DIE RÖMISCH-KATHOLISCHE DIASPORA-KIRCHE
- FIKTION ODER WIRKLICHKEIT? -
von
Prof. Diether Wendland
Vorbemerkung:
Nachstehender Beitrag wurde im Jahre 1973 verfaßt und 1990 überarbeitet.
D. W.
ZUR VORGESCHICHTE
Als der vielgeliebte Häretiker Angelo (!) Giuseppe Roncalli - ein
bauernschlauer Mann ohne aristokratische Physiognomie, der sich den
Namen "Papst Johannes XXIII." zulegte und sich selbst gerne "Bruder
Johannes" nannte, den sogar Bischöfe und Kardinale tatsächlich für
einen Heiligen hielten (!) - die baldige Einberufung eines
"ökumenischen (= allgemeinen) Konzils" ankündigte, wozu ihn angeblich
der Hl. Geist auf eine besondere Weise "inspiriert" bzw. "erleuchtet"
habe und ein "neues Pfingsten" in Aussicht stellte (das war der Gipfel
der Absurdität), da wußten es alle (noch) orthodoxen Katholiken - auch
wenn sie keine besonderen theologischen Kenntnisse besaßen, daß es zu
einem Abfall des katholischen Gesamtepiskopats als solchem von der
apostolischen Ecclesia Romana kommen würde. Man war sich nur darüber
nicht im klaren, wie so etwas geschehen könnte und was dabei die
treibende Kraft sein würde. Denn an und für sich entbehrt ein von einem
Papst der Ecclesia Romana einberufenes ökumenisches Konzil nicht der
"assistentia divina", d.h. der Mithilfe oder des Beistandes des Hl.
Geistes bei allen Entscheidungen in Glaubens- und Sitten-Sachen.
Vielleicht erinnern sich noch so manche orthodoxe Katholiken, die
inzwischen graue Haare bekommen haben, an die damalige Situation vor
und nach Einberufung und Beginn des Konzils. Schon damals stellten sich
einige konkrete und schwerwiegende Fragen, die trotz der euphorischen
Atmosphäre ("Aufbruchstimmung" nannten das die Kleriker) nicht
verstummen wollten. Denn seltsamerweise hatte offensichtlich keiner der
nach Rom eilenden Konzilsväter erkannt, daß es sich bei diesem
vermeintlichen 'Papst' um einen offenkundigen Häretiker handelte, zumal
bekanntlich jeder katholische Bischof strengstens verpflichtet ist,
einem solchen Manne keinen Gehorsam zu leisten und ihm gegenüber den
Gehorsam öffentlich aufzukündigen. Das ist meines Wissens nirgendwo
geschehen, sondern das reine Gegenteil, angefangen damit, daß auf
Anordnung der Diözesanbischöfe die Priester und Gläubigen bei den
Sonntagsmessen in allen Kirchen "für den Heiligen Vater und das
Gelingen des Konzils" zum Hl. Geiste beten sollten. Durch die Befolgung
dieser 'frommen Anordnung' aber trat auch bereits der allgemeine
Mißbrauch der hl. Messe durch die Zelebranten in Erscheinung, sichtbar
und hörbar.
Von Ausnahmen in dieser Sache habe ich nie etwas gesehen oder gehört,
obwohl ich und andere ziemlich weit "in Kirche und Welt" herumkamen.
Zudem zeigten sich überall Zerfallsprozesse, die man später, da es sich
immer um die gleichen handelte, irrtümlicherweise als "kirchliche
Krise" bezeichnete und dadurch gründlich mißverstand. Bei kirchlichen
Zerfallsprozessen aber muß man sich die Frage stellen, was kann
zerfallen und was nicht? Kann, bildlich gesprochen, der Felsen Petri
zerfallen, vielleicht durch Erosion? Nur der reale mystische Leib
Christi kann nicht zerfallen, da dies auch im Hinblick auf den Leib des
göttlichen Menschensohnes nicht geschehen ist, obwohl nach der
Kreuzesabnahme kein Leben mehr in ihm war.
Alle Bischöfe folgten freiwillig, widerspruchslos und prinzipiell dem
Ruf eines offenkundigen Häretikers zur Veranstaltung eines allgemeinen
Konzils und unterwarfen sich dadurch seiner 'Autorität'. Dieses Faktum
war schon recht 'erhebend', da es so etwas in der katholischen Kirche
noch nie gegeben hatte. Von den gutwilligen einfachen Gläubigen konnte
niemand erwarten, daß sie die damals aufbrechende Problematik
erkannten, die sich direkt und unmittelbar auf die Bischöfe bezog. Denn
es stellte sich bereits die harte Frage: Wie viele von ihnen sind
Häresiearchen, d.h. in Wirklichkeit gar keine Bischöfe?
Es gab aber auch Katholiken (unter denen sich allerdings kein Kleriker
befand), die die Hoffnung hegten, daß vielleicht dieser oder jener
Diözesanbischof doch noch zur Vernunft kommen würde. Das hätten heißen
sollen, daß er nicht heimlich oder privatim, sondern offiziell oder von
Amts wegen das Konzil verlassen und in aller Öffentlichkeit seine
Gemeinschaft mit einem Häretiker in einem Hirtenbrief als beendet
erklären würde. Dazu war beileibe kein besonderer Mut erforderlich,
sondern nur einfacher Mannesgehorsam gegenüber dem HERRN und HAUPT der
Kirche. Katholiken, die so dachten, mußten freilich sehr bald ihre
Hoffnung begraben.
Sowohl vor als auch nach Beginn des Konzils - wer erinnert sich noch an
die auf einer Linie liegende Propaganda in allen Massenmedien? - wurden
von Seiten der Bischöfe und ihrer Trabanten einzigartige Unsinnigkeiten
'verheißen' und eklatante Unwahrheiten in die Welt gesetzt - auch über
den wie ein 'Friedens-Angelo' bejubelten Roncalli-'Papst' -, die auch
später nie verstummt sind. Dafür sorgten schon die pastoral-konziliar
beschwingten und von einem 'neuen Geist' geleiteten und inspirierten
Bischöfe in ihren Diözesen. Ein kleines Beispiel dafür sei angeführt,
damit niemand sagen möge, wir würden unter den Katholiken, die ihren
'Bischöfen' treu ergeben sind, Greuelmärchen verbreiten, um sie zu
verunsichern und 'abtrünnig' zu machen:
So erinnerte der Vorsitzende der (nationalen) 'Deutschen
Bischofskonferenz' Julius 'Kard.' Döpfner, sogar noch 1973 anläßlich
des zehnten Todestages von Roncalli im Bayerischen Rundfunk - obwohl
schon lange und überall ein kirchlich-katholisches Chaos zum Vorschein
gekommen war, das jeder vernünftige Mensch sah - an diesen
"charismatischen Papst", der zugleich ein "Papst des Übergangs" gewesen
sei, d.h. eines "mutigen Hinüberschreitens" in eine ganz "neue Zeit der
Kirche" (als ob Papst und Kirche identisch seien), die durch
"Mitmenschlichkeit" geprägt sein solle. Gemäß dieser großartigen
Erkenntnis eines 'Kardinals' und 'Erzbischofs' war dies also vor
Roncalli nicht der Fall gewesen, einschließlich der Päpste. Die
Katholiken, Laien wie Kleriker, aber glaubten das, d.h. sie hielten
sogar eine derart plumpe Unwahrheit für wahr; denn nirgendwo zeigte
sich ein öffentlicher Protest, geschweige denn eine Protestbewegung
gegen eine solche Ungeheuerlichkeit (vgl. dagegen die Plakataktionen
der Una-Voce Gruppe Maria, München, in denen Döpfner und Paul VI. neben
anderen Häretikern öffentlich als solche angeprangert wurden). Nur
gerüchteweise verlautete, daß es in München einen Katholiken gegeben
habe, der vor dem Dom mit einem Plakat gestanden habe, auf dem
geschrieben stand: "Bruder Julius, du bist ein Lügner!" Auch soll es zu
einem Handgemenge gekommen sein. Natürlich war das nur ein Gerücht, wie
eben auch die anderen Gerüchte von einem sich formierenden Widerstand
gegen die kirchlichen Deformationen und die neuen häretischen
'Heilslehren', die allerdings zum Teil schon ziemlich alt waren (vgl.
dagegen folgendes: im Jahre 1973, welches von dem Autor hier angeführt
wird, bestand die Zeitschrift EINSICHT schon im dritten Jahr; in den
ersten drei Jahrgängen war der Beweis der Ungültigkeit des sog.
'N.O.M.' erbracht worden ebenso das Problem der Sedisvakanz abgehandelt
und eine ganze Reihe von für die Bewältigung der damaligen Situation
wichtigen Beiträgen war auch schon veröffentlicht worden).
Indes wußte der 'Kardinal' in seiner Rundfunkansprache über die neue
"Mitmenschlichkeit" von 'Papst und Kirche' im allgemeinen und über den
Häretiker Roncalli im besonderen noch einiges mehr zu sagen. Dieser
nämlich soll - so bezeugte es Döpfner vor den ihm zuhörenden Katholiken
- für den nun endlich aufbrechenden 'menschlichen' "Heilsdienst" eine
"intuitive Witterung" und ein "besonderes Charisma" besessen haben.
Denn "er war von einer solchen Güte des Herzens erfüllt, er ging so
brüderlich auf die Menschen zu, daß sich kaum jemand der Faszination
seiner Persönlichkeit entziehen konnte. 'Ich bin Josef, Euer Bruder' -
dieses sein Wort bei der Besitzergreifung der Lateranbasilika war ihm
ein täglich gelebtes Programm." Und schließlich gab der vom "Bruder
Johannes" (oder auch "Joseph") faszinierte 'Bruder Julius' noch
folgender Hoffnung Ausdruck: "Ich hoffe mit vielen zuversichtlich, daß
wir Papst Johannes eines Tages als Heiligen der Kirche verehren
dürfen." Derartige Unsinnigkeiten braucht man nicht mehr zu
kommentieren!
RONCALLI ALS 'TRADITIONALIST'
Schließlich aber verbreitete auch dieser 'Kardinal' und
'Bischofskonferenz'-Vorsitzende' in seiner Rundfunkrede erneut die
bereits abgedroschene platte Lüge, Roncalli "dachte nicht im mindestens
daran, Dogmen oder auch nur wesentliche Grundsätze der Kirche
anzutasten. Er hatte von seiner bäuerlichen Herkunft her, zu der er
sich oft bekannte, sogar in kleinen Dingen ein ausgesprochenes Gespür
für den Wert des Überkommenen."
Mit einem solchen Gerede wurden die hie und da etwas unruhig gewordenen
Gläubigen beruhigt, damit sie bloß nicht ihren Verstand gebrauchen und
zu denken anfangen sollten. Auch diese Rechnung dürfte damals schon
weitgehendst aufgegangen sein. Wer aber zog aus alledem die Bilanz? So
mancher katholische Laie, dem das jahrelange Mitmenschlichkeits-Gefasel
hoher Kleriker bereits auf die Nerven gegangen war und der sich noch
gut an den Tanz der Bischöfe um Roncalli erinnerte, stellte an die
immer noch alles glaubenden Gläubigen die Frage: wo steht eigentlich
geschrieben, daß ein bauernschlauer Häretiker im Papstornat die ihm
gleichgesinnten Leute nicht faszinieren könnte oder daß Jesus Christus,
der "gute Hirte", jemals verloren-gegangene Schafe Seiner Herde gesucht
habe, die sich nicht haben finden lassen wollen? Ein bereits über zehn
Jahre lang andauernder Beschuß durch Häresien 'von oben' konnte doch
nicht ohne Wirkungen bleiben. Häresien aber sind die Pforten der Hölle,
weil sie den Heilsverlust zur Folge haben.
Es waren auch nur wenige, ja sogar erstaunlich wenige, die bald nach
Beginn des sich (im biblischen Sinne) auf den unreinen "Geist der Welt"
einlassenden sog. 'Pastoralkonzils' die schauerliche Tatsache erkannten
- dafür gab es viele eindeutige Indikatoren -, daß Christus, der HERR
der Kirche, einem allgemeinen Konzil die "assistentia divina" entzogen
hatte. Aber warum? Nun, wohl auch deswegen, um katholischen Christen
generell sichtbar zu machen (oder vielen anschaulich vorzuführen), was
es mit dem katholischen Gesamtepiskopat als solchem auf sich hatte.
Dies jedoch war im Bereich der Glaubens-Erkenntnis zugleich eine Gnade
für viele und eine Gnaden-Gabe Christi, die vielen helfen sollte,
sofern sie "guten Willens" sind, auch ihr blindes Glaubens-Vertrauen
(Fiduzialismus) in die Bischöfe abzulegen, welches nur anerzogen war.
Einem blinden Vertrauen nämlich fehlt genau so wie einem religiösen
blinden Glauben die geistige Erkenntnis und das intellektive Denken.
Darum sprach man schon früher mit Recht von einer allgemeinen
"katholischen Krankheit", die sich wie eine Epidemie ausgebreitet
hatte. Später wurde dann aus dieser schweren Erkrankung eine im
religiösen Sinne tödliche. Wenn das übernatürliche Leben, das sich
allein aus der göttlichen Gnade ermöglicht, erlischt, dann bemerkt man
das nicht an ihm selbst, sondern nur an den Auswirkungen, die so etwas
auf die menschliche Natur in ihrer Geistigkeit hat. Niemand, auch nicht
der Frömmste, hat vor seinem Tode die Gnaden-Gabe des übernatürlichen
Lebens zum endgültigen Besitz. Darum lehrte der hl. Paulus, man habe
"mit (nicht: in) Furcht und Zittern sein Heil zu wirken".
Wenn ein allgemeines Konzil in Häresie fällt und Häresien gebiert, dann
folgt daraus nicht, daß es sich um ein Pseudokonzil handeln würde oder
daß dieses kein Konzil gewesen sei, sondern es folgt daraus, daß alle
katholischen Bischöfe und ihre Trabanten als die Träger des Konzils
Häretiker waren und von der apostolischen Ecclesia Romana abfielen.
(Anm.d.Red.: Das ist eine Sache der Definition: ein allgemeines Konzil
kann nur von einem (legitimen) Papst einberufen werden. War dieser
Papst bei der Einberufung nur ein 'Papst', d.h. durch Häresie
abgefallen, dann war auch die Einberufung null und nichtig, das Konzil
bloß ein 'Konzil' bzw. Pseudokonzil.) Dieser Abfall hinwiederum
erzeugte bereits in nur drei Jahren das monströse Gebilde der römischen
'Konzils-Kirche', die nicht bloß in Rom, sondern in allen Diözesen in
Erscheinung trat und wirksam wurde. Ihr erstes Oberhaupt war Roncalli,
der sich sogar die Tiara aufsetzen ließ, damit auch die Gläubigen
weltweit 'sehen, um zu glauben', also nicht bloß die Katholiken von und
in Rom. Das Fernsehen und die Illustrierten taten ihr Bestes.
Nicht bloß der bauernschlaue Häretiker Roncalli, den 'Kard.' Döpfner
und andere 'Eminenzen', 'Exzellenzen' und hohe 'Würdenträger' sogar für
einen Heiligen hielten und als solchen ausgaben, hatte seine
Nachfolger, sondern - dies jedoch wurde leider viel zu wenig beachtet -
Roncalli und das Konzil, d.h. alle 'Konzilsväter' hatten und haben bis
heute ihre Nachfolger. Diese einer durchaus neuen sog. 'katholischen
Hierarchie' sind die hauptsächlichen Träger der 'römischen
Konzils-Kirche' in ihren 'Diözesen', die wiederum von nationalen
'Bischofskonferenzen' beherrscht werden.
Wenn man sich über eine kirchliche Katastrophe - bei einer staatlichen
ist es ähnlich - Klarheit verschaffen will, dann muß man ihren realen
Anfang ins Auge fassen und seine Hauptursachen zu erkennen versuchen,
sonst erfaßt man auch nicht, welche realen Folgen so etwas zeitigte.
Wenn es kein 'Vatikanisches Konzil' gegeben hätte, dann hätte man sich
zunächst nur mit einem Roncalli und seinen Kumpanen zu befassen
brauchen. Aber bereits die überall ausgestreute Propaganda für ein
baldiges 'Reformkonzil' lenkte davon ab. Kein vernünftiger Mensch kann
doch gegen Reformen sein, so lautete die Parole! Auch gläubige
Katholiken haben es nicht so gerne, wenn sie von ihren Glaubensgenossen
für dumm und rückständig gehalten werden, weil sie angeblich "die
Zeichen der Zeit nicht erkennen" würden und immer noch "an alten Zöpfen
hingen". Wer ist denn etwa nicht für Reformen in der
heiligen-katholischen Kirche, damit sie in einem neuen Lichtglanz
erstrahle - angefangen mit der Liturgie-Reform, an der sich sogar viele
beteiligen können?! Mit dieser Ablenkpropaganda wurde schon frühzeitig
begonnen, damit man sich bloß nicht mit der 'Hierarchie' in der Kirche
befasse, deren Träger sich bereits in Rom versammelt hatten, eine
seltsame 'ecclesiola, una cum Roncalli'.
Damals verwechselten viele aus Unwissenheit oder aus Mangel an
Erkenntnis einen häretischen Episkopen-Corpus, der weltweit 'sichtbar'
war, mit der im biblischen Sinne "kleinen Herde" Jesu Christi, obwohl
diese so gut wie überhaupt nicht mehr 'sichtbar' war - weder in ihrer
Gesamtheit noch in ihren Teilen. Es stellte sich nicht bloß die Frage,
was geht in der röm.-kath.. Kirche vor, sondern was geschieht mit ihr?
Denn alles kam in Bewegung und wurde auch ständig in Bewegung gehalten.
Von wem? Vom Klerus, denn die Laienschaft hatte daran keinen Anteil,
und die Masse des katholischen Kirchenvolkes war viel zu träge, um sich
bewegen zu lassen. Sie verharrte weiterhin in ihrem jeweils
angestammten "Milieu-Katholizismus", der sich sogar bis heute erhalten
hat.
Manches war freilich auch ziemlich belustigend, als das 'Konzil'
schlechthin (!) so richtig in Schwung kam. So berichtete ein
Diözesanbischof z.B., der sich schon vor dem Konzil gerne als
"Volksbischof" bezeichnete, auch von seinen konziliaren Erlebnissen in
Rom und erzählte dabei allen Ernstes auf Dekanatskonferenzen den
Mitbrüdern oder auf Firmungsreisen den Gläubigen, er habe "in der
Konzilsaula das Wehen des Hl. Geistes ganz intensiv gespürt". Niemand
von den Zuhörern lachte darüber, nur einige wunderten sich über einen
solchen Unsinn. Aber leider blieben diese Kritiker stumm und taten
ihren Mund nicht auf. Dies war auch "ein Zeichen der Zeit", aber ein
böses! Nicht bloß das, was sich in Rom abspielte, war von Bedeutung,
sondern auch das, was sich vor Ort ereignete, d.h. im Diözesanbereich
bis in die kleinste Pfarrgemeinde hinein, die der niedere Welt- und
teilweise auch Ordens-Klerus betreute. Für viele war der Pfarrer bzw.
Ordenspater die einzige 'Glaubensquelle' in Sachen konziliare Reformen
und neue Lehren. In allen Pfarreien und kirchlichen Amtsstuben hing das
Bild des freundlich und milde blickenden Roncalli. Der verheißene 'neue
Pfingstgeist' war überall schon kräftig am Wehen (Wirken).
Es ist heute sicherlich nicht von Nachteil, sich einmal an alle diese
Dinge zu erinnern oder davon zu erfahren, falls man sie selbst nicht
mehr erlebt hat. Denn auch eine kirchliche Unheilsgeschichte hat ihren
Anfang, von dem sie ausgeht und an dem sich zeigt, wohin der Weg geht.
Ein solcher Prozeß spielt sich nicht in einem luftleeren Raum ab,
sondern unter Menschen, gleichgültig ob diese nun aktive oder passive
Glieder der Kirche sind. Ein zeitlicher Anfang von etwas aber hat auch
irgendwann einmal ein Ende, und ein Ende mit Schrecken ist immer noch
besser als ein Schrecken ohne Ende - auch in der Kirche.
DIE ZERSTÖRUNG DER APOSTOLIZITÄT
Kaum war der von vielen gehaßte und bislang letzte Papst, Pius XII.,
tot und zu Grabe getragen - Roncalli wurde "horribile dictu" später
neben ihm begraben (!) -, da erhoben überall in der katholischen Kirche
recht seltsame Leute ihre Häupter, vor allem: Mystizisten (fast
ausschließlich naiv-marianischer Prägung), sog. 'Begnadete' mit
besonderen 'Erleuchtungen', falsche Propheten und Charismatiker, aber
auch Kult- und Liturgie-Reformatoren, ja sogar 'kath.' Theologen, die
ganz offen Dogmen der Kirche in Frage stellten oder als überholt
ausgaben. Alle diese üblen Dinge, die das Bild der katholischen Kirche
verdunkelten, aber überall in Erscheinung traten, waren unübersehbar
und wurden sogar von Nicht-Katholiken wahrgenommen - indes nicht immer
nur mit Schadenfreude, sondern auch mit Trauer! Wo aber lag die Ursache
für derartige Übel? Manche meinten, die Ursache dafür läge in der
eingetretenen und fortdauernden Vakanz des Apostolischen Stuhles. Aber
das konnte nicht stimmen. Denn eine solche Vakanz verhindert nicht das
Wirken des Hl. Geistes in der Ecclesia Jesu Christi, ganz abgesehen
davon, daß der schon lange 'gesendete' Hl. Geist "weht wo Er will",
nicht aber dort, wo es gewisse Leute wollen.
Also lag die wirkliche Ursache anderswo - aber in der kath. Kirche,
nicht jedoch außerhalb derselben. In der Tat lag die Ursache für
derartige Übel in nichts anderem als in Häresien, die sich im
Gesellschafts-Körper der kath. Kirche ausgebreitet hatten und wirksam
geworden waren. Die eingetretene und fortdauernde Vakanz
desApostolischen Stuhles war nur ein Auslöser für ihr
In-Erscheinung-treten in aller Öffentlichkeit. Deshalb sollte man diese
Vakanz nicht immer nur negativ bewerten, sondern ihren Sinn zu
verstehen suchen. Denn es geschieht nichts ohne den Willen Gottes, der
schließlich weiß, warum und zu welchem Zweck Er physische und auch
moralische Übel (das Böse) zuläßt.
Nur diejenigen, welche die andauernde Sedisvakanz (ab Roncalli bis
heute) weder erkannten noch ihren Sinn begriffen, spalteten sich dann
später in zwei dialektische Scheinpositionen der bekannten
Traditionalisten - Progressisten bzw. Alt-Konservativen -
Neo-Modernisten, ohne zu bemerken, daß sie sich bereits in der
'römischen Konzils-Kirche' befanden und von ihr eingenommen worden
waren. Heute leben sie fast friedlich nebeneinander und tun sich nicht
sonderlich weh. (Auch ein Karol Wojtyla macht's möglich und tätschelt
mal die einen, mal die andern.)
Bereits im Blick auf das kommende 'Reformkonzil' (das n.b. kein Zweites
Vatikanum sein konnte, weil es von einem Häretiker einberufen wurde!)
stellte sich seinerzeit für alle, die diesem 'geistlichen Weltereignis'
mit großer Sorge entgegensahen, die bedrückende Frage: wie viele von
den Trägern der kath. Kirche (Kleriker und Laien) werden nach Abschluß
dieses 'Konzils' noch in der apostolischen Ecclesia Romana treu und
ungebrochen verblieben sein, um sie zu vererben und ihr echtes Lehrgut
zu tradieren? Diese Frage stand von Anfang an im Raum und verschärfte
sich ständig in Ansehung dessen, was sich da alles zeigte und
deformatorisch vorangetrieben wurde - von 'oben' kommend und nach
'unten' ausgreifend. Denn sämtliche Agitatoren, die sich schon lange
für ein allgemeines Reformkonzil stark gemacht hatten (ihre Anführer
konnte man sogar in Fernsehsendungen, die über das 'Konzil'
berichteten, sehen), waren darauf aus, einen radikalen Bruch mit der
Apostolizität der röm.-kath. Kirche herbeizuführen. Das war der Sinn
der Parole: man müsse "alles neu überdenken" und mutig "ganz neue Wege
gehen". Auch die "Zeichen der Zeit" wiesen alle in diese Richtung.
Später hieß es dann folgerichtig: "Niemand darf vor das Konzil
zurückgehen", eben weil es einen absolut neuen Anfang gesetzt hatte!
Der laikale und klerikale Durchschnittskatholik war davon sehr
beeindruckt und hielt dies sogar für vernünftig. Außerdem wußten diese
Radikal-'Reformer' um die unleugbare Tatsache, daß die meisten
Katholiken auch von der Apostolizität der Kirche entweder gar keinen
klaren Begriff mehr hatten oder nur ganz verschwommene
Vorstellungen, so daß sie die Heuchelei nicht erkennen konnten, wenn
die Reformer sogar in der Sonntagsmesse das Lippenbekenntnis plapperten
"Credo (...) apostolicam Ecclesiam". Die einen wußten nicht oder nicht
genau, wovon sie redeten, die anderen aber wußten es sicher, daß sie
heuchlerisch logen. Beide aber feierten bereits die hl. Messe "una cum
Roncalli".
Es konnten doch nur naive Gemüter der Meinung sein, daß so etwas keine
unmittelbaren Auswirkungen haben und keine realen Folgen nach sich
ziehen könnte. Der 'Geist des Konzils', von dem überall geredet wurde,
war keine Phantasmagorie, sondern eine wirkende geistige Realität, die
sich jedoch nicht genau definieren ließ. Sie war auf verschiedenste
Weise immer gegenwärtig, aber nie real-präsent. Es gab Katholiken, die
ihren Fernsehapparat sofort abschalteten, wenn Roncalli und später
Montini oder die tagenden 'Konzilsväter' am Bildschirm erschienen, weil
sie das nicht mehr ertragen konnten. Diese Katholiken zogen aus ihren
Erfahrungen auch den richtigen Schluß, nämlich (im biblischen Sinne):
wer euch nicht hört, der wird Christus hören!
KIRCHE IN DER DIASPORA
Der Versuch einer Zerstörung der Apostolizität der röm.-kath. Kirche -
das Martyrerblut der hl. Apostel Petrus und Paulus schrie bereits zum
Himmel! - auf dem Wege über ein allgemeines Konzil (anders ginge es
auch gar nicht, und zwar wegen und aufgrund des Vatikanums I, da dieses
die Möglichkeit eines Schismas ohne Häresie ausschließt) mußte
zwangsläufig dazu führen, daß diese Kirche zunächst an den Rand der
Gesellschaft und dann auch in den Untergrund abgedrängt wurde, um
schließlich zu einer "Kirche in der Diaspora" zu werden. Mann kann sie
auch als eine röm.-kath. Diaspora-Kirche bezeichnen. Dieser leidvolle
Lebenszustand einer Diaspora-Situation der alten Ecclesia Romana wurde
bereits mehr oder weniger sichtbar nach dem feierlichen Abschluß des
'Konzils' (1965, erste Zäsur!), als kein Zweifel mehr darüber bestand,
daß auch alle Bischofsstühle mit Häresiearchen besetzt waren, die nun
im 'Geist des Konzils' mit der Unterstützung ihres Klerus, d.h. der
ihnen hörigen Kleriker die Gläubigen bzw. das Kirchenvolk in einem
'neuen Geist' zu 'weiden' begannen, um möglichst viele katholische
Christen der 'römischen Konzils-Kirche' einzuverleiben.
Der Erfolg blieb nicht aus; denn alles schien plötzlich so menschlich
geworden zu sein - wie "Du und Ich" oder wie der überall verkündete
'liebe Jesus, unser aller Bruder'. Vom göttlichen Menschensohn oder vom
VERBUM INCARNATUM, dem Mensch gewordenen LOGOS-SOHN, war da überhaupt
nicht mehr die Rede. Damals schon, als die neuen Konzilslehren in die
Praxis umgesetzt wurden, angefangen mit einem neuen Kult und neuen
Riten, trug diese Saat Früchte.
Allein die lebendigen Glieder und Träger der röm.-kath. Diaspora-Kirche
verloren nicht ihre christozentrische Perspektive und erkannten auch,
daß eine Diaspora-Kirche ihre Apostolizität gar nicht verliert (was
manche befürchteten), sondern in dieser Beziehung nur geschädigt werden
kann, wenn auch sehr schwer. Darum muß man sich auch die überhaupt
nicht so leicht zu beantwortende Frage stellen, wie weit wohl eine
solche Schädigung gehen könne? Denn die Apostolizität der Kirche Jesu
Christi ist nicht zerstörbar, weil nicht irgendwer, sondern Christus
Seine Kirche "auf die Apostel und Propheten gebaut hat", wie der hl.
Paulus lehrte. Dies wissen alle lebendigen Glieder und Träger der
röm.-kath. Diaspora-Kirche und stehen deshalb in radikalem Widerspruch
zur röm. 'Konzils-Kirche' und ihrer Träger. Das Jahresende 1965 stand
bereits unter dem Zeichen dieses Widerspruchs und markiert auch den
Anfang des dornigen Weges in die Diaspora. Damals aber stellte sich
auch die Frage: wie viele werden diesen Weg nicht nur ganz bewußt und
tapfer gehen, sondern dann auch das Notwendige und Richtige tun? Es ist
nämlich gar nicht so leicht, eine kirchliche Diaspora-Situation zu
bestehen und durchzuhalten, vor allem, wenn sie sich über mehrere
Generationen hinziehen sollte. Die Alten von 1965 sind heute bereits
verstorben.
DIE SCHWÄCHEN DES WIDERSTANDES
Nach dem Tode Pius XII., dessen Tod für viele sogar spürbar eine
seltsame Leere hinterließ, und auch die Trauer um diesen "Fels in der
Brandung" war groß und unter orthodoxen Katholiken allgemein, nahm die
apostolische Ecclesia Romana, von der überwiegenden Mehrzahl der
Gläubigen unbemerkt (verständlicherweise!), mehr und mehr den Charakter
einer Diaspora-Kirche an, die bereits sieben Jahre später (1965)
'sichtbar' wurde. Dadurch aber veränderte sich nicht ihr Wesen, sondern
nur ihr Zustand und ihre Lebenslage auf ihrem Wege durch die Zeit.
Aufgrund dieser Erkenntnis wiederum stellte sich die Frage, wie ihr
Zustand am Ende dieses Weges vielleicht aussehen könnte, wenn kein
Mittel gegen das Übel der eingetretenen Diaspora-Situation gefunden
werden würde, um sie zu beenden? Lief das alles - um mit dem hl. Paulus
zu sprechen - auf den Zustand und die Lebens(grund)lage hinaus: ein
(einziger) Herr, ein (wahrer) Glaube, eine (sakramentale) Taufe? Oder
stand am Ende dieses Weges ein kirchlicher Zustand, wie ihn der hl.
Johannes im Kapitel 12,13-18 der Apokalypse beschreibt? Dort ist mit
der "Frau" nicht Maria gemeint, sondern die verfolgte Ecclesia Jesu
Christi, die (noch) in eine "Wüste" fliehen oder ausweichen konnte, "wo
sie Unterhalt bekommt (...) weit weg von der Schlange", so daß der
Drache zornig wurde und sich aufmachte, "Krieg zu führen mit den
übrigen ihrer Kinder, die Gottes Gebote erfüllen und das Zeugnis Jesu
Christi festhalten."
Soweit ist es aber noch lange nicht, da eine Diaspora-Situation keine
"Wüste" bedeutet, in der Flüchtlinge und Verfolgte notdürftig von
milden Gaben leben mußten. Noch besteht die Möglichkeit, Waffen zu
schmieden, eine Schlachtordnung aufzustellen (anstatt an einer fiktiven
Klagemauer mit Freunden gemeinsam zu jammern) und sich mit scharfen
Schwertern gegen den unmittelbaren Feind zu erheben, der sich in der
'röm. Konzils-Kirche' gesammelt hat. Dieser Feind ist (wenn man ihn mit
apokalyptischen Bildsymbolen beschreiben will) mitnichten ein "Drache"
oder ein "Tier im Dienste des Drachens", ja nicht einmal ein
Riesenskorpion, dessen Stachel zu fürchten wäre, sondern nur eine
große, aufgeblasene und in vielen Farben schillernde Wechselkröte, die
sich von Fliegen und Gewürm ernährt und nur ein großes Maul hat, das
ständig Pseudoprophetien und unsinnige Verheißungen quakt. So tönt das
schon 'urbi et orbi' seit 1965 ohne Unterlaß.
Auch eine röm.-kath. Diaspora-Kirche muß ein klares Feindbild haben,
sonst kämpft sie nur gegen Windmühlenflügel und hört auf, eine
"Ecclesia militans (et in via)" zu sein. Wie aber können vermeintliche
Widerstandskämpfer einen Bewegungskrieg führen, wenn sie in ihren
Schützenlöchern sitzen bleiben oder sich in Unterständen an einem
warmen Ofen erfreuen? Wer kennt nicht diese 'Helden', die immer nur
darauf warten, daß andere ihren Kopf hinhalten? Doch auch
Widerstandskämpfer werden eines Tages müde und verlieren ihre Kraft, da
ihre Energien verbraucht sind. Sie werden an unsichtbare Kreuze
genagelt. Eine Kirche in der Zerstreuung ist keine in alle Winde
verstreute Herde ohne einen Hirten (und Schäferhunde), sondern nur ein
demolierter Schafstall, der nach allen Seiten offen ist und durch den
die Stürme peitschen.
Die fast einer Ohnmacht gleichkommende Schwäche der röm.-kath.
Diaspora-Kirche, die sich bereits auf dem Wege ihres Entstehens in den
Jahren zwischen 1962 und 1969 zeigte, beruhte nicht auf der
fortdauernden Vakanz des Apostolischen Stuhles (wovon viele ja gar
nichts wußten, da sie Roncalli und Montini für 'Päpste' der Ecclesia
Romana hielten, obwohl diesbezüglich nicht wenige bereits von
ernsthaften Zweifeln geplagt wurden), sondern vor allem auf drei
negativen Faktoren, die insbesondere im Bereich der Diözesen und
sozusagen "vor Ort" zum Vorschein kamen und nach Abhilfe riefen:
1. dem Fehlen einer besonderen
Organisationsform (denn die Kirche ist ein religiöses
Gesellschaftsgebilde), die einer allgemeinen Diaspora-Situation
angemessen sein müßte und wirklich von Nutzen sein könnte, um im
Interesse vieler auch ein Sektierertum von Gruppen und Grüppchen zu
vermeiden, ja zu verhindern, das ja auch schon früher latent vorhanden
war;
2. dem Fehlen eines (nicht
nationalen, sondern) regionalen Zentral-Rates (z.B. für den deutschen
Sprachbereich) theologisch gebildeter Katholiken, der mit bestimmten
Befugnissen ausgestattet ist, um das Leben einer Kirche in der Diaspora
durch Richtlinien und zweckdienliche Weisungen ordnen zu können und an
den sich auch die Gläubigen unmittelbar wenden könnten, gleichgültig,
ob mit religiösen oder kirchenrechtlichen Fragen, um ihre Position zu
stärken und damit sie sich nicht alleingelassen fühlen;
3. dem Fehlen geeigneter
Katecheten für Heranwachsende und Erwachsene jüngeren Alters, die
bereits im Berufs- und Arbeitsleben stehen, ganz abgesehen von der
Problematik, die in einer Diaspora-Situation auf eine
christlich-katholische Ehe und Familie zwangsläufig zukommt. Für eine
echte Erwachsenen-Katechese aber waren Priester in der Regel gänzlich
ungeeignet, weil sie dafür gar nicht ausgebildet waren, wie schon
früher unter Sachkundigen allgemein bekannt war. Nur theologisch
gebildete Laien, die auch in der Erwachsenenbildung tätig waren und
deren Problematik kannten, waren dafür geeignet. Doch leider gab es nur
sehr wenige, die diese Aufgabe hätten übernehmen können. Dennoch aber
gab es sie, um wenigstens einen gemeinsamen Schritt in die richtige
Richtung zu tun. Und die sog. Kinderkatechese hätte man dann ruhig den
Eltern überlassen können, da orthodox katholische Diaspora-Katholiken
wissen, wozu sie verpflichtet sind.
(Fortsetzung folgt)
HINWEIS DER REDAKTION:
In der Buchhandlung St. Jodok, D-7770 Überlingen, Aufkircher Straße 34
(Tel.: o7551/61239) wird zum Preis von 62.-DM ein Nachdruck des
Schott-Meßbuch lat/dt. von 1956 angeboten, ebenso ein Nachdruck des
Rituale Romanum von 1925, Preis: 25.-DM. |