Der hl. Ignatius von Antiochien
von
Eugen Golla
Er gehört wie der hl. Polykarp und der hl. Klemens von Rom zu den
apostolischen Vätern, jenen urchristlichen Autoren, die noch Schüler
oder Hörer der Apostel waren und die die empfangene Lehre ohne allen
wissenschaftlichen Apparat in Briefen weitergaben. Bedauerlich ist nur,
daß über das Leben des hl. Ignatius wenig bekannt ist, da als sichere
biographische Daten lediglich sein Episkopat und sein Martyrium
anzusehen sind. Alles übrige, das den Ignatius-Martyrien oder
Ignatius-Akten sowie den ältesten Biographen entnommen werden kann, ist
teilweise widersprüchlich. So ist z.B. weder das Jahr seiner Geburt
noch das seines Todes oder seiner Erhebung zum Bischof bekannt. Sicher
ist nur seine eyrische Abstammung. Sein Tod in der Arena beweist, daß
er nicht das römische Bürgerrecht besaß. In den Bereich der Legende
gehört die Erzählung, er sei jenes Kind gewesen, welches der Heiland
herbeirief und vor seine Jünger mit den Worten stellte: "Wenn ihr nicht
werdet wie die Kinder, so werdet ihr nimmermehr in das Himmelreich
eingehen." (...) Ein Wiederaufleben dieser Legende erfolgte durch die
gottselige Anna Katharina Emmerich, die das Leben und den Tod des
heiligen Ignatius in ihren Visionen sah. Fest steht jedoch, daß er
lange Zeit Bischof von Antiochien war, wobei es durchaus sein kann, daß
er von Paulus, vielleicht sogar von Petrus als Nachfolger des Evodius
eingesetzt wurde. Als ziemlich sicher gilt ferner sein Umgang mit dem
hl. Johannes, der von allen Aposteln am längsten lebte. Während
der Kirchenhistoriker Eusebius (+ 339) schreibt, Polykarp sei ein
Schüler des Lieblingsjüngers Jesu gewesen, fügt der hl Hieronymus (+
420) noch hinzu: "Et Ignatius Antiochenus" ("... der Antiochier
Ignatius").
Ignatius erwies sich im ausgehenden ersten Jahrhunderts während der
Christenverfolgung unter Kaiser Domitian als ein wahrer Hirte. Danach
folgten zwar einige Jahre der Ruhe. Aber unter Trajan, der zu den
umsichtigsten römischen Kaisern zählte und dessen Regierung ein Segen
für das Reich war, kam es dennoch durch aufgehetzte Volksmassen oder
eigenmächtige Anordnungen von Statthaltern zu lokalen Verfolgungen, in
denen viele Christen für ihren Glauben das Martyrium erlitten. In
Antiochia wurde eines ihrer Opfer - vielleicht das einzige - Ignatius,
der sich gewöhnlich seines zweiten Namens, Theophoros (d.i.
Gottesträger) bediente. In einer der Martyrer-Akten wird berichtet, er
sei im Jahre 107 vor den Kaiser gerufen worden, der damals zur
Vorbereitung eines Feldzuges gegen die Parther in Antiochia weilte. Als
er sich wegen seiner Tätigkeit als Bischof verantworten mußte,
bezeichnete er sich als jemanden, der Christus, den Gekreuzigten, im
Herzen trage, den einzigen Gott, da sämtliche Gottheiten der Heiden
nichts als Dämonen seien. Darüber ergrimmt, soll Trajan befohlen haben,
Ignatius in Ketten nach Rom zu bringen und dort den wilden Tieren
vorzuwerfen. Ob sich dies im Jahre 107 - dem Jahr, welches am
häufigsten angeführt wird - ereignete oder später (jedoch nicht nach
117, dem Todesjahr Trajans), ist ungeklärt. Auch zwingen Andeutungen in
den Briefen des Heiligen anzunehmen, daß er durch die
Provinzialbehörden und nicht durch den Kaiser verurteilt worden sei.
Sicher ist aber, daß er den Martertod in Rom erlitt, wahrscheinlich im
größten Amphitheater der Antike, dem damals noch neuen, prunkvoll mit
Marmor verkleideten Kolosseum.
Als kostbaren Schatz hinterließ der greise Bischof den kommenden
Geschlechtern seine nach dem Vorbild des Paulus abgefaßten sieben
Briefe, die er auf der Fahrt nach Rom schrieb. Von den in Smyrna
verfaßten waren drei an die kleinasiatischen Gemeinden in Ephesus, in
Magnesia und Trallas gerichtet, der vierte war für die Christen Roms
bestimmt. Während seines Aufenthaltes in Troas, im nordwestlichen
Kleinasien, entstanden die Briefe an die Gemeinden von Philadelphia und
Smyrna sowie jene Epistel an den hl. Polykarp, den Bischof der
letztgenannten Stadt. Sie zeugen nicht nur von christlichem Geist und
seiner glühenden Christus- und Hirtenliebe, sondern sie sind auch in
dogmengeschichtlicher Hinsicht besonders wertvoll. Dort, wo der hl.
Ignatius von einer drohenden Spaltung in den Christengemeinden, wie
z.B. in Philadelphia, erfuhr, lag ihm die Wiederherstellung der
Eintracht unter den Gläubigen sowie deren Unterordnung unter die
Hierarchie besonders am Herzen. So schrieb er: "Bemühet euch, nur eine
Eucharistie zu gebrauchen; denn nur eines ist das Fleisch unseres Herrn
Jesus Christus und nur ein Kelch zur Einheit seines Blutes, nur ein
Altar sowie ein Bischof mit dem Presbyterium und den Diakonen." Die
Magnesier lobt er wegen ihrer hervorragenden Disziplin, fügt aber
hinzu: "Ich hatte die Ehre, euch in der Person des Damas, eures
heiligen Bischofs, zu sehen. Sein jugendliches Alter soll euch kein
Vorwand für eine zu große Vertraulichkeit sein; es ist die Macht
Gottvaters, die ihr in vollem Maße in ihm verehren sollt." Er ist auch
der erste, welcher für den rechtlichen Zusammenschluß der
Einzelgemeinden den Ausdruck katholisch (allgemein, allumfassend)
gebraucht. Ignatius ist ferner einer der frühesten Zeugen für die
Gottesmutterschaft Mariens, so daß sich auf dem Konzil von Ephesus
deren Verteidiger auf ihn berufen konnten. Nicht dieses Konzil, sondern
Nestorius, der Bekämpfer der Mutterschaft Mariens, ist somit der
Neuerungssucht verfallen, weil er sich gegen die Tradition wandte, denn
schon Ignatius hatte an die Epheser geschrieben: "Unser Gott
Jesus Christus wurde nach Anordnung Gottes von Maria im Mutterschoß
getragen, stammend aus dem Geschlechte Davids und dem Heiligen Geiste."
Energisch wandte sich der Heilige auch gegen eine der frühesten
Häresien, den Doketismus, der behauptete, daß der Erlöser keine echt
menschliche Natur, sondern nur einen Scheinleib besaß, er folglich auch
nur scheinbar gelitten hätte. Es handelte sich hier um einen
Monphysitismus, der zu jener dualistischen Auffassung führte, die ihren
Höhepunkt etwa 100 Jahre später in der Gnosis fand. Nach dieser Lehre
ist die Materie der Sitz des Bösen, weshalb nach der Meinung der Gnosis
sich der göttliche Logos auch nicht mit einem menschlichen Leib
verbinden konnte.
Diese Briefe ermöglichen es auch, wenigstens teilweise die Fahrt des
heiligen Bischofs nach Rom zu rekonstruieren. In dem Brief an die
Römer, der bereits in seiner Überschrift den Vorrang der Ewigen Stadt
zum Ausdruck bringt, schreibt er: "Von Syrien bis Rom kämpfe ich mit
wilden Tieren, bei Tag und Nacht an zehn Leoparden gefesselt, eine
Soldatenabteilung nämlich, die auf erzeigte Wohltaten nur schlimmer
wird. Unter ihrer Mißhandlung werde ich immer mehr zum Jünger Christ."
Zugleich bittet er die römischen Christen, auf keinen Fall seine
Freilassung zu erwirken: "Wollet also nicht, ich bitte Euch, unzeitiges
Mitleid an mir zeigen. Laßt mich den Bestien zum Fraß sein! Ich bin ein
Weizenkorn Christi und muß von den Zähnen der wilden Tiere zermalmt
werden, um ein reines Brot Christi zu werden. Schmeichelt lieber den
Bestien, daß sie mein Grab werden, und nichts von meinem Leibe übrig
lassen, damit ich nach meinem Tode niemand mehr zur Last falle." In
Smyyrna durfte Ignatius das Schiff verlassen und den hl. Polykarp, den
Bischof dieser Stadt, besuchen sowie Boten mehrerer umliegender
Christengemeinden empfangen. Von Troas ging die Reise zu Lande über die
Via Egnatia, eine römische Militärstraße, nach Neapolis in Thrakien und
von dort über Philippi wahrscheinlich nach Dyrrachium an der Ostküste
des Adriatischen Meeres. Über die weitere Strecke bis Rom liegen keine
Berichte vor. Die begleitenden Wachen drängten auf eine schnelle Reise,
denn die Ankunft sollte noch vor dem Ende der im Amnphitheater
stattfindenden Festspiele erfolgen. Ignatius wurde augenblicklich von
zwei Löwen, die auf ihn losgelassen wurden, zerfleischt.
Als Tag des Martyriums wird meistens der 20. Dezember angenommen, den
auch die griechische Kirche als Gedenktag feiert, während unsere
Martyrologien für sein Fest den 1. Februar bestimmten. Die Reliquien
wurden an verschiedne Orte übertragen, das erstemal von Rom nach
Antiochien. Ein Großteil von ihnen befindet sich heute in San Clemente
in Rom. Die Kirche setze zu Ehren dieses frühchristlichen Martyrers
besondere Ehrungen fest. Nicht nur, daß sein Name in die Texte des
Meßritus aufgenommen wurde, genauer: in die "Bitten um die Gemeinschaft
der Heiligen", als Kommunionlied zu seinem Festtag dienen die so
großartigen und heroischen Worte aus seinem Brief an die Römer, deren
Wirklichkeit er an sich selbst erfahren hat: "Ich bin ein Weizenkorn
Christi und muß von den Zähnen der wilden Tiere zermalmt werden."
Benützte Literatur:
Bardenhewer Otto: "Geschite der altkirchlichen Literatur" Bd. 1, Darmstadt 1962.
Gamber, Klaus: "Zeugen des Herrn", Einsiedeln.
Pohle-Gierens: "Dogmatik", 2. u. 3. Bd., Paderborn 1937/1933.
Artikel "Ignatius" in: Stadtler, Joh. Ev.: "Vollständiges Heiligenlexikon in alphabet. Ordnung" 3. Bd., Augsburg 1869.
"Vies des Saints" Bd. 2, Paris 1936.
Wetzer und Welte: "Kirchenlexikon" 6. Band, Freiburg 1889.
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