DER HL. ALEXANDER SAULI
von
Eugen Golla
Epochal war vor allem die Auswirkung des Konzils von Trient auf die
innerkirchliche Entwicklung. So erhielt insbesondere Italien in der
zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts eine Reihe von Bischöfen, welche
durch die Beachtung der neuen Vorschriften die Reformen des Konzils in
die Praxis um-setzten. Neben der alle überragenden Persönlichkeit Karl
Borromäus zählte zu den ausgezeichnesten Bischöfen dieser Zeit
insbesondere Alexander Sauli.
Als Sohn einer vornehmen, ursprünglich aus Genua stammenden Familie,
1534 in Mailand geboren, zeichnete er sich in früher Jugend durch
Gottesliebe, Demut und besondere Verehrung der Gottesmutter aus. Obwohl
ihm als Angehörigen eines Patriziergeschlechtes eine glänzende Laufbahn
am Hofe Karls V. möglich gewesen wäre, bat er, siebzehnjährig, um
Aufnahme im Kloster der Barnabiten, eines Ordens der wenige Jahrzehnte
vorher vom heiligen Anton Maria Zaccaria gegründet worden war und
dessen Hauptzwecke neben einem asketischen Leben die Seelsorge,
besonders der Mission auf der Straße und die Krankenpflege waren.
Zweifelnd an seiner Eignung für diesen strengen Orden gab man Alexander
den Auftrag, ein Kreuz auf seine Schulter zu nehmen und so am
Marktplatz eine Bußpredigt abzuhalten. Der Postulant unterzog sich
sofort dieser demütigenden Prüfung und legte vor einer großer
Menschenmenge sein Zeugnis für Christus den Gekreuzigten ab.
In seiner Vorbereitungszeit für das Priestertum stellte er immer wieder
seine Liebe zur Nachfolge Christi unter Beweis. Er, der gerne schlief,
bat um den Dienst, seine Mitbrüder zu wecken. Um sich in Demut zu üben,
suchte er die niedrigsten Dienste aus, z.B. den als Hilfssakristan; und
als einst ein als Geschenk angekommener Wagen mit Getreidesäcken
auszuladen war, half er beim Abladen eifrig mit.
Nachdem er mit 22 Jahren nach erfolgter Altersdispens die Priesterweihe
erhalten hatte, setzte er in Pavia seine Studien der Theologie und
Philosophie fort, wobei seine Lieblingsautoren - neben Thomas von Aquin
und Bonaventura - die Kirchenväter sowie Gregor der Große waren.
Zugleich wirkte er aber auch als Seelsorger, was ihn nicht hinderte,
sich weiter eifrig in der Demut zu vervollkommnen. So pflegte er an den
Tagen, an welchen er predigte, im Refektorium seine Mitbrüder zu
bedienen, das Geschirr zu spülen oder sich als Buße aufzuerlegen, nicht
zu lesen. Im Jahre 1567 wurde Alexander erst dreiunddreißigjährig, zum
General seines Ordens ernannt. So wurde er der Vater, Gesetzgeber und
das lebendige Muster der Barnabiten, aber gleichzeitig auch einer der
engsten Mitarbeiter und Berater des hl. Karl Borromäus sowie
Seelenführer einflußreicher Geistlicher der Lombardei, unter anderen
auch Niccolo Sfondratos, des späteren Gregor XIV.
Aus seiner so vielseitigen Tätigkeit wurde Sauli vom hl. Papst Pius V.
herausgerissen, der ihn zum Bischof von Aleria an der Ostküste Korsikas
bestimmte. Pius V.war sich bewußt, daß nun ein hervorragender Bischof
imstande sein werde, in dieser Diözese, die sich wie die gesamte Insel
in einem totalem Zerfall befand, das kirchlichen Leben zu neuer Blüte
zu erwecken.
Auf Korsika, um dessen Besitz sich die Republik Genua und Frankreich
stritten und dessen Küste zusätzlich durch die Überfälle algerischer
Seeräuber verunsichert war, herrschten furchtbare Zustände. Viele Orte
waren verlassen oder zerstört, es gab keine Verbindungswege; außerdem
war die Blutrache weit verbreitet. Nach seiner Ankunft schrieb
Alexander an Borromäus, daß es kaum zwei bewohnbare Räume gäbe und er
nicht über die Mittel verfüge, auch nur die Zelle eines Kapuziners zu
errichten. Nicht nur das leibliche Elend der Bevölkerung - man nährte
sich von Brot aus Kastanien - erschütterte den seeleneifrigen Bischof:
seine Kathedrale lag in Trümmern und bei den ihm unterstellten
Priestern handelte es sich meist um Leute, die nicht imstande waren,
eine hl. Messe ordnungsgemäß zu lesen, da sie kein Latein kannten, und
die - um ihren Lebensunterhalt zu verdienen - wie Laien gekleidet auf
Feldern oder im Walde arbeiteten. Entsprechend war auch der
mental-religiöse Zustand der Bevölkerung: die Gläubigen konnten weder
das Vaterunser noch das Credo beten, ja vielfach war ihnen sogar das
Kreuzzeichen unbekannt.
Ohne zu zögern, nahm Bischof Sauli die Arbeit auf diesem dornenreichen
Boden auf, indem er zuerst seine Bischofskirche notdürftig
wiederherstellen ließ und weite Strecken zu Fuß zurücklegte, um zu
predigen und die Sakramente zu spenden. Bereits im Jahre 1570 hielt er
seine erste Synode ab, an der etwa 150 Priester teilnahmen, denen er
Kost und Unterkunft gewährte. Danach begab er sich nach Bastia, wo er
auf eigene Kosten ein Seminar errichtete. 1572 besuchte er Rom, wo er
mit Philipp Neri Freundschaft schloß. Auch die folgenden Jahre ließ
sein Eifer im Dienst des Herrn nicht nach. So errichtete er ein
Franziskanerkloster. Auch hielt er es nicht unter seiner Würde, im
Priesterseminar Vorlesungen zu halten und im Lande herumzureisen, um
dem Volk den Katechismus zu erklären. 1581 erschien vom ihm selbst ein
Katechismus, der vom hl. Franz von Sales als vortrefflich gelobt wurde.
Der heiligmäßige Bischof, der für alle Gläubigen zu sprechen war,
erfreute sich bei der verwilderten Bevölkerung großer Beliebtheit. Man
kam so zahlreich in die Kirche, daß das Gotteshaus bald alle Besucher
nicht fassen konnte. Scharenweise standen die Leute vor dem
Beichtstuhl. Oft gelang es ihm auch, Streitigkeiten zu schlichten, was
zur Folge hatte, daß die Blutrache immer seltener wurde. Der Ruf von
seiner Tätigkeit war bis nach Rom vorgedrungen. Aber er weigerte sich,
seine Diözese gegen eine bessere zu einzutauschen. Erst als Niccolò
Sfondrato als Gregor XIV. Papst geworden war, ruhte dieser nicht, bis
sein ehemaliger Seelenführer das Bistum Pavia annahm. Unter dem Jubel
der Bevölkerung zog Alexander als Bischof in die Stadt ein, in welcher
er einen Teil seine Jugend- und Studienzeit verbracht hatte. Aber auch
in dieser großen lombardischen Provinzhauptstadt mit ihrer glanzvollen
Vergangenheit behielt er seine von Armut und den strengen Regeln der
Barnabiten geprägte Lebensweise bei. So sagte er, als man sein Zimmer
mit kostbaren Tapeten ausstatten wollte: "Es ist besser die Armen zu
bekleiden als die Wände." Aber Bischof Alexander, dessen Gesundheit
schon im malariaverseuchten Korsika angegriffen war, wurde bereits
Anfang Oktober 1592 in Calosso bei Asti von einem hohen Fieber
befallen, dem er am 11. des glei-chen Monats im Alter von erst 58
Jahren erlag.
Seine Tugenden sowie die nach seinem Tod auf die Anrufung seiner
Fürsprache hin erfolgten Wunder veranlaßten Papst Benedikt XIV. 1742 zu
seiner Seligsprechung; die Kanonisation nahm Pius X. 1904 vor. Seine
sterblichen Überreste liegen in der Kathedrale von Pavia, sein Fest
wird am 11. Oktober gefeiert.
***
Benützte Literatur:
Pastor L. Freiherr v.: Geschichte der Päpste, Band VIII. Freiburg 1923.
Artikel "Alexander Sauli" in: Bibliotheca Sanctorum, Rom 1961.
Vies des Saints, Band X., Paris 1952.
***
Vom hl. Papst Pius X.
Als der Kardinal von Venedig, Mgr. Sarto, die Tiara annahm, wählte er
den Namen Pius im Hinblick auf die Päpste dieses Namens, die im letzten
Jahrhundert am meisten für die Sache Gottes gelitten hatten: Pius VI.,
Pius VII., Pius IX. (...)
Am folgenden Tag fühlte er sich gedrängt, sein übervolles Herz dem
Bischof von Padua, Msgr. Giuseppe Callegari, der ihm von Treviso her so
nahe stand, auszuschütten. Aus diesem Brief spricht der Schmerz
darüber, sich zu einer Würde erhoben zu sehen, die er nie gewünscht und
ge-sucht hatte. "Eure Exzellenz, noch habe ich mich nicht von der
Bestürzung erholt, in die mich das entsetzliche Kreuz versetzt, das auf
mir lastet. Und es drängt mich, meinem teuren Freund einen herzlichen
Gruß zu senden. Wie sehr wünsche ich doch, Sie wiederzusehen, um Ihnen
mein Herz ausschütten zu können! Doch ich habe nicht den Mut, Ihnen zu
sagen: Kommen Sie nach Rom. Diesen ersten Brief, den ich von Kalvaria
aus schreibe, wohin mich der Wille Gottes geführt hat, benetze ich mit
meinen Tränen, drücke einen liebenvollen Kuß darauf und sende Ihnen und
Ihren Diözesanen und all Ihren Lieben den Apostolischen Segen.
Im Vatikan, am 5. August 1903, Ihr ergebenster und Ihnen in Liebe verbundener Pius PP. X."
(aus: Dal Gal, Hieronymus: "Pius X." Freiburg/Schweiz 1952, S. 299 f.) |