DIE HLL. CYRILLUS UND METHODIUS
von
Eugen Golla
Das Byzantinische Reich war keineswegs nur ein in überlebten Sitten und
Formen erstarrtes Relikt des Imperium Romanum. Besonders im 9. und l0.
Jahrhundert erfolgte vielmehr eine bedeutende politische
Machtentfaltung und kulturelle Blüte. Gleichzeitig setzte eine
intensive Christianisierung der Völker des Ostens, besonders der
Slawen, ein.
Unter den griechischen Glaubensboten dieser Epoche ragen besonders
Cyrillus und Methodius hervor, denen zu Recht der Titel "Apostel der
Slawen" beigelegt wurde. Konstantin - er später nahm er als Mönch den
Namen Cyrillus an - und sein älterer Bruder Methodius waren die Söhne
eines hohen Beamten in Thessalonike, dem heutigen Saloniki, der nach
Konstantinopel bedeutendsten Stadt des Byzantinischen Reiches. Der
bescheidene und sympathische, etwa um 827 geborene Konstantin empfing
die Priesterweihe, zeichnete sich aber in den Wissenschaften dermaßen
aus, daß er den Beinamen "Philosoph" erhielt. Außerdem trat er als
Verteidiger der Bilderverehrung auf, die trotz ihrer 787 auf dem
Zweiten Konzil von Nicäa dogmatisch festgestellten Erlaubtheit noch
immer viele Gegner besaß.
Bald wurde auch Konstantins Befähigung zu diplomatisch-missionarischen
Aufträgen erkannt. So nahm er anläßlich eines geplanten
Gefangenenaustausches an einer Gesandtschaft an den Khalifen von Bagdad
teil, wo er theologische Disputationen mit Muslimen führte. Wichtiger
noch war sein Missionsauftrag, die zwischen dem Schwarzen und
Kaspischen Meer wohnenden Chazaren, ein Volk umstrittener Herkunft, das
den jüdischen Glauben angenommen hatte, zu bekehren. Dabei gelang es
ihm u.a. auch, auf der Halbinsel Krim die Reliquien des hl. Papstes
Klemens I., der um das Jahr l00 dort das Martyrium erlitten hatte,
aufzufinden.
Im Jahre 862 traf in Konstantinopel eine Gesandtschaft aus dem
Großmährischen Reich ein, das nicht nur das heutige Mähren, sondern
auch den westlichen Teil der Slowakei und Ungarns umfaßte. Rastislaw,
der Fürst dieses Reiches, erbat vom griechischen Kaiser Missionare,
obwohl in seinem Herrschaftsgebiet bereits deutsche Priester, die
größtenteils aus der Diözese Passau stammten, tätig waren. Mag auch die
lateinische Sprache bei der Bevölkerung auf Unverständnis und Ablehnung
gestoßen sein, so war doch der eigentliche Grund dieses Ersuchens
politischer Natur: Rastislaw fürchtete den stärker werdenden Einfluß
des Fränkischen Reiches, von dem er sich mittels kultureller und
religiöser Hilfe aus Byzanz befreien wollte.
Als der Kaiser sowie der Patriarch von Konstantinopel die beiden Brüder
dazu auswählten, um diese Aufgabe zu übernehmen, sollte wohl ein
Konflikt mit dem Fränkischen Reich vermieden werden, da weder
Konstantin noch Methodius Bischöfe waren, womit die Errichtung einer
neuen Kirchenprovinz ausgeschlossen schien.
Auch der um etwa l0 Jahre ältere Methodius verfügte für das Apostolat
unter diesen fremden Völkern über die erforderlichen Fähigkeiten. Bevor
er in eine Mönchsgemeinschaft eingetreten war, konnte er im
Staatsdienst sein Organisationstalent ausbilden und ebenso wie sein
jüngerer Bruder hatte er auch Gelegenheit, im Hinterland von
Thessalonike die Sprache der dort wohnenden Slawen zu erlernen. Da sich
in damaliger Zeit die slawischen Dialekte noch wenig voneinander
unterschieden, konnten beide Brüder von den Bewohnern des
Großmährischen Reiches gut verstanden werden.
Eine volle Wirksamkeit erreichten sie aber dadurch, daß sie die von
Konstantin aus den Kleinbuchstaben des griechischen Alphabets
entwickelten Schriftzeichen - die Glagolica - verwendeten, um die Hl.
Schrift und die liturgischen Texte in das Altkirchenslawisch zu
übersetzen. Die Feier des Gottesdienstes in slawischer Sprache -
anfangs wohl im griechischen Ritus, später in einer ins Slawische
übersetzten griechischen Version der römischen Messe mit einigen
Zutaten aus dem byzantinischen Ritus - war eine unerhörte Neuerung,
herrschte doch im Abendland die Auffassung vor, daß nur die auf der
Inschrift des hl. Kreuzes, daher gleichsam geheiligten Sprachen, also
Latein, Griechisch sowie Hebräisch, als Kultsprachen erlaubt seien.
Begreiflicherweise sahen die deutschen Missionare in den Griechen
gefährliche Konkurrenten. Konstantin und Methodius waren darum
gezwungen, über Venedig nach Rom zu reisen, um sich vor Papst Nikolaus
I. wegen der vom deutschen Klerus vorgebrachten Klagen und
Verdächtigungen zu rechtfertigen. Schließlich konnte es einem so
willensstarken und selbstbewußten Papst wie Nikolaus nicht gleichgültig
sein, daß griechische Glaubensboten in einem zur abendländischen Kirche
gehörenden Gebiet zu missionieren begannen.
Als die beiden Missionare endlich ankamen, war der Papst in der
Zwischenzeit gestorben. Sein Nachfolger, Hadrian II., empfing die
beiden Brüder äußerst ehrenvoll, zumal Konstantin die Reliquien des hl.
Klemens mitbrachte. Er gestattete nicht nur, daß einige ihrer Schüler
in Rom zu Priestern geweiht wurden, sondern er entschied sich auch für
die Beibehaltung der slawischen Liturgie bzw. für deren weitere
Zulassung.
Während seines Aufenthaltes in Rom erkrankte Konstantin schwer. Da
bedrückte ihn besonders die Sorge um die Weiterführung seines
Lebenswerkes. Methodius mußte ihm versprechen zurückzukehren, um seine
Arbeit bei den Slawen fortzusetzen. Kurz vor seinem am 14. Februar 869
erfolgten Tod wurde Konstantin noch Mönch und nahm den Namen Cyrillus
an. Seine Bestattung erfolgte in der Basilika San Clemente, in deren
Krypta auch die Reliquien des hl. Klemens aufbewahrt wurden.
Zum Bischof geweiht kehrte Methodius in sein Missionsland zurück.
Hadrian II. hatte für ihn das während der Völkerwanderung
untergegangene Bistum Sirmium (das heutige Mitrovica an der Save)
Wiederaufleben lassen, das den gesamten serbokroatischen und mährischen
Missionsbezirk umfaßte. Dies bedeutete zugleich die Loslösung von den
Diözesen Salzburg und Passau. Daher beschloß man auf einer deutschen
Synode, Methodius zur Rechenschaft zu ziehen. Als Folge davon wurde er
- wahrscheinlich in einem abgelegenen Kloster Süddeutschlands -
zweieinhalb Jahre unter harten Bedingungen gefangengehalten. Es wird
überliefert, daß man dabei auch vor Mißhandlungen nicht
zurückgeschreckt sei. Seine Befreiung erfolgte schließlich auf
Fürsprache des neuen Papstes Johannes VIII., der zwar die Abtrennung
der neuen Diözese Sirmium von Salzburg durchführen ließ, zugleich aber
auch das Zelebrieren der Messe in slawischer Sprache wieder verbot, was
wohl ein Entgegenkommen gegenüber den deutschen Bischöfen sein sollte,
die sich gegen diese Liturgie ausgesprochen hatten.
Inzwischen war im Großmährischen Reich Swatopluk seinem Onkel Ratislaw
als Fürst nachgefolgt. Deutschfeindlich, suchte er der deutschen
Geistlichkeit Schwierigkeiten zu bereiten. Andererseits war er aber
infolge seines Strebens, seinen Untertanen die lateinisch geprägte
Kultur des Abendlandes näherzubringen, kein Förderer der slawischen
Liturgie. Außerdem machte sich der sittenstrenge Methodius bei
Swatopluk verhaßt, da er dessen ausschweifenden Lebenswandel tadelte.
Reich an Konflikten war für Methodius auch die Zusammenarbeit mit dem
Schwaben Wiching, der als Bischof von Nitra in der Slowakei für die
Interessen des Fränkischen Reiches arbeitete und beim Papst Methodius
Rechtgläubigkeit anzweifelte. Aufgrund dieser Anschuldigungen befahl
Johannes VIII., Methodius solle nach Rom kommen. Hier wurde ihm der
Triumph zuteil, daß sich die Anschuldigungen gegen ihn als haltlos
erwiesen. Gleichzeitig widerrief der Papst auch das Verbot des
slawischen Meßritus, wobei er in dem betreffenden Erlaß ausdrücklich
festhielt, daß durch die heilige Autorität befohlen werde, nicht nur in
den bekannten drei, sondern in sämtlichen Sprachen Gott zu loben.
Allerdings solle der großen Ehrerbietung wegen das Evangelium zuerst in
Latein gelesen und auf Wunsch Fürst Swatopluks auch in dieser Sprache
zelebriert werden.
Methodius starb am 6. April 885. Das Totenoffizium wurde lateinisch,
griechisch und slawisch verrichtet. Die Beisetzung erfolgte
wahrscheinlich in Velehrad im südöstlichen Mähren.
Der Wirksamkeit des Methodius, die mit der des hl. Bonifatius
vergleichbar ist, war kein Bestand vergönnt. Bald erfolgte auf
Initiative des deutschen Klerus die Vertreibung seiner Mitarbeiter.
Dennoch ist es unbestritten, daß Cyrillus und Methodius infolge ihrer
missionarischen Tätigkeit, der Einführung des glagolitischen Alphabets
und ihrer Übersetzungen religiöser Literatur den Slawen die stärksten
Impulse zur Annahme des Christentums sowie den Anschluß an das
europäische Geistesleben gaben.
Im Martyrologium Romanum wurde ursprünglich als Gedenktag für die hl.
Brüder der 9. März festgesetzt. In seiner Enzyklika "Grande munus" vom
30. Sept. 1880, die mit Hochachtung von den altslawischen Liturgien
spricht, erinnerte Papst Leo XIII. an die seinerzeit vom apostolischen
Stuhle erteilte Genehmigung des missionarischen Wirkens der hll.
Cyrillus und Methodius. Gleichzeit bestimmte er auch, daß in der
gesamten Christenheit deren Fest am 7. Juli zu feiern ist.
Benutzte Literatur:
Jedin, Hubert: "Handbuch der Kirchengeschichte" Bd. 111/1, Freiburg 1966.
Rogier u.a.: "Geschichte der Kirche" Bd. II, Einsiedeln 1971.
Seppelt, Franz Xaver: "Geschichte der Päpste" 2. Bd., München 1955.
"Theologische Realencyklopädie" Bd. 8, Berlin 1981, Artikel: "Cyrill und Method".
Stadler, Joh. Ev.: "Vollständiges Heiligenlexikon in alphabetischer Ordnung" Bd. 1 und 4, Augsburg 1858 u. 1875.
"Vies des Saints" Bd. 6, Paris 1948.
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