Entscheidungen geben müssen,
gewisse Auffassungen hätten verurteilt werden müssen. Wenn nun eine
solche Entscheidung gefallen ist, wenn ein Beschluß gefaßt worden ist -
und das ist das Bemerkenswerte an ihnen -, also wenn eine solche Be-
oder Verurteilung getroffen wurde bzw. wird, gab bzw. gibt es nichts
mehr an ihr zu rütteln. Niemand konnte und kann je wieder an einer
solchen Entscheidung des Lehramtes der Kirche etwas ändern, selbst der
nicht, der jene Entscheidung(en) getroffen bzw. ausgesprochen hatte.
"Roma locuta, causa finita!" Rom hatte gesprochen. Damit war der Fall
endgültig entschieden. Fragen solcher Art wurden aber in einem Jahr im
Durchschnitt mehr als nur zehn an das Lehramt gerichtet. Darüber wurde
auch auf dem I. Vatikanum gesprochen und diesbezüglich festgehalten:
"Millena et millena judicia doctrinaria" - "tausende und abertausende
solcher Lehrentscheidungen" wurden gefällt und verkündet. Eingedenk
dieses Umstandes kann sich auch ein einfacher Laie ausmalen, daß es
einfach eine Notwendigkeit ist, sich seinen Katechismus wieder
herzuholen und sich in ihn zu vertiefen, ihn zu kennen, und für den
Theologen besteht die Pflicht, seine Theologie zu beherrschen. Tuen
beide das nicht,
versündigen sie sich gegen die Tugend des Glaubens und werden sich, wie
wir gleich zeigen werden, eines Tages vor Gott dafür zu verantworten
haben.
Ich habe schon einmal auf die Aussage des Trienter Konzil, des Kardinal
Hosius, aufmerksam gemacht, und man erlaube mir, daß ich sie etwas
ironisch umformuliere: "Es gibt in der Kirche", so sagte er, "einen
abgedroschenen Schlager, der immer wieder hervorgekramt wird, obwohl
über die Probleme, die hier anstehen, schon unendlich oft entschieden
worden ist. Dieser Schlager lautet: 'Den Priestern Weiber, den Laien
den Kelch (d.h. meint die Kommunion unter beiden Gestalten), und die
Landessprache in die Liturgie!' Wo immer Kleriker zusammengekommen
sind, sei es auf einem Provinzialkonzil oder einem Allgemeinen Konzil,
immer wurde dieser 'alte Hut' erneut hervorgezogen, als ob darüber
nicht schon längst entschieden worden wäre." Ich nenne euch noch eine
andere modische 'Aktivität', die besonders heute gang und gäbe ist. Ich
habe vor kurzem selbst erlebt, daß Frauen z.B. in Frankreich einfach
den Kelch packen, den Meßkelch wohlgemerkt, und ihn zum Altar tragen.
Der hl. Papst Gelasius (492-496) aber sagte dazu schon damals, daß dies
eine Entehrung des hochheiligen Amtes ist, welches Gott für Männer
auserwählt hat und zu welchem die Frau sich nur unberechtigterweise
herandrängt. Der hl. Gelasius sagte weiter, daß dies ein Verbrechen sei
und die Verantwortlichen hierfür jene Priester seien, die solches
fordern oder die nicht gegen einen solchen Mißstand ankämpfen würden.
Mit ausgesprochener Schärfe betont er: "Soweit man solche Priester
überhaupt noch Priester nennen darf!" Diese Profanierung ist eben
eindeutig ein Verstoß gegen die christliche Gebräuche! Dagegen hatte
sich auch schon der hl. Papst Sixtus (115-125) gewandt. Der hl. Papst
Pius I. spricht sogar von einer Gotteslästerung (140-155), der hl.
Papst Soter (166-175) von einer "Pest, die in die Kirche eingedrungen"
sei. Im Kapitularium Kaiser Karls d.Gr. und Ludwig des Frommen lesen
wir, daß ein solches Verhalten eine Verletzung des göttlichen Gebotes
und auch des kanonischen Rechtes sei. Eine Synode zu Paris im Jahre
1829 spricht in einem solchen Fall von einem "abuse effroyable", von
einem schauderhaften Mißbrauch. Und nun frage ich euch: Wollen wir
gescheiter sein und klarer sehen als soviele Heilige? Sollten uns die
Beschlüsse des Apostolischen Stuhles nichts sagen? Oder sind wir nicht
vielmehr dazu verpflichtet, uns danach zu richten? Wir müssen es, weil
sie unumstößlich sind und, wie ich noch betonen möchte, selbst von
demjenigen, der sie verkündet hat, nicht mehr umgestoßen werden können.
Er hat kein Recht (mehr), daran etwas zu ändern.
Es mag vielleicht manchen zum Lachen reizen, wenn er hört, daß der
Priester, d.s. alle Priester, die bis vor kurzem geweiht wurden - von
den 'neuen' rede ich nicht -; das tridentinische Glaubensbekenntnis
ablegen mußte. In diesem ruft er Gott zum Zeugen an, daß er das, was
die hl. Kirche beschlossen hat, auch beobachten werde und daß er das,
was sie verdammt hat, auch verdammen werde, und zwar für sein ganzes
Leben - bis zum letzten Lebenshauch. Er hat weiterhin gelobt, daß er
auch diejenigen hierzu anhalten werde, deren Obhut ihm von der hl.
Kirche anvertraut wurde. Während er dann seine Hand auf das Evangelium
legt, gelobt er: "Sic spondeo, sic voveo, sic me Deus adiuvet et sic
sancta Evangelia per manibus meis tango" ("So gelobe ich, so schwöre
ich, so verspreche ich, so helfe mir Gott und die hl. Evangelien, die
ich mit meiner Hand berühre").
Wir sind, meine Lieben, leider soweit gekommen, daß uns Meineid und
Eidbruch überhaupt nichts mehr sagen! Man hat sich lustig gemacht über
diesen Eid, hat somit Gott angerufen zum Zeugen einer billigen Komödie,
eines netten Spaßes! Als ob man, und als ob nicht gerade ein Theologe
gewußt hätte, daß man Gott nicht zum Zeugen für eine Komödie anruft!
Welch traurige Folgen und Konsequenzen ergeben und ergaben sich nicht
allein schon daraus? Was sind das auch für Erbärmlichkeiten? Ich glaube
nicht, daß ihr euren Katechismus soweit vergessen habt, um nicht zu
wissen, daß Meineid und Eidbruch Todsünden sind gegen den Glauben! Und
welche Folgen ergeben sich aus einer solchen Todsünde? Sofortiger
Verlust der heiligmachenden Gnade, aller eingegossenen Tugenden, aller
Gaben des Hl. Geistes. "Mens non amplius illuminatur ad recte
videntum", schreibt der hl. Thomas v.A. D.h. der Geist wird nicht mehr
genügend erleuchtet, um richtig zu sehen. So ist es denn auch! Und der
Weg ist nicht mehr klar zu erkennen und die Wahrheit nicht mehr klar zu
unterscheiden. Und die dazu passenden Worte des Heilandes sind die
folgenden: "Wenn ein Blinder einen Blinden führt, stürzen beide in die
Grube!" - "Et cor non illuminatur ad recte vivendum" ("und das Herz
wird dann nicht mehr erleuchtet, richtig zu leben).
Da gibt es dann keine andere Hilfe mehr, als daß jene, die einen
Meineid und Eidbrüche begangen haben, zum Beichtstuhl gehen und diese
schwere Sünde von Herzen bereuen, vor Gott beichten und aufrichtig zum
Weg der Kirche, der wahren Kirche!, umkehren. Solange sie dies nicht
tun werden, werden sie Blinde sein und bleiben und werden weiterhin als
angebliche Seelenführer Blinde (und Suchende!) ins Elend führen.
Mit den Worten aus der hl. Schrift möchte ich diese Predigt beenden:
"Wer Kleinigkeiten mißachtet, wird um alles gebracht." Amen
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