Jede vierte Schwangerschaft endet mit Abtreibung
Schwangerschaftsabbrüche: Staatliche Finanzierung umstritten: 197 Millionen Euro in fünf Jahren
von
Felix Menzel
Jährlich finanziert der deutsche Staat die Durchführung von
Abtreibungen mit einem Betrag von mehr als 40 Millionen Euro. In den
meisten Bundesländern erstatten die Sozialämter die Kosten von über 90
Prozent der Schwangerschaftsabbrüche. Etwa 115.000 Abtreibungen wurden
so im Jahr 2002 subventioniert. Diese Zahlen, die Anfang des Jahres
durch Recherchen des CDU-Abgeordneten Hubert Hüppe bekannt wurden,
haben in Lebensrechtler-Kreisen für Empörung gesorgt.
"Es hat den Anschein, als würden wir begeistert unseren Selbstmord
finanzieren", erklärte der Bamberger Erzbischof Ludwig Schick in einer
Pressemitteilung. Wenn man zu den Abtreibungskosten noch die
staatlichen Zuschüsse an Vereine wie Donum Vitae und Pro Familia
rechne, die den Abtreibungsschein ausstellen, seien 50 Millionen Euro
aus der Staatskasse für die "Anti-Life-Bewegung" in der Bundesrepublik
überschritten, so Schick. Dagegen erhielten Beratungsstellen der
Caritas und des Sozialdienstes Katholischer Frauen keine staatliche
Förderung mehr, nachdem sie keine Scheine mehr für eine Abtreibung
ausstellen. Andere Beratungsstellen, kritisierte Schick, würden zu 80
Prozent vom Staat gefördert.
Seit die Fakten der staatlichen Subventionierung von
Schwangerschaftsabbrüchen offengelegt wurden, ist auch in der CSU das
Interesse an der Abtreibungs-Problematik wieder erwacht. Eine
parlamentarische Anfrage des Abgeordneten Johannes Singhammer an die
Bundesregierung ergab, daß in den vergangenen fünf Jahren 197 Millionen
Euro Steuergelder für die Finanzierung von Abtreibungen ausgegeben
wurden. Bayerns Sozialministerin Christa Stewens nannte es einen
Skandal, daß Geld für Kinderspielplätze fehle, aber für Abtreibungen
vorhanden sei. Zudem hat die CSU-Politikerin juristische Bedenken. Nach
der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, so Stewens, sei die
Übernahme der Kosten von Schwangerschaftsabbrüchen durch den Staat mit
dessen Schutzpflicht für das ungeborene Leben nicht vereinbar.
Nach dem sogenannten Schwangerenhilfegesetz von 1995 ist die
Kostenerstattung nur in Ausnahmefällen zulässig, wenn die
Antragstellerin nur geringe Einnahmen von weniger als 912 Euro
monatlich zur Verfügung habe. Angesichts der hohen Quote von über 90
Prozent in der Praxis sei die staatliche Finanzierung von Abtreibung
aber "offensichtlich die Regel", so Stewens. Besonders hoch ist die
staatliche Finanzierungsquote in den nördlichen Bundesländern
Nordrhein-Westfalen, Schleswig-Holstein und Niedersachen. In Bayern
wird anscheinend strenger geprüft, weshalb nach amtlichen Angaben nur
bei zirka 65 Prozent der Schwangerschaftsabbrüche die Kosten vom Staat
übernommen werden.
Mehr als 90 Prozent der Abtreibungen zahlt der Staat
Laut dem umstrittenen Urteil der Karlsruher Richter von 1993 sind
Abtreibungen in Deutschland zwar "rechtswidrig, aber straffrei", sofern
sie nach einer Beratung mit Schein erfolgen. Bayern hatte gegen eine
Kostenerstattung durch die Krankenkassen geklagt und gewonnen. 1995
wurde daraufhin das "Bundesgesetz zur Hilfe für Frauen bei
Schwangerschaftsabbrüchen in besonderen Fällen", kurz
Schwangerenhilfegesetz, beschlossen. Damit sollte das Verbot der
Bezahlung von Abtreibungen durch die Pflichtkrankenversicherten
umgangen werden, indem man die Kosten "in besonderen Fällen" dem
Steuerzahler aufbürdete. Die jetzt veröffentlichten Zahlen lassen die
gesetzliche Regelung in einem seltsamen Licht erscheinen: Der Staat
erklärt "rechtswidrige" Tötungen ungeborener Kinder für "straffrei" und
läßt die Steuerzahler in mehr als 90 Prozent der Fälle für die
Abtreibungen zahlen.
Ob die bayerische Staatsregierung eine Bundesratsinitiative zur
Änderung des Gesetzes versuchen möchte, steht nach Informationen der
JUNGEN FREIHEIT noch nicht fest. Die Finanzierung der Abtreibung,
obwohl in einem Bundesgesetz geregelt, ist Ländersache und damit im
Bundesrat zustimmungspflichtig. Stewens erklärte, sie habe "erhebliche
verfassungsrechtliche, politische und fachliche Bedenken" gegen das
sogenannte Schwangerenhilfegesetz. Auch die Entwicklung bei den
Spätabtreibungen betrachte sie mit großer Sorge. In Deutschland werden
aufgrund von medizini-scher Indikation pro Jahr einige hundert meist
behinderte Kinder noch bis kurz vor der Geburt abgetrieben. Eine
Gesetzesinitiative der CDU/CSU-Bundestagsfraktion zur Einschränkung der
Spätabtreibung scheiterte letztes Jahr an der rot-grünen
Parlamentsmehrheit. (...)
Für Deutschland weist die jährliche Abtreibungsbilanz des Statistischen
Bundesamtes eine Zahl von 130.000 Abtreibungen aus. Seit der
Neuregelung des Paragraphen 218 des Strafgesetzbuchs zur Regelung von
Schwangerschaftsabbrüchen Anfang der neunziger Jahre ist die Zahl trotz
eines entsprechenden Auftrags des Verfassungsgerichts nicht rückläufig.
Fachleute schätzen, die tatsächliche Zahl der Abtreibungen könnte trotz
Meldepflicht doppelt so hoch liegen, also bei etwa 260.000 pro Jahr.
Gemessen an der niedrigen Zahl von 730.000 Geburten im Jahr 2002
bedeutet dies, daß über ein Viertel aller Schwangerschaften in
Deutschland mit einem Abbruch endet.
(aus JUNGE FREIHEIT 07/04 vom 06. Februar 2004)
|