Leserbrief
... auf den "Offenen Brief" an H.H. Abbé Cloquell
den 17.6.1994
Sehr geehrter Herr Heller!
Ihr Sonderschreiben "An alle" (gemeint: der "Offene Brief") von letzter
Woche hat mich ziemlich schockiert. Sie nehmen in diesem u.a. auch den
französischen Bischof Laborie aufs Korn - warum, ist mir völlig unklar.
Muß denn jeder, der Ihnen nicht paßt, schlecht gemacht werden? Ich
denke so: Wenn S.E. Bischof Ngó-dinh-Thuc, von dem Sie, Herr Heller,
soviel gehalten haben, ja ihn unterstützten - auch ich! -, Bischof
Laborie die Bischofsweihe gespendet hat, glauben Sie nicht auch, daß er
wissen konnte, ob dieser gültig die Priesterweihe erhalten hatte?
Soviel ich davon erfahren konn-te, hat er ihm selbst die Priesterweihe
erteilt. Es ist klar, daß solches nicht "an die große Glocke" gehängt
wurde - in diesen verunsicherten Zeiten, in denen einer dem anderen
nicht einmal mehr das Sonnenlicht gönnt und jeder "päpstlicher sein
will als der Papst", wie man so sagt. Also, warum zweifeln Sie diese
Bischofsweihe an? Ich möchte sagen, daß sich der verstorbene Bischof
Ngó-dinh-Thuc nicht sehr freuen würde, müßte er diese Zweifel gerade
von Ihrer Seite erfahren.
Es mag ja in Ihren Nachrichten manches geschrieben stehen, was
zutrifft, aber müßten Sie nicht noch viel mehr darauf achten, daß nicht
solche Ungereimtheiten, fast möchte ich sagen, Verleumdungen in die
Welt gesetzt werden - vom katholischen Lager aus! Trauen Sie Erzbischof
Thuc solche Verantwortungslosigkeit zu? Sieht so die Treue und
Ehrfurcht aus, die wir unseren Verstorbenen und gerade diesem Bischof,
der soviel auf sich genommen hat und dazu noch verfolgt wurde, schuldig
sind?
Auch vor Frau Mertensacker machen Sie nicht halt. Die Wahl ist ja
vorbei, doch hätten Sie lieber die CDU gewählt? Warum ist diese Frau,
die sich so einsetzt, Ihnen nicht genehm?
Wohin sollen wir uns wenden in dieser schweren Zeit? Haben Sie andere
Vorschläge? Oder kann man nur noch kritisieren, ohne selbst
Alternativen anzubieten? Gewiß, Sie schreiben vieles, was in-teressant
ist und was wissenswert erscheint, doch daß es immer wieder zu solchen
Anfeindungen kommt, ist mir im wahrsten Sinne des Wortes unerträglich.
Ich habe lange erwogen, ob ich die EINSICHT nicht abbestelle.
Hochachtungsvoll M.W.
***
Kurze Antwort der Redaktion:
den 29.6.1994
Sehr verehrter (Leser),
haben Sie vielen Dank für Ihre kritischen Zeilen, die ich direkt und
offen beantworte möchte, weil ich annehme, daß andere ähnlich denken
wie Sie. Es geht mir nicht darum, Personen zu verleumden und andere zu
verunsichern, sondern um ihnen Hilfen an die Hand zu geben, damit sie
über die Kritisierten urteilen können. Leider ist es so, daß eine ganze
Reihe von Sektierern in unsere Reihen eingesickert ist.
Was nun M. Laborie betrifft, so hatte sich S.E. Mgr. Ngó-dinh-Thuc wohl
doch in ihm geirrt, denn er hatte uns seinerzeit, als wir ihn in Toulon
besuchten, mitgeteilt, daß er sich von ihm hatte trennen müssen, als er
von dessen persönlichen Defekten erfahren hatte.
Wenn Ihnen meine Überlegungen zu den Weihevorgängen zu kritisch
erscheinen, so darf ich Ihnen sagen, daß es - bei aller Anerkennung und
Wertschätzung - nicht unbillig ist, verschiedene Weihen von Mgr. Thuc
negativ zu beurteilen. Für eine berechtigte Kritik aber war der
Erzbischof selbst stets dankbar. Auf verschiedene Vorhaltungen
unsererseits hat er immer sehr sachlich und mit viel Geduld
geantwortet, ohne seine Entscheidungen dabei beschönigen zu wollen.
Was nun Frau Mertensacker betrifft, so kenne ich sie aus meiner aktiven
Zeit in der Zen-trumspartei und weiß, was sie leistet und was nicht.
Ich kenne auch die vielen, vielen Mitglieder, die sich enttäuscht
wieder von ihr abgewandt haben!
Mit freundlichen Grüßen
E. Heller |