ÜBER DAS GEBET
von
Makarius d. Gr. von Ägypten (390)
"Willst du beten, dann schaue in dein Herz und in deine Seele und sei
fest entschlossen, nur ein reines Gebet zu Gott emporsteigen zu lassen.
Wache sorgsam darüber, daß kein Hindernis dein Gebet unrein macht. Dein
Geist mufl so auf Gott konzentriert sein, wie der Landmann auf seinen
Acker, wie der Gatte auf seine Gattin. (...)
Unser Gebet braucht nicht mit irgendeiner überlieferten Gewohnheit zu
beginnen, weder mit einer bestimmten Körperhaltung, noch mit Schweigen
oder einer Gebetsverneigung. Wir müssen vielmehr in einer äußerst
gespannten Nüchternheit des Geistes wachen, um den Augenblick zu
spüren, in dem sich Gott uns nähert, die Seele auf seinen Wegen, durch
seine Einwirkung heimsucht. Weder Schweigen noch Schreien noch
Aufregung sind im Gebet notwendig, wenn der Geist wirklich an Gott
gefesselt ist. Die Seele mufl sich nur ganz frei machen für das
inständige Flehen und die Liebe zu Christus ohne Zerstreuung und
Abschweifung der Gedanken.
Das Höchste in unserem Mitwirken, das äußerste, was wir leisten können,
ist die Beharrlichkeit im Gebet. Durch sie können wir jeden Tag alle
Tugenden erwerben und von Gott erbitten. Die für die Vereinigung mit
der göttlichen Güte für würdig erfunden werden, erhalten von ihr durch
das Wirken des Heiligen Geistes einen geistigen Gedankenaustausch mit
Gott in einer unaussprechlichen Liebe. Wer sich Tag für Tag zur
Beharrlichkeit im Gebet zwingt, wird im Verlangen nach Gott durch
geistige Liebe geradezu verzehrt, entzündet durch sehnendes Schmachten
nach Gott, und er empfängt die geistige Gnade der vollendeten
Heiligkeit."
Makarius sprach auch dieses: "Der Geist, der die Gegenwart Gottes
vernachlässigt, gerät in Gemütswallungen und in leidenschaftliche
Gier." Er nannte das eine "tierisch" und das andere "teuflisch". Als
ich ihm mein Erstaunen darüber entgegenhielt, dafl der menschliche Geist
doch nicht immer bei Gott weilen könnte, sagte er: "Durch jeden
Gedanken und jede Handlung der Seele zur Ehre Gottes ist sie bei Gott."
(aus: "Kleine Philokalie - Belehrungen der Mönchsväter der Ostkirche
über das Gebet", hrsgg. von Matthias Dietz, Einsiedeln 1956, S. 24 ff.)
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