Wir feiern die Geburt des Herrn!
von
H.H. Pfarrer Frantisek Spinler
übersetzt von Johannes Lorek
Liebe Christen!
Warum wird die Volkszählung "des gesamten Erdkreises" (Luk 2,1) gerade
zu dem Zeitpunkt durchgeführt, als der Herr geboren werden sollte? Doch
deswegen, damit klar wird, daß der im Leibe gekommen ist, der die
Seinigen in der Ewigkeit zählen wird? Dagegen wird von den Verdammten
durch den Propheten gesagt: "Ausgelöscht sollen sie sein aus dem Buche
der Lebenden; nicht eingeschrieben mit den Gerechten" (Ps 68,29). Es
ist gut, daß Er in Bethlehem geboren wird. "Betlechem" wird übersetzt
mit das "Haus des Brotes". Und er selbst wird sagen: "Ich bin das
lebendige Brot, das vom Himmel herabgekommen ist." (Joh 6,51). Der Ort,
wo der Herr geboren wurde, wurde bereits früher schon das "Haus des
Brotes" genannt, weil Er mit dem normalen Brot zeigen wollte, wie
Er den Geist der Auserwählten durch die geistliche Sättigung erneuern
wollte. "Er kam in sein Eigentum" (Joh 1,11): das wird von seiner Macht
gesagt. In der ihm eigenen Natur ist er sicher vor aller Zeit geboren.
Doch der, der ewig ist, ist gerade dort fremd, wohin er herabgestiegen
war. Nach der Geburt wird er in die Krippe gelegt, damit er die
heiligen Geschöpfe (d.h. alle Gläubigen) mit dem "Getreide seines
Leibes" sättigt, damit sie nicht hungern müssen nach der Weide der
ewigen Erkenntnis.
Warum erscheint den wachenden Hirten der Engel - vom Licht Gottes
umhüllt? Wenn nicht deswegen, weil die, die die Herden der Gläubigen
gewissenhaft weiden können, es vor allen anderen verdienen, dieser
wunderbaren Begebenheit beizuwohnen? Solange sie nur treu ergeben über
der Herde wachen, solange strahlt auf sie die Gnade Gottes reichlicher!
Früher waren wir durch Zwietracht vom Glanz und der Reinheit der Engeln
ausgeschlossen: wegen der Ursünde, aber auch wegen unserer täglichen
Verfehlungen. Weil wir Gott durch die Sünde entfremdet waren, hielten
uns die Engel - die Bürger Gottes - für Fremde in ihrer Gemeinschaft.
Nun schließen die Engel wieder mit uns Frieden, sie erkennen uns als
ihre Mitbürger an. Früher hielten sie uns für Geringe und für
Erniedrigte. Lot und Josua hatten sich vor den Engeln verbeugt. Und sie
wurden daran nicht gehindert! Nun - im Neuen Testament - wollte sich
der hl. Johannes vor einem Engel verbeugen, als er seine Offenbarungen
erhielt. Der Engel selbst hinderte ihn daran, daß er sich vor ihm
verbeuge: "Sieh zu, daß du es nicht tust! Ich bin Dein Mitknecht und
der Mitknecht deiner Brüder" (Apok 22,9). Sie schätzen es also nicht
gering ein, als Mitbruder einen Menschen zu haben, wenn sie über sich
selbst den Gottmenschen verehren! Geben wir also acht, Geliebte, daß
wir nicht von irgendeiner Unreinheit befleckt werden, wenn wir in der
Vorauserfahrung ebenfalls Gottesbürger sind, gar in den gleichen Rang
wie die Engeln gestellt. Möge uns nicht die Launenhaftigkeit besudeln
oder schandbare Gedanken, möge uns der Hochmut nicht aufblasen und der
Zorn nicht übermannen!
Warum wurde Christus unter dem Kaiser Augustus geboren? - Doch
deswegen, weil unter ihm in der Welt der Friede herrschte. Und Christus
unser Friede, ist ja der Fürst des Friedens. Wenn der Adler anfliegt,
dann verstummt das Zwitschern der Vögel... So auch Christus - bei
seinem Kommen - befahl er jenen, welche Kriege vorbereiten, zu
schweigen...
Warum wurde Er mitten in der Nacht geboren? Damit will Er andeuten, daß
er als das "Licht" in die Welt gekommen ist, die bisher umhüllt war von
der Ohnmacht der Untreue. "Das Volk, das in Finsternis wandelt,
erschaut ein gewaltiges Licht. Über den Bewohnern eines finsteren
Landes strahlt ein Lichtglanz hell auf" (Is 9,1). Es war das wahre
Licht, das jeden Menschen erleuchtet, der in diese Welt kommt (vgl. Jo
1,9). Warum wurden - vor allen anderen - die Hirten berufen?
Damit will Er zeigen, welche Ernte sein Opfer bei den Juden einbringen
wird: ihm treu bleiben werden die armen und einfachen Leuten. Nahm
jemand von der Führerschaft den Glauben an Ihn an? (Vgl. Joh 7.) Von
den Heiden kommen jedoch eine ganze Reihe angesehene und mächtige
Männer, Weise und Könige. Wählte Gott nicht Arme dieser Welt als Reiche
im Glauben aus als Erben des Königreichs, das Er zusichert jenen, die
Ihn lieben? (St. Hieronymus) Es ist schwer, ja unmöglich, daß jemand
die zeitlichen und die ewigen Güter genieße, daß er mit ihnen hier den
Magen fülle und drüben den Geist, daß er von den diesseitigen Freuden
in den Himmel der Entzückungen übergehe.
Dem König der Stadt Geth, Achisch, war der Ruhm Davids wohl bekannt;
denn er sagte von ihm: "Haben sie ihm nicht beim Reigentanz gesungen:
Saul hat Tausende erschlagen, David aber Zehntausende?" Aber
schließlich sprach er, nachdem sich David aus Furcht vor Geth verstellt
hatte: "Seht ihr nicht, daß er wahnsinnig ist, warum habt ihr ihn
hierher gebracht?" (1 Sam 21,11 u. 15) Was dagegen die Hirten von den
Engeln hörten, das glaubten sie auch... Wunderschön lädt der hl.
Augustin den Armen mit den Worten ein: "Komm Du Armer, Du hast nichts,
Du kennst nichts, komm zu mir. Bringe das geleerte Gefäß (Deines
Geistes) zu einer so ergiebigen Quelle (der geoffenbarten
Wahrheiten)"... Dazu würden die Wankelmütigen und die Reichen kaum den
Mut finden zu kommen: süß dösen sie dahin, aufstehen wollen sie nicht.
Den anderen paßt nicht der verhüllte Himmel oder die stürmische Nacht.
Der Herr sucht nicht die Eitlen, sondern die Einfältigen.
Warum liest der Priester am Tage der Geburt des Herrn drei heilige
Messen? Wegen der Größe des Festtags! Wir feiern doch sowohl die ewige
Geburt des Gottessohns, als auch die zeitliche Geburt des Gottessohns
auf dieser Erde aus Maria, der Jungfrau. Und es gibt auch die
geistliche Geburt Christi im Geiste der Menschen. Die drei heilige
Messen erinnern also
1.) an die Anbetung der Engel,
2.) an die Anbetung der Hirten und
3.) an die Anbetung durch die Heiligen Drei Könige, was die Evangelium-Lesung nahebringen will...
Und was waren die drei Magier, wenn nicht die Erstlinge der Heiden?
Christus zeigte sich sowohl den ungebildeten Hirten als auch den
ungerechten Heiden. Er erwählte die Geringen, damit die Gelehrten
beschämt werden, und auch nicht Gerechte, sondern Sünder, damit sich
keiner rühmt, aber damit auch keiner verzweifelt!
Passend wird erinnert, daß die Weisen aus dem Osten gekommen sind. Denn
alle, die zu Christus kommen, sind aufgefordert durch seine Gnade, und
durch diese kommen sie! Der Glaube ist das Licht intelligenter Wesen,
und der Glaube ist die Quelle aller himmlischen Gaben (St. Hieronymus).
Der Fleiß der heidnischen Weisen beschämte die Faulheit der Juden! Denn
(im Gegensatz zu den Juden) suchten sie nicht die Pracht eines
königlichen Gewandes, eine glänzende Krone, Heerscharen von Dienern,
und sie hatten auch keine Furcht vor Soldaten. Sie zweifelten nicht,
daß sie durch die Anbetung die Errettung erlangen, die nur Gott zu
geben vermag. Verborgen in dem Kinde, wie sie der Himmel gelehrt hatte,
sahen sie seinen Stern im Osten. Sie verkünden, sie fragen, sie glauben
und suchen, wie jene, die mit Hilfe des Glaubens wallfahren und sich
danach sehnen zu sehen.
Die Engel bewohnen den Himmel und schmücken sich mit Sternen. Durch
beide - durch die Hirten und die Weisen - verkündet der Himmel den Ruhm
Gottes. Auch den Juden, die nur die Vernunft hätten walten lassen
brauchen, sollten als vernünftige Wesen diese Verkündigung erhalten
durch den Engel. Die Verkündigung wurde den Gläubigen geschenkt, den
Ungläubigen ein Zeichen. Den Stern sahen sie nicht nur nachts, sondern
er führte sie auch am Tag. Das vermag nicht einmal der Mond. Er
versteckte sich in Jerusalem.Sie verließen Herodes: der Stern zeigte
sich ihnen wieder. Er war wie die Feuersäule für die Juden in der
Wüste: sie zeigte ihnen, wohin sie gehen sollten. Der Engel führte den
Stern: er zeigte sich den Hirten, er zeigte auch den Weisen den Weg.
Und haben es die Weisen nicht begriffen, daß jeder, der sich zu
Lebzeiten des Königs vor einem anderen verbeugt, es mit dem
eigenen Blut bezahlt? Weil ihr Denken ausschließlich dem König des
künftigen Zeitalters galt, fürchteten sie den damals herrschenden König
nicht. Sie sahen zwar Christus noch nicht, doch sind sie schon bereit,
für ihn zu sterben! Oh selige Könige! Ihr seid unter den Augen eines
grausamen Königs Bekenner für Christus geworden, noch bevor ihr ihn
saht! Sowie sie sich nach Christus sehnten, so sehr fürchtete sich
Herodes schon vor Ihm! Oh Herodes, der, den du nicht zum König über
Judäa haben willst, beherrscht den ganzen Erdkreis: Er ist der König
der Könige (Apok 19,16).
Ein Kindlein wird geboren - ein König ist in Unruhe: die irdische Ehre
wird beschämt, die Glorie des Himmels tritt hervor. Der König erregte
sich und Jerusalem mit ihm. Über das Kommen eines Gerechten konnte sich
unedel niemand freuen. Die Schriftgelehrten hätten Herodes nicht
ertzürnt, wenn sie nicht gerade diesen Satz zitiert hätten: "Aus dir
Bethlehem Ephrata, zwar klein unter den Tausenden Judas, wird mir ein
Herrscher in Israel hervorgehen, dessen Ausgang (Geburt) von Anbeginn
ist, ja von Ewigkeit her" (Micha 5,1). Insgeheim rief er die Weisen zu
sich, damit die Juden sie nicht als Freunde des Volkes sehen, damit sie
nicht verraten die Absicht des Herodes. "Fragt nach dem Kind": Herodes
beneidete auch den Namen der Macht. Der Stern ging über Herodes'
Jerusalem nicht unter: Wer Rat bei Bösen sucht, der verliert die wahre
Erleuchtung. Sie wurden von einer großen Freude ergriffen: jeder wird
von einer großen Freude ergriffen, der sich an Gott erfreut.
Die Menschen erfreuen sich eher über das, was sie verloren haben, als
über das, was sie dauerhaft besitzen. Die Weisen fielen auf die Knie:
sie sahen einen Menschen - und erkannten Gott! Sie ehrten Ihn auch mit
Gaben wie einen Gott-Menschen:
- durch Gold erkannten sie Ihn als ihren König an,
- der Weihrauch wurde Ihm als Gott geopfert,
- mit der Myrrhe verehrten sie Ihn als Jenen, der für die Erlösung aller zu sterben gedenkt.
Auch wenn sie nicht die ganze Zukunft wußten, die Gnade, die alles wohl
ordnet, forderte sie dazu auf. Die Juden hätten sich eigentlich schämen
sollen, daß ihnen die Heiden in der Annahme des verheißenen Messias
zuvorgekommen waren! - Wir bringen dem König Gold, wenn unser Sinnen -
in Seinen Augen - voll des Lichtes der Weisheit ist. Das Herz soll des
Weihrauchs der Gebete voll sein! Myrrhe möge die Begierlichkeiten des
Leibes abtöten. Auch wir sollen "auf einem anderen Weg in unsere Heimat
zurückkehren", in die himmlische Heimat: durch Weinen, Gehorsam, durch
Geringschätzung der sichtbaren Welt, durch Zügelung der leiblichen
Begierden! Die Weisen kehrten nicht zum Herodes zurück; denn wer zu
Christus gefunden hat, der freut sich über das Gut, das er empfangen
hat. Er erinnert sich an das Böse, dem er entkommen ist. Wie sich die
Menschen auf den kaiserlichen Befehl hin unter der Statthalterschaft
des Quirinus zur Steuer bekennen mußten, so auch müssen wir uns - auf
Christi Befehl und unter der Statthalterschaft der Kirche und der
heiligen Kirchenlehrer - zur Steuer der Gerechtigkeit erklären. Auch
wir sollten in unsere Stadt mit täglich wachsenden Tugenden gehen!
"Es erfüllte sich die Zeit, daß sie gebären sollte": Eva legte durch
ihre Schuld den Tod in unsere Natur, sie gebiert zur Strafe mit
Schmerzen! Die Geburt aus der Jungfrau beweist die Erhabenheit des
Geborenen: Die Jungfrau gebiert mit Freuden: Sie gebar das Leben der
Menschheit! Der Schoß der Jungfrau bedeutet die Seele der Gläubigen,
durch den Glauben wird Christus empfangen, in der heiligen Taufe wird
er geboren. Wenn Windeln für dich zu profan sein sollten, dann
bewundere die Engel: in Windeln gewickelt ist der, der die ganze Welt
in vielfältige Gewändern kleidet. Der, dessen Wohnsitz der Himmel ist,
liegt in einer schmalen Krippe. Nicht einmal in der Herberge fand Er
Platz, nur damit Er uns viele Plätze bereite.
Warum ist Er gekommen? Die Geburt allein würde nicht viel nützen,
es sei denn, Er wollte uns loskaufen von unseren Sünden.: Wir finden
bei den Patriarchen im Alten Testament keine vergleichbare Stelle, wo
den Menschen die Engel vom Glanz umzingelt erschienen wären! Dieses
Erscheinen wurde für den Fall aufgehoben, damit in der Dunkelheit das
Licht in den aufrichtigen Herzen der Hirten - aber auch in unseren
Herzen - aufgehe! Als der Engel plötzlich erschien, "fürchteten sie
sich sehr", aber dieser vertreibt ihre Furcht: "Fürchtet euch nicht!"
Die Nacht deutet die Gefahr der Versuchung an, vor der die Hirten sich
und die ihnen Anvertrauten unaufhörlich hüten.
Die Engel wurden ehemals den Israeliten zur Strafe gesandt: so z.B.
David, den Sodomiten, die vernichtet wurden. Jetzt singen sie
Lobgesänge anläßlich der Geburt des Erlösers. Nehmen wir die Erlösung
an? Sie vereinigte die Menschen wieder mit der Gemeinschaft der
Engel. Doch den Frieden kündigen die Engel nicht allen an! Nur den
Menschen, die guten Willens sind! Einen reichen Frieden haben die, die
Sein Gesetz lieben (Ps. 118,165). Es gibt keinen Frieden für die
Gottlosen! Die Hirten eilten eilens heran! Niemand sucht Christus nur
mit halbem Herzen! Als sie durch ihren verborgenen Glauben das Wunder
sahen, ließen sie es beim bloßen Erstaunen nicht bewenden,
sondern sie brachte die Kunde auch anderen. Die, die unfähig waren, ein
solches Wunder vorzutäuschen, verkündeten die Wahrheit dieser
Begebenheiten, die Maria in ihrem Herzen bewahrt hat.
Die Krippe ist ein ebenso großes Geheimnis wie das Kreuz. Wir können
uns lange bei beiden aufhalten - und von beiden können wir uns nur
schwer trennen. Denn wir knien an dem tiefen Brunnen unerreichter
Geheimnisse. Wenn Christus nicht unseres Menschendaseins teilhaftig
geworden wäre, wären wir nicht Teilhaber an seiner Göttlichkeit. Gott
kann vom Menschen nicht gesehen werden. Er wurde Mensch, damit Er
gesehen werden konnte! Selig also, wer Bethlehem in sich trägt! In
seinem Herzen wird Gott täglich geboren. Sollte Christus tausendmal in
Bethlehem geboren werden, und dennoch nicht in dir: du bliebest doch
ewig verloren!
Der in Böhmen berühmte Künstler Josef Führich ließ es sich nicht
nehmen, Jahr für Jahr die Krippe aufzubauen. Einmal kam er mit 16
Jahren in Versuchung, daß es doch Zeitvergeudung sei, sich dieser
kindlichen Beschäftigung zu widmen. Aber es war ihm, als ob er im
Herzen Christi Worte hören würde: Was hättet ihr von meiner Größe
gewußt, wenn ich mich nicht wegen euch erniedrigt hätte! Und er baute
sie weiter - Seinetwegen - und später erinnerte er daran auch seine
Kinder... |