DER HL. MARTIN
Papst und Märtyrer - Fest 12. November
von
Eugen Golla
Papst Martin, über dessen Leben vor seiner Wahl zum Pontifex wir wenig
wissen, stammte aus Todi in der Toskana. Vor seiner Erhebung auf den
Stuhl Petri war er Apokrisiar, d.h. päpstlicher Gesandter, am
byzantinischen Kaiserhof, wobei er Gelegenheit hatte, auch die
Einrichtungen und speziellen Gebräuche der Ostkirche genau
kennenzulernen.
649 wurde er zum Nachfolger von Papst Theodor I. gewählt. Ohne die
übliche, wenn auch nach kirchlichem Rechte keinesfallls erforderliche
Bestätigung des in Konstantinopel residierenden Kaisers abzuwarten,
ließ sich der selbstbewußte und energische Mann konsekrieren -
wahrscheinlich, um die Unabhängigkeit des päpstlichen Stuhles vom
byzantinischen Reich zu demonstrieren, was allerdings wenige Jahre
später dem Kaiser als Vorwand diente, grausam gegen ihn vorzugehen.
Im Jahre 451 hatte das Konzil von Chalkedon klar die Einheit von
göttlicher und menschlicher Natur in Christus bekannt: "Wir bekennen
einen und denselben Christus, den Sohn, den Herrn, den Eingeborenen,
der in zwei Naturen unvermischt, unverwandelt, ungetrennt und
ungesondert besteht. Niemals wird der Unterschied der Naturen wegen der
Einigung aufgehoben, es wird vielmehr die Eigentümlichkeit einer jeden
Natur bewahrt, indem beide in eine Person zusammenkommen."
(Neuner-Roos, Nr. 252) Dennoch wurden im Osten die christologischen
Streitigkeiten fortgesetzt, was zu Spaltungen führte, die schließlich
den Weiterbestand des Oströmischen Reiches in Frage stellten, als es zu
Beginn des 7. Jahrhunderts gegen die Perser Krieg führen mußte und kurz
danach der Islam seinen Siegeszug antrat. In dieser Notlage verfaßte
Patriarch Sergios, ein treuer Anhänger des Kaisers, eine
Kompromißformel gemäß welcher Christus zwar zwei Naturen, aber nur
einen einzigen Willen und zwar einen göttlichen, besitze. Diese Lehre,
die letzte der großen Irrlehren auf dem Gebiete der Christologie seit
Arius, wurde als Reichsgesetz verkündet. Der damalige Papst, Honoirus
I., der mit dem Gedankengut der helenistischen und frühchristlichen
Welt wenig vertraut war, verletzte seine Pflicht, als er diese Häresie
duldete und ihr nicht eindeutig entgegentrat.
Aus politischen Gründen erließ der Kaiser 648 den sogenannten Typos,
ein Edikt, das den Streit über einen oder zwei Willen unter Androhung
harter Strafen verbot. In Rom wurde es von Anfang an schroff abgelehnt,
was den neuen Papst Martin veranlaßte, noch im Jahre seiner
Thronbesteigung eines Synode in den Lateran einzuberufen. Von dieser
Kirchenversammlung, die von 105 Bischöfen besucht wurde und
quasiökumenischen Charakter hatte, sind ihre 20 Kanones sowie das
"Credo" in griechischer und lateinischer Sprache erhalten. Verurteilt
wurde, das den Rechtgläubigen und Häretikern gleichermaßen auferlegte
Stillschweigen gegenüber dem Typos, weil dies die Unterdrückung der
katholischen Wahrheit bedeute, stehe doch geschrieben: "Wirst Du den
Gerechten mit dem Gottlosen verderben, und wird der Gerechte eben
so sein wie der Gottlose?"
Per Rundschreiben ließ der Papst die Synodalbeschlüsse der katholischen
Welt zukommen, so auch dem Merowingerkönigen von Austrasien, dem
östlichsten Teil des Fränkischen Reiches, und von Neustrien, dem
westlichsten Teil. Eine Reihe der angesehensten Anhänger des
Monotheletismus wurde namentlich exkommuniziert, allerdings nicht Papst
Honorius, was wohl auf den Respekt vor der päpstlichen Würde
zurückzuführen war. Kein Erfolg war dem Papste beschieden, als er
versuchte, auch seine Jurisdiktionsgewalt über die Orientalischen
Kirchen auszudehnen, um dort die monotheletischen, d.h.
häretischen Bischöfe durch rechtgläubige zu ersetzen.
Einen Einblick in das kulturelle Leben der damaligen Zeit gewährt
folgender Bericht: Als sich Bischof Amandur von Maastricht vom Papst
Bücher erbat, erwiderte ihm dieser, daß die Bibliothek des Laterans
infolge der Versorgung der katholischen Welt ausgeschöpft sei, "in
unserer Bibliothek sind die Manuskripte geplündert und wir haben keine
mehr zu vergeben."
Vergeblich waren die Bemühungen Martins, mittels eines Briefes die
Beziehung zum Kaiserhof zu verbessern. Vielmehr erschien eines Tages in
Rom der Exarch Olympius mit dem Auftrag, sich seiner zu bemächtigen,
weil er sein Amt ohne kaiserliche Bestätigung angetreten habe. In
Italien war aber die Stimmung gegenüber der byzantinischen
Kirchenpolitik derart feindlich, daß der Exarch des Kaisers Auftrag
nicht durchführte bzw. durchführen konnte.
Dennoch blieben dem standhaften Heiligen bittere Leiden nicht erspart:
653 nahm der Exarch Theodor Kalliopa den kranken Papst in der
Lateranbasilika gefangen, wohin er - vertrauend auf das Asylrecht -
geflohen war. Bei der Begründung dieser Gewaltmaßnahme spielten die
dogmatischen Auseinandersetzungen keine Rolle, vielmehr lautete die
Anklage: Teilnahme an einer Verschwörung.
Nach einer qualvollen und demütigenden Seefahrt in Konstantinopel
angekommen, begann nach einer dreimonatigen Einzelhaft der Prozeß. Als
der angeklagte Papst versuchte, Glaubensfragen vorzubringen,
verhinderte dies der Richter mit den Worten: "Bring uns nichts vom
Glauben vor, über Hochverrat wird jetzt verhört." Zum Tode verurteilt,
beraubte ihn der Henker in Gegenwart von Kaiser und Senat seiner
geistlichen Gewänder und legte ihm ein Halseisen an. Hinter dem
Richtschwert gehend, wurde Martin halbnackt durch die Straßen in ein
Gefängnis gebracht, dessen steile Stufen der Kranke und Geschwächte
kaum besteigen konnte. Eine der beiden Frauen, welche die Schlüssel zum
Gefängnis aufbewahrten, gab ihm, der vor Kälte kaum zu sprechen
vermochte, ihr Bett. Der todkranke Patriarch Paulinus, ein Gegner
Martins, fürchte im Falle der Hinrichtung des Papstes Gottes Strafe.
Auf seine Fürsprache wandelte der Kaiser das Urteil in die Verbannung
nach der Krim um, wo Papst Martin wahrscheinlich am 16. September 655
(vielleicht auch erst 656) starb.
Besonders quälte den Märtyrer in seinem Exil die Haltung des römischen
Klerus, der sich um sein grausames Schicksal wenig kümmerte. Auch wußte
er, daß bereits zu seinen Lebzeiten auf Druck des Kaisers ein
Nachfolger gewählt worden war, Eugen I., der es nicht wagte, gegen
Konstantinopel zu opponieren, aber schließlich eine mehrdeutige Formel
des Patriarchen zurückwies, zumal Klerus und Volk von Rom über diese
empört waren.
Daß der heilige Papst für die Sicherheit der Ewigen Stadt und besonders
für den neuen Oberhirten betete, wurde dahingehend gedeutet, daß er nur
aus Liebe zur kirchlichen Einheit zugestimmt hatte, daß ihm noch zu
seinen Lebzeiten ein Nachfolger gegeben wurde.
Er wurde in der Stadt Cherson beigesetzt. Eine Übertragung seiner
sterblichen Überreste nach Rom ist nicht überliefert. Papst Gregor II.
(715-731) berichtete dem byzantinischen Kaiser, daß sich am Grabe viele
Wunder zutrugen.
Martin ist der Letzte Märtyrer-Papst gewesen. Wenn er auch nicht das
Format eines Gregor des Großen besaß, ist dennoch seine Energie und
sein Mut, sich aus den Verflechtungen mit der kaiserlichen
Religionspolitik zu lösen und das grobfahrlässige Verhalten seines
Vorgängers Honorius I. wieder gutzumachen, bewunderungswert. Er trug
wesentlich dazu bei, daß etwa ein Vierteljahrhundert nach seinem Tode
auf dem sechsten ökumenischen Konzil zu Konstantinopel (680-81) der
Montheletismus endgültig verworfen wurde.
Quellenangabe:
"Chronologische Reihenfolge der Römischen Päpste von Petrus bis auf Gregorius XVI.", Würzburg 1831.
Bihlmeyer-Tüchle: "Kirchengeschichte", 1.Teil, Paderborn 1955.
Grillmeier, Alois: Artikel Montheletismus in: "Sacramentum Mundi", III.Bd., Freiburg.
Jedin, Hubert: "Handbuch der Kirchengeschichte", Band II., Herder 1975.
Seeberg, Reinh.: "Lehrbuch der Dogmengeschichte", II. Bd., Basel / Stuttgart.
Seppelt, F.X.:"Geschichte der Päpste", II. Bd., München 1955; "Vies des Saints" Bd. 11, Paris 1954.
Stadler, Joh.Ev.: "Vollständiges Heiligenlexikon in alphabet. Ordnung", Band4, Artikel: Martin I.
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Aus den geistlichen Ansprachen
von
Makarius dem Großen (390)
Wir müssen den Geist von jeder Abschweifung befreien, um ihn zu
hindern, sich durch Gedanken in Verwirrung bringen zu lassen. Fehlt
diese Befreiung, so betest du vergeblich. Der Geist kreist um seine
Gedankenbilder, obwohl er bereit ist zum Gebet; aber sein Gebet dringt
nicht empor zu Gott. Wenn ein reines Gebet nicht durchdrungen ist mit
einem lebhaften Glauben, so erhört Gott das Gebet nicht. Das
geschriebene Gesetz enthält viele Geheimnisse in verborgener Art.
Der Mönch, der das Gebet pflegt und unablässig mit Gott verkehrt, der
erkennt sie, und die Gnade zeigt ihm noch größere Geheimnisse, als sich
in der Heiligen Schrift finden. Durch Lesung des geschriebenen Gesetzes
kann man das nicht erreichen, was die Anbetung Gottes bewirkt. Wer Gott
huldigt, kann in der Lesung Zurückhaltung üben. Er lernt erfahren, daß
sich alles im Gebet vollendet.
(aus "Kleine Philokalie - Belehrungen der Mönchsväter der Ostkirche über das Gebet" Einsiedeln 1956, S. 27 f.)
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