MGR. DOLAN IM GESPRÄCH MIT REV. FR. PUSKORIUS
- Ansichten eines Ex-Econers
Anmerkungen der Redaktion:
Am Tage nach seiner Bischofskonsekration (bzw. Bischofskonsekration in
Anführungsstrichen) gab Mgr. Dolan - vgl. EINSICHT Nr.5, 23. Jahrg.,
Febr. 1994 - Fr. Casimir Puskorius, dem Redakteur der Zeitschrift "The
Reign of Mary" ein Interview, welches wegen der von Dolan darin
vertretenen Auffassung bemerkenswert ist. Diese Zeitschrift wird
herausgegeben von der Kommunität CMRI, der auch der Konsekrator, Mgr.
Pivarunas, angehört. Interessant und entlarvend sind einerseits die
Retrospektive der Position Lefebvres und andererseits die Vorstellungen
und Ideen Dolans zur Bewältigung unserer Krise. Da eine Reihe von
Aussagen einer Erläuterung oder einer Richtigstellung bedarf, folgt im
Anschluß an das Gespräch eine Stellungnahme der Redaktion.
(Das Interview erschien in "The Reign of Mary", Vol. XXV, Nr.76; wir
geben es gekürzt in der Übersetzung von Herrn Eugen Golla wieder.)
Die im Kommentar von mir kritisierten Äußerungen Dolans (und Mgr.
Pivarunas) sind nicht isoliert zu sehen, sondern im Zusammenhang mit
einer noch folgenden, umfassenderen Definition unseres gesamten
Widerstandes.
E. Heller
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Fr. Puskorius (Puk.): "Exzellenz, weshalb haben Sie die Priesterbruderschaft St. Pius X. verlassen?"
Mgr. (bzw. 'Mgr.') Dolan
(Dolan): "Ich gehörte zu einer Gruppe von neun Priestern, die aus der
Bruderschaft ausgewiesen wurden, weil wir respektvoll Mgr. Lefebvre zu
einigen Antworten wegen unserer Beziehung zur Konzilskirche drängten.
Vielleicht gehörte es zu seiner schwachen Seite, sich nicht darüber zu
beunruhigen, ob Johannes Paul II. oder Paul VI. legitime Päpste seien.
(1) Die Materie bekam einen ekklesiologischen Hintergrund, woraus sich
ein theologisches Problem entwickelte, welches jedoch verworren blieb
und das praktische Leben der Gläubigen in Mitleidenschaft zog. So
drangen wir auf Mgr. Lefebvre auch mit Fragen bezüglich der Annulierung
von Ehen ein und über unsere Beziehung zu Priestern, welche nach dem
neuen Ritus (2) geweiht worden waren... dies waren einige unserer
hauptsächlichsten Interessengebiete. Er - Mgr. Lefebvre - wollte, daß
wir gegenüber diesen Fragen eine ähnlich diffuse und ambivalente
Haltung einnehmen sollten wie er selbst. Wir konnten das aber nicht,
und dies führte schließlich zu unserer Entlassung." (3)
Puk.: "Auf welche Widerstände sind Sie gestoßen, nachdem Sie sich bereit erklärt hatten, sich zum Bischof weihen zu lassen?"
Dolan: "Der Teufel richtete
sein Geschütz auf die naturgemäße Tendenz, welche die
traditionalistischen Katholiken gegenüber dem Separatismus haben und
auf ihre in hohem Grade Urteil fällende und ziemlich skrupulöse
Haltung. Jeder traditionalistische Katholik tendiert dahin, die Gruppe,
der er angehört, als die einzig katholische anzusehen, als die einzige,
die eine 'weiße Weste' hat. Etwas, was ich sehr interessant bei
Gesprächen mit Ihren Priestern und Gläubigen fand, ist eine andere
Perspektive hinsichtlich der von Ihnen so genannten Lefebvre-Bewegung
zu erhalten. Wir müssen aber eingestehen, daß wir eine Fülle von
Fehlern machten und nicht frei von Skandalen sind. Wir befinden uns
somit nicht in der Lage, Steine auf andere zu werfen."
Puk.: "Können Sie ein für
allemal dem Streit ein Ende bereiten, daß die Priesterweihen von Mgr.
Lefebvre irgendwie suspekt sind, weil die Möglichkeit besteht, daß
Kardinal Liénart ein Freimaurer war und daher möglicherweise das
Sakrament ungültig machte?"
Dolan: "Sehen wir, ob wir
wenigstens einige der Risse in der Freimaurerei hier erweitern können.
Die Gründe, die hinter dieser Anklage stecken, haben nichts mit dem
Kirchenrecht, dem Leben der Kirche und der Praxis des Papstes und der
Kurie zu tun, aber mit der skruplösen und separatistischen Haltung (ich
sehe den Splitter im Auge meines Bruders, aber nicht den Balken in
meinem eigenen Auge), die in der traditionalistischen Bewegung
eingewurzelt ist. (...) Hinsichtlich der Theologie rate ich den Leuten
zu lesen, was die Dogmatiker, die Moraltheologen, die Kanonisten sowie
der Papst und die Beschlüsse der Römischen Kongregationen wirklich
sagen. Sie werden bald die Weisheit und die Klugheit der Mutter Kirche,
das Minimum, das erforderlich ist, erkennen. (4) Man muß als Katholik
gültige Sakramente empfangen, die mit der richtigen Materie und Form
gespendet werden. Die Intenion ist eine interne Angelegenheit, die
niemand überhaupt zu beurteilen vermag. (5) Sobald man damit beginnt,
kommt man zu keinem Ende. Wir müssen der Gerechtigkeit halber im
Gedenken an den ausgezeichneten Kard. Liénart sagen, daß er, obwohl er
während des Vatikanums II - wie viele andere auch - toll wurde,
nichtsdestoweniger eine lange und glänzende Karriere im Dienste der
Kirche machte. Da gibt es auch keine Spur von einem objektiven Beweis,
daß er Freimaurer war. (6) Schließlich wissen wir, daß Talleyrand zur
Zeit der Französischen Revolution Freimaurer war und wir wissen sicher,
daß bei Unterzeichnung des Konkordates zwischen dem Papst und Napoleon
keiner der franz. Bischöfe nochmals geweiht wurde, obwohl die Mehrzahl
der Bischöfe ihre Weihe von Talleyrand herleitete. (7) Man sagt, daß
Kard. Rampolla ein Freimaurer war. (8) Ich weiß nicht, ob es wahr ist -
ich besitze keine objektiven Beweise. Dennoch ist dies fast ein Dogma
für viele Traditionalisten. Sehr interessant. Kard. Rampolla weihte
[den späteren] Kard. Merry de Val, einen wunderbaren Mann." (9)
Puk.: "Wie wollen Sie die Arbeit mit Bischof Pivarunas aufteilen?"
Dolan: "Ich glaube, daß ich ihm
in Mexiko helfen werde. Der Bischof muß es regelmäßig besuchen, denn
dort befindet sich ein Seminar, und viele Kinder sind zu firmen. Danach
besteht noch die Frage der Ausweitung unseres Apostolates, besonders in
Europa und unter den ehemaligen Lefebvre-Priestern in den U.S.A., die
ohne Bischof sind."
Puk.: "Würden Sie sich über die ordentliche Jurisdiktion kritisch äußern?"
Dolan: "Ja, wir Bischöfe
besitzen nicht die ordentliche Jurisdiktion. Wir sind Bischöfe in einer
außerordentlichen Zeit ohne Papst. Wir sind verpflichtet, in Liebe und
im Sinne der Gerechtigkeit die Sakramente zu spenden. Unsere Pflicht
ist es, zu helfen und zu dienen. Wir besitzen keine ordentliche
Jurisdiktion und können daher den Priestern keine Befehle erteilen."
(10)
Puk.: "Manche sagen, die
traditionalistischen katholischen Bischöfe müßten eine ordentliche
Jurisdiktion haben, da es andernfalls keine Autorität in der Kirche
gäbe."
Dolan: "Das ist ein
interessanter Punkt. Die, welche ihn einbringen, nehmen gewöhnlich
philosophische Unterscheidungen vor. Ich muß eingestehen: nur durch die
Fürbitte der hl. Katharina von Alexandrien, der Patronin der
Philosophen, machte ich meine Philosophie. So kann ich sicherlich nicht
sagen, meine moralische Autorität erstrecke sich auch auf die
Philosophie. Dennoch glaube ich, daß eine sehr einfache philosophische
Unterscheidung hier vorgenommen werden kann, indem man sagt, daß
natürlich die Autorität gegenwärtig ist - potentiell. Wenn alles ein
bißchen geregelt, ein we-nig klarer ist, wird dann die Möglichkeit in
Handeln übergehen. Die Kirche wird sich dann - wie es ihr Recht ist -
mit einem Oberhirten versehen und wiederhergestellt werden. Es ist
nicht nötig, 'durch Reifen zu springen' oder wie die Episkopalen oder
die Orthodoxen zu werden oder eine Art von realer Autorität den
Apostaten zu geben, die behaupten, katholisch zu sein. (11) Wir können
diese beiden problematischen Positionen vermeiden mittels einer
einfachen philosophischen Unterscheidung."
Puk.: "Wäre dies das metaphysische Prinzip in actu und in potentia?" (12)
Dolan: "Genau."
Puk.: "Können Sie den Eid erläutern, den Bischof Pivarunas bei seiner Weihe zum Bischof zusammen mit Bischof Carmona ablegte?"
Dolan: "Ich glaube, daß eine
Rücksprache mit sämtlichen Bischöfen der Thuc-Linie - wenigstens mit
denen, welche noch ein bestimmtes Ansehen genossen oder
vertrauenswürdig waren - vor der Bischofsweihe lästig gewesen wäre.
Eine Befragung wäre selbstverständlich erforderlich gewesen, aber hier
gab es so viele Probleme und Schwierigkeiten - und wenn wir das offen
aussprechen wollen - Skandale mit Bischöfen der Thuc-Linie, daß es mein
eigener Wunsch ist, eines neues Kapitel aufzuschlagen." (13)
Puk.: "Wie sehen Sie die Zukunft der Kirche?"
Dolan: "In aller Bescheidenheit
glaube ich, daß diese Konsekration in gewissem Sinne ein geschichtlich
bedeutender Schritt war, denn er verband die beiden großen Reihen der
Tradition - die Lefebvre- und die Thuc-Linie, welche beide sowohl
positive als auch negative Züge haben, miteinander. Ich glaube, daß auf
Seiten der Priester, Ordensleute und Laien, denen wir dienen, wirklich
der Wunsch vorhanden ist, vorwärts zu gehen und die Vergangenheit ruhen
zu lassen und nicht immer hervorzuheben: 'Ich bin ein Thuc-Bischof'
oder: 'Er ist ein Lefebvre-Priester', sondern - so wie es der Bischof
[Pivarunas] letzte Nacht sagte: 'Wir alle sind Katholiken'." (14)
***
Anmerkungen:
(1) Obwohl die Häresien Pauls VI. und später die Johannes Pauls II.
immer offenkundiger geworden waren, verpflichtete M. Lefebvre seine
Kleriker und Seminaristen, diese Häresiarchen als legitime Päpste
anzuerkennen. Alle, die diese Position nicht teilten bzw. teilen
konnten und Lefebvres Lavieren und Taktieren (d.i. die angeblichen
Autoritäten zwar förmlich anzuerkennen, ihnen aber nicht zu gehorchen)
ablehnten, wurden rigoros mit besonderem lefebvreischen Haß
verfolgt und mußten das Seminar bzw. ihre Stellung verlassen. Nach dem
Tode von M. Lefebvre setzte der Obere Schmidberger diese Strategie mit
unverminderter Härte - wenigstens offiziel - fort. - Dieser Verfügung
war damals auch H.H. Dr. Katzer zum Opfer gefallen, der von Lefebvre
gezwungen worden war, seine Stelle als Lehrer im Seminar von Weißbad
aufzugeben, obwohl er dorthin von Schmidberger und Herrn Prof. Siebel
geholt worden war, die seine sedisvakantistische Position sehr genau
gekannt hatten.
(2) Ich erinnere hier an den Fall eines polnischen Klerikers, der nach
dem neuen (d.i. ungültigen) Ritus geweiht und von Econe in Saarbrücken
als Seelsorger eingesetzt worden war, bis er erst auf Protest von
seiten der Gläubigen sub conditione heimlich von Lefebvre 'nachgeweiht'
wurde. Damit war der Econe-Chef gezwungen gewesen, den neuen Ritus als
zweifelhaft zu bewerten. Der betreffende Abbé war durch diese
Sub-conditione-Weihe allerdings nur von einem Nicht- zu einem
Vielleicht-Priester aufgestiegen.
(3) In den U.S.A. mußten Anfang der 80iger Jahre wegen ihrer Haltung in
der Meß- und Papstfrage etwa 10 Kleriker die Lefebvre-Organisation
verlassen. Sie bildeten zunächst unter der Führung des ehrgeizigen Abbé
Kelly, dem Kontakte zur John-Birtsh-Society nachgesagt werden, eine
eigene unabhängige Gemeinschaft. Merkwürdigerweise bewies diese Gruppe
vorerst einmal ihre Selbständigkeit dadurch, daß sie die Aktivitäten
von S.E. Mgr. Ngo-dinh-Thuc zur Erhaltung der apostolischen Sukzession
hemmungslos attackierte. Es erschienen mehrere gehässige Artikel gegen
seine Person und die von ihm gespendeten Bischofsweihen, bis sich nach
Jahren ein Teil dieser Gruppe von Kelly lossagte und sich sowohl von
der Rechtmäßigkeit als auch von der Gültigkeit dieser Weihen
überzeugten. Zu dieser Gruppierung in den U.S.A. gehörte auch Abbé
Dolan.
(4) Hier hadelt es sich keineswegs um moralisches Schielen, das vom
"Splitter im Auge des Bruders" redet, um vom "Balken im eigenen Auge"
abzulenken, sondern um ein handfestes moral-theologisches Problem, das
sowohl seinen Niederschlag in den dogmatischen Bestimmungen zur
Sakramentstheologie (u.a. in denen des Tridentinums) als auch im
Kirchenrecht gefunden hat. Wenn Dolan schon beansprucht, Bischof zu
sein, dann müßte er gerade als Ex-Econer über diese Materie mehr
wissen, zumal er als Lefebvreist und auch als ehemaliger mit diesem
Thema seit 1976 konfrontiert ist... bis über seine'Konsekration' ja
hinaus! Dabei ging und geht es immer noch um das berühmte "to be or not
to be", nämlich gültig geweihter Priester zu sein oder nicht. Und Dolan
sollte eigentlich die Aufsätze von Herrn Dr. H.M. Kellner (u.a.die
berühmte Nr. 72) über das Problem der Gültigkeit von Lefebvres
Priester- und Bischofsweihe nicht ganz vergessen haben, auf die dann
seine ehemaligen Mitbrüder Bolduc und Laudenschlager in der
Zeitschrift THE ANGELUS vom Februar 1978 reagierten.
Selbstverständlich ist über die Zugehörigkeit zur Freimaurerei und sich
den daraus ergebenden Konsequenzen für dessen kirchlichen Status im
Kanonischen Recht (CIC) entschieden worden.
So heißt es in Kanon 2335:
"Wer sich der Freimaurerei anschließt,
verfällt ohne weiteres der Exkommunikation, die simpliciter dem
Apostolischen Stuhl reserviert ist."
Auf die Konstellation Lienart - Lefebvre sind folgende weitere
Paragraphen des Kirchenrechtes anzuwenden, wobei man sich erinnern
sollte, daß Lienart schon vor seiner Bischofsweihe am 8.12.1928
Hochgradfreimaurer in der Loge in Combrai war, in die er fünf Jahre
nach seiner Priesterweihe 1912 eingetreten war. In den Kanones über die
Exkommunizierten heißt es:
Kanon 2261:
"§1. Von (...) Ausnahmen
abgesehen, kann ein Exkommunizierter nicht erlaubterweise die
Sakramente (...) vollziehen und spenden."
Kanon 2263:
"Den Exkommunizierten ist es auch verboten, die von ihnen bekleideten Ämter oder sonstige kirchliche Dienste auszuüben."
Kanon 2264:
"Im allgemeinen ist es allen Exkommunizierten verboten, einen kirchlichen Jurisdiktionsakt vorzunehmen."
Kanon 2265:
"§1. Für alle Exkommunizierten gelten außerdem folgende Verbote. (...) n.3. Sie können keine Weihe erhalten."
In Kanon 968 wird zu den Weihehindernissen näher ausgeführt:
"§2. Wer mit einer Irregularität oder einem Weihehindernis behaftet ist, darf die empfangenen Weihen nicht ausüben."
Im Zusammenhang mit der Spendung von Lefebvres Priesterweihe durch den
exkommunizierten Lienart am 21.9.1929 ist weiterhin Kanon 2372 zu
beachten:
"a) Die Suspension a divinis, die dem
Apostolischen Stuhl reserviert ist, trifft ohne weiteres jeden, der
sich herausnimmt, eine Weihe zu empfangen von jemandem, dessen
Exkommunikation bzw. Suspension oder Interdikt durch Richterspruch
festgestellt oder verhängt worden ist, oder von einem notorischen
Apostaten, Häretiker oder Schismatiker.
b) Wer sich aber im guten Glauben von einem der Genannten weihen ließ,
darf die empfangene Weihe so lange nicht ausüben, bis er Dispens
erhalten hat." (Hervorhebung durch den Kommentator.)
Unter Berücksichtigung und der Geltung dieser letzten Rechtsbestimmung
ist mir nichts bekannt geworden, daß Lefebvre, der bereits
- wie Dr. Kellner nachgewiesen hat - seit 1970 von
Lienarts Zugehörigkeit zur Freimaurerei gewußt hat, seine
Weiheaktivitäten einstellte und Dispens bei dem von ihm als
Papst anerkannten Paul VI. einholte.
(5) Man vgl. dagegen die von mir durchgeführte Untersuchung über die
geforderte Intention bei der Sakramentenspendung (EINSICHT Nr.5, 23.
Jahrgang, vom Februar 1994, S.111ff.), die sich dabei äußert und zu
erkennen geben muß. Es kann also nicht die Rede davon sein, daß es sich
nur um eine "interne Angelegenheit, die niemand überhaupt zu beurteilen
vermag", handelt. Gäbe es da nicht die Bestimmung des Tridentinums, 7.
Sitzung, Kanon 11, wonach die geforderte Intention konstitutiv für die
Spendung der Sakramente wäre, würden Theologen von der Formation eines
Dolan glatt behaupten, die Anwendung von Form und Materie wäre
hinreichend für das Zustandekommen eines Sakramentes. In der Konsequenz
hieße das: eigentlich wäre die Intention überflüssig. Aber das wäre
dann eine handfeste Häresie!
(6) Wegen der Komplexität der Materie erlaube ich mir, im Anhang an
diesen Kommentar die von mir vor nunmehr über zehn Jahren konzipierte
Stellungnahme zum Problem der Gültigkeit von Mgr. Lefebvres Weihen
durch den Freimaurer Liénart ("Ist Mgr. Lefebvre ein gültig geweihter
Bischof?" in EINSICHT Nr. 5, 13. Jahrgang, Dez. 1983, S. 212-214)
nochmals abzudrucken. - Interessant ist in diesem Zusammenhang, daß
Dolan behauptet, es gäbe nicht einmal die Spur eines Beweises von
Liénarts Zugehörigkeit zur Freimaurerei, obwohl M. Lefebvre selbst die
Tatsache, von einem Freimaurer geweiht und konsekriert worden zu sein,
in besagter Rede in Montréal / Kanada am 27.5.1976 bedauernd
eingestanden hatte!
(7) Talleyrand, Charles Maurice, * 13.2.1754 zu Paris, + 17.5.1838. -
Eigentlich für die militärische Laufbahn vorgesehen, wegen einer
Verkrüppelung des rechten Fußes dann für die geistliche Kariere
bestimmt, trat er ohne Berufung 1766 ins Seminar von St. Sulpice; 1779
zum Priester geweiht; 1788 Bischof von Autun. 1789 wurde er in die
Nationalversammlung gewählt. Er plädierte auf die Konfiszierung des
Kircheneigentums und beschwor als einer der ersten die
Zivilkonstitution des Klerus. Als die Konsekration aufgrund der
Zivilkonstitution Schwierigkeiten verursachte, erklärte sich Talleyrand
dazu bereit, am 24.2.1791 zwei Bischöfe zu weihen. "Im Verlaufe der
beiden nächsten Monate weihte der inzwischen zum Erzbischof von Paris
aufgestiegene Gobel 36 weitere Bischöfe. Diesmal war der Papst [Pius
VI.] zur Stellungnahme gezwungen. Am 10. März 1791 verurteilte er mit
dem Breve 'Quot aliquantum' die Zivilkonstitution (...). Und in einem
zweiten Breve 'Caritas' vom 13. April 1791 erklärte er die Weihen für
sakrilegisch (schismatisch und häretisch), verbot ihnen jede
Amtshandlung und drohte mit der Suspendierung aller vereidigten
Priester, die nicht widerrufen würden." ("Handbuch der
Kirchengeschichte", hrsg. von Hubert Jedin, Bd. 6/1, Freiburg 1971,
S.31 f.) Vorher, am 21. Jan.1791, hatte Talleyrand bereits auf sein
Bistum resigniert; 1802 wurde er laisiert. (Die überwiegende Mehrheit
der "konstitutionellen", d.h. schismatischen Bischöfe war also nicht
von Talleyrand, wie Dolan behauptet, sondern von Gobel, einer schwachen
Person, die wenig später enthauptet wurde, konsekriert worden. - Einen
einzigartigen Skandal verursachte Pius VII., indem er am 15.8.1801 die
Zustimmung des Hl. Stuhles zum französischen Konkordatsentwurf
Bonapartes verkündete und die legitimen Bischöfe aufforderte, zugunsten
der von seinem Vorgänger verurteilten zurückzutreten. Von 92 noch
lebenden Bischöfen des Ancien Régime, die in den schlimmen
Verfolgungszeiten der Revolution treu geblieben waren und durchgehalten
hatten, reichten alle ihre Demission ein, ohne Schwierigkeiten zu
machen. - Zweifel an der Gültigkeit der von Liénart gespendeten Weihen
stützen sich ja nicht nur auf dessen Zugehörigkeit zur Freimaurerei,
was alleine noch keine Ungültigkeit bewirken müßte, sondern auch auf
die Teilnahme an satanischen Handlungen. (Vgl. dazu den oben
angekündigten Abdruck.) (Der Empfang durch einen Exkommunizierten macht
die Weihe von sich aus nicht ungültig.)
Nun zu der Behauptung, Talleyrand sei (auch) Freimaurer gewesen, eine
Behauptung, die von den Econern immer wieder vorgebracht wird: In der
diesbezüglichen deutschen und französischen Spezial-Literatur über die
Freimaurerei und den Mitglieder-Verzeichnisse der Logen zur Zeit der
Französischen Revolution - das ist zum Zeitpunkt der beanstandeten
Bischofsweihen - taucht Talleyrands Name nicht auf. Auch der beste
Kenner der französischen Freimaurerei, Georg Kloß, erwähnt ihn nicht.
Lediglich Barruel bezeichnet Talleyrand als Freimaurer, wobei es sich
aber auch um reine Propaganda handeln könnte. Erst in der
napoleonischen Ära soll er nach dem "Dictionnaire Franc-Maçonnerie"
(Paris 1987, S. 1157) der Loge angehört haben. Von Talleyrand wird dort
gesagt, daß er kein ernsthaftes Interesse an der Freimaurerei gezeigt
habe und daß sowohl der Ort als auch der Zeitpunkt seiner Initiation
unbekannt seien. Vielmehr berichten die verschiedenen Quellen
übereinstimmend, daß Talleyrand sein politisches Amt dafür benutzt
habe, bedrängte Kleriker vor der Verfolgung zu schützen. - Damit ist
die gesamte Argumentation der Econer - oder Ex-Econer - hinfällig, die
mit der angeblichen Parallele zum Fall Talleyrands Liénart - und damit
auch Lefebvre - salvieren wollten.
(8) Rampolla del Tindaro, Mariano, *17.8.1843, + 16.12.1913, Kardinal.
(Vgl. dazu auch EINSICHT XXIV, Nr. 1, vom Mai 1994, S. 10.) - Der
Vorwurf der Zugehörigkeit Rampollas zur Freimaurerei war selbst
mehrfach in dem econeischen MITTEILUNGSBLATT DER PRIESTERBRUDERSCHAFT
ST. PIUS X. von Schmidberger, Dolans Ex-Konfrater, erhoben worden. -
Wir zitieren aus den Tagebuchaufzeichnungen von Ludwig Freiherr v.
Pastor: "[1914] 30. Mai (...) Privataudienz bei Pius X. (...) Dann
sagte der Papst als Überleitung zu einer Erörterung der im Nachlaß des
Kardinals Rampolla gefundenen Briefe: 'Ich habe in der letzten Zeit
viel und oft an Sie gedacht. (...) Wir wären ohne Sie in dieser Sache
[d.i. der Änderung der Form des Katholischen Internationalen
Wissenschaftlichen Instituts] verloren gewesen. Ich habe auch dem
Kardinalstaatsekretär [d.i. Kardinal Merry del Val] gesagt: 'Wehe, wenn
wir damals nicht Pastor gehabt hätten'.' Ich erwiderte, ich sei
glücklich, daß ich als schwaches Werkzeug der Sache des Hl. Stuhles
habe dienen können, auch in jener allerdings schwierigen und peinlichen
Angelegenheit. Der Papst sprach dann noch länger über die Korrespondenz
Rampollas mit seinen Modernisten-Freunden, die nach dem Tode des
Kardinals aufgefunden wurde, und sagte: 'Sie wären erstaunt, wenn Sie
diese lesen würden.' Lächelend meinte der Hl. Vater, die in jenen
Briefen ersehnte Katastrophe (sein Tod, auf den man warten sollte) sei
doch nicht eingetreten. Ernst bemerkte Se. Heiligkeit, es sei traurig,
aber wahr, Rampolla habe aus zwei verschiedenen Menschen bestanden."
("Ludwig Freiherr von Pastor, Tagebücher - Briefe - Erinnerungen",
hrsg. von Wilhelm Wühr, Heidelberg 1950, S. 598.) - Als Quelle für
Rampollas Zugehörigkeit zur Freimaurerei dient Andre Henri Jean Maquis
de la Franquerie: "L' ínfaillibilte pontificale" 2. Auflage 1970. (Das
Buch kann bezogen werden bei: Jaen Auguy, Editeur "Diffusion de la
Pensee Fracaise, Chire-en-Notreuil, F - 86190 - Vouille.) Der Autor war
päpstlicher Geheimkämmerer und Kenner der Freimaurerinfiltration des
Vatikans, besonders auch der Aktivitäten von Rampolla.
(9) Welch naive Argumentation! Hier wird schlicht das
logisch-notwendige Grund-Folge-Verhältnis auf interpersonale
Verbindungen übertragen! Weil, so der folgernde Dolan, die 'Folge',
hier Mery del Val "ein wunderbarer Mann" war, ist Rampolla auch schon
gerechtfertigt! Man versuche umgekehrt diese Art der Schlußfolgerung
auf die in Sünde gefallene Schöpfung anzuwenden, und dabei à la Dolan
die Schlußfolgerung abzuleiten, daß es dann mit dem Schöpfer nicht weit
her sein könne! Daß es sich bei interpersonalen Verhältnissen um
Freiheitsverhältnisse handelt, d.h. die Personen rufen gegenseitig auf
in Freiheit, scheint Dolan zu ignorieren.
(10) Was Dolan hier sagt, kann ich nur unterstützen. In der Tat haben
die Widerstands-Bischöfe durch ihre Weihe alleine noch keine
Jurisdiktionsgewalt, da sie in der Tat ohne päpstliches Mandat geweiht
wurden. (Dieses konnte nicht eingeholt werden, da wir z.Zt. Sedisvakanz
haben. Ein später einmal rechtmäßig gewählter Papst müßte deshalb diese
Weihen, die nur aus der derzeitigen Notlage heraus zu rechtfertigen
sind, ausdrücklich anerkennen und den Konsekrierten die ordentlichen
Jurisdiktions-Vollmachten eines Bischofs verleihen.) Den
hierarchie-ähnlichen Status, den sie allerdings haben können, wenn sie
sich selbst gehorsam der Lehre der Kirche und ihren Gesetzen
unterstellen, verdanken sie der moralischen Autorität, die sie durch
ihre Weihe erhalten haben und die sie durch die getreue
Ausübung ihrer Vollmachten und Verpflichtungen rechtfertigen müssen. -
Diese in der Frage der Jurisdiktionsgewalt zurückhaltende Rolle wird
m.W. nur von Mgr. Vezelis nicht geteilt, der behauptet, die ordentliche
Jurisdiktionsgewalt zu besitzen, womit er sich aber immer mehr isoliert
hat.
(11) Zwischen Weihe- und Jurisdiktionsgewalt besteht ein erheblicher
sachlicher Unterschied. Letztere wird vom legitimen Oberhaupt der
Kirche per Delegation übertragen. Die Weihegewalt wird per
entsprechender Weihe (Bischofsweihe) übertragen. Doch deren erlaubte
(normale) Ausübung bleibt ebenfalls an die Beauftragung durch
Delegation gebunden. - Dolan spielt hier auf seinen ehemaligen Chef
Lefebvre an, der, um angeblich die notwendige (Jurisdiktions-)Autorität
in der Kirche installiert zu wissen, diese in dem Häretiker Wojtyla
verkörpert sehen wollte.
(12) Scholastische Termini, um den Unterschied von "der Wirklichkeit
nach" (in actu) und "der Möglichkeit nach" (in potentia) zu bezeichnen.
(13) Pivarunas und Dolan reihen sich mit ihrem Alleingang unrühmlich in
die selbstgefälligen Aktionen von Mgr. Guerard des Lauriers, Mgr.
Musey, Mgr. McKenna und später leider auch von Mgr.Carmona ein. Alle
haben die von ihnen vorgenommenen Konsekrationen nicht als Akte der
Gesamtkirche betrachtet, sondern nur als persönliche Entscheidungen. Im
Falle von Dolans Konsekration hatte ich neben dem Insinuieren auf einer
Sub-conditione-Priesterweihe auch brieflich Pivarunas gebeten, sich
wegen dieser Weihe auch mit den anderen Bischöfen abzustimmen. - Dieser
Dissenz, der hier seine Fortsetzung erfahren hat, ist das Hauptärgernis
für die Gläubigen, die es nicht verstehen können, warum sich angebliche
Verteidiger des gemeinsamen Glaubens nicht in den wesentlichsten
Aufgaben abstimmen konnten und noch immer nicht können. - Und welches
'Kapitel' Dolan aufzuschlagen im Begriffe ist, sollte allein schon aus
seinen oben gemachten Äußerungen hervorgehen.
(14) Unter diesem angeblichen 'Katholiken'-Hut können sich nur Leute
versammeln, die sämtliche gravierenden Unterschiede zwischen (wahren)
katholischen Christen und den Anhängern der Lefebvre-Sekte ignorieren.
Abgesehen von einer Reihe häretischer Positionen, die von den
Lefebvreisten hinsichtlich der Sakraments-Theologie und der Lehre über
die Konstitution der Kirche vertreten werden, abgesehen auch von der
leidigen Problematik hinsichtlich der Gültigkeit ihrer Weihen, bestehen
die econeistischen Sektierer darauf, (aus ihrer Sicht: rechtgläubiges)
Appendix der apostatischen Kirchenorganisation unter der Führung von
Mgr. Wojtyla zu sein bzw. zu bleiben. Diese gravierende Tatsache zu
übersehen, disqualifiziert sowohl Dolan und - wenn Mgr. Pivarunas
richtig zitiert wurde - auch diesen, als Bischöfe des katholischen
Widerstandes zu sprechen.
Einheit nur in der ungeteilten Wahrheit!
Aber alles und alle in einen Topf? Eintopf? Nein Danke!
Eberhard Heller |