Der Fall Y. Yurchik: Aufnahme in die röm.-kath. Kirche?
Stellungnahme zu H.H. Risslings Ausführungen
in den von ihm herausgegebenen "Beiträgen"
von
Eberhard Heller
Mit nachstehenden Darlegungen (Einführung und Brief), die ich den
"Beiträgen" Juni-Juli 2004, Nr. 56 entnommen habe, beabsichtigt H.H.
Rissling, die Argumente in meinem "Offenen Brief an H.H. Bischof M.
Pivarunas" (EINSICHT, April 2004) zu widerlegen bzw. zu entkräften, in
dem ich zum einen Fragen zur Person von Bischof Yurij Yurchik gestellt
und zum anderen den Nachweis erbracht hatte, daß eine Aufnahme Yurchiks
in die röm.-kath. Kirche nicht stattfinden konnte. Ich bitte Sie,
verehrte Leser, der Angelegenheit einige Aufmerksamkeit zu schenken, da
hier von beiden Beteiligten, Pivarunas und Rissling, eine Einstellung
und ein Wissensstand offenbart werden, die absolut ungeeignet sind, die
spezifischen Probleme unserer sedisvakantistischen Situation überhaupt
noch zu sehen, geschweige denn sie aus dieser Sicht und mit solch
theologischem Rüstzeug lösen zu können.
E. Heller
***
Zur Frage der Konversion von Bischof Yurij Yurchik ("Beiträge", Nr. 56)
In der Aprilausgabe der Zeitschrift "Einsicht" wird ein "Offener Brief
an H.H. Bischof M. Pivarunas" veröffentlicht, in welchem der
verantwortliche Redakteur E. Heller schwerwiegende Einwände sowohl
gegen die Tatsache der Konversion des ehemals orthodoxen ukrainischen
Bischofs Yurij Yurchik zur wahren katholischen Kirche im Jahre 2002 als
auch gegen die Person und die Aufrichtigkeit der Absichten dieses
Bischofs selbst erhebt. In dieser Angelegenheit hat Herr Heller, wie er
selbst schreibt, noch im Februar zweimal an Bischof Mark A. Pivarunas
und an mich geschrieben. Und obwohl er daraufhin von uns beiden
insgesamt dreimal eine durchaus sachliche Antwort erhielt, ignorierte
er praktisch unsere Argumente und ging nun mit seinen unhaltbaren
Ansichten an die Öffentlichkeit.
Im folgenden veröffentlichen wir, da schwerwiegendste Vorwürfe
öffentlich erhoben wurden, meine Antwort vom 29.03.04, damit sich jeder
selbst ein Bild machen kann sowohl über die Qualität der Einwände von
Herrn Heller als auch über die Absichten, die ihn dazu wohl bewogen
haben mochten. Ansonsten haben wir nicht vor, uns an dieser Stelle
weiter zu dieser Thematik zu äußern. Zu vermerken ist noch, dass auch
der mexikanische Bischof Martin Davila, auf den Herr Heller sonst
verbal immer große Stücke hielt, ihm in dieser ganzen Angelegenheit
klar widersprochen hat, was ja auch in der Juniausgabe der "Einsicht"
kurze Erwähnung findet.
Sehr geehrter Herr Heller,
zu Ihren Briefen vom 5.2. und 27.2.04 habe ich folgendes zu vermerken.
- Uns liegt sowohl eine mündliche wie eine schriftliche Aussage von
Bischof Yurij Yurchik vor, dass er nicht das geringste mit Viktor von
Pentz alias "Linus II" zu tun hat.
- Um Bischof Yurchiks Glaubwürdigkeit, Ernsthaftigkeit und Integrität
beurteilen zu können, muss man ihn schon persönlich kennen gelernt
haben. Im Unterschied zu uns haben Sie ihn weder getroffen noch jemals
gesprochen!
- Vor seiner Konversion haben wir ihn sehr wohl ernsthaft und
gewissenhaft geprüft, Informationen über ihn auch aus den Reihen des
Klerus der russisch-orthodoxen Kirche in der Ukraine eingeholt und mit
ihm intensiv Gespräche zu sämtlichen relevanten Themenbereichen
geführt. Dabei wurde auch das Thema "Filaret" keinesfalls ausgelassen.
Wir wissen bereits, "wer Yurchik wirklich ist und was er bei uns will",
wie Sie sich auszudrücken beliebten.
- Filaret war seit Anfang der 60-er Jahre für beinahe 30 Jahre als
Metropolit von Kiew einer der höchsten Würdenträger der
russisch-orthodoxen Kirche (ROK). Somit ist er als jemand zu
betrachten, der gerade aus der Schule dieser (!) Gemeinschaft
hervorging. Zu Zeiten der Sowjetunion wusste dort jeder, dass man ohne
eine wie auch immer geartete "Kooperation mit dem KGB" nicht Bischof
der russisch-odhodoxen Kirche werden konnte. Somit trifft dieser
Vorwurf nicht Filaret allein, sondern auch eine äußerst beträchtliche
Zahl der jetzigen Würdenträger der Moskauer Patriarchatskirche! Und
dass sich dies nach dem Zerfall der Sowjetunion kaum geändert hat,
beweist der in der gegenwärtigen russischen Bevölkerung populäre
Spruch, wonach ein Diözesanbischof der ROK in der heutigen
mafiapolitischen Rangordnung gleich nach dem Gouverneur einer Provinz
und noch vor dem örtlichen Mafiaboss stehe! Wenn Sie wüssten, in welche
"schlimmsten Skandale" verschiedenster Art diese Würdenträger (der
heutigen ROK!) verwickelt sind, dann würden Ihnen die Haare zu Berge
stehen!
- Die eigentlichen Ursachen für den Streit zwischen der ROK und Filaret
liegen letztendlich nicht im religiösen, sondem im
historisch-politischen Bereich! Dies fanden wir bestätigt auch durch
ein Gespräch mit einem Priester der russisch-orthodoxen Kirche. Da muss
man wiederum das Land und seine Geschichte, die Leute und ihre
Mentalität kennen, um sich dazu überhaupt äußern zu können. Es geht
dort um eine "erbitterte Auseinandersetzung um Einfluss und Macht in
der Ukraine" ("Beiträge"/47, S. 7). Und wie wir an derselben Stelle
bereits veröffentlichten, "beteiligte sich Bischof Yurchik nicht an
diesen Kämpfen und blieb einfach unter der Jurisdiktion von Filaret".
- Seine Exzellenz hat seit Beginn seiner priesterlichen Laufbahn ein
Interesse an der Konversion zur römisch-katholischen Kirche bekundet
(vgl."Beiträge"/47, S. 7) und sich mit ihren Lehren beschäftigt. Daher
war er sich auch darüber im Klaren, dass das "orthodoxe theologische
Selbstverständnis" bezüglich der Frage nach der Gültigkeit der Weihen
mangelhaft ist!
- Wenn Erzbischof Thuc nicht bloß gültig, sondem trotz der
vorherrschenden Sedisvakanz (und an-gesichts der Not der Kirche) auch
durchaus legitim "1981 die Patres des Lauriers, Zamora und Carmona zu
Bischöfen weihte", wenn Bischof Davila auch in Ihren Augen nicht bloß
ein gültiger, son-dern auch ein legitimer katholischer (nicht
schismatischer!) Bischof ist, dann können die in der Sukzession von
Mgr. Thuc stehenden legitimen katholischen Bischöfe auch ähnlicherweise
legitim die Konversion eines ehemaligen orthodoxen Bischofs
entgegennehmen!
- Die katholische Kirche wird nicht einseitig und allein (!) durch
Deklarationen konstitu-iert, wie Sie dies in Ihren wiederholten
Veröffentlichungen in der "Einsicht" der letzten Jahre zu proklamieren
scheinen. (Dadurch wird von uns aber keinesfalls die Bedeutung und der
Stellenwert der Sedisvakanzeklärung von Erzbischof Thuc von 1982 oder
die grundsätzliche Notwendigkeit der Klärung verschiedener Prinzipien
geleugnet. Vgl. dazu"Beiträge"/49, S. 19-24). Und wenn Sie aber zur
gleichen Zeit die priesterliche Sakramentenspendung an die sich nach
der himmlischen Seelenspeise sehnenden Gläubigen geradezu verächtlich
machen (wie wiederholt in der"Einsicht" der letzten Jahre!), dann hat
diese Mentalität nichts mit einem gesunden katholischen Geist zu tun.
- Und zu Ihren Ausführungen in "Einsicht" X.XXIV/2, S. 39 ist zu sagen,
dass ich bei dem besagten Anlass sehr wohl "eine theologisch relevante
Antwort" auf die absurden Vorstellungen von Herrn N.N. gegeben habe,
wonach ja heute generell und ausnahmslos (!) jegliche
Sakramentenspendung verboten sein soll. Wenn Sie aber selektiv nur das
zur Kenntnis nehmen wollen, was Ihren eigenen privaten Vorstellungen
entspricht, und sich nun sogar schon auf jemand berufen, der mit seinen
abwegigen Theorien praktisch den übelsten Feinden der Kirche in die
Hände arbeitet (!), dann sehe ich keinen Sinn darin, die Korrespondenz
mit Ihnen fortzusetzen. Ich wünsche ebenfalls, keine Korrespondenz mehr
von Ihnen zu erhalten.
Mit freundlichen Grüßen
gez.: P. Eugen Rissling
(aus "Beiträge"/56 vom Juni-Juli 2004, S. 26-28).
***
Stellungnahme zu diesem Brief
Auffallend ist, daß H.H. Rissling nicht von einer Aufnahme in die
röm.-kath. Kirche, sondern nur von einer Konversion Bischof Yurchiks
spricht, womit er die Problematik in die Person Yurchiks
zurückverlagern will. Tatsache aber ist, daß Bischof Pivarunas seine
Homepage <http:// www.cmri.org/yurchik.html> mit "Reception into
the Chatholic Church" (Aufnahme in die kath. Kirche) überschreibt, in
die Pivarunas vorgibt, Yurchik aufgenommen zu haben, d.h. daß es nicht
bloß um eine Absichtserklärung Yurchiks bezüglich der gewollten
Zugehörigkeit zur röm.-kath. Kirche geht - die könnte er überall und
jederzeit und vor jedwedem kund tun -, sondern darum, daß er seine
Absicht gegenüber jemand äußert, der auch die Autorität hat, den Willen
zur Konversion wirksam werden zu lassen, indem er diese Person in die
röm.-kath. Kirche aufnimmt.
N.b. was die "durchaus sachliche Antwort", die ich von Pivarunas
erhielt, angeht, so erlaube ich mir, aus meinem Antwortbrief an diesen
zu zitieren, weil mich der Ton und die Arroganz in Pivarunas Antwort
erschreckte: "Zu Ihrem Brief ist zunächst folgendes zu sagen: Hätte
S.E. Mgr. Ngô-dinh-Thuc ein solches Schreiben voll moralischer
Imputationen, Verdächtigungen, Beleidigungen und Irrtümern erhalten,
hätte er dem Absender wahrscheinlich geschrieben: 'Ich sehe Ihren Brief
als nicht erhalten an.' Da ich aber nicht davon ausgehen kann, daß Sie
solche Noblesse verstehen und schätzen werden, sehe ich mich veranlaßt,
die Punkte Ihres Schreibens einzeln zu beantworten."
Das werde ich nun auch mit Risslings Brief tun, der im Pluralis majestatis abgefaßt ist.
1. In meinem Offenen Brief heißt es: "Wer ist dieser Kleriker, der ...
inzwischen über Mittelspersonen Kontakt zu Linus II. aufgenommen haben
soll, wie mir glaubhaft brieflich versichert wurde." Rissling schreibt:
"Uns liegt sowohl eine mündliche wie eine schriftliche Aussage von
Bischof Yurij Yurchik vor, dass er nicht das geringste mit Viktor von
Pentz alias 'Linus II' zu tun hat." Wie kommt es dann, daß mir
inzwischen das Antwortschreiben der betreffenden Person an Bischof
Yurij Yurchik vorgelegt werden konnte, wenn es keinen Kontakt gegeben
hätte?
2. Die weiteren Ausführungen Risslings zur Person Filarets und den
Verhältnissen in der Ukrainischen Kirche sehe ich als Bestätigung
dessen an, was auch von der in Bern erscheinenden "Internationalen
Kirchlichen Zeitschrift" Heft 3 vom Juli-Sept. 2003, über Filaret
gesagt wurde. 1) Daß Filaret nicht allein als verbrecherischer Kleriker
angesehen werden kann, klärt nicht die Frage, warum sich Yurchik gerade
von einer solchen Person zum Priester und Bischof hat weihen lassen.
Und Risslings weitere Ausführungen bezüglich der Person Yurchiks
beruhigen keineswegs, wenn er schreibt: "Und dass sich dies (die
Kooperation mit den Geheimdiensten, Anm.d.Red.) nach dem Zerfall der
Sowjetunion kaum geändert hat, beweist der in der gegenwärtigen
russischen Bevölkerung populäre Spruch, wonach ein Diözesanbischof der
ROK in der heutigen mafiapolitischen Rangordnung gleich nach dem
Gouverneur einer Provinz und noch vor dem örtlichen Mafiaboss stehe!"
Gilt das nun auch von Yurchik, der ja angeblich Diözesanbischof von
Donetsk, Ukraine ist?
3. Nach Rissling "geht es dort - in der Ukrainischen Kirche - um eine
'erbitterte Auseinanderset-zung um Einfluss und Macht in der Ukraine'.
Und wie wir an derselben Stelle bereits veröffentlichten, 'beteiligte
sich Bischof Yurchik nicht an diesen Kämpfen und blieb einfach unter
der Jurisdiktion von Filaret'". Einmal zugegeben, daß sich Yurchik
nicht in den Kampf um die Macht einmischte, wie kann er aber "einfach
unter der Jurisdiktion von Filaret" bleiben, obwohl dieser bereits 1992
laisiert und 1997 exkommuniziert worden war? Welche Auffassung hat
Rissling von der Orthodoxen Kirche?
4. Rissling schreibt bezüglich des orthodoxen theologischen
Selbstverständnisses, wonach Weihen von einem solchermaßen zensierten
und ausgeschlossenen Bischof als ungültig angesehen werden (ich spreche
nicht von der Bewertung orthodoxer Weihen aus unserer Sicht!): "Seine
Exzellenz hat seit Beginn seiner priesterlichen Laufbahn ein Interesse
an der Konversion zur römisch-katholischen Kirche bekundet (...) und
sich mit ihren Lehren beschäftigt. Daher war er sich auch darüber im
Klaren, dass das 'orthodoxe theologische Selbstverständnis' bezüglich
der Frage nach der Gültigkeit der Weihen mangelhaft ist!" Zugegeben!
Auch wenn Yurchik zwischen erlaubten und unerlaubten - nach röm.kath.
Lehre gültigen - Weihen unterscheiden konnte, warum hat er sich dann
von dem exkommunizierten und laisierten Filaret weihen lassen, obwohl
er sich damit ebenfalls die Exkommunikation zuzog. Und warum ließ er
sich noch unerlaubt, aber gültig (aus unserer Sicht!) zum Bischof
weihen, obwohl er eigentlich konvertieren wollte? Diese Fragen bleiben
weiterhin unbeantwortet, obwohl Rissling vorgibt, Yurchik "vor seiner
Konversion (...) ernsthaft und gewissenhaft geprüft" zu haben.
5. Der folgende Passus in Risslings Brief dokumentiert dessen schier
niederschlagende theologische Naivität und beweist, daß sich weder er
noch Pivarunas, der ähnlich argumentiert, jemals mit dem Problem der
Konversion eines orthodoxen Bischofs zur röm.-kath. Kirche ernsthaft
auseinandergesetzt haben. Ohne Bezug auf irgendein kirchliches Dokument
oder auf sonstige rechtliche Bestimmungen der Kirche schreibt Rissling:
"Wenn Erzbischof Thuc nicht bloß gültig, sondem trotz der
vorherrschenden Sedisvakanz (und angesichts der Not der Kirche) auch
durchaus legitim "1981 die Patres des Lauriers, Zamora und Carmona zu
Bischöfen weihte", wenn Bischof Davila auch in Ihren Augen nicht bloß
ein gültiger, sondern auch ein legitimer katholischer (nicht
schismatischer!) Bischof ist, dann können die in der Sukzession von
Mgr. Thuc stehenden legitimen katholischen Bischöfe auch ähnlicherweise
legitim die Konversion eines ehemaligen orthodoxen Bischofs
entgegennehmen!"
Man stelle sich vor: Rissling wagt es noch, eine solche Passage zu
veröffentlichen, nachdem ich im Offenen Brief an H.H. Pivarunas darauf
aufmerksam gemacht hatte, daß es sich bei den Weihen um sakramentale
Akte handelte 2), die Aufnahme in die Kirche aber einen
jurisdiktionellen Akt darstellt, zu dessen Durchführung Pivarunas aus
zweierlei Gründen nicht berechtigt war:
1.ist die Kirche als Heilsinstitution mit voller Jurisdiktion noch
nicht wiederhergestellt - ein Zustand, den u.a. Pivarunas und Rissling
mitzuverantworten haben -,
2.ist die Aufnahme eines Bischofs der orthodoxen Kirche ausdrücklich dem Papst vorbehalten.
D.h. die Aufnahme eines solchen Bischofs könnte nur erfolgen, wenn die
Kirche wieder ihre volle Jurisdiktion durch die legitime Wahl eines
Papstes erhalten hätte, der diese Aufnahme vollzöge. Bei dem Akt, den
Pivarunas 2002 durchgeführt hat, ging es ja keineswegs nur um die
Entgegennahme "der Konversion eines ehemaligen orthodoxen Bischofs" wie
Rissling schreibt, so als ob sich Pivarunas Yurchiks Bekenntnis nur
angehört habe, wie Rissling zu suggerieren scheint, son-dern sofort um
jurisdiktionelle Probleme, als z.B. Pivarunas Yurchik die Beibehaltung
der orthodoxen Liturgie 'erlaubt'. (N.b. deswegen ist wohl Rissling der
Auffassung, bei Yurchiks gottesdienstlichen Handlungen ministrieren zu
dürfen (man vgl. "Beiträge" vom Dez.-Jan. 2003/04).
Den Unterschied zwischen einem sakramentalen und einem
jurisdiktionellen Akt könnte inzwischen auch meine jüngste Tochter den
beiden Klerikern erklären.
Die Kirche hat für die Konversion von orthodoxen Laien und Klerikern
strenge Vorschriften erlassen. Nachdem in dem Monitum der Päpstlichen
Kommission für Rußland, 12. Januar 1929 auf besondere Sorgfalt bei
einer solchen Konversion hingewiesen wird: “Nicht selten kommt es vor,
daß einer von den außerhalb ihres Vaterlandes weilenden Russen
(Kleriker wie Laien) unter dem Beistand der Gnade Gottes das Verlangen
äußert, in den Schoß der katholischen Kirche zurückzukehren, und daß er
sich an den Ortsordinarius oder seinen Delegaten mit der Bitte wendet,
zur Abschwörung und zum Glaubensbekenntnis im äußeren Forum zugelassen
zu werden. Damit sich die Ortsordinarien in einer so wichtigen Sache
nicht zu entgegenkommend zeigen, besonders wenn es sich um Personen
handelt, die ihnen überhaupt nicht oder nur wenig bekannt sind, werden
sie ermahnt, die einzelnen Fälle (d. h. wenn es sich um Priester oder
um Diakone handelt) dieser Päpstlichen Kommission oder dem Päpstlichen
Legaten (falls einer da ist) klar darzulegen und sich nach den
besonderen Instruktionen, die ihnen von Fall zu Fall zugehen, zu
verhalten." (AAS 21, 1929, S. 94, Deutsche Übersetzung nach Suso Mayer
OSB, Neueste Kirchenrechts-Sammlung, Freiburg 1953, Bd. I, S. 534) 3)
In der Instruktion der Päpstlichen Kommission für Rußland, 26. August
1929 werden nun die besondere Aufnahmekriterien für Laien und Kleriker
(d.h. ausdrücklich nur Priester und Diakone! - die Aufnahme eines
Bischofs ist hier ausdrücklich nicht angesprochen!):
"Laien
Die Päpstliche Kommission bestimmt, daß der Bischof die Vollmacht hat,
Laien nicht bloß in dringenden sondern auch in gewöhnlichen Fällen zur
Einheit der katholischen Kirche zuzulassen und sie aufzunehmen,
vorausgesetzt, daß er jene, die um Aufnahme bitten, so kennt, daß er
sich ein kluges Urteil über ihre richtige Seelenverfassung und ihre
genügende Kenntnis des Glaubens und der katholischen Kirche bilden
kann. Der Bischof muß sich die Antworten und Dekrete des Heiligen
Offiziums über die Gültigkeit der Taufe und Firmung von Schismatikern
vor Augen halten. (...)
Kleriker, d. h. Priester und Diakone
Mit größerer Vorsicht muß man im Fall von Priestern oder Diakonen
vorgehen; nicht aus Mißtrauen, was durchaus ferne sei, sondern weil für
Kleriker eine längere Ausbildung notwendig ist, und weil die Sache
besonders mit Rücksicht auf die Zukunft größere Sorge verlangt. Denn
die Erfahrung lehrt, daß man in diesen Dingen niemals zu große Klugheit
anwendet. Deshalb sollen sich die Ordinarien außer einer sorgfältigeren
und umfassenderen Untersuchung, als sie in entsprechenden Fällen für
Laien erfordert ist, Gewißheit über ihre Ordination und Studien
verschaffen; welche Sprachen sie sprechen, lesen und schreiben können
und wie gut; ob sie der lateinischen Sprache so weit mächtig sind, daß
sie an Vorlesungen der Dogmatik und Moraltheologie mit einigem Gewinn
teilnehmen können. Es soll auch untersucht werden, welcher Hierarchie
oder Teilhierarchie jeder untergeben war und ob er im Lauf der Zeit von
einer zu einer andern übertrat. Ob er einer protestantischen Sekte
angehörte oder den Anschluß an eine versuchte. Ob er nach der heiligen
Ordination ohne kirchliches Amt als Laie lebte.
Außerdem soll eine Untersuchung über den Charakter und Lebenswandel
eines jeden angestellt werden. Nach Durchführung der Untersuchung soll
der Ordinarius den Fall an diese Kommission oder, wenn der Fall
dringend ist, an den Apostolischen Legaten in dem betreffenden Land
berichten, der nach besonderen ihm für diesen Zweck gegebenen Normen
handeln wird. Über Kleriker, die in die katholische Kirche aufgenommen
wurden, sollen die Ordinarien diese Päpstliche Kommission unverzüglich
benachrichtigen." (AAS 21, 1929, S. 608-610, Deutsche Über-setzung nach
Suso Mayer OSB, Neueste Kirchenrechts-Sammlung, Freiburg 1953, Bd. I,
S. 534-537) 4)
Wenn schon solch strenge Bestimmungen bei der Aufnahme in die
röm.-kath. Kirche für diese Gruppe von Klerikern (Priester und Diakone)
gelten, dann dürfte das in einer noch dezidierteren Weise für die dem
Papst reservierte Rekonziliation eines orthodoxen Bischofs zutreffen.
Die am Schluß von Risslings Brief geäußerten Vorwürfe, die nur dessen
theologisches Unwissen dokumentieren, sollen hier noch rasch
abgehandelt werden:
1. Nach Rissling "scheint" in "wiederholten Veröffentlichungen in der
'Einsicht' der letzten Jahre" die katholische Kirche "einseitig und
allein (!) durch Deklarationen" konstituiert zu werden. Erst nach
einigem Nachdenken bin ich darauf gekommen, daß Rissling die von H.H.
Krier, Herrn Jerrentrup und mir vorgelegte Anschluß-Erklärung an die
DECLARATIO S.E. Mgr. Ngô-dinh-Thuc meint, in der die genannten Autoren
ein Konzept für die Restitution der Kirche vorlegen. Natürlich macht
dieses Konzept für sich noch nicht die reale Restitution aus - das
liegt im Wesen eines Konzeptes!!! - , aber wenn Rissling und die mit
ihm verbundenen Kleriker meinen, ohne ein Konzept auskommen zu können,
dann empfehlen sie sich als komplette Chaoten - klerikale!!! Chaoten.
Leider ist es so, daß die EINSICHT - soweit ich sehe - weltweit als
einziges Organ das Problem der Restitution bzw. des Wiederaufbaus der
Kirche überhaupt behandelt.
2. Nach Rissling mache ich "die priesterliche Sakramentenspendung an
die sich nach der himmli-schen Seelenspeise sehnenden Gläubigen
geradezu verächtlich". In der Tat kritisiere ich Kleriker und Gläubige
gleichermaßen, die meinen, sie könnten außerhalb der Kirche Sakramente
spenden oder empfangen, und die meinen, es ist egal, wer diese
Sakramente spendet. Legitim dürfen die Sakramente nur innerhalb der
Kirche empfangen bzw. gespendet werde, d.h. von Priestern, die von der
Kirche dazu beauftragt sind, und nur an Gläubige, die der Kirche
angehören. Damit stellt sich wiederum die Frage, wo heute denn die
Kirche ist. Weil sich aber von den Klerikern, die dafür eigentlich
besondere Verantwortung tragen müßten, niemand ernsthaft um dieses
Problem bzw. im Zusammenhang darum um den Wiederaufbau der Kirche
kümmert, trudeln wir in der Tat in ein manifestes Sektierertum hinein.
3. H.H. Rissling behauptet, "eine theologisch relevante Antwort" auf
"die absurden Vorstellungen von Herrn" Pitsch gegeben zu haben, der
erneut das Argument ins Spiel gebracht hatte, wonach Kleriker nur dann
die Sakramente spenden dürften, wenn sie dazu auch jurisdiktionell
bevollmäch-tigt seien, was in der bestehenden Sedisvakanz nicht gegeben
sei (man vgl. "Einsicht" XXXIV/2, S. 39). Leider habe ich eine solche
Antwort von Rissling nie vernommen. Auch wenn ich die Schluß-folgerung,
die Herr Pitsch zieht, nicht teile - ich würde sonst nicht die
Meßzeiten von H.H. Rissling in der EINSICHT angeben -, ist sein
Argument sehr wohl berechtigt!! und keineswegs absurd. Denn Kleriker
ohne Mandat, ohne kirchliche Beauftragung handeln sektiererisch!
Risslings 'Sprachlosigkeit' ist um so erstaunlicher, als wir das
Problem des fehlenden Mandates bereits vor über 20 Jahren im
Zusammenhang mit den von Erzbischof Ngô-dinh-Thuc gespendeten
Bischofsweihen ausführlich öffentlich und weltweit diskutiert haben:
wegen des Seelenheiles der Gläubigen ist das fehlende Mandat in dieser
Sedisvakanz dahin gehend zu kompensieren, daß die Restitution der
Kirche zu antizipieren ist in der Form, daß man ihren Wiederaufbau mit
aller Kraft vorantreibt, um schließlich das rechtliche Provisorium, in
dem wir uns z.Zt. befinden, von der vollständig installierten höchsten
kirchlichen Autorität - einem legitimen Papst - salvieren zu lassen. 5)
Übrigens bestreitet Pitsch energisch, gesagt zu haben, daß "heute
generell und ausnahmslos jegliche Sakramentenspendung verboten sein
soll", sondern - wie er schreibt - nur, "daß man von Priestern, welche
ohne kanonische Erlaubnis geweiht und ohne Dispens ihre Weihen ausüben,
zu denen (Rissling) leider gehört, nach kanonischem Recht nur in den
zwei (...) Ausnahmen die Sakramente emp-fangen darf" (d.i. in
extremis). Pitsch arbeitet nicht "praktisch den übelsten Feinden der
Kirche in die Hände" - das halte ich für bloßes Geschwätz -, sondern er
deckt nur Risslings theologische Blößen auf, der damit zugleich belegt,
die bisherigen Debatten um die kirchliche Situation einfach ignoriert
zu haben. N.b. in all den Jahren, die ich nun schon in der
kirchlichen Auseinandersetzung stehe - gut dreißig Jahre -, habe ich
keinerlei nennenswerte Attacken von 'außen' erlebt; 'feind' waren wir
immer nur uns selbst! Quod erat demonstrandum.
Risslings Vorwürfe - Deklarationismus, Diskriminierung der
Kommunionempfänger, Favorisie-rung von Pitsch's "absurden
Vorstellungen" haben einen gemeinsamen Hintergrund: Risslings absolute
Konzeptlosigkeit und mangelnde theologische Kompetenz zur Bewältigung
der kirchlichen Probleme unserer Zeit.
Seit meiner Studienzeit, d.i. seit den späten 60iger Jahren, habe ich
mich mit den theologischen Problemen beschäftigt, die durch die
Beschlüsse des II. Vatikanums entstanden waren. Diese haben das
kirchliche Leben weltweit und nachhaltig verändert, vielfach sogar
total zerstört. Als Redakteur der EINSICHT - ein Amt, welches ich nun
auch schon 30 Jahre lang ausübe - stand ich in Verbindung mit all jenen
Priesterpersönlichkeiten, die den Kampf gegen die Revolution
aufgenommen hatten und sich für die Bewahrung bzw. den Wiederaufbau der
von Christus gegründeten Kirche eingesetzt haben: mit H.H. Pfr. Alois
Aßmayr, H.H. Dr. Otto Katzer, H.H. Pfr. Leutenegger, H.H. Dr. Jeker,
S.E. Bischof Blasius Kurz OFM, mit Bischof Carmona, S.E. Erzbischof
Ngô-dinh-Thuc, der über Monate unser Gast war, mit den Bischöfen
Zamora, Musey, Guerard des Lauriers, um nur einige zu nennen. All
diesen Klerikern mit ihrem theologisch gut fundiertem Programm zum
Wiederaufbau und ihrem kämpferischen Engagement fühle ich mich auch
heute noch engstens verpflichtet, besonders Erzbischof Ngô-dinh-Thuc
und Bischof Carmona. Deswegen werde ich all jene Aktivitäten, die den
mühsam eingeleiteten Bestrebungen zur Restitution der Kirche
zuwiderlaufen, sie zu verfälschen suchen, öffentlich kritisieren.
Wenn jemand uns Sedisvakantisten wirklich schadet, dann sind es Bischof
Pivarunas und sein Adlatus H.H. Rissling, die mit ihrer angemaßten
'Papst'-Spielerei unser theologisch-kirchliches Anliegen lächerlich
machen.
Eberhard Heller
Anmerkungen:
1) Dort heißt es u.a.: "Der 1929 geborene Michail Denisenko legte 1950
die Mönchsgelübde ab und empfing im gleichen Jahr noch die Weihe zum
Mönchsdiakon und im folgenden Jahr jene zum Mönchspriester. 1962
erfolgte die Bischofsweihe. Bevor er 1966 als Erzbischof (seit 1968
Metropolit) von Kiev und der Ukraine eingesetzt wurde, diente er zwei
Jahre als Bischof in Wien und zwei Jahre als Rektor der Geistlichen
Akademie in Moskau. Von 1966 bis 1992 wirkte er als Vorsteher des
Patriarchats Moskau in der Ukraine. In der Ökumene war Metropolit
Filaret eine bekannte Persönlichkeit. Innerkirchlich teilte man die
westliche Begeisterung für diesen Mann gar nicht. Er galt als
skrupelloser Machtmensch und als Mann des KGB. Im Prinzip spricht man
im Moskauer Patriarchat über solche Dinge noch immer nicht. Bei
Metropolit Filaret tat man es - allerdings in anderem Zusammenhang -,
als er 1992 laisiert und 1997 exkommuniziert wurde. Der Hauptgrund
dafür war sein entscheidender Beitrag zur Spaltung der Ortho-doxie in
der Ukraine. Es wurden dann aber noch weitere Gründe für die
Kirchenstrafen genannt: Als Mönch und Bischof hatte er in unkanonischer
Weise mit einer Frau und den gemeinsamen Kindern in der
Metropolitenresidenz gewohnt, wo diese Dame laufend Skandale
verursachte (die staatlichen «Organe» schützten vor Strafmassnahmen der
Kirche). Zweitens erwähnte die Kirchenleitung von Filaret aus
kirch-lichen Kassen unterschlagene gewaltige Summen. Schliesslich wurde
Filarets intensive Zusammenarbeit mit den Organen des KGB betont,
namentlich mit dem damaligen Partei- bzw. Staatschef Leonid Krav-cuk."
(a.a.O. S. 184)
2) Zur Erläuterung des rechtlichen Problems dieser Weihen - das Fehlen
des päpstlichen Mandats - hatte ich im Offenen Brief noch geschrieben:
"Als S.E. Mgr. Ngô-dinh-Thuc 1981 die Patres des Lauriers, Zamora und
Carmona zu Bischöfen weihte, war allen Beteiligten klar, daß die
Erteilung der Weihen aus der damaligen Situation heraus nicht nur
erlaubt, sondern auch geboten waren, daß sie sich deshalb aber dennoch
wegen des fehlenden Mandats in einem rechtlichen Provisorium befinden
würden, weswegen die Weihen selbst nur erst von einer restituierten
höchsten Autorität legitimiert werden könnten."
3) Man vgl. auch die Hinweise der Kirchenrechtler: “Bei der Rückkehr
orthodoxer Geistlicher (Priester und Diakone) ist in jedem Falle die SC
Orient anzugehen. Für die Wiederversöhnung orthodoxer Russen erging
eine besondere Instr. der Commissio pro Russia vom 26. 8. 1921, die den
Bischöfen für die Wiederversöhnung der Laien weitgehende Vollmachten
gibt, aber die Aufnahme von Diakonen und Priestern sich selbst
vorbehält.” (Eichmann-Mörsdorf, Lehrbuch des Kirchenrechts, Bd. I, 9.
Aufl. München/ Pader-born/Wien 1959, S. 210). “Wenn ein orientalischer
Schismatiker sich bekehrt, dann darf er sich jenem Ritus anschließen,
der ihm am meisten zusagt [...] Handelt es sich aber um Priester oder
Diakone, dann muß man jeden einzelnen Fall der Commissio pro Russia
(bzw. der bei der Kongregation für die orienta-lische Kirche am 21.
Dezember 1934 errichteten Sektion) oder in dringenden Fällen dem
Päpstlichen Legaten jenes Landes unterbreiten” (Herbert Jone,
Gesetzbuch der lateinischen Kirche, Bd. I, 2. Aufl.
München/Paderborn/Wien 1950, S. 123)
4) Zum Verhältnisses der röm.-kath. zur orientalischen Kirche können
weiterhin herangezogen werden: AAS, Vol. XXXXI, vom 12. März 1949, Motu
Proprio von Pius XII.; AAS, Vol. XXXXII, vom 6. Jan. 1950, Motu Proprio
von Pius XII. (de Iudiciis pro Ecclesia orientali); AAS, Vol. XXXXIV,
vom 22. Feb. 1952, Motu Proprio von Pius XII. (de religiosis); AAS,
Vol. XXXXIX, vom 15. Aug. 1957, Motu Proprio von Pius XII. (de ritibus
orientalibus, de personis pro Ecclesiis orientalibus); weiterhin der
"Dictionaire de théologique catholique" Vol. 1, Paris 1909, Artikel
"Abjuration"; "Dictionaire de théologique catholique" Fascicule CXXIV,
Artikel "Schisme byzantin".
5) Man kann darüber streiten, ob die besonderen Vollmachten, die Pius
XI. Mgr. Thuc verliehen hatte und die meines Wissens nicht außer Kraft
gesetzt wurden, auch das Recht beinhaltete, auch ohne ausdrückliches
Mandat Bischöfe weihen zu dürfen - eine Option, die Mgr. des Lauriers
favorisierte. Ich kann nur sagen, daß Mgr. Thuc selbst nie darauf
insistierte.
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