54. Jahrgang Nr. 7 / Dezember 2024
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6. Nachruf auf Herrn Jean André Perlant
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8. ÜBER DAS GEBET
9. FÜR DEN GEGENWÄRTIGEN AUGENBLICK
10. Der hl. Ignatius von Antiochien
11. NACHRICHTEN, NACHRICHTEN, NACHRICHTEN
12. MITTEILUNGEN DER REDAKTION
WAHLHILFE BESONDERER ART -
 
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SCHMIDBERGERS GEDANKEN ZU EINER
CHRISTLICHEN GESELLSCHAFTSORDNUNG


kommentiert von
Eberhard Heller

In seinem "Brief an die Freunde und Wohltäter" Nr. 45 vom 7. Oktober 1993 erläutert der Obere der
Ecóne-Bruderschaft, Franz Schmidberger, seine Gedanken für eine "auf die heutige Zeit angewandte"
(sic!) Gesellschaftsordnung, die wir Ihnen in einem Jahr, in welchem in Deutschland viele Wahlen
stattfinden, nicht vorenthalten wollen.

***

Liebe Freunde und Wohltäter!

Wie könnte eine christliche Gesellschaftsordnung auf die heutige Zeit angewandt ungefähr aussehen?
Lassen Sie uns dazu einige Marksteine jnJForrn von Axiomen setzen, die einzeln zu durchdenken und
zu entwickeln sind. Dabei orientieren wir uns am Naturrecnt, der Heiligen Schrift und nicht zuletzt
der Lehre der Päpstg, Staat und Gesellschaftjbetreffend.

1. Die christliche Gesellschaftsordnung gründet auf dem Naturrecht, das seinerseits in jeden Menschen hineingelegt und objektiv in den 10 Geboten Gottes ausgedrückt ist. Sie weiß sich darüber hinaus der von Gott allein gestifteten Religion, der heiligen Kirche, mit ihrem Glaubensgut und ihrem Gnadenschatz verpflichtet; denn die übernatürliche Heilsordnung ist für jeden einzelnen Menschen nach dem Sündenfall absolut, für die Gesellschaft moralisch notwendig, selbst zur Erlangung des rein natürlichen bonum commune, des Gemeinguts.

2. Die Gewalt in Staat und Gesellschaft geht nicht vom Volke, von der Basis aus, sondern von Gott: "non est enim potestas nisi a Deo -_es gibt keine Gewalt, die nicht von Gott käme" (Rom. 13,1). Folglich bezeichnet das Volk in Wahlen allein diejenigen, die es regieren sollen, verleiht ihnen aber nicht die Autorität; ebenso wenig kann es Regierungen beliebig absetzen. Darüber hinaus gibt es legitime Regierungen, die nicht aus Wahlen hervorgegangen sind, z.B. eine Erbmonarchie.

3. Entspricht der heutige Grundsatz "jeder Wahlberechtigte hat ein und dieselbe Stimme" (one man one vote) wirklich der Naturordnung? Ein Familienvater hat mehr Verantwortung und normalerweise auch eine tiefere Einsicht in das Wohl der Gesellschaft als sein eben volljährig gewordener Sohn; ein Unternehmer mit tausend Angestellten trägt mehr Verantwortung als sein jüngster Lehrling. Würde nicht ein wesentlich auf die Familienoberhäupter abgestütztes Wahlrecht der Familie als Zelle der Gesellschaft eine ganz andere Stellung verleihen?

4. Darüber hinaus kann man sich fragen, ob die Parteien wirklich zum Wohl eines Volkes seien oder nicht vielmehr zu dessen Spaltung beitragen. Könnten nicht an ihre Stelle jene christlichen Männer treten, die sich durch sittliche Reife und Lebenserfahrung, durch Gerechtigkeitssinn und Sorge um das Gemeinwohl auszeichnen?

5. Der Zentralismus führt zjyLeiriemaufgeblasenen Funktionärsapparat mit vielen Büros, zahlreichen
Formularen und vor allem zu anonymer Autorität. Der Föderalismus, die gesellschaftlichen Zwischenkörper, das Prinzip der Subsidiarität und vor allem die persönliche Verantwortung entsprechen weit mehr der menschlichen Natur und damit dem Willen Gottes. Die letzte Ausgeburt des Zentralismus ist der Internationalismus mit seiner Zerstörung der eigenständigen Völker und Kulturen.

6. Eine christliche Gesellschaftsordnung anerkennt auf zivilem Gebiet selbstverständlich die Eheschließung vor der Kirche, sie kennt insbesondere keine zivile Ehescheidung. Die Unauflöslichkeit der Ehe ist sogar einer ihrer Grundpfeiler. Folglich sagt sie dem Konkubinat wie auch den vorehelichen und auflerehelichen Beziehungen den Kampf an. Sie unterbindet den Vertrieb von empfängnisverhütenden Mitteln.

7. Ebenso verbannt sie die Gotteslästerung, Homosexualität und Pornographie aus dem öffentlichen Leben; sie bestraft die Abtreibung und verwirft die Euthanasie wie die Drogen. Auch schlieflt sie Freimaurerlogen und verbietet Geheimgesellschaften.

8. Da es nur eine wahre, von Gott gestiftete Religion gibt, verbietet sie falsche Religionen und Kulte, oder duldet sie allenfalls nach den Regeln der Klugheit, ohne ihnen jemals ein Naturrecht auf Existenz zuzugestehen. Der christliche Staat fördert nach Kräften das Wirken der Kirche, er schützt und verteidigt sie, da das Verfolgen des zeitlichen Gemeingutes ohne den göttlichen Glauben und die Gnade praktisch unmöglich ist.

9. Welches ist dieses bonum commune, dieses Gemeingut? Es besteht sicher nicht im materiellen Wohlstand, sondern in der Tugendhaftigkeit der Bürger, der Ruhe in der Ordnung - dies ist nämlich das Wesen des Friedens - im Inneren wie auch nach auflen.

10. Der christliche Staat schützt und fördert die Familie, insbesondere die kinderreiche; er unterstützt

das Schul- und Erziehungswesen, das primär in der Hand der Eltern und der Kirche liegt;

er fördert die Privatinitiative und den Grundbesitz, der dem Menschen wahren Freiheitsraum
einräumt und ihn vor gefährlichen Abhängigkeiten bewahrt.

11. Das Gute ist gut, das Böse böse zu nennen; die Tugend zu loben und zu belohnen, die Sünde
und das Laster zu bestrafen. Die Strafe hat zunächst einen vindikativen (rächenden) Charakter, um die zerstörte Ordnung wiederherzustellen. Sie birgt sodann in sich einen medizinischen Gesichtspunkt: sie will den Verbrecher bessern, bekehren. Zu diesem Ziele hin bedarf es einer gewissen zeitlichen Länge der Haft, noch mehr einer gediegenen Gefängnisseelsorge mit Vorträgen, Exerzitien, Aussprachen und häufiger Beichtgelegenheit.

12. Die Todesstrafe für Schwerstverbrecher (Mord, Drogenhandel) trägt diesen rächenden Charakter
in sich und führt viele Schuldige nach dem Zeugnis von Gefängnisseelsorgern zur Bekehrung. Sie ist darüber hinaus ein wichtiges Mittel der Abschreckung.

13. Schlufl mit der Tyrannei des Groflkapitals und,der Groflbanken! Geld ist und bleibt ein einfaches
Tauschmittel; es ist weder ein Ziel noch trägt es aus sich selbst Früchte. Darum hat die Kirche zu allen Zeiten die Spekulation verboten.

14. Die Polarisierung von Arbeitgebern und Arbeitnehmern, mit Gewerkschaften und Streiks, würde sinnvoll überwunden durch die Bildung von Korporationen, d.h. von Zusammenschlüssen von Arbeitgebern und Arbeitnehmern in einer Branche zur Verteidigung der gemeinsamen Interessen.

15. Die Unternehmer sind allemal Väter ihrer Arbeiter. Sie haben diesen nicht nur den gerechten Lohn zu bezahlen, sondern sind auch geistig, ja sogar geistlich mitverantwortlich für diese. Sie haben also mit Sorge zu tragen für deren Familien und[.ihnen bezüglich Meßbesuch und Sakramentenempfang das gute Beispiel zu geben. Wäre es darüber hinaus nicht sinnvoll, wenn ein christlicher Unternehmer sich am Morgen zu Arbeitsbeginn mit seinen Angestellten vor dem Bildnis des gekreuzigten Herrn oder des heiligsten Herzen Jesus versarnmelte um Arbeit und Mühe des Tages Gott aufzuopfern und Seinen Segen auf das Werk herabzurufen?

16. Die Agrarwirtschaft ist die Grundlage eines jeden Landes. Unter anderem haben jahrelange, einseitige Subventionen zu ‹berproduktion geführt; als Folge werden jetzt Subventionen für das Brachliegenlassen des Bodens bezahlt. Diese Vergünstigung der Unfruchtbarkeit ist einmalig in der Menschheitsgeschichte und direkt entgegengesetzt dem Befehl Gottes: "Wachset und mehret euch, erfüllet die Erde und macht sie euch Untertan" (Gen. 1,28). Man kann also eine interessante Parallele ziehen zwischen der staatlichen Förderung der Sterilität des Bodens und der staatlichen Förderung der Sterilität in der Familie. Auflerdem führt diese Politik notwendigerweise zur Zerstörung des Familienbetriebs und zur Bildung von Agrarfabriken nach dem Beispiel der Kolchosen.

17. Ein Volk ohne Wille zur Verteidigung seines Landes und dessen Bewohner, seiner Grenzen und seiner Kultur, und insbesondere zur Verteidigung des Glaubens und des Reiches Gottes gibt sich selbst auf. Zwischen dem Missionar und dem Soldaten besteht ja eine enge Verbindung: ersterer verkündet den Glauben und baut das Reich Gottes auf, zweiterer verteidigt beides gegen innere und äußere Feinde. Der Soldatenstand ist also in sich ehrbar; wir finden in ihm zahlreiche Heilige: den hl. Sebastian, die thebäische Legion etc.

18. Zu einer christlichen Gesellschaftsordnung gehört insbesondere die Liebe zur Erde, zur Natur, zum Volk, zur Arbeit, zur Heimat mit ihren Bräuchen und Traditionen, zu ihrer Kultur und ihrer Geschichte. Die Entwurzelung des Menschen, die Landflucht und das Gedränge in den Großstädten mit ihren Wohnsilos ohne Kinderspielplätze und ohne Kontakt zur Schöpfung des lieben Gottes sind nicht ein Segen, sondern einFluch.

Kommentar:

Auf den ersten Blick scheinen in den von Schmidberger aufgeführten 18 Punkten eine Reihe von Prinzipien für eine - so nach den Vorstellungen des Autors - "auf die heutige Zeit angewaandte" "christliche Gesellschaftsordnung" niedergelegt zu sein. D.h.: die dargestellten "Axiome" sollen über die rein prinzipielle Ebene hinaus ‹berlegungen enthalten, die auf die Gestaltung der heutigen Gesellschaft (so wie sie sich Schmidberger vorstellt!) appliziert werden sollen. Die "Axiome" betreffen mehrere Bereiche, die vom Autor als willkürlich zusammengestellt erscheinen:

- Verhältnis von Recht und Moral (angeschnitten in Punkt 1),

- Staatsgewalt und Regierungsbildung (Punkte 2-4),

- Verwaltungsformen (Punkte 5),

- Verhältnis von Staat und Kirche (Punkte 6-8),

- Verhältnis von Staat, Bürger, Familie (Punkte 9-10),

- Strafrecht (Punkte 11-12),

- Bereich Arbeit (Punkte 14-16),

- Landesverteidigung (Punkt 17).

- Punkt 13 enthält eine Attacke gegen die Groflbanken und die Spekulation. (N.b. ich möchte gerne wissen, ob Schmidberger als ehemaliger Mitarbeiter des später als betrügerisch entlarvten Investment-Finanzierungsgeschäftes IOS des Berni Kornfeld das Riesenvermögen von Ecóne im sog. "Strumpf aufhebt.)

- Punkt 18 stellt einen Appell an die Liebe zur Erde, zur Natur und andere als wertvoll eingestufte Güter dar.

Bei näherem Hinsehen ist man allerdings überrascht, welch gedankliches Tohuwabohu, zusammengesetzt aus philosophischen Versatzstücken, exegetischen Sondermeinungen und Blauäugigkeit, sich in diesen angeblichen "Marksteinen" präsentiert.
Schmidbergers 18 Programmpunkte können von zwei Gesichtspunkten aus kritisiert werden:

a) nach immanent-sachlogischen Kriterien,

b) nach dem grundsätzlichen Stellenwert, den solche Darstellungen hinsichtlich der Bewältigung der heutigen Gesellschaftssituation haben.

Hier werden beide Aspekte betrachtet, da sich bei einer Reihe von Punkten der eine aus dem anderen ergibt.

Zur immanenten Beurteilung greife ich gleich den 1. Punkt heraus: Es ist unsinnig zu behaupten, "die christliche Gesellschaftsordnung gründe_auf dem Naturrecht", welches "objektiv in den 10 Geboten ausgedrückt" sein soll. Wenn schon von einer christlichen Gesellschaftsordnung die Rede sein soll, dann stützt sie sich auf spezifische Derivate, die aus dem christlichen Glauben abgeleitet sind zur Gestaltung einer Gesellschaft (in der spezifisch von Christus gestellte Aufgaben - die nur Er hat stellen können! - realisiert werden sollen), und erst in zweiter Linie auch auf Prinzipien des Naturrechts. Das Naturrecht als solches umfaflt nämlich nur die allgemeinen Rechtsgrundsätze und kann nicht auf rechtsrelevante Momente rekurrieren, die durch den christlichen Glauben eingebracht werden. Die 10 Gebote sind Moralgesetze und nicht Ausdruck der Naturrechtsprinzipien!

Wenn Schmidberger schon sein transzendentalphilosophisches Wissen, welches er in München erworben hatte, eliminiert hat, dann hätte er sich über diesen Sachverhalt zumindest bei den kirchlichen Autoren des Naturrechts, dem hl. Ambrosius und dem hl. Augustinus, und den katholischen Klassikern der Rechtsphilosophie des 16. und 17. Jahrhunderts, dem hl. Cajetan und Franz Su·rez ("De legibus", 1612) informieren können. Die beiden letzteren unterscheiden sehr genau zwischen Rechts- und Moralprinzipien, wobei das Recht nicht von der Moral getrennt, sondern in seiner Dignität ihr untergeordnet wird. In Schmidbergers Darstellung jedenfalls werden Rechts- und Moralprinzipien verwechselt und deren Dependenz zusätzlich noch falsch definiert.

Noch problematischer, ja höchst gefährlich ist das, was der Ecóne-Obere unter Punkt 2-5 darlegt, weil es sich direkt auf die politische Praxis der Gläubigen auswirkt bzw. auswirken könnte. Schmidberger behauptet dort in der Tat, dafl die aus einer demokratischen Wahl hervorgegangene Regierungjiie von Gott bezeichnete (Staats)Gewalt ist, da "alle Gewalt von Gott ausgehe" (Rom. 13,1). Zugleich negiert er aber damit die Grundlage dieses Wahlverfahrens, nämlich den in das Grundgesetz (GG) der Bundesrepublik Deutschland aufgenommenen Artikel 20, Absatz 2, wonach "alle Staatsgewalt vom Volk" ausgeht. Nicht nur, dafl diese Konstruktion in sich widersprüchlich ist, Schmidberger behauptet damit implizit, dafl z.B. ein Hitler die von Gott bezeichnete (legitime) Staatsgewalt darstellen würde.

Abgesehen von der Frage, wie diese Paulus-Stelle im Römerbrief zu verstehen ist, die leicht zum Stolperstein für staatspolitisch verheerendes Fehlverhalten führen kann und bereits führte - so sieht z.B. Allioli *) diesen Passus eher auf die historische Situation des jüdischen Volkes unter römischer Verwaltung bezogen: man könnte ihn auch so verstehen, dafl Gott der eigentliche Rechtsgrund der Gewalt ist-, unterlegt Schmidberger die Idee des Papstwahlverfahrens den Wahlen in demokratischen Staatsgebilden.

(Bei der Wahl eines Fapstes ist der aus der Wahl hervorgegangene Papst der vom Heiligen Geist Bezeichnete für dieses Amt. Die wählenden Kardinale dienen gleichsam als Bestimmungsinstrumente des Heiligen Geistes.) Damit erhält das Wahlverfahren eines Staates und seiner Rechtsverfassung, obwohl sie ausdrücklich leugnet, dafl die Gewalt von Gott ausgehJM[vgJL Artikel 20,2 GG}- in Analogie zur vermittelten Einfluflnahme Gottes auf die Leitung Seiner Kirche - dennoch einen pseudo-religiösen Anstrich von Rechtfertigung! Und das ist dann auch 'klar': Hinsichtlich einer mittelbar von Gott bezeichneten Person alsjGewaltenträger gibt es natürlich auch kein Widerstandsrecht, auch wenn die Gewalt prinzipiell miflbraucht wird wie z.B. von einem Saddam Hussein, der seine Kritiker einfach abschlachten läflt. Eine solche Auffassung ist nicht nur irrsinnig, sondern auch im höchsten
Maß gefährlich, wenn Schmidbergers Auffassung von seinen Anhängern ernst genommen würde.

Damit würde nämlich jedes Widerstandsrecht und jede Widerstandspflicht ad absurdum geführt, das Volk wäre zur Passivität verdammt. In dieser Situation hilft nur eines: Entweder man stellt sich auf den Standpunkt des demokratischen Staates und akzeptiert das bestehende Wahlrecht- und -verfahren, d.h. man anerkennt: "alle Staatsgewalt geht vom Volke aus" und verstöflt damit zugleich aber gegen°die jjchmidbergersche Exegese von
Rom. 13,1, oder man wählt nicht, weil dieser Staat auf eine nicht zu rechtfertigende Weise seine Regierung, d.h. seine Gewalt wählt.

Entsprechende Unkenntnis beweist Schmidberger auch hinsichtlich des demokratischen Stimmrechts (one man one vote, ein Mann eine Stimme), das auf dem Prinzip der Rechtsgleichheit beruht. Auch hier zeigt er seine Unfähigkeit, zwischen Rechtsbereich und dem der Moral zu trennen. Das muß verallgemeinern, die Moral den individuellen Handlungsraum im Visier haben.

In den Bereich der dümmlichen Märchen gleitet das ab, was der Econe-Obere schließlich zum Verhältnis von Arbeitgeber und Arbeitnehmer sagt. Die normalen Arbeitsverhältnisse (im Berufsleben) sind durch Verträge bestimmt, denen beide Seiten zugestimmt haben müssen und aus denen sich für beide Parteien Rechte und Pflichten ergeben, auch Sorgepflichten. Von verwandtschaftlichen oder verwandtschaftsähnlichen Verhältnissen, auch im übertragenen Sinn ("Unternehmer sind allemal Väter ihrer Arbeiter") kann nicht die Rede sein, zumal das Arbeitsverhältnis nur einen partiellen Lebensbereich der Vertragsparteien ausfüllt. Kein Arbeitnehmer erwartet von seinem Arbeitgeber Beispielhaftigkeit hinsichtlich des Sakramentenempfanges, hingegen erträgliche Arbeitsbedingungen, gerechten Lohn, gerechte Behandlung und Anerkennung seiner Leistung. Eine religiös homogene Gesellschaft gibt es in Deutschland schon seit mehreren Jahrhunderten nicht mehr und eine sog. christlische Gesellschaft gibt es heute erst recht nicht, wo jeder wirklich katholische Christ schon fast zum "Outlaw" abgestempelt wird. Ein vom Urheber der "Axiome"  gewünschtes gemeinsames Beten, würde unter diesen Umständen im reinsten Synkretismus enden. Es hilft niemandem, wenn Bilder von einer religiös angeblich heilen und integralen Welt entworfen werden, die mit der Wirklichkeit nichts, aber auch gar nichts zu tun haben, und die in ihrer sog. Heilheit in sich noch höchst problematisch sind. Das, was Schmidberger als "Marksteine" einer angeblich christlichen Gesellschaftsordnung seinen Lesern anpreist, markiert bei näherem Hinsehen nur sein Unwissen.

Man könnte so weiterfahren und noch sämtliche aufgeführten Punkte analysieren, um dabei auf immanente Widersprüche, Fehlvorstellungen oder schlichtes Unwissen zu stoßen. Es soll bei der obigen Kritik sein Bewenden haben. Entscheidender nämlich als diese Defizite erscheint mir der Tenor, der Schmidbergers Überlegungen zu Grunde liegt: das Beschwören einer Welt, die es nicht gibt, die es so nie gab und auch nicht geben wird. Anstatt sich mit einem kitischigen, religiös süßlichen Abziehbildchen zu präsentieren, hätte sich der Econe-Chef - man täusche sich da nicht: er verfügt über eine ganze Portion Macht und Einfluß auf einfache Gemüter! - zumindest in politischer Hinsicht seiner Verantwortung bewußt werden sollen. Er hätte z.B. auf Grund einer nüchternen Lagebeschreibung aufzeigen sollen, wie es unter diesen Gesellschaftszuständen - und die sind atheistisch, a-religiös, pseudo-religiös, das Christentum befeindend, liberal, gleichgültig, sozialistisch oder kapitalistisch eingefärbt - möglich ist, christliche Prinzipien darin zu verwirklichen, und er hätte sagen sollen, an welchen öffentlichen Aktivitäten es in dieser asozialen Welt es noch erlaubt ist teilzunehmen. Das wäre sicherlich eine mühsamere Arbeit gewesen, aber eine, die für manche sicherlich von Nutzen gewesen wäre.

Ich komme von der Idee nicht los, daß Schmidberger sich seine christliche Gesellschaft nur als eine durch eine Laienschaft - vornehmlich in der Landwirtschaft beschäftigt - erweiterte Econe-Bruderschaft vorstellen kann, in der er der Inhaber der beiden Gewalten (der beiden Schwerter) ist. Die Gefährlichkeit solcher Darstellungen besteht letztlich darin, daß sie Geister und Bilder beschwören, die völlig untauglich sind, die tatsächlichen Probleme zu erkennen und zu meistern, die die Aktivitäten in die falsche Richtung lenkt, ja die direkt davon abhalten, die Wirklichkeit als Aufgabe zu betrachten, die nach Gottes Willen zu gestalten ist.

Anmerkung:

*) Vgl. "Biblia Sacra" Vulgatae editionis, übersetzt und mit kurzen Anmerkungen erläutert von Dr. Franz Allioli - mit Approbation des apostolischen Stuhles, 3. Bd., München und Landshut 1854, S. 534.

* * *

HINWEIS - Kloster Folleville in Frankreich:

Wie mir Rev. P. J.J. Squetino schrieb, bleibt das Kloster in Folleville voraussichtlich bis September dieses Jahres geschlossen. Zwei Priester der Gemeinschaft vom hl. V. Ferrer sind ernsthaft erkrankt - P. Daniel Squetino muß sich sogar einer Operation in Argentinien unterziehen. Da die pastoralen und schulischen Verpflichtungen in Mexiko Vorrang vor der Arbeit in Europa haben, m¸ssen diese nun von den übrigen beiden Priestern wahrgenommen werden. P. J.J. Squetino bittet für diese Entscheidung um Verständnis. Sobald die beiden Priester wieder nach Folleville zur¸ckgekehrt sind, werden wir Ihnen das mitteilen. (Die Veröffentlichung der Nachrichten über Folleville in der letzten EINSICHT haben sich mit dem oben erw‰hnten Brief überschnitten.)

 
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