DER HEILIGE FRANZ VON SALES
von
Eugen Golla
Einem alten Adelsgeschlecht entstammend, wurde Franz 1567 auf dem
Schloß Sales in Savoyen geboren. Seine tieffromme Mutter führte ihn
bereits in früher Kindheit in die Grundlehren des Glaubens ein, und es
bereitete ihm Freude, das Gelernte den Kindern im Dorf
weiterzuvermitteln. Wegen der Nähe zu Genf lernte er auch frühzeitig
die religiösen Auseinandersetzungen mit den verschiede-nen
reformatorischen Bekenntnissen kennen, besonders mit den Kalvinisten,
was zur Folge hatte, daß er an jedem nicht-katholischen Besucher in
seinem Elternhaus Bekehrungsversuche unternahm.
Seine Studien begann er in Paris auf dem von den Jesuiten geleiteten
Kollegium Clermont. Unter der Aufsicht eines Priesters, der ihn
begleitete, genoß er zwar eine gewisse Freizügigkeit, um dem Wunsche
seines Vaters zu entsprechen, sich in vornehmer Gesellschaft zu
bewegen, ohne sich dadurch von dem intensiven Studium der Rhetorik, der
Philosophie und auch der Theologie abhalten zu lassen. Sein religiöses
Leben wurde geprägt durch seine Mitgliedschaft in der Marianischen
Kongregation, durch tägliche einstündige Meditationen sowie das Ablegen
des Gelübdes ewiger Keuschheit.
Im Alter von 17 Jahren mußte er eine schwere Prüfung bestehen. Bohrende
Zweifel plagten ihn: so glaubte er, nicht im Stand der Gnade zu sein.
Dieser Zustand setzte sich fort in einer nicht minder trostlosen
geistigen Trockenheit, die schließlich seinen Seelenfrieden soweit
zerstörte, daß er meinte, für die Hölle bestimmt zu sein. Als er einst
in einer Kirche inbrünstig betete, es möge ihm doch we-nigstens die
Gnade verliehen werden, hier auf Erden Gott mit aller Innigkeit zu
lieben, wenn er schon im Jenseits verstoßen sein sollte, kehrte der so
ersehnte Frieden zurück. Aufgrund dieser schrecklichen Zweifel in
seiner Jugend fühlte er für sein ganzes weiteres Leben ein besonderes
Mitleid mit denen, die ebenso litten.
Nach der Rückkehr in seine Familie bestimmte ihn der Vater, dessen
Absicht es war, seinen Sohn im gehobenen Staatsdienst unterzubringen,
Rechtswissenschaft an der Universität Padua zu studieren. Franz
hatte das Glück, dort als geistlichen Führer den Pater Possevino S.J.
zu finden. Der als Gelehrter, Pädagoge und Diplomat hervorragende Mann
war einige Jahre zuvor von Papst Gregor XIII. beauftragt worden, die
allerdings ergebnislos gebliebene Wiedervereinigung Schwedens und
Rußlands mit der Kirche zu versuchen. Bekannt ist, wie Possevino von
Zar Iwan dem Schrecklichen mit dessen mit einer Spitze versehenen
Zepter (das dieser wenige Monate zuvor dazu verwandt hatte, um seinen
Sohn zu töten) bedroht wurde, als er sich in eine freimütige Diskussion
mit dem Zaren eingelassen hatte.
Neben dem Studium der Rechte, das er mit dem Doktorat abschloß, widmete
sich Franz in Padua auch eifrig der Theologie, so daß er dort beiden
Wissenschaften jeden Tag vier Stunden widmete. Nach seiner Rückkehr in
die Heimat nahm er in Chambery die Stelle eines Advokaten beim Senat
von Savoyen an. Damit sollte eigentlich eine vielversprechende Laufbahn
beginnen. Doch die Arbeit als Advokat vermochte ihn nicht zu
befriedigen: immer stärker wurde ihm bewußt, daß er zum geistlichen
Stand berufen sei. Um sich darüber endgültig Klarheit zu verschaffen,
vertraute er sich seinem Vetter, dem Domherrn Louis de Sales, an, der
ihm dann die päpstliche Ernennung zum Dompropst von Genf verschaffte.
Infolge des Glaubensabfalls von Genf war die Residenz des Bischofs von
Genf nach Annecy verlegt worden. Schweren Herzens willigte der Vater
ein. Im Jahre 1593 erhielt Franz die Priesterweihe.
Der neue Dompropst erhielt bald Gelegenheit, seinen missionarischen
Eifer unter Beweis zu stellen. Es handelte sich darum, die zum Bistum
gehörende Provinz Chablais, die im 16. Jahrhundert zum Spielball
zwischen dem Königreich Frankreich, dem Herzogtum Savoyen und dem
Kanton Bern geworden war, für den katholschen Glauben wiederzugewinnen.
In Begleitung seines Vetters durchzog er zu Fuß mit einem Stock in der
Hand das Gebiet von Thonon, in dem den beiden die überzeugt
hugenottische Bevölkerung nicht nur mit Mißtrauen und Spott begegnete,
sondern sie auch mit dem Tode bedrohte. In den Dörfern verkaufte man
den Missionaren außerdem keine Lebensmittel. Einmal mußte Franz mitten
im Winter in einem Backofen übernachten, das andere Mal sogar
halberstarrt auf einem Baum. Nach Ablauf des ersten halben Jahres hatte
er kaum jemanden zur Konversion führen können. Erst als er begann,
handschriftlich verfertigte Blätter über die katholische Glaubenslehre
an öffentlichen Plätzen anheften zu lassen und selbst drei- bis viermal
täglich Vorträge zu halten, zu denen er zusätzlich die kalvinistischen
Prediger zum öffentlichen Disputieren einlud (was diese jedoch meist
ausschlugen), stellten sich allmählich die ersten Früchte seiner
Bemühungen ein. Schließlich schworen auch einige prominente Bewohner
öffentlich dem Kalvinismus ab.
Damals beauftragte ihn Papst Klemens VIII. zudem, den in Genf wohnenden
Nachfolger Calvins, Theodor Beza, zu bekehren, der trotz seines hohen
Alters noch immer als einer der fähigsten Gegner galt. Zwar konnte er
im sog. "protestantischen Rom" im Geheimen die Sakramente spenden, die
Gespräche mit Beza verliefen jedoch ergebnislos. Während Franz weiter
im Chablais missionierte, entschloß sich sein Bischof, ihn zum
Koadjutor zu ernennen. Im November 1598 begab sich Franz nach Rom, wo
ihn der Papst öffentlich den "Apostel des Chablais" nannte und ihm die
Bischofsweihe erteilte. Es war eine besondere Auszeichnung, daß der
Papst persönlich den Vorsitz beim Bischofsexamen führte, der so das
profunde Wissen des Prälaten öffentlich bekannt machen wollte. Unter
den Anwesenden befanden sich auch die beiden Zierden des damaligen
Kardinalkollegiums, die bedeutendsten Kontroverstheologen ihrer Zeit,
Robert Bellarmin und der Kirchenhistoriker Cäsar Baronius, mit dem
Franz später Freundschaft schloß.
Nach dem Frieden von Lyon zwischen Frankreich und Savoyen (1601) konnte
Franz sein Bekehrungswerk in der Diözese Genf festigen und erweitern,
zumal nun auch der Herzog von Savoyen die Re-Katholisierung in seinen
Gebieten mittels gesetzlicher Bestimmungen unterstützte. Es konnten
daraufhin eine Reihe von Pfarreien errichtet werden, so z.B. im
Chablais allein 26. Insgesamt führte Franz von Sales im Laufe der Jahre
im Raum südlich des Genfer Sees etwas 70.000 Seelen zur katholischen
Kirche zurück. Trotz seiner Güte und Milde war er dennoch ein Kind
seiner Zeit, welche von Religionskriegen geprägt war. Er lehnte daher
die Unterstützung der staatlichen Hilfe bei seinem Bekehrungswerk auch
nicht vollständig ab: Als daher nach dem Frieden die Genfer zwei
Dörfern kalvinistische Prediger aufgenötigt hatten, begleitete er
persönlich die Soldaten, die beauftragt waren, Gewalt mit Gewalt zu
vergelten.
Nach dem 1602 erfolgten Tod seines Bischofs mußte er als sein
Nachfolger sämtliche Verpflichtungen eines Oberhirten übernehmen,
insbesondere die strenge Durchführung der Beschlüsse des Konzils von
Trient. Er hielt daher Bischofssynoden ab, visitierte die 590 Pfarreien
seiner Diözese und hielt zahlreiche Predigten. Seine besondere Sorge
galt der Heranbildung eines einsatzwilligen, religiös engagierten
Weltklerus mit profunden theologischen Kenntnissen. Immer wieder wies
er darauf hin, daß gerade infolge der Unwissenheit und der Zucht- bzw.
Disziplinlosigkeit der Priester die Reformation den besten Nährboden
erhalten habe. Die Reformation hatte u.a. auch deshalb Erfolg, weil die
Kleriker in theologischen Auseinandersetzungen nicht Rede und Anwort
hatten stehen und weil ihr persönliches Leben den Gläubigen nicht
gerade als Vorbild hatte dienen können.
Sein Seeleneifer veranlaßte ihn, auch außerhalb seiner Diözese zu
predigen. Während der Fastenpredigten zu Dijon lernte er 1604 die
Baronin Johanna Franziska Fréymont von Chantal kennen, seit 1601 Witwe,
die sich ganz dem Gebet, den Werken der Nächstenliebe und der Erziehung
ihrer vier Kinder widmete. Er wurde ihr Seelenführer. Ein reger
Briefwechsel belegt den intensiven Kontakt zwischen den beiden. Da sie
sich allen seinen Anweisungen in tiefer Demut unterwarf, wurde sie so
Ausdruck des salesianischen Frömmigkeitsideals. 1607 erklärte ihr
Franz, Gott habe sie bestimmt, einen Orden zu errichten. Drei Jahre
später, nachdem sie die Versorgung ihrer Kinder geregelt hatte,
gründete sie nach den Vorstellungen und Angaben ihres Seelenführers den
Orden "Von der Heimsuchung Mariä" (den Orden der Salesianerinnen), der,
um die Kranken und Armen besuchen zu können, nicht einer strengen
Klausur unterworfen sein sollte. Dem heftigen Widerstand gegen die
Lockerung der gewohnten Ordensregeln gab er schließlich nach, was zur
Folge hatte, daß sich die "Salesianerinnen" statt der Krankenpflege der
Erziehung der weiblichen Jugend widmeten. Franz dachte selbst auch
daran, eine Männerkongregation nach Art der "Heimsuchung" zu gründen.
Diese Idee konnte er zwar selbst nicht mehr realisieren. Aber Don Bosco
verlieh dem von ihm 1857 gegründeten Orden, der Kongregation "Societas
Sancti Francisci Salesii" den Namen seines großen Vorbildes.
Die in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts sich entwickelnde
Erneuerungsbewegung der Kirche brachte gleichzeitig infolge einer
starken mystischen Bewegung eine Reihe hervorragender Werke der
religiösen Literatur hervor, die dazu beitrugen, daß dieses Jahrhundert
das goldene Zeitalter der französischen Literatur genannt wird. Franz
von Sales, der Christentum und Humanismus in sich vereinigte, gehörte
zu den bekanntesten Autoren asketischer Schriften. In seinem
bekanntesten und zugleich populärsten Werk, der "Philothea", einer
Anleitung zum frommen Leben, will er mit seiner tiefen Kenntnis des
menschlichen Herzens den gläubigen Laien einen Weg zur Nachfolge
Christi, wie er bisher nur den Mönchen vorgezeichnet war, aufzeigen. Er
empfiehlt nicht auffallende Bußwerke, legt keinen Wert auf "süße"
Gefühle beim Beten, ist aber trotz seiner Milde in Fragen des
Gewissen unnachgiebig. Denn er wollte sich nicht der Zeit anpassen,
sondern vielmehr auf sie einwirken.
In seinem Plan zur Seelenläuterung verlangt er nicht nur die Reinigung
von jeder Todsünde, sondern auch von jedem Hang zu irgendeiner
läßlichen Sünde, die zur Gewohnheit geworden ist: "Diese Anhänglichkeit
an Sünden ist der Frömmigkeit geradeso entgegengesetzt, wie die
Todsünde der Gottesliebe. Sie schwächt die Seelenkräfte, verhindert die
Freude am Göttlichen, öffnet der Versuchung Tür und Tor; wird auch die
Seele durch sie nicht tot, so doch schwer krank." (Philothea 1,22).
Konsequenterweise schloß er sich daher den Anschauungen der im 16.
Jahrhundert entstandenen Reform-Orden an, welche für den Empfang der
täglichen Kommunion verlangten, auch frei von der Anhänglichkeit an nur
läßliche Sünden zu sein. Doch Franz geht noch weiter: er fordert für
die echte Gottesliebe, auch den unnützen Dinge zu entsagen, die nur der
Unterhaltung dienen. So schreibt er in (Philothea 1,23): "Spiele und
Tänze, Gastmähler, Festlichkeiten und Schauspiele, all das ist seinem
Wesen nach nicht schlecht, sondern gleichgültig. Aber es ist gefährlich
und noch gefährlicher ist die Liebe dafür. Ich wiederhole: Wenn es auch
erlaubt ist, zu spielen, zu tanzen, sich zu schmücken, anständige
Theaterstücke anzusehen, an Festmählern teilzunehmen, so ist es doch
der Frömmigkeit entgegen und sehr schädlich, dafür Vorliebe zu hegen.
Es ist nicht schlecht, das zu tun, aber es ist schlecht, daran zu
hängen." Schließlich warnt er davor, Charakterfehler leicht zu nehmen,
unter denen er z.B. den Hang zur Traurigkeit, zum Leichtsinn, zur
Widerspenstigkeit und zum Zorn anführt.
Die "Philothea" hätte eine noch größere Verbreitung gefunden, wenn
nicht in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts der Jansenismus das
religiöse Leben stark beeinflußt hätte. An weiter Fortgeschrittene
wendet sich die Abhandlung "Theotimus", die von der Liebe Gottes
handelt. Sie hat zum Hauptthema Gottes Liebesangebot, seine Entstehung,
sein Fortschreiten und seine Äußerungen. Die Gedanken zu diesem Werke
entstammen Franzens Vorträgen, die er für die Schwestern der
"Heimsuchung" gehalten hatte.
Obwohl schon längere Zeit leidend, kannte er keine Schonung. Im
November 1622 mit der Visitation von den Klöstern der Heimsuchung
beschäftigt - zuletzt in Lyon -, erlag er in dieser Stadt am 28.
Dezember 1622 im Alter von erst 55 Jahren einem Schlaganfall. Schon
unmittelbar nach seinem Tod wurden alle seine persönlichen Gegenstände
wie Reliquien verehrt und er selbst wie ein Heiliger.
Die Seligsprechung erfolgte bereits im Jahre 1661. Unter großen
Feierlichkeiten fand vier Jahre später die Kanonisation statt. 1877
wurde dem hl. Franz von Sales von Papst Pius IX. der Titel eines
Kirchenlehrers verliehen. Da auf seinen Todestag das Fest der
Unschuldigen Kinder fällt, die er sehr verehrte, verlegte man sein Fest
auf den 29. Januar, den Jahrestag der Übertragung seiner Reliquien nach
Annecy.
***
Quellenangabe:
Pastor, Ludwig: "Geschichte der Päpste", Bd. 11 und 12, Freiburg 1927.
Reisinger, Franz: "Selbstüberwindung in der Schule des hl. Franz v. Sales", Franz-von-Sales-Hefte Nr. 3, Eichstätt 1950.
Artikel "Franz v. Sales" in: Nigg, Walter: "Große Heilige", Zürich 1947.
Stadler, Joh. Ev.: "Vollständiges Heiligenlexikon in alphabet. Ordnung", 2. Bd., Augsburg 1861.
"Vies des Saints" Bd. 1, Paris 1935.
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