MYSTERIUM DES OPFERS
von
H.H. P. Joseph de Saint Marie, OCD
Das Konzil von Trient hat erklärt, daß Christus seiner Kirche ein
sichtbares Opfer hinterlassen hat, die hl. Messe. Am Abend vor seinem
Leiden setzte er es ein: dieses Opfer, das er am Kreuze
vollbringen würde, vollzog er im Ritus: unter den Gestalten von Brot
und Wein opferte er dem himmlischen Vater sein Fleisch und sein Blut
auf: im Zeichen war es schon das Kreuzopfer selber, das er sakramental
vorwegnahm. Es war dies, wie das Konzil sagt, das neue Pasha, das neue
Opferlamm. Und dieser Ritus sollte durch die Kirche immer wieder
erneuert werden und so fährt er fort, sich durch die Kirche zu opfern
durch den Dienst der Priester... und er opfert sich unter den
sichtbaren Zeichen, den Gestalten von Brot und Wein... in einem Ritus,
der von ihm eingesetzt wurde.
Bei der hl. Messe handelt Christus nicht mehr allein, sondern durch die
Kirche, d.h. durch die Priester. (...) Beim Abendmal war es eine
vorweggenommene sakramentale Darstellung des Kreuzesopfers zu dem
Zweck, seiner Kirche ein Opfer zu hinterlassen, ein sakramentales
Opfer. Die hl. Messe ist eine Immolatio Christi (Hinopferung) unter
sichtbaren Zeichen. Was Christus beim letzten Abendmal einsetzte, war
eben das neue Pasha (das Opfer des neuen Bundes, das wahre Opferlamm:
Christi Fleisch und Blut).
So können wir sagen:
1.Die Messe ist ein Opfer, "ein sichtbares Opfer" und ein "wahres Opfer" im eigentlichen Sinn (verum et proprium sacrificium),
2.das heißt, es ist das Opfer Christi selbst, dargebracht am Kreuz (Immolatio).
3.Sie ist dieses Kreuzesopfer dadurch, daß sie es darstellt unter sichtbaren Zeichen
4.in einem Ritus, der zu diesem Zweck von Christus beim letzten Abendmahl eingesetzt wurde.
5.Das unmittelbare Ziel des Meßopfers ist die Zuwendung des Kreuzesopfers für die Glieder der Kirche.
6.Noch ein letztes wesentliches Element müssen wir hinzufügen: die
Einsetzung des Priestertums ist verbunden mit der Einsetzung der Messe,
und die Feier dieses Opfer durch die Kirche wird ausschließlich durch
sie vollzogen.
Die Darstellung des Kreuzesopfers geschieht im Sakrament. Der hl.
Augustinus sagt: "Einmal hat sich Christus selbst geopfert am Kreuz und
dennoch wird er täglich im Sakrament geopfert." Zuerst wird die zu
opfernde Gabe - wie bei allen anderen Opfern auch - dargebracht (oder:
herbeigebracht) und durch eine Weihe dem profanen Gebrauch entzogen;
dann wird sie geopfert, die Immolatio... ähnlich wie beim großen
Versöhnungsopfer am Fuße der Bundeslade. Der Hebräerbrief sagt: "Ohne
Blutvergießen gibt es keinen Nachlaß der Sünden." Die Messe ist aber
nicht, wie Max Thurian aus Taizé sagt, eine Bitte an Gott, das
Kreuzesopfer anzunehmen. Gott soll zurückgegeben werden, was der Mensch
ihm entzogen: sein Leben als Quelle des Lebens; deswegen wird zur Sühne
das Blut vergossen, das die Hingabe des Lebens ist. Christus hat sein
Blut vergossen: durch seinen Tod haben wir das Leben, die Versöhnug mit
Gott. Der hl. Thomas sagt: "Indem sich Christus freiwillig aus Liebe
Gott darbrachte, brachte er ein angenehmes Opfer dar, während die, die
ihn töten, das schwerste Verbrechen begingen." Weil er sein Blut
vergossen hat (d.i. Hingabe des Lebens), deshalb war der Kreuzestod ein
Opfer: "Er wurde geopfert, weil er es selber wollte." (Hebr.)
Es gibt bei jedem Opfer eine Darbringung (oblatio), d.h. die Opfergabe
in die Hände der Priester legen... und eine Hinopferung (immolatio):
sie geschieht nur durch den Priester, der z. B. das Opfertier tötete
und sein Blut ausgoß. Dasselbe geschieht auch bei der hl. Messe. Aber
eine Darbringung ist nur dann ein Opfer, wenn sie geschieht im Hinblick
auf die Hinopferung (Immolatio). Sonst wäre eine Darbringung noch kein
Opfer.
Das Ziel jedes Opfers ist die Gemeinschaft mit Gott. Wir müssen Gott
die Verehrung darbringen, die ihm gebührt, und das ist das Opfer der
Anbetung, das aber zugleich ein Sühnopfer ist, weil wir ohne Tilgung
der Sünde nicht zu Gott kommen können. Wir müssen uns auf Gott
hinordnen und uns ihm im Gehorsam unterordnen: im Glaubensgehorsam und
im Gehorsam gegenüber seinen Geboten. Wir müssen Gott dienen und ihn
lieben. Gott ist die Liebe; das zeigt sich am deutlichsten, daß er
seinen Sohn für uns dahingegeben hat; er liebte uns, da wir noch Sünder
waren! ... und wir sollten ihn wiederlieben wie eine Braut ihren
Bräutigam oder wie ein Kind seinen Vater. Der Glaube - das bedeutet
auch: Gehorsam) strebt hin zur Gemeinschaft der Liebe. Die
Menschwerdung und das Opfer verwirklichen, was dem Menschen von sich
aus unmöglich war: Überwindung des unendlichen Abgrundes, den die Sünde
schuf... und völlige Genugtuung für die Sünde. Es erfüllte sich das
Wort des Propheten: "Gott selber wird kommen, euch zu erlösen."
Also bei jedem Opfer gibt es: Darbringung (Oblatio) - Opfer (Immolatio)
- Vereinigung (communio). Oblatio und immolatio sind die wesentlichen
Bestandteile des Opfers und die Kommunion ist das wesentliche Ziel des
Opfers.
Sakramente sind Zeichen und Instrumente der Gnade. Sie bewirken, was
sie bezeichnen. Die Sakramente sind dem Wesen des Menschen angepaßt. So
empfängt er die unsichtbare Gnade durch sichtbare Zeichen. Man muß die
Sakramente sehen in der Linie der Menschwerdung Gottes: sie sind
gewissermaßen eine Fortsetzung und Ausweitung derselben.
Christus ist der Urheber des Lebens, ja das Leben selbst: er verleiht
durch die Einsetzung und seinen Willen (Intention) diesen äußeren
Zeichen die Fähigkeit, seine Gnade, sein Leben mitzuteilen. Die Worte
bezeichnen das Opfer Christi. Durch die Priesterweihe wird jemand zum
Werkzeug Christi für den Vollzug seines Opfers. Nur der geweihte
Priester hat die Wandlungsvollmacht (die aber n.b. bei der sog. neuen
'Priesterweihe' nicht mehr mitgeteilt wird. Der hl. Thomas urteilt vom
Sakrament des Altares: "Hoc sakramentum prae aliis habet quod est
sacrificium." ("Dieses Sakrament hat vor allem dies, daß es Opfer
ist.") (S. th. III,83) Das Opfer iwird vollzogen sub specie, d.i.
unter den äußeren Zeichen von Brot und Wein.
Der erste Teil der hl. Messe (bis zur Opferung) ist die Vorbereitung
auf die Feier der Mysterien: die Messe ist das Opfer des Neuen und
ewigen Bundes zwischen Gott und den Menschen. Die Grundlage dieses
Bundes ist das Gebot Gottes, das er seinem Volke gibt, worin er seinen
Willen kundtut und seine Verheißung, die er erfüllen wird, wenn das
Gebot befolgt wird, dem Bunde mit Ihm treu zu bleiben... und er droht
seine gerechte Strafe an, wenn das Volk dies nicht tut. Um also das
Opfer recht darbringen zu können, muß man den Willen Gottes und seine
Verheißung kennen.
1. Er opfert sich, indem er sich seinem Vater darbringt.
2. Er gibt sich ihnen zur Speise:
Das eine wie das andere setzt voraus, daß das Brot sein Fleisch wird
und der Wein sein Blut. Brot und Wein sind also Bedingungen für die
Wandlung. Daß er sich zur Speise gibt, kommt erst an zweiter Stelle,
nach dem Opfer. Die doppelte Konsekration, getrennt, bezeichnet und
bewirkt also die Trennung seines Lebens und seines Blutes sakramental,
worin ja sein Tod besteht: so opfert er sich aufs neue sakramental.
Ausdrücklich wird ja das Opfer bezeichnet als das des neuen Bundes
durch das Vergießen des Blutes ("das für euch und für viele vergossen
wird"): der Neue Bund, der ja nur geschlossen ist in seinem Blute, dem
Blute des wahren Osterlammes. In der hl. Messe werden die Glieder der
Kirche, insofern sie sich in das Opfer einschließen, mit dem Opfer
Christi geeint, wodurch die Christen hingeornet sind zur Vollbringung
ihres eigenen Lebensopfers. Die Kirche und alle ihre Glieder können nun
in das Opfer einbezogen werden.
Beim Abendmal tut Christi alles allein, die Apostel (die Priester)
empfangen nur. Bei der hl. Messe werden sie aktiv: sie sind mit
Christus Mittler zwischen Gott und den Menschen. Bei der Opferung sind
sie Mittler zwischen dem Volk und Christus selbst: sie empfangen vom
Volk die Gaben, Brot und Wein, die sie in die Hände des Priesters
legen. Beim Abendmahl nahm Christus selber Brot und Wein. Bei der hl.
Messe bringt das Volk die Gabe (durch die Meßdiener), um sie in seine
Hände zu legen, aber durch den Dienst der Priester.
Brot und Wein erhalten eine neue Bedeutung: in ihnen opfern sich die
Gläubigen Christus im Hin-blick auf das Opfer, das er vollziehen wird.
Das steht nicht im Widerspruch dazu, daß Brot und Wein Zeichen sind für
Christi Fleisch und Blut. Sind die Gläubigen denn nicht der mysterische
Leib Christi!? und hat das Sakrament der Eucharestie nicht das Ziel,
sie in Christus übergehen zu lassen, daß sie in Christus sind und
Christus in ihnen? (Joh. 6)
Was Christus beim Abendmahl allein tat, das tut er mit seiner Kirche
und durch sie bei der hl. Messe. Darin finden wir das Spezifische des
Offertoriums und seines ihm eigentümlichen Opfercharakters. Will man
das Offertorium verstehen, so muß man die doppelte Oblation bei jedem
Opfer in Betracht ziehen: die Darbringung des "Opferlammes", das das
Volk dem Priester als Mittler zwischen Gott und ihm bringt, und das
effektive Opfer an Gott, das in seiner Immolatio, seiner Opferung, d.i.
Schlachtung geschieht, die allein dem Priester zukommt.
Das Offertorium ist die Darbringung (oblatio) der Materie des Opfers.
Aber weil diese Oblatio auf das Opfer (Immolatio) hingeordnet ist, hat
sie schon den Wert eines Opfers:
1. weil sie nur geschieht im Hinblick
auf das Opfer, das sich an dieser Materie vollziehen wird, die hier das
sakramentale Zeichen des zu schlachtenden Opfers ist (mactatio mystica
realis - mystisch reale Schlachtung");
2. dieses Opfer der Gläubigen zu vollziehen ist in dem Opfer Christi, eins mit ihm werdend.
So ist es also erlaubt und sogar notwendig, von ihm zu sprechen wie vom
Opfer Christi. So ist auch der Terminus "immacultam hostiam"
(unbeflecktes Opfer) im ersten Opferungsgebet berechtigt... und deshalb
werden diese Gebete auch durch den Priester und nicht durch das Volk
gebetet.
Brot kann sinnbildlich darstellen, daß wir durch seinen Tod leben und
der Wein kann sinnbildlich darstellen, daß wir durch sein Blutvergießen
das Leben empfangen: nur sein Tod gab uns das Leben, nur sein Blut die
Liebe Gottes. Als das Lamm Gottes gibt er sich ja uns zur Speise: "Seht
das Lamm Gottes, das hinwegnimmt die Sünde der Welt", sagt der Priester
vor der Austeilung der Kommunion.
(aus: "Sacrificium missae" in "Penseé catholique" Nr. 153, 1974) |