|
|
|
|
WAHLHILFE BESONDERER ART - |
|
WAHLHILFE BESONDERER ART -
SCHMIDBERGERS GEDANKEN ZU EINER
CHRISTLICHEN GESELLSCHAFTSORDNUNG
kommentiert von
Eberhard Heller
In seinem "Brief an die Freunde und Wohltäter" Nr. 45 vom 7. Oktober 1993 erläutert der Obere der
Ecóne-Bruderschaft, Franz Schmidberger, seine Gedanken für eine "auf die heutige Zeit angewandte"
(sic!) Gesellschaftsordnung, die wir Ihnen in einem Jahr, in welchem in Deutschland viele Wahlen
stattfinden, nicht vorenthalten wollen.
***
Liebe Freunde und Wohltäter!
Wie könnte eine christliche Gesellschaftsordnung auf die heutige Zeit angewandt ungefähr aussehen?
Lassen Sie uns dazu einige Marksteine jnJForrn von Axiomen setzen, die einzeln zu durchdenken und
zu entwickeln sind. Dabei orientieren wir uns am Naturrecnt, der Heiligen Schrift und nicht zuletzt
der Lehre der Päpstg, Staat und Gesellschaftjbetreffend.
1. Die christliche Gesellschaftsordnung gründet auf dem Naturrecht, das
seinerseits in jeden Menschen hineingelegt und objektiv in den 10
Geboten Gottes ausgedrückt ist. Sie weiß sich darüber hinaus der von
Gott allein gestifteten Religion, der heiligen Kirche, mit ihrem
Glaubensgut und ihrem Gnadenschatz verpflichtet; denn die
übernatürliche Heilsordnung ist für jeden einzelnen Menschen nach dem
Sündenfall absolut, für die Gesellschaft moralisch notwendig, selbst
zur Erlangung des rein natürlichen bonum commune, des Gemeinguts.
2. Die Gewalt in Staat und Gesellschaft geht nicht vom Volke, von der
Basis aus, sondern von Gott: "non est enim potestas nisi a Deo -_es
gibt keine Gewalt, die nicht von Gott käme" (Rom. 13,1). Folglich
bezeichnet das Volk in Wahlen allein diejenigen, die es regieren
sollen, verleiht ihnen aber nicht die Autorität; ebenso wenig kann es
Regierungen beliebig absetzen. Darüber hinaus gibt es legitime
Regierungen, die nicht aus Wahlen hervorgegangen sind, z.B. eine
Erbmonarchie.
3. Entspricht der heutige Grundsatz "jeder Wahlberechtigte hat ein und
dieselbe Stimme" (one man one vote) wirklich der Naturordnung? Ein
Familienvater hat mehr Verantwortung und normalerweise auch eine
tiefere Einsicht in das Wohl der Gesellschaft als sein eben volljährig
gewordener Sohn; ein Unternehmer mit tausend Angestellten trägt mehr
Verantwortung als sein jüngster Lehrling. Würde nicht ein wesentlich
auf die Familienoberhäupter abgestütztes Wahlrecht der Familie als
Zelle der Gesellschaft eine ganz andere Stellung verleihen?
4. Darüber hinaus kann man sich fragen, ob die Parteien wirklich zum
Wohl eines Volkes seien oder nicht vielmehr zu dessen Spaltung
beitragen. Könnten nicht an ihre Stelle jene christlichen Männer
treten, die sich durch sittliche Reife und Lebenserfahrung, durch
Gerechtigkeitssinn und Sorge um das Gemeinwohl auszeichnen?
5. Der Zentralismus führt zjyLeiriemaufgeblasenen Funktionärsapparat mit vielen Büros, zahlreichen
Formularen und vor allem zu anonymer Autorität. Der Föderalismus, die
gesellschaftlichen Zwischenkörper, das Prinzip der Subsidiarität und
vor allem die persönliche Verantwortung entsprechen weit mehr der
menschlichen Natur und damit dem Willen Gottes. Die letzte Ausgeburt
des Zentralismus ist der Internationalismus mit seiner Zerstörung der
eigenständigen Völker und Kulturen.
6. Eine christliche Gesellschaftsordnung anerkennt auf zivilem Gebiet
selbstverständlich die Eheschließung vor der Kirche, sie kennt
insbesondere keine zivile Ehescheidung. Die Unauflöslichkeit der Ehe
ist sogar einer ihrer Grundpfeiler. Folglich sagt sie dem Konkubinat
wie auch den vorehelichen und auflerehelichen Beziehungen den Kampf an.
Sie unterbindet den Vertrieb von empfängnisverhütenden Mitteln.
7. Ebenso verbannt sie die Gotteslästerung, Homosexualität und
Pornographie aus dem öffentlichen Leben; sie bestraft die Abtreibung
und verwirft die Euthanasie wie die Drogen. Auch schlieflt sie
Freimaurerlogen und verbietet Geheimgesellschaften.
8. Da es nur eine wahre, von Gott gestiftete Religion gibt, verbietet
sie falsche Religionen und Kulte, oder duldet sie allenfalls nach den
Regeln der Klugheit, ohne ihnen jemals ein Naturrecht auf Existenz
zuzugestehen. Der christliche Staat fördert nach Kräften das Wirken der
Kirche, er schützt und verteidigt sie, da das Verfolgen des zeitlichen
Gemeingutes ohne den göttlichen Glauben und die Gnade praktisch
unmöglich ist.
9. Welches ist dieses bonum commune, dieses Gemeingut? Es besteht
sicher nicht im materiellen Wohlstand, sondern in der Tugendhaftigkeit
der Bürger, der Ruhe in der Ordnung - dies ist nämlich das Wesen des
Friedens - im Inneren wie auch nach auflen.
10. Der christliche Staat schützt und fördert die Familie, insbesondere die kinderreiche; er unterstützt
das Schul- und Erziehungswesen, das primär in der Hand der Eltern und der Kirche liegt;
er fördert die Privatinitiative und den Grundbesitz, der dem Menschen wahren Freiheitsraum
einräumt und ihn vor gefährlichen Abhängigkeiten bewahrt.
11. Das Gute ist gut, das Böse böse zu nennen; die Tugend zu loben und zu belohnen, die Sünde
und das Laster zu bestrafen. Die Strafe hat zunächst einen vindikativen
(rächenden) Charakter, um die zerstörte Ordnung wiederherzustellen. Sie
birgt sodann in sich einen medizinischen Gesichtspunkt: sie will den
Verbrecher bessern, bekehren. Zu diesem Ziele hin bedarf es einer
gewissen zeitlichen Länge der Haft, noch mehr einer gediegenen
Gefängnisseelsorge mit Vorträgen, Exerzitien, Aussprachen und häufiger
Beichtgelegenheit.
12. Die Todesstrafe für Schwerstverbrecher (Mord, Drogenhandel) trägt diesen rächenden Charakter
in sich und führt viele Schuldige nach dem Zeugnis von
Gefängnisseelsorgern zur Bekehrung. Sie ist darüber hinaus ein
wichtiges Mittel der Abschreckung.
13. Schlufl mit der Tyrannei des Groflkapitals und,der Groflbanken! Geld ist und bleibt ein einfaches
Tauschmittel; es ist weder ein Ziel noch trägt es aus sich selbst
Früchte. Darum hat die Kirche zu allen Zeiten die Spekulation verboten.
14. Die Polarisierung von Arbeitgebern und Arbeitnehmern, mit
Gewerkschaften und Streiks, würde sinnvoll überwunden durch die Bildung
von Korporationen, d.h. von Zusammenschlüssen von Arbeitgebern und
Arbeitnehmern in einer Branche zur Verteidigung der gemeinsamen
Interessen.
15. Die Unternehmer sind allemal Väter ihrer Arbeiter. Sie haben diesen
nicht nur den gerechten Lohn zu bezahlen, sondern sind auch geistig, ja
sogar geistlich mitverantwortlich für diese. Sie haben also mit Sorge
zu tragen für deren Familien und[.ihnen bezüglich Meßbesuch und
Sakramentenempfang das gute Beispiel zu geben. Wäre es darüber hinaus
nicht sinnvoll, wenn ein christlicher Unternehmer sich am Morgen zu
Arbeitsbeginn mit seinen Angestellten vor dem Bildnis des gekreuzigten
Herrn oder des heiligsten Herzen Jesus versarnmelte um Arbeit und Mühe
des Tages Gott aufzuopfern und Seinen Segen auf das Werk herabzurufen?
16. Die Agrarwirtschaft ist die Grundlage eines jeden Landes. Unter
anderem haben jahrelange, einseitige Subventionen zu ‹berproduktion
geführt; als Folge werden jetzt Subventionen für das Brachliegenlassen
des Bodens bezahlt. Diese Vergünstigung der Unfruchtbarkeit ist
einmalig in der Menschheitsgeschichte und direkt entgegengesetzt dem
Befehl Gottes: "Wachset und mehret euch, erfüllet die Erde und macht
sie euch Untertan" (Gen. 1,28). Man kann also eine interessante
Parallele ziehen zwischen der staatlichen Förderung der Sterilität des
Bodens und der staatlichen Förderung der Sterilität in der Familie.
Auflerdem führt diese Politik notwendigerweise zur Zerstörung des
Familienbetriebs und zur Bildung von Agrarfabriken nach dem Beispiel
der Kolchosen.
17. Ein Volk ohne Wille zur Verteidigung seines Landes und dessen
Bewohner, seiner Grenzen und seiner Kultur, und insbesondere zur
Verteidigung des Glaubens und des Reiches Gottes gibt sich selbst auf.
Zwischen dem Missionar und dem Soldaten besteht ja eine enge
Verbindung: ersterer verkündet den Glauben und baut das Reich Gottes
auf, zweiterer verteidigt beides gegen innere und äußere Feinde. Der
Soldatenstand ist also in sich ehrbar; wir finden in ihm zahlreiche
Heilige: den hl. Sebastian, die thebäische Legion etc.
18. Zu einer christlichen Gesellschaftsordnung gehört insbesondere die
Liebe zur Erde, zur Natur, zum Volk, zur Arbeit, zur Heimat mit ihren
Bräuchen und Traditionen, zu ihrer Kultur und ihrer Geschichte. Die
Entwurzelung des Menschen, die Landflucht und das Gedränge in den
Großstädten mit ihren Wohnsilos ohne Kinderspielplätze und ohne Kontakt
zur Schöpfung des lieben Gottes sind nicht ein Segen, sondern einFluch.
Kommentar:
Auf den ersten Blick scheinen in den von Schmidberger aufgeführten 18
Punkten eine Reihe von Prinzipien für eine - so nach den Vorstellungen
des Autors - "auf die heutige Zeit angewaandte" "christliche
Gesellschaftsordnung" niedergelegt zu sein. D.h.: die dargestellten
"Axiome" sollen über die rein prinzipielle Ebene hinaus ‹berlegungen
enthalten, die auf die Gestaltung der heutigen Gesellschaft (so wie sie
sich Schmidberger vorstellt!) appliziert werden sollen. Die "Axiome"
betreffen mehrere Bereiche, die vom Autor als willkürlich
zusammengestellt erscheinen:
- Verhältnis von Recht und Moral (angeschnitten in Punkt 1),
- Staatsgewalt und Regierungsbildung (Punkte 2-4),
- Verwaltungsformen (Punkte 5),
- Verhältnis von Staat und Kirche (Punkte 6-8),
- Verhältnis von Staat, Bürger, Familie (Punkte 9-10),
- Strafrecht (Punkte 11-12),
- Bereich Arbeit (Punkte 14-16),
- Landesverteidigung (Punkt 17).
- Punkt 13 enthält eine Attacke gegen die Groflbanken und die
Spekulation. (N.b. ich möchte gerne wissen, ob Schmidberger als
ehemaliger Mitarbeiter des später als betrügerisch entlarvten
Investment-Finanzierungsgeschäftes IOS des Berni Kornfeld das
Riesenvermögen von Ecóne im sog. "Strumpf aufhebt.)
- Punkt 18 stellt einen Appell an die Liebe zur Erde, zur Natur und andere als wertvoll eingestufte Güter dar.
Bei näherem Hinsehen ist man allerdings überrascht, welch gedankliches
Tohuwabohu, zusammengesetzt aus philosophischen Versatzstücken,
exegetischen Sondermeinungen und Blauäugigkeit, sich in diesen
angeblichen "Marksteinen" präsentiert.
Schmidbergers 18 Programmpunkte können von zwei Gesichtspunkten aus kritisiert werden:
a) nach immanent-sachlogischen Kriterien,
b) nach dem grundsätzlichen Stellenwert, den solche Darstellungen
hinsichtlich der Bewältigung der heutigen Gesellschaftssituation haben.
Hier werden beide Aspekte betrachtet, da sich bei einer Reihe von Punkten der eine aus dem anderen ergibt.
Zur immanenten Beurteilung greife ich gleich den 1. Punkt heraus: Es
ist unsinnig zu behaupten, "die christliche Gesellschaftsordnung
gründe_auf dem Naturrecht", welches "objektiv in den 10 Geboten
ausgedrückt" sein soll. Wenn schon von einer christlichen
Gesellschaftsordnung die Rede sein soll, dann stützt sie sich auf
spezifische Derivate, die aus dem christlichen Glauben abgeleitet sind
zur Gestaltung einer Gesellschaft (in der spezifisch von Christus
gestellte Aufgaben - die nur Er hat stellen können! - realisiert werden
sollen), und erst in zweiter Linie auch auf Prinzipien des Naturrechts.
Das Naturrecht als solches umfaflt nämlich nur die allgemeinen
Rechtsgrundsätze und kann nicht auf rechtsrelevante Momente
rekurrieren, die durch den christlichen Glauben eingebracht werden. Die
10 Gebote sind Moralgesetze und nicht Ausdruck der
Naturrechtsprinzipien!
Wenn Schmidberger schon sein transzendentalphilosophisches Wissen,
welches er in München erworben hatte, eliminiert hat, dann hätte er
sich über diesen Sachverhalt zumindest bei den kirchlichen Autoren des
Naturrechts, dem hl. Ambrosius und dem hl. Augustinus, und den
katholischen Klassikern der Rechtsphilosophie des 16. und 17.
Jahrhunderts, dem hl. Cajetan und Franz Su·rez ("De legibus", 1612)
informieren können. Die beiden letzteren unterscheiden sehr genau
zwischen Rechts- und Moralprinzipien, wobei das Recht nicht von der
Moral getrennt, sondern in seiner Dignität ihr untergeordnet wird. In
Schmidbergers Darstellung jedenfalls werden Rechts- und Moralprinzipien
verwechselt und deren Dependenz zusätzlich noch falsch definiert.
Noch problematischer, ja höchst gefährlich ist das, was der Ecóne-Obere
unter Punkt 2-5 darlegt, weil es sich direkt auf die politische Praxis
der Gläubigen auswirkt bzw. auswirken könnte. Schmidberger behauptet
dort in der Tat, dafl die aus einer demokratischen Wahl hervorgegangene
Regierungjiie von Gott bezeichnete (Staats)Gewalt ist, da "alle Gewalt
von Gott ausgehe" (Rom. 13,1). Zugleich negiert er aber damit die
Grundlage dieses Wahlverfahrens, nämlich den in das Grundgesetz (GG)
der Bundesrepublik Deutschland aufgenommenen Artikel 20, Absatz 2,
wonach "alle Staatsgewalt vom Volk" ausgeht. Nicht nur, dafl diese
Konstruktion in sich widersprüchlich ist, Schmidberger behauptet damit
implizit, dafl z.B. ein Hitler die von Gott bezeichnete (legitime)
Staatsgewalt darstellen würde.
Abgesehen von der Frage, wie diese Paulus-Stelle im Römerbrief zu
verstehen ist, die leicht zum Stolperstein für staatspolitisch
verheerendes Fehlverhalten führen kann und bereits führte - so sieht
z.B. Allioli *) diesen Passus eher auf die historische Situation des
jüdischen Volkes unter römischer Verwaltung bezogen: man könnte ihn
auch so verstehen, dafl Gott der eigentliche Rechtsgrund der Gewalt
ist-, unterlegt Schmidberger die Idee des Papstwahlverfahrens den
Wahlen in demokratischen Staatsgebilden.
(Bei der Wahl eines Fapstes ist der aus der Wahl hervorgegangene Papst
der vom Heiligen Geist Bezeichnete für dieses Amt. Die wählenden
Kardinale dienen gleichsam als Bestimmungsinstrumente des Heiligen
Geistes.) Damit erhält das Wahlverfahren eines Staates und seiner
Rechtsverfassung, obwohl sie ausdrücklich leugnet, dafl die Gewalt von
Gott ausgehJM[vgJL Artikel 20,2 GG}- in Analogie zur vermittelten
Einfluflnahme Gottes auf die Leitung Seiner Kirche - dennoch einen
pseudo-religiösen Anstrich von Rechtfertigung! Und das ist dann auch
'klar': Hinsichtlich einer mittelbar von Gott bezeichneten Person
alsjGewaltenträger gibt es natürlich auch kein Widerstandsrecht, auch
wenn die Gewalt prinzipiell miflbraucht wird wie z.B. von einem Saddam
Hussein, der seine Kritiker einfach abschlachten läflt. Eine solche
Auffassung ist nicht nur irrsinnig, sondern auch im höchsten
Maß gefährlich, wenn Schmidbergers Auffassung von seinen Anhängern ernst genommen würde.
Damit würde nämlich jedes Widerstandsrecht und jede Widerstandspflicht
ad absurdum geführt, das Volk wäre zur Passivität verdammt. In dieser
Situation hilft nur eines: Entweder man stellt sich auf den Standpunkt
des demokratischen Staates und akzeptiert das bestehende Wahlrecht- und
-verfahren, d.h. man anerkennt: "alle Staatsgewalt geht vom Volke aus"
und verstöflt damit zugleich aber gegen°die jjchmidbergersche Exegese
von
Rom. 13,1, oder man wählt nicht, weil dieser Staat auf eine nicht zu
rechtfertigende Weise seine Regierung, d.h. seine Gewalt wählt.
Entsprechende Unkenntnis beweist Schmidberger auch hinsichtlich des
demokratischen Stimmrechts (one man one vote, ein Mann eine Stimme),
das auf dem Prinzip der Rechtsgleichheit beruht. Auch hier zeigt er
seine Unfähigkeit, zwischen Rechtsbereich und dem der Moral zu trennen.
Das muß verallgemeinern, die Moral den individuellen Handlungsraum im
Visier haben.
In den Bereich der dümmlichen Märchen gleitet das ab, was der
Econe-Obere schließlich zum Verhältnis von Arbeitgeber und Arbeitnehmer
sagt. Die normalen Arbeitsverhältnisse (im Berufsleben) sind durch
Verträge bestimmt, denen beide Seiten zugestimmt haben müssen und aus
denen sich für beide Parteien Rechte und Pflichten ergeben, auch
Sorgepflichten. Von verwandtschaftlichen oder verwandtschaftsähnlichen
Verhältnissen, auch im übertragenen Sinn ("Unternehmer sind allemal
Väter ihrer Arbeiter") kann nicht die Rede sein, zumal das
Arbeitsverhältnis nur einen partiellen Lebensbereich der
Vertragsparteien ausfüllt. Kein Arbeitnehmer erwartet von seinem
Arbeitgeber Beispielhaftigkeit hinsichtlich des Sakramentenempfanges,
hingegen erträgliche Arbeitsbedingungen, gerechten Lohn, gerechte
Behandlung und Anerkennung seiner Leistung. Eine religiös homogene
Gesellschaft gibt es in Deutschland schon seit mehreren Jahrhunderten
nicht mehr und eine sog. christlische Gesellschaft gibt es heute erst
recht nicht, wo jeder wirklich katholische Christ schon fast zum
"Outlaw" abgestempelt wird. Ein vom Urheber der "Axiome"
gewünschtes gemeinsames Beten, würde unter diesen Umständen im reinsten
Synkretismus enden. Es hilft niemandem, wenn Bilder von einer religiös
angeblich heilen und integralen Welt entworfen werden, die mit der
Wirklichkeit nichts, aber auch gar nichts zu tun haben, und die in
ihrer sog. Heilheit in sich noch höchst problematisch sind. Das, was
Schmidberger als "Marksteine" einer angeblich christlichen
Gesellschaftsordnung seinen Lesern anpreist, markiert bei näherem
Hinsehen nur sein Unwissen.
Man könnte so weiterfahren und noch sämtliche aufgeführten Punkte
analysieren, um dabei auf immanente Widersprüche, Fehlvorstellungen
oder schlichtes Unwissen zu stoßen. Es soll bei der obigen Kritik sein
Bewenden haben. Entscheidender nämlich als diese Defizite erscheint mir
der Tenor, der Schmidbergers Überlegungen zu Grunde liegt: das
Beschwören einer Welt, die es nicht gibt, die es so nie gab und auch
nicht geben wird. Anstatt sich mit einem kitischigen, religiös
süßlichen Abziehbildchen zu präsentieren, hätte sich der Econe-Chef -
man täusche sich da nicht: er verfügt über eine ganze Portion Macht und
Einfluß auf einfache Gemüter! - zumindest in politischer Hinsicht
seiner Verantwortung bewußt werden sollen. Er hätte z.B. auf Grund
einer nüchternen Lagebeschreibung aufzeigen sollen, wie es unter diesen
Gesellschaftszuständen - und die sind atheistisch, a-religiös,
pseudo-religiös, das Christentum befeindend, liberal, gleichgültig,
sozialistisch oder kapitalistisch eingefärbt - möglich ist, christliche
Prinzipien darin zu verwirklichen, und er hätte sagen sollen, an
welchen öffentlichen Aktivitäten es in dieser asozialen Welt es noch
erlaubt ist teilzunehmen. Das wäre sicherlich eine mühsamere Arbeit
gewesen, aber eine, die für manche sicherlich von Nutzen gewesen wäre.
Ich komme von der Idee nicht los, daß Schmidberger sich seine
christliche Gesellschaft nur als eine durch eine Laienschaft -
vornehmlich in der Landwirtschaft beschäftigt - erweiterte
Econe-Bruderschaft vorstellen kann, in der er der Inhaber der beiden
Gewalten (der beiden Schwerter) ist. Die Gefährlichkeit solcher
Darstellungen besteht letztlich darin, daß sie Geister und Bilder
beschwören, die völlig untauglich sind, die tatsächlichen Probleme zu
erkennen und zu meistern, die die Aktivitäten in die falsche Richtung
lenkt, ja die direkt davon abhalten, die Wirklichkeit als Aufgabe zu
betrachten, die nach Gottes Willen zu gestalten ist.
Anmerkung:
*) Vgl. "Biblia Sacra" Vulgatae editionis, übersetzt und mit kurzen
Anmerkungen erläutert von Dr. Franz Allioli - mit Approbation des
apostolischen Stuhles, 3. Bd., München und Landshut 1854, S. 534.
* * *
HINWEIS - Kloster Folleville in Frankreich:
Wie mir Rev. P. J.J. Squetino schrieb, bleibt das Kloster in Folleville
voraussichtlich bis September dieses Jahres geschlossen. Zwei Priester
der Gemeinschaft vom hl. V. Ferrer sind ernsthaft erkrankt - P. Daniel
Squetino muß sich sogar einer Operation in Argentinien unterziehen. Da
die pastoralen und schulischen Verpflichtungen in Mexiko Vorrang vor
der Arbeit in Europa haben, m¸ssen diese nun von den übrigen beiden
Priestern wahrgenommen werden. P. J.J. Squetino bittet für diese
Entscheidung um Verständnis. Sobald die beiden Priester wieder nach
Folleville zur¸ckgekehrt sind, werden wir Ihnen das mitteilen. (Die
Veröffentlichung der Nachrichten über Folleville in der letzten
EINSICHT haben sich mit dem oben erw‰hnten Brief überschnitten.)
|
|
|
|
|