Mitteilungen der Redaktion
München, den l0. Mai 1992
Verehrte Leser,
das dauerhafte Scheitern eines organisierten katholischen Widerstandes
gegen die Reformer hat verschiedene Gründe. Zu Recht werden genannt:
a) Diskrepanz in den theologischen Positionen (ich denke dabei u.a. an
den Des-Laurierismus mit seinen fatalen Folgen im praktischen Handeln
und an die Verabsolutierung rein positiver kirchenrechtlicher Normen
eines Herrn Gwynne aus England),
b) mangelnde Kooperationsbereitschaft der Kleriker untereinander. (Dies
ist ein besonderes Phänomen: während es weltweit gute Kontakte zwischen
den Laienorganisationen gibt, fehlt fast jegliche Zusammenarbeit der
Kleriker nicht nur im internationalen Bereich, sondern auch auf
nationaler, sogar regionaler Ebene. Jeder Kleriker hat seine eigene
Klientel, und man hat als Außenstehender den Eindruck, daß die
anarchischen Zustände sogar erwünscht erscheinen, um sich ja keiner
Autorität unterstellen zu müssen, d.h. um sein "eigenes Süppchen
ungestört kochen zu können". - Wenn hier jemand widersprechen will, muß
er mir den Kleriker namentlich benennen, der intensiv an der
Restitution der Kirche als Heilsinstitution arbeitet!)
Ein Hauptgrund für den desolaten Widerstand liegt aber auch in einem
falsch verstandenen Traditionsbegriff. Ein Traditionalismus, der alles
nur so haben bzw. erhalten will, wie "es vorgestern" war, ist in sich
unfähig, grundsätzliche Lösungen für die Probleme von heute anzubieten.
Warum? Weil er Prinzip und Applikation, d.h. Grundsatz und Anwendung,
verwechselt, weil er unfähig ist, zwischen beiden zu unterscheiden. Er
macht statt dessen die Starrheit zum Prinzip. Deswegen ist er auch
blind, die wirklichen Ursachen, die zur heutigen Krise führten, zu
erkennen und über moderne, d.h. zeit- und umstandsbezogene Lösungen
grundsätzlich nachzudenken.
In Krisensituationen kann man es sich aber nicht leisten, auf seinem
Stuhl festzukleben. Man kann es dann machen entweder wie die Jesuiten,
die sich der jeweiligen
Ideologie, von der der Kirche Gefahr drohte, anpaßten, sie adaptierten
und nur 'christlich' überhöhten wie ein Zwerg, der auf die Schultern
eines Riesen steigt und schreit: "Ich bin der größte!", - oder man kann
es machen, wie man es bis zur Neuzeit machte, nämlich die Prinzipien
klar herauszuarbeiten, um von ihnen aus nach neuen Wegen zu suchen. Ich
zitiere hier einen unverdächtigen Zeugen, H.H. Prof. Leo Scheffczyk,
erem. Dogmatikprofessor im Reformerlager, um zu illustrieren, was ich
meine. Scheffczyk untersuchte einmal die lebensbedrohende Krise, die
die Kirche im zweiten Jahrhundert durch das Eindringen der Gnosis
durchstehen mußte. Er schreibt: "Der im zweiten Jahrhundert
aufgebrochene Gnostizismus schickte sich an, die christliche Heilslehre
in die damals moderne Weltweisheit einzuschmelzen, um sie angeblich auf
den Stand ihrer Eigentlichkeit zu bringen. Damals wie heute wurde die
Überführung des Glaubens in eine angeblich höhere Vernunft propagiert,
es dominierte die synkretistische Verbrämung der Offenbarung mit
Ersatzstücken der Zeitphilosophie, die Anpassung des verbindlichen
Schriftwortes an die eigenen Bedürfnisse mit Hilfe einer verbalen
Interpretationskunst, die Abkehr von der Konkretisierung des Heils in
der Geschichte und im Leiblichen. Die Kirche setzte dieser Suggestion
des Fortschrittlichen drei schlichte Grundsätze entgegen: Der
Faszination der geistreichen gnostischen Literatur begegnete sie mit
der Aufstellung des Kanons der biblischen Schriften, der willkürlichen
Berufung auf subjektive Offenbarungen und Sonderlehren mit der
Hervorhebung des objektiven Traditionsprinzips, dem spiritualistischen
Schwärmertum mit dem "monarchischen" Episkopat. Damit aber erreichte
sie nicht nur ein kümmerliches Überleben, sondern eröffnete sich den
Weg in die Weite der antiken Welt." ( UVK, Nov./Dez. 1982, S. 381.)
Unsere Aufgabe ist es nicht, unseren Heilsegoismus zu befriedigen,
sondern am "Siege, der die Welt überwindet" (1 Joh 5,4), mitzuarbeiten.
In der heutigen Krise sind jedem einzelnen bestimmte Aufgaben gestellt,
die wir erkennen und durchführen sollen, damit die Kirche als
Heilsinstitution bestehen bleibt.
Allen Lesern wünsche ich den Beistand des Hl. Geistes, dessen wir erlangen, wenn wir in der Wahrheit stehen und aus ihr leben.
Ihr Eberhard Heller
HINWEIS DER REDAKTION:
Herr Perlant wünscht, daß einige Stellen seines Artikels "Papa
haereticus deponi potest" (EINSICHT vom April 1992, S. 15 ff.)
korrigiert werden. Auf Seite 17 oben, Zeile 1, muß es anstatt "Ein
Papst ist nur dann unfehlbar, eine Häresie zu lehren, wenn er ohne den
Beistand eines allgemeinen Konzils ist" heißen: "Ein Papst ist nicht
unfehlbar, sondern der Gefahr ausgesetzt, eine Häresie zu lehren, wenn
er ohne Beistand eines Allgemeinen Konzils ist."
S. 18, 4. Absatz: anstatt "Man darf dies nicht als eine Definition..."
muß es heißen: 'Man darf dies nicht als eine Definition mit
Einschränkungen verstehen, dann ist es weniger schwer, ein Gut zu
bewahren, als zu erklären, woraus es besteht, was deutlich übermittelt
worden ist, zu wiederholen, als ein Urteil über strittige Punkte zu
fällen."
S. 17, letzter Abschnitt: anstatt "Wenn sie nicht bewußt
fehlinterpretieren wollten, würden doch die Verteidiger der
Möglichkeit, daß ein Papst (als Papst) in Häresie fallen könne..." muß
es heißen: "Wenn sie nicht ihrer falschen Auslegung des von St. Robert
Bellarmin gefällten Urteils bewußt sind, würden die Verteidiger der
Möglichkeit, daß ein Papst in Häresie fallen könne..." Zu diesem Passus
schreibt Herr Perlant: "Ich lehne die Beifügung 'als Papst' absolut ab.
Denn ich vertrete die These, daß ein Papst nie - auch wenn er mit
seinem Kammerdiener spricht - als Häretiker gebrandmarkt werden könne."
- Dieser Auffassung können wir nicht zustimmen, da sie inhaltlich über
die Definition der Unfehlbarkeit hinausgeht, die das I. Vatikanum
festgelegt hat. E. Heller
Die Entgegnung von Herrn Rothkranz auf Herrn Prof. Wendlands Beitrag
über die Problematik der neuen Weiheriten ist wegen der geringen
Interessentenzahl bisher noch nicht als Sonderdruck erschienen. Wir
werden überlegen, wie wir nun dennoch eine preiswerte Veröffentlichung
produzieren können, zu der auch ein Vorwort der Redaktion geplant ist.
REDAKTIONSSCHLUSS: l0. MAI 1992
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