Briefwechsel zu dem Beitrag:
"Was will und beabsichtigt
Bischof Oliver Oravec?"
von
Dr.iur. Bretislav Klominsky
(EINSICHT Nr.3, vom Sept. 1994, S. 77-82)
Vorwort der Redaktion:
Obiger Beitrag von Herrn Dr. Klominsky, dem Herausgeber der Zeitschrift
TRIDENT, hat nach seinem Erscheinen im September letzten Jahres
Widerspruch erfahren, besonders von Lesern aus der Tschechei. In einem
Brief, der von mehreren Gläubigen aus Prag unterzeichnet wurde, sind
die wichtigsten Einwände zusammengefaßt, wie sie auch von anderer Seite
geäußert wurden und die wir nachfolgend veröffentlichen. Ich bin für
diese Form der Auseinandersetzung dankbar, da ich hoffe, daß sie zur
Klärung der tatsächlichen Probleme um Bischof Oravec beiträgt.
Sie bietet auch mir Gelegenheit, die Gründe im einzelnen darzulegen,
die uns veranlaßt haben, den Beitrag von Herrn Klominsky zu
veröffentlichen.
E. Heller
***
Brief der Prager Gläubigen an die Redaktion
Sehr geehrter Herr Dr. Heller, hochgeehrte Redaktion, liebe Wohltäter der Zeitschrift Einsicht!
Der Aufsatz: "Was will und beabsichtigt Bischof Oliver Oravec? -
Warnung vor einem falschen Propheten" (in: EINSICHT, 24.
Jahrgang, Nummer 3, September 1994, S.77-82) von Dr. B. K. aus Gablonz
hat bei uns ein sehr peinliches Gefühl hinterlassen. Gestatten Sie
deshalb bitte, daß wir dazu einige kurze, kritische Überlegungen
anstellen.
Es ist auch uns nicht unbekannt, daß die Situation der heutigen
christlichen Welt sehr trostlos ist. Das sind die Früchte und 'das
Verdienst' des sog. Zweiten Vatikanischen Konzils. Aber wer von den
Millionen Katholiken hat die Unannehmbarkeit der vom 'II. Vaticanum'
gewiesenen Glaubensrichtung sofort erkannt? Es gab damals fast niemand,
der sich nicht durch die Parole "einer allumfassenden Liebe" und
der Sehnsucht nach "der Wiedervereinigung aller Christen" - das war
übrigens immer das Ziel der katholischen Kirche, natürlich im
wahrhaft katholischen Sinne! - hat irritieren oder sogar verführen
lassen. Besonders tragisch war es im Fall der Priester und Prälaten. Um
den Betrug zu durchschauen, brauchten die einen mehr, die anderen
weniger Zeit. Hat aber nun der, der früher als andere das Desaster
durchschaut hat, das Recht, sich über den zu erheben, bei dem die
Einsicht erst später eintrat? Sicherlich nicht! *)
Wir wissen, daß der katholische Glaube keine "Versteinerung" des
Glaubenslebens der vergangenen Jahrhunderte sein sollte (oder
"Archäologismus", wie Papst Pius XII. in "Mediator Dei"
geschrieben hat), sondern ein lebendiges, geistiges Ringen und
Einsetzen zur Verherrlichung Christi sein soll, das immer fähig ist,
auch auf gesellschaftliche Veränderungen zu reagieren und zugleich sie
"sub specie aeternitatis", also vom Gesichtspunkt des katholischen
Glaubens und der Sitten aus zu beurteilen und zu verfolgen, ob es nicht
zu Verfälschungen und Fehlentwicklungen kommt. Es gibt solche Fälle, wo
eine Verfälschung eines Grundsatzes völlig deutlich ist, es kommt aber
auch vor, daß das Erkennen von gewissen Irrtümern tiefere theologische
bzw. juristische Kenntnisse erfordert, und es gibt schließlich auch
solche Fehlentwicklungen, die manche für deutlich ansehen, andere aber
für noch legitime Veränderungen. Die höchste Autorität, die das volle
Recht hat, über mögliche Irrtümer oder die Verletzung katholischer
Grundsätze zu entscheiden, ist normalerweise der Papst. Leider fehlt
uns heute diese Autorität.
In der katholischen Kirche gibt es aber neben der päpstlichen
auch die Autorität der Priester und Bischöfe. Gott sei Dank haben wir
auch heutzutage noch einige katholische ("sedisvakantistische")
Bischöfe, die sich unserer Privatmeinung nach eine Rangfolge
untereinander geben sollten, z.B. nach CIC, can. 106, § 3: "Wenn keine
der verschiedenen kirchlichen Personen über die andere eine Gewalt hat,
dann haben diejenigen die Präzedenz, die zu einem höheren Grade
gehören. Von den Personen, die denselben Grad, aber nicht dieselbe
Weihe haben, hat jene die Präzedenz, welche die höhere Weihe hat. Haben
mehrere Personen denselben Grad und dieselbe Weihe, dann hat jene die
Präzedenz, die zuerst zu dem höheren Grad befördert worden ist. Für den
Fall, daß sie zu gleicher Zeit den betreffenden Grad erlangten, hat
jener die Präzedenz, der zuerst geweiht wurde, vorausgesetzt, daß der
andere nicht vom Papst geweiht wurde. Wurden die Betreffenden zur
gleichen Zeit geweiht, dann hat der Ältere die Präzedenz." - Vgl. Jone,
Heribert: "Gesetzbuch der lateinischen Kirche" 1. Bd., Paderborn 1950,
S.139 f.) Es wäre aber ausschließlich Sache der genannten Bischöfe,
eine solche Reihenfolge festzusetzen. Denn welches Recht haben wir
Laien, den Mangel an Einigkeit - leider - unter den Bischöfen zu
kritisieren, wenn unter uns selbst keine Einigkeit herrscht?
Unter den gegebenen, außergewöhnlichen Umständen, unter denen die
tschechischen (bzw. slowakischen) Katholiken leben müssen, halten wir
mit vollem Recht Bischof Oliver Oravec für eine rechtmäßige katholische
Autorität. Der Artikel in der EINSICHT aber stellt ganz offensichtlich
- wie wir meinen: ohne wirklichen Grund - seine Autorität in Zweifel,
obwohl er bei seiner Ankunft (bzw. Rückkehr in die
ehemalige CSSR) gerade von Ihrer Zeitschrift sehr empfohlen
wurde! **)
Gleich zu Beginn der Abhandlung von Dr. B. K. efolgt eine sehr
umfangreiche Beurteilung von Bi-schof Felix Maria Davidek. Das Ziel ist
natürlich klar. Es ist die offenkundige Bestrebung, mittels einer
negativen Beurteilung von Bischof Davidek, von dem Oliver Oravec im
Jahre 1968 die Priesterweihe erhielt, auch diesen zu treffen. In der
Ausdrucksweise der Abhandlung schwingt auch persönliche Gehässigkeit
mit, wenn Klominsky z.B. schreibt: "(Oliver Oravec) hat kein Recht, daß
er nach wie vor als rechtgläubiger Katholik angesehen wird, umsoweniger
als rechtgläubiger Priester bzw. Bischof" (S. 81).
- Anm.: Unserer Meinung nach
ist es eine Ungeheuerlichkeit, solch einen Ausspruch zu tun, der
nur damit (oder vor allem) begründet ist, daß Bischof
Oliver Oravec mit Bischof Davidek vormals in Kontakt stand, und wegen
des Verdachtes, Davídek sei geistig krank gewesen. ***)
In der Abhandlung wird weiter ausgeführt: "(W)arum Oravec im Falle von
Davídek wissentlich die Unwahrheit verbreitet? Vielleicht um die
Irrlehren eines schweren Häretikers zu decken?" (S. 80)
- Anm.: Wir übersehen vorläufig
die Tatsache, daß ein Laie es wagt, öffentlich ein solch kategorisches
Urteil über die Persönlichkeit eines katholischen
(traditionalistischen) Bischofs auszusprechen, der bisher von keiner
offiziellen katholischen Autorität verurteilt wurde. Wir (die
traditionsbewußten Katholiken aus Prag) können nach unseren
Konsultationen mit S.E. Oliver Oravec ganz eindeutig behaupten, daß er
zu manchen persönlichen, irrtümlichen Ansichten des Bischofs Davídek
kritisch eingestellt ist.
In der Abhandlung wird weiter behauptet: "Mit seinen
exzentrischen Ansichten und durch seinen eigenwilligen Lebensstil
provozierte Davídek bei einer ganzen Reihe von Menschen Zweifel an
seinem Geisteszustand. (Später befaßte sich damit sogar die
tschechische Presse.)" (S. 80) +)
- Anm.: Wir verteidigen hier
nicht die Meinungen Davideks. Unserer Meinung nach aber ist es
merkwürdig, wenn sich ein Katholik auf das Zeugnis der kommunistischen
oder modernistischen glaubensfeindlichen Presse stützt. Der Verfasser,
der auch im kommunistischen Regime gelebt hat, müßte übrigens sehr wohl
wissen, daß es keine Besonderheit war, wenn das kommunistische Regime
diejenigen für geistig krank erklärte, die ihm unbequem waren. Die
kommunistische Geheimpolizei in der ehemaligen CSSR hat solche Personen
u.a. auch in Irrenhäuser gesperrt. ++)
In der Abhandlung wird auch angeführt: "Das bezeichnendste
Zeugnis für die Bewertung der Tätigkeit des Herrn Oravec sind die
Früchte seines Apostolats in der Slowakei und in Böhmen. Seitdem er
hier (seit Ostern 1990) wirkt, ist nicht nachweisbar bekannt, daß er
selbst jemand für die katholische Kirche gewonnen hätte!" (Ibidem)
- Anm.: Diese Beschuldigung des
Autors stellt alles "auf den Kopf". Wenn wir z.B. die Tatsache
berücksichtigen, daß S.E. Bischof Dr. Oliver Oravec allein hier in Prag
innerhalb eines Jahres eine Reihe von Kindern getauft und Trauungen
gespendet hat (natürlich mit den entsprechenden Konsultationen und den
lateinisch-slowakischen Zertifikaten), können wir diese Behauptung so
nicht stehen lassen. Wir müssen auf die Kirchengeschichte hinweisen:
Bei vielen Eremiten, aber auch Prälaten vermissen wir auch die
Bemerkung, wieviel Leute sie "nachweisbar" für die katholische Kirche
gewonnen haben.
Der Verfasser fährt weiter fort: "Es ist sicher angebracht zu
betonen, daß O. Oravec seine modernistische Vergangenheit niemals
verurteilte". (Ibidem)
- Anm.: Was läßt der Verfasser
als Beweis gelten, daß jemand die Beschlüsse des sog. II. Vaticanums
"nachweisbar" abgelehnt hat? Wie lange Zeit räumt er ihm ein, um zum
wahren katholischen Glauben zurückzukehren? Meint er Jahre, Monate oder
handelt es sich nur um Minuten? Und wie sollte man es dann
veröffentlichen? Aus unseren Diskussionen in Prag ergibt sich aber, daß
Bischof Oravec es sehr bedauert, Montini, Luciani und Wojtyla als
Päpste anerkannt zu haben.+++)
In der Abhandlung wird auch gesagt: "Sein Reisepaß (!) wurde ihm aber
eigenartigerweise nicht entzogen, obwohl es üblicherweise das erste
war, was die kommunistische Polizei einem Bürger im Falle seiner
politischen Verfolgung abgenommen hätte." (Ibidem)
- Anm.: Nach dem Lesen dieser
Passage könnte man daran zweifeln, ob der Verfasser überhaupt lange
Jahre in der ehemaligen kommunistischen Tschechoslowakei gelebt hat.
Dann müßte der Autor doch wissen, daß den unbequemen Personen oft die
Reisepässe deswegen nicht abgenommen wurden, um ihnen die Ausreise aus
dem Land nahezulegen - mit dem Hinweis: "Rückkehr unerwünscht". Das
galt vor allem für die Jahre von 1969 bis 1989. *)
Weiter heißt es: "Die jährlich sich wiederholenden, auch
monatelangen Ausreisen des Bischofs nach Nordamerika und
Westeuropa unter dem so durchsichtigen Mantel der Einigungsbemühungen
der rechtgläubigen Bischöfe..." (Ibidem)
- Anm.: Welch nachweisliche
Informationen berechtigen den Verfasser solche Andeutungen zu machen
wie die von dem "durchsichtigen Mantel"? **)
In der Abhandlung heißt es weiter: "Das Ergebnis der vierjährigen
Tätigkeit von Herrn Oravec in Böhmen und in der Slowakei ist
erbärmlich. Statt eines erwarteten Aufblühens brachte er in
die böhmische Diaspora eine Spaltung, die so weit gediehen ist,
daß - entsprechend den letzten Informationen - z.B. in Prag seit
Juli dieses Jahres (d.i. 1994) keine heiligen Messen mehr gelesen
werden, angeblich wegen des Desinteresses der sog. Sedisvakantisten.
Das sind die Früchte des Apostolats des Herrn Oravec!" (S 82).
- Anm.: Die Perle, die
seine Abhandlung krönt, hat Dr. B. K. für das Ende
aufgehoben - wobei er eine einstimmige Stellungnahme unter allen
tschechischen traditionellen Katholiken (mindestens in Gablonz)
gegen S.E. O. Oravec vorgibt. Die Traditionalisten in Prag nennt
er "die sogenannten Sedisvakantisten" und spricht von unserem
angeblichen Desinteresse. Wir können dagegen bestätigen, daß wir mit
Bischof Oravec einen Zyklus festgelegt haben, nach dem er hier die
heilige (tridentinische) Messe liest. S.E. Dr. Oravec kommt also
regelmäßig zu uns nach Prag, um die heilige Messe zu lesen und die
übrigen Sakramente zu erteilen, wobei er auf die Mühe der Reise
und auf die damit verbundenen Kosten nicht achtet.
In der Abhandlung wird zum Schluß behauptet: "Es ist die moralische
Pflicht von uns Gläubigen in Böhmen, unsere Brüder und Schwestern im
Ausland vor dem Wolf im Schafspelz zu warnen". (S. 82)
- Anm.: Wir, die traditionellen
Katholiken in Prag, distanzieren uns von dieser Äußerung. Wir
protestieren auch gegen diese Erklärung, in der es Dr. B. K. wagt, im
Namen aller Gläubigen in Böhmen zu sprechen! Der Autor soll für sich
selbst sprechen und nicht für die, die ihn dazu nicht
bevollmächtigt haben. AUDIATUR ET ALTERA PARS!
Wir können in diesem Zusammenhang die Anmerkungen Ihrer Redaktion
gegenüber Bischof Oravec überhaupt nicht begreifen, der (wie wir
schon geschrieben haben) von keiner offiziellen katholischen
Autorität kritisiert wurde (zumindestens nicht von Bischof McKenna -
siehe S.81) - Es würde uns interessieren, welcher Grund zur
Veröffentlichung dieser Abhandlung von Dr. Klominsky in Ihrer
Zeitschrift geführt hat, die doch als Verteidiger der katholischen
Tradition nicht nur im deutsch-sprachigen Raum gilt. ***)
Da das Deutsche nicht unsere Muttersprache ist, bitten wir um Entschuldigung für eventuelle Schreibfehler.
Prag, am Feiertag Mariä Unbefleckte Empfängnis, 8. Dezember l994
(gez.:)Ing. Marek BelikKarel Triebenekl
Dr. Pavel KocekDipl.-Ing. Zdenék Tûma
Dipl.-Ing. Lenka KockováZuzana Tûmová
Dipl.-Ing. Antonín NovotnÿDipl.-Ing. Jaromir Zlamal
Anmerkungen der Redaktion:
*)Meines Wissens hatte Oravec noch bis 1988 die Reformer, vor allem Johannes Paul II. als
rechtmäßige Autorität angesehen. Das war aber zunächst kein Grund, ihm gegenüber mißtrauisch zu sein.
**)In Nr. 6 vom März 1991, S. 89, hatten wir Bischof Oravec ein einziges Mal der Unterstützung der Gläubigen empfohlen.
***)Hier geht es nicht darum, daß Mgr. Oravec Kontakt zu seinem häretischen Konsekrator hatte,
sondern darum, daß er dessen Irrtümern nicht widersprach, womit er den Verdacht erweckte,
die Auffassungen Davídeks zu teilen. Eine (öffentliche!) Distanzierung wäre nötig gewesen!
+)Es handelt sich hier nicht primär um die öffentlichen Presseorgane, sondern vornehmlich um
biographische Darstellungen aus dem Kreis um Bischof Davídek. Diese werden als belastend
empfunden.
++)Hier handelt es sich nicht um Aussagen der kommunistischen Partei,
sondern um die eines Regimegegners, der im Gefängnis mit Davídek
bekannt geworden war und der dessen Belesenheit und Wissen schätzte.
+++)Es hat überhaupt keinen Zweck, über Vorgänge dieser Art Witze zu machen. Wenn jemand
konvertiert, muß er darüber förmlich Rechenschaft ablegen, da die
Kirche eine sichtbare Gemeinschaft der Gläubigen ist. Dies gilt
besonders für Kleriker, die ja noch für die Gläubigen
tätig sein wollen, weswegen ihre Glaubensposition bekannt sein muß. Galt z.B. Oravec als
dezidierter Anhänger Wojtylas und seiner Reformen, dann wäre es seine
Schuldigkeit gewesen, über die Änderung seiner Gesinnung öffentlich
Auskunft zu geben.
*)Sicherlich hat man so verfahren mit Pesonen, die in der Öffentlichkeit bekannt und die dem
Regime wegen ihrer Popularität unbequem waren - ich denke da an Leute wie Solchenyzin -,
doch zu dieser Gruppe von Regime-Kritikern gehörte Oravec ganz offensichtlich nicht.
**)Was den "durchsichtigen Mantel" betrifft, so darf ich in diesem
Zusammenhang an Oravec Besuch im ehemaligen Seminar von Bischof Storck
erinnern, über dessen Einzelheiten ich Ihnen
gerne Auskunft gebe, wenn dies gewünscht wird.
***)Es ist wenig hilfreich, Fehler im eigenen Lager zu übersehen.
Deswegen habe ich es auch immer für meine Aufgabe als Redakteur
gehalten, Probleme, die wir selbst produziert haben,
offen anzusprechen und auf Fehlhaltungen unter den sog. Traditionalisten aufmerksam zu
machen. Die Tatsache, daß Mgr. McKenna Oravec konsekriert hat, besagt nicht, daß damit
dieser Vorgang schon sanktioniert und der Debatte der Gläubigen entzogen ist.
***
Antwort der Redaktion
Sehr verehrte Damen und Herren,
zunächst möchte ich mich für Ihren Brief herzlich bedanken, ebenso für
Ihre Erlaubnis, Ihr Schrei-ben publizieren zu dürfen. Geichzeitig muß
ich Sie um Entschuldigung bitten, daß ich erst so spät antworten kann.
Gerne bin ich bereit, alle wirklichen Korrekturen, die Sie in Ihrem
Schreiben anführen, zu akzeptieren.
Wie in Ihrem Brief erwähnt wird, haben wir Mgr. Oravec in der EINSICHT
(Nr. 6 vom März 1991, S. 89) vorgestellt und ihn der Unterstützung der
Gläubigen empfohlen. Es war in der Tat zunächst unsere Absicht, ihm
nach Kräften zu helfen, wenn er die Gewähr bieten sollte, die pastorale
Führung hier in Europa übernehmen zu können und zu wollen. Deswegen
nahm ich ja auch brieflichen Kontakt zu ihm auf. (Leider kam ein
persönliches Treffen während Oravec's Besuch in München vor einigen
Jahren nicht zustande.) Ich ging zunächst naiverweise davon aus - ja
leider! -, daß der Konsekrator, Mgr. McKenna, die Zeugnisse und den
Kandidaten selbst geprüft und dessen Befä-higung zu diesem Amt
festgestellt hatte. Mich störte prinzipiell nicht, daß Oravec noch bis
ca. 1988 dezidierter Anhänger Wojtylas war, dessen Begeisterung für
diesen Mann noch über die von Abbé Schmidberger hinausging. Denn ich
kann mir sehr wohl vorstellen, daß, wenn einmal eine wirkliche Einsicht
gewonnen wird, man diese auch konsequent ins Leben umsetzten kann. Die
Veröffentlichung seiner biographischen Notizen und der Aufruf, ihm zu
helfen, löste jedoch eine ganze Kette von Kritiken aus, die ich wegen
der darin enthaltenen Vorwürfe, die von Personen stammten, die mir aus
dem Widerstand bekannt waren, nicht einfach ignorieren konnte. Ich
erhielt u.a. Berichte über Oravec's pastorales Wirken in Kanada, die
übereinstimmend belegten, daß dieses für die Gemeinden keineswegs
förderlich gewesen war.
Was uns aber direkt hellhörig werden ließ, war der Umstand, daß Mgr.
Oravec noch zwei Jahre nach der Befreiung der CSSR vom kommunistischen
Joch seinen Weihbischof nicht namentlich nannte, sondern von einem
"Geheimbischof" sprach, der ihn 1968 zum Priester geweiht hatte. Zu
diesem Zeitpunkt bestand nämlich überhaupt kein Grund mehr, solche
Personalia geheimzuhalten. Längere Recherchen, an denen sich auch Rev.
Fr. Krier beteiligte, ergaben schließlich folgendes Bild: Oravec war
von Bischof Davidek, der als Geheimbischof von Rom in der CSSR
eingesetzt worden und ein dezidierter Reformer mit sehr eigenartigen
Ansichten war (er weihte u.a. verheiratete Männer zu Bischöfen, ja
sogar Frauen zu Priestern), geweiht worden. Ohne von den sonstigen
Krankheitssymptomen zu wissen, auf die noch Herr Klominsky aufmerksam
gemacht hat, muß gesagt werden, daß selbst die Modernisten, denen ja
Davidek und die von ihm geweihten Personen angehören (wollen) und
welche über die Gültigkeit von Weihen sehr großzügig urteilen, recht
zurückhaltend sind. Auch sie halten viele von Davidek gespendete
Priester- und Bischofsweihen aufgrund seiner abnormalen psychischen
Verfassung zum damaligen Zeitpunkt für ungültig. (N.b. die Beurteilung
der Tätigkeit der Geheimbischöfe in der ehemaligen CSSR stellt für die
Reformer ein erhebliches Problem dar.) Da die Sub-conditione-Weihe, die
Oravec später in Amerika erhielt, nach dem neuen Weiheritus gespendet
wurde, der in sich ungültig ist, ist es in der Tat zweifelhaft, ob
Oravec überhaupt ein gültig geweihter Bischof ist, da auch eine gültige
Konsekration die Validität der Priesterweihe voraussetzt, sie also
nicht ersetzen bzw. kompensieren kann. Allein diese Zweifelhaftigkeit
des Weihestatus ist Grund genug, öffentliche Vorbehalte anzumelden, da
die Kirche ja gültige Sakramente spenden soll.
Ein weiterer Gesichtspunkt spielt aber auch eine erhebliche Rolle,
gegenüber Bischof Oravec Zurückhaltung zu üben, auch wenn die
Weiheproblematik entfallen würde: ich meine seine persönliche
Befähigung zum Bischofsamt. Anfangs wurden Priester zu Bischöfen
geweiht, die sich sehr lange Zeit im Widerstand ausgezeichnet hatten
(ich denke da an Pater Guerard des Lauriers und Pfr. Moises Carmona).
Wie Oravec selbst schreibt, hatte er nur an den Wochenenden für die
Dauer von 1 1/2 Jahren Theologie studiert - neben der Ausübung seines
Berufes als Dentist -, als er geweiht wurde. Wenn man bedenkt, daß er
dann bis 1979 als modernistischer Priester wirkte und erst nach seiner
Ausreise in den Westen so langsam in das Lager des Widerstandes
überwechselte, ist es meines Erachtens nicht unangebracht, über die
theologische und philosophische Befähigung zur Ausübung des
Bischofsamtes, die gerade in unserer Situation besonders hohe
Anforderungen sowohl an die theoretische Ausbildung als auch an die
persönliche und moralische Formation stellt, nachzudenken. Denn ein
Bischof sollte ja die Gemeinden führen und Lösungen zur Bewältigung der
heutigen Krise zumindest mitausarbeiten - zu bitter waren und sind die
bisher gemachten Erfahrungen mit sog. Thuc-'Bischöfen', die außer dem
Tragen einer Mitra nichts können und durch ihre persönlichen
Unzulänglichkeiten zusätzlich den Widerstand lächerlich gemacht haben.
Von Bischof Oravec ist mir außer der (Mit-)Unterzeichnung eines
Aufrufes von Mgr. McKenna kein wesentlicher Beitrag zur Analyse der
derzeitigen Situation oder zur Bewältigung dieser Krise bekannt. (Ich
weiß, daß die Einschätzung fremder Personen viel Zurückhaltung
erfordert, will man nicht ungerecht sein. Ich hatte Oravec deswegen
meine Bedenken schriftlich mitgeteilt, worauf dieser jedoch den
Briefverkehr mit mir abbrach.)
Ich möchte das Problem der persönlichen Befähigung zu einem Amt einmal
an einem Beispiel erläutern: Jeder würde es als unverantwortlich
ansehen, wenn jemand als angeblicher Bergführer Touristen durch's
Hochgebirge führen wollte, aber weder die konditionellen
Voraussetzungen für Extrem-leistungen noch die nötige Bergerfahrung,
geschweige denn eine Ausbildung zum Bergführer mitbrächte. Denn zu groß
ist die Verantwortung, die ein Bergführer für seine Gruppe hat, als daß
man die Voraussetzungen dafür leichtfertig übergehen könnte. Aber jeder
meint, wenn er nur männlichen Geschlechtes ist und einen Kopf zum
Tragen der Mitra hat - pardon! wenn er behauptet, die neue 'Messe' sei
nicht mehr 'katholisch' -, sei er eo ipso schon befähigt, das
Bischofsamt auszuüben.
Ich habe es immer als meine Pflicht angesehen, die Gläubigen vor
leichtfertigen Abenteuern und ungesicherten Unternehmungen, die das
Heil ihrer Seele betreffen, zu warnen.
Es täte mir leid, wenn ich Sie, verehrte Damen und Herren aus Prag, mit
diesen Ausführungen verletzen würde. Es ist mir andererseits aber nicht
möglich, Ihnen eine andere Auskunft zu geben. Es wäre in der Tat allen
geholfen, wenn Mgr. Oravec die aufgetretenen Zweifel klären und
bereinigen würde.
Ergertshausen, den 15. Juli
1995
(gez.:) Eberhard Heller
|