FÜR DEN GEGENWÄRTIGEN AUGENBLICK
von
Gloria Riestra De Wolff
übersetzt von Annemarie Leutenbauer
Gib mir zu nehmen in meine Hände den Kelch der gegenwärtigen Stunde,
mit demselben Beben als ich ihn nähme,
wissend, es wäre die letzte. Gib zu liebkosen ihn mir mit eifrigem Sinne, um ihn zu füllen bis über den
Rand mit der Liebe zu Dir ...
Gib immer mehr mir zu wissen die Gröfle des Schatzes, den ich besitze,
in jeder Viertelminute, die schwindet;
möge, auf dafl es imstande, all seine Frucht zu erbringen, mein Denken nicht wenden sich ab von der
Ewigkeit herrlichen Schwelle ...
Gib anzusehen mir jeden Morgen und jeden Abend,
als wären's die letzten ...
Gib jeden Tag, diesen Tag, mir zu leben, als wären diese
schon all die Stunden, die mir noch bleiben,
um alles zu wirken, was mir noch fehlt...
Vor Dir, o Vater, fällt der Jahrhunderte Zahl
wie die verwelkten Blätter entkräfteter Margeriten...
Und wie die Wolken des Niederganges vergehet
in Deiner Gegenwart aller Zeiten flüchtige Spur ...
Herr der ganzen Ewigkeit Du, um mir sie zu übergeben,
wolltest hinein Du mir legen in sie den seltsamen Wert
meines Augenblicks, dieses gegenwärtigen Augenblicks ...
In diese kleine Pfütze von Zeit, die in der hohlen
Hand ich da halte, hast wollen schlieflen Du ein
im Widerschein der Verheiflung Deinen gesamten Himmel...
Möge mich denn verzehren die Gier nach meinen Stunden,
nach dieser Stunde, die mein ...
Daß nicht unbemerkt mir entschwinde die Gelegenheit
ungeheu'rer Gewinne, enthalten in meiner Handvoll Sekunden ...
Vollendung in Liebe sei meine gegenwärtige Stunde,
da ich ja wirklich nicht weiß,
ob nicht gleich jetzt
Du mir Einhalt gebietest...
Möge, auf dafl es imstande, all seine Frucht zu erbringen,
mein Denken nicht wenden sich ab
von der Ewigkeit
herrlichen
Schwelle! ...
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