DIE KREUZESSYMBOLIK
von
Magdalena S. Gmehling
Das Kreuz, bestehend aus zwei in- oder übereinandergefügten Balken,
wurde bei vielen Völkern zur Hinrichtung gebraucht. In ganz alter Zeit
hängte man Verbrecher mit Seilen und Nägeln an einen Baum, später dann
wohl an Balkenstücke. Aus vorchristlicher Zeit sind bekannt: das "crux
gammata" (das Hakenkreuz) (vgl. Abb. 1), das "Sonnenradkreuz"
(Swastika, ein Symbol des scheinbaren Sonnenlaufes) (vgl. Abb. 3) und
das "crux ansata", das Henkelkreuz, auch Nilschlüssel genannt (ein
Sinnbild der schöpferischen Kraft und daher Beigabe so mancher Statuen
und Bildwerke) (vgl. Abb. 2). Obwohl das Kreuz Marterwerkzeug war,
genoß es bei vielen heidnischen Völkern religiöse Verehrung, wurde als
eines der gebräuchlichsten Ornamente verwendet. Kreuze fand man in
Mexiko und Peru als Sinnbild der Naturkräfte an Tempeln. Der Palast des
Knossos zu Kreta weist zahlreiche Kreuzdarstellungen in der Form der
Doppelaxt auf. Buddhistische Sekten betrachten das Kreuz als Zeichen
der Unsterblichkeit.
Im Zeitalter des bedenkenlosen Synkretismus, der Nivellierung aller
Schranken und der gedankenlosen, leichtfertigen, oft auch
blasphemischen, ja satanischen Verwendung von Kreuzformen ist klar
festzuhalten, daß es keine wirkliche Verbindung zwischen diesen
heidnischen Zeichen und dem von der Kirche zur Würde eines
Sakramentales erhobenen christlichen Kreuz gibt. Der mystische Kreis
des Lebensbaumes (1 Mos. 2,9) bzw. des Baumes des Todes (1 Mos. 2,17)
schließt sich um das Kreuz, welches mittelalterlicher Sage zufolge aus
dem Holz des Baumes der Erkenntnis gefertigt ge-wesen sein soll.
Alttestamentarische Vorbilder des christlichen Zeichens der Erlösung
sind das "T", welches nach 2 Mos. 12, 22 die Israeliten in Ägypten an
die Türen schrieben, ferner der Pfahl mit der ehernen Schlange (auf
Befehl Gottes aufgerichtet in der Wüste zur Rettung der von giftigen
Schlangen Gebissenen - vgl. 4 Mos.28,1). Auch in dem
wundertätigem Stab des Moses, der Wasser aus dem Felsen schlug und das
Meer teilte, und das Gebet des Moses, welches er mit ausgebreiteten
Armen im Kampf gegen die Amalekiter verrichtete, sind hinweisende
Zeichen zu sehen.
Von Künstlerlaunen abgesehen, unterscheiden wir 18 christliche
Kreuzformen: Das Kreuz als Symbol des Glaubens und Gegenstand
religiöser Verehrung, als Segens-und Heilszeichen, wurde nach alter
Legende von der damals 79jährigen Kaiserin Helena, der Mutter
Konstantins des Großen im Jahre 326 aufgefunden. Während der
Kreuzesstamm in Jerusalem zurückblieb, kam der Querbalken nach
Konstantinopel und später ein Teil davon nach Rom, wo er in Sta. Croce
aufbewahrt wurde. Laut Überlieferung soll das restliche Stück im 13.
Jahrhundert von Ludwig dem Heiligen nach Paris gebracht worden sein.
Der Kreuzesstamm selbst soll von Chosroes II. nach der Eroberung
Jerusalems geraubt, von Kaiser Heraklius 628 zurückerobert worden sein.
Er ging aber dann 19 Jahre später unter dem Ansturm der Sarazenen
verloren und gilt seitdem als verschollen. Das lateinische Kreuz, also
die Längsform mit Querbalken, gleicht diesem von St. Helena
aufgefundenen Marterwerkzeug. Darstellungen finden wir in allen
Jahrhunderten. Zuerst erscheint das Kreuz zwar mit Edelsteinen und
Gemmen verziert (gelegentlich auch mit dem Pallium behangen), aber ohne
Corpus. Mitunter sprossen blühende Rosen auf allen Seiten hervor
(Coemeterium St. Pontiani in Rom). Man fühlt sich an den Kreuzeshymnus
erinnert:
Crux fidelis, inter omnes
Arbor una nobilis:
Nulla silva talem profert
Fronde, flore, germine.
Dulce lignum, dulces clavos,
Dulce pondus sustinet.
Teures Holz, vor allen Bäumen
Einzig du an Ehren reich;
Denn an Zweigen, Blüten,
Früchten
ist im Wald
kein Baum dir gleich.
Süßes Holz, o süße Nägel!
Süße Last
beschweret euch.
In urchristlicher Zeit steht häufig unter dem Kreuz das Lamm mit Nimbus
als Sinnbild und Verhüllung des Kreuzesmysteriums. Oft erscheint es
auch ans Kreuz geheftet, während oben Tauben (die Erlösten) sitzen. In
diesem Zusammenhang ist bemerkenswert, daß Anna Katharina Emmerich
während ihrer Schauung der Leidensgeschichte Jesu immer wieder das
rührende Blöken der Opferlämmer vernimmt, die zuerst am Teich bei dem
Schaftore in Jerusalem gereinigt wurden, bevor man sie südöstlich vom
Tempel am Teich Bethesda zeremonienweise nochmals mit Wasser
besprengte.
Mit dem Christusmonogramm geschmückte Kreuze werden ab dem 5.
Jahrhundert seltener. Oft erscheint das Kreuz auch mit Nimbus. Dabei
ist stets zu bedenken, daß das eigentlich entehrende Zeichen eine
gewisse Aufwertung erfahren sollte. Man wollte ihm das Schimpfliche
nehmen, das ihm als Zeichen der Schmach (Apulejus: "damnata crux";
Seneca: "infelix lignum") anhaftete.
Seit dem 6. Jahrhundert kommen dann eigentliche Kruzifixbilder mit
menschlicher Gestalt häufiger vor. Wenn das II. trullanische Konzil von
Konstantinopel 692 ausdrücklich gebot, daß die menschliche Gestalt
Christi am Kreuze angebracht werde, so ist diese Entscheidung vor dem
dogmatischen Hintergrund des Bilderstreites zu sehen. Das
alttestamentarische Bilderverbot: "Du sollst dir kein geschnitztes Bild
machen ..." (Ex 20,4; Lev 26,1) sollte Israel vor dem Rückfall in den
Götzendienst bewahren. Nach der Menschwerdung Christi verlor dieses
Gebot seine innerliche Berechtigung; (denn Gott war ja als Mensch
erschienen, als solcher also abbildbar, Anm.d.Red.) Wenngleich die
junge Kirche sich große Zurückhaltung hinsichtlich der gestalthaften
Darstellung auferlegte und sich eben lieber der Zeichen und Symbole
bediente, so mußte man doch um der vielen Analphabeten willen bildhafte
Darstellungen biblischer Szenen und des Lebens der Heiligen gestatten.
Christologische Streitigkeiten spielten dabei eine nicht unbedeutende
Rolle. Die Doketen wie auch die Monophysiten lehnten, da sie nicht an
die volle menschliche Natur Christi glaubten, Christusdarstellungen ab.
Auch die Gemäßigten hielten es für unzweckhaft und heilsökonomisch
bedenklich, die menschliche Natur Christi darzustellen. Dies komme
einer gefährlichen Häresie entgegen, nämlich dem Nestorianismus (die
strenge Zwei-Naturen-Lehre, welcher die ontische Einheit der göttlichen
und menschlichen Natur Christi bestreitet und an deren Stelle eine
moralische Hypostase annimmt), sofern man nicht mit den Arianern
überhaupt die Göttlichkeit Christi leugne. Bedenken sollte man auch,
daß das Volk dazu neigte, Bilder abergläubisch zu verehren. Im
Zusammenhang mit dem Bilderstreit kam es dann zu einer Verschärfung des
Gegensatzes zu den Byzantienern, der auch in blutigen
Auseinandersetzungen ausgetragen wurde. Erst das 7. Ökumenische Konzil
(das 2. von Nicäa), auf dem Ost-und Westkirche letztmals vereint waren,
klärte den Streit, indem es zwischen Anbetung (Latreia), die Gott
allein zukomme, und Verehrung (Proskynesis) unterschied.
Jedenfalls ist bereits Ende des 6. Jahrhunderts ein Bronzekreuz aus dem
Grabe des König Childerich mit einem Christus-Corpus bekannt. Und das
älteste erhaltene Gemälde eines Kruzifixes (Kreuz mit Korpus) findet
sich in der syrischen Evangelienhandschrift aus dem Jahre 586, welche
in San Lorenzo in Florenz aufbewahrt wird.
Bevor wir nun die wichtigsten Kreuzformen kurz erklärend beschreiben,
soll noch auf zwei Sonderbarkeiten eingegangen werden, die im Laufe der
Geschichte und heute im Zeitalter populärwissenschaftlicher Halbbildung
immer wieder zu den abartigsten Spekulationen führten.
Zum einen handelt es sich um Siegelringdarstellungen des gekreuzigten
Eros aus dem 2. Jahrhundert nach Christus. Dieser sogenannte magische
Stein dürfte auf gnostische Kreise, die den Bakchos-Orpheus verehrten,
zurückzuführen sein. Er zeigt eine nackte, vermutlich androgyne
gekreuzigte Figur. Zwei Nägel sind am Kreuzesende eingeschlagen, ohne
die Füße zu durchbohren. Über dem Kreuz sind sieben Sterne angebracht.
Der hl. Clemens von Alexandrien hatte wohl solche Bilder vor Augen,
wenn er schreibt: "Sowohl die barbarische als auch die hellenistische
Weisheit erblickt die ewige Wahrheit in einem gewissen Zerfleischt-
oder Gekreuzigtwerden, doch nicht in jenem, von dem die Dionysosfabeln
berichten, sondern in jenem, das die Theologie des ewigen Logos lehrt."
1)
Wir müssen immer bedenken, daß gleichsam verdunkelt und verschleiert
auch im Heidentum eine Art schwacher Abglanz der Wahrheit glüht. Es
gilt aber auch das einzigartig Neue, das Christentum, unbeirrbar
festzuhalten. "Das Neue Testament ist nicht ein einfaches Glied in der
Kette der Offenbarungen, es erhebt den Anspruch, die ganze Wahrheit in
sich zu enthalten vom Anfang bis zum Ende der Welt. Es hat in sich die
Kraft der Verheißung, daß es für das tragische Völkerdrama in hundert
Akten, in welchem die Menschheit zugleich Dichter und Darsteller ist,
einen sinnvollen Abschluß gebe. Es ist ein Buch von wahrhaft
universaler Bedeutung, weil es die Schicksale der Seele zur
Voraussetzung nimmt für die Geschichte der Welt. Es ist eine Lehre von
praktischer Bedeutung und zugleich eine Anweisung zur Formung des
inneren Lebens, es ist eine Anleitung zur Regelung der alltäglichen
Pflichten und zugleich eine Aufklärung über die höchsten
übermenschlichen Dinge." 2)
Die zweite Sonderbarkeit erblicken wir in dem vielbehandelten
Spottkreuz, welches 1856 in einem antiken Zimmer der Kaiserpaläste auf
dem Palatin gefunden und später im Museum Kircherianum der Jesuiten in
Rom aufbewahrt wurde. Man fand in den Maueranwurf eingekratzt eine
menschliche Figur mit einem Pferde- oder Eselskopf, die mit den Händen
an ein T-förmiges Kreuz angeheftet ist. Zur Linken erblickt man in
ebenso roher Zeichnung eine Figur, die dem Gekreuzigten eine Kußhand
zuwirft. Das Ganze ist mit der griechischen Inschrift versehen:
"Alexamenos betet seinen Gott an." Offensichtlich handelt es sich um
einen rohen Spott, den sich ein heidnischer Sklave oder Soldat gegen
seinen christlichen Mitsklaven Alexamenos erlaubte. Der
geistesgeschichtliche Hintergund solcher Darstellungen ist die
sogenannte Onolatrie oder Eselsverehrung, ein sonderbar lächerlicher
Vorwurf des Eselskultes, der den Juden und Christen zur römischen
Kaiserzeit angedichtet wurde. Die in Pompei aufgefundenen einschlägigen
Inschriften hat Rossi eingehend untersucht, und bei Tertullian finden
wir eine Beschreibung des Onokoites ("Is erat auribus asinis, altero
pede ungulatus, librum gestans et togatus", Apolog. 16 - "Er hatte
Eselsohren, an einem Fuß einen Huf, trug ein Buch und war mit einer
Toga bekleidet").
Die Christen vermieden es, in der Frühzeit aus den verschiedensten
Gründen das "teterlimum crudelissimumque supplicium" (das
"schrecklichste und grausamste Zeichen der Hinrichtung"), so Cicero,
also das Kreuz, darzustellen. Einerseits fürchtete man die
erschreckenden Verdrehungen und Mißverständnisse durch die Heiden,
anderseits wollte man weise Rücksicht nehmen auf den noch schwachen
Glauben der Katechumenen und suchte so das heiligste Zeichen zu
verbergen oder eben in ein Arkansymbol einzukleiden. Solche "cruces
dissimulatae" ("heimliche, also unkenntliche gemachte Kreuze") sind
nach Rossi:
– das "T"- und Henkelkreuz (letzteres
ist uns bereits durch die Form des Nilschlüssels bekannt). Es ist hier
als Figur eines Menschen (Oranten), welcher mit ausgebreiteten Armen
betet, zu betrachten,
– das schräge oder Andreaskreuz, (da der hl. Andreas auf einem
solchen Kreuz gemartert worden sein soll; n.b. diese Kreuzesform finden
wir eigentümlicherweise auch im Familienwappen des sagenumwobenen
Reformators Johann Valentin Andreae, * 15. August 1586, des
Herausgebers der rosenkreuzerischen Schriften);
– das Ankerkreuz (der Längsbalken steht auf einem Anker);
–f erner die verschiedenen Varianten des Monogramms Christi.
Außerhalb Roms - vor allem in den entlegeneren Provinzen - hatte man
weniger Grund, die "cruces dissimulatae" zu verwenden. So sind sie
beispielsweise in Afrika äußerst selten.
Doering 3) unterscheidet folgende Kreuzformen:
a) crux immissa oder quadrata:
– das lateinische Kreuz (vgl. Abb. 4);
– das griechische Kreuz mit vier gleichen Armen - als Quadrat mit
Kreis kennzeichnet es auch laibförmige griechische Hostien - (vgl. Abb.
5);
– das Petruskreuz mit dem Querbalken nach unten, entsprechend der Kreuzigungsart des hl. Petrus) (vgl. Abb. 6)
– das liegende Philippuskreuz (weil Philippus liegend gekreuzigt worden sein soll) (vgl. Abb. 7);
b) crux commissa:
– das Antoniuskreuz (auch ägyptisches
Kreuz, Taukreuz, oder seiner Form wegen Krückenkreuz genannt), wie wir
sahen, galt es auch als "crux dissimulata". Es wird im Barnabasbrief
(9) und von Tertullian als Sinnbild der Gnade des Erlösers bezeichnet
(Adv. Marc. 3,22);
– das bereits erwähnte Andreaskreuz, auch "burgundisches" Kreuz genannt (vgl. Abb. 8);
– das Tatzenkreuz mit Armenden, welches in der Romanik viereckig
verbreitert, in der Gotik auch in Dreipässen-, Anker-, Nagelkopf-,
Dreieck-, Pfeilspitzen- und Lilienform geschlossen wurde (vgl. Abb. 9);
– die "crux gemina", das Doppelkreuz (mit zwei Querbalken, z.B. das Scheyrer Kreuz) (vgl. Abb. 10);
– die "crux decussata", das Gabelkreuz (auch Schächerkreuz genannt) (vgl. Abb. 11);
– das Scheibenkreuz (in der romanischen Epoche meist ohne Christuskörper) (vgl. Abb. 12);
– das bereits erwähnte Ankerkreuz;
– das wiederholte Kreuz, mit vier kleinen Kreuzen an den Enden (vgl. Abb. 13);
– das Rosenkreuz mit Dreipässen an den Enden;
– das Jerusalemkreuz, ein griechisches Tatzenkreuz, zwischen dessen Arme vier kleine Kreuze eingezeichnet sind (vgl. Abb. 14);
– das Malteser- oder Johanniterkreuz, ein lateinisches Kreuz, welches aus vier Pfeilspitzen zusammengesetzt ist (vgl. Abb. 15);
– das Kreuz des Heiliggeistspitalordens, einem aus sechs Pfeilspitzen gebildetes Doppelkreuz (vgl. Abb. 16);
– das russische oder griechisch schismatische Kreuz: ein lateinisches
Kreuz mit einem oder Doppelbalken, dem unten ein schräger kleiner
Querbalken eingefügt ist (den Fußschemel andeutend) (vgl. Abb. 17).
"Das Kreuz wird vielfach mit symbolischen Beigaben bereichert z.B. mit
einem Nimbus, einem Kranze, mit einer Dornenkrone, mit Strahlen, mit
Palmzweigen und mit Rosen. Seit dem 13. Jahrhundert werden an den
Kreuzesenden gerne die Symbole der vier Evangelisten angebracht. Da und
dort liegt am untersten Ende des Längsbalkens Melchisedech mit dem
erhobenen Kelche, um die Verbindung von Meß- und Kreuzesopfer
anzudeuten. Selbst die vier Paradiesflüsse kommen an den Kreuzesenden
hervor.
Eine symbolisch besonders interessante Kreuzesbeigabe, z.B. im "Hortus
deliciarum" oder in der Kirche S. Petronio zu Bologna, setzt an die
vier Arme je einen Menschenarm an: der obere schließt den Himmel auf,
der untere die Vorhölle, der Rechte krönt die Kirche, der linke
durchbohrt mit einem Schwerte die Synagoge, welche - während der Sessel
auf dem letzteren sitzt - zusammenbricht. In altchristlicher Zeit wurde
das Kreuz in den Kirchen in Prozessionen zum Altare getragen und dann
auf demselben aufgestellt.
Seit dem 11. Jahrhundert gehört das auf dem Altare stehende Kreuz zur
wesentlichen Altarausstattung. Die romanische und die gotische Kunst
stellten ein großes Kreuz auf den Lettner oder auch darüber auf einen
Balken beim Choreingang; es ist das Triumphkreuz. In der Spätgotik
wurde gerne ein Kreuz - riesig groß - auf dem vor dem Choreingang
stehenden Altar aufgerichtet (Kreuzaltar). Als die Lettner zu Anfang
des 17. Jahrhunderts meist entfernt wurden, um den Blick auf den Altar
freizubekommen, wurde zunächst das Kreuz allein aufgestellt und später
oben an dem Gewölbe aufgehängt." 4)
Das Kreuz verwendete man in alter Zeit auch als Feldzeichen, als sog.
"Labarum". Dies geht auf das bekannte Ereignis zurück, welches Eusebius
Pamphili (+340) von Kaiser Konstantin berichtet. Am Vortag der Schlacht
gegen Maxentius im Jahre 312 seien ihm in den ersten Nachmittagsstunden
ein Kreuz über der Sonne und die Worte "Damit siege!" (oder lateinisch:
"in hoc signo vinces") erschienen. Auch in Wappenschildern,
Kirchenfahnen usw. tauchen Kreuze auf.
Das Kreuz treffen wir auch in der Grundrißform der Basilika - bereits
in Konstantinischer Zeit, später regelmäßig in der Romanik - an, wobei
die in der Gotik mehrfach vorkommenden Achsenabwei-chungen des Chores
entsprechend der Neigung des Hauptes beim Tode des Erlösers gedeutet
werden. Schmuck und Erkennungszeichen von Würdenträgern war und ist das
Brustkreuz.
In der volkskundlichen Literatur sind vielfach Andachts-, Feld-,
Gemarkungs-, Sühne- und Pestkreuze beschrieben und gedeutet. Die sog.
Marterl (Bildsäulen) entstehen erst in der Barockzeit. Wurde ein
katholischer Friedhof geweiht, so verwendete man dazu ein Holzkreuz mit
aufgesteckten brennenden Kerzen, um den Sieg des Kreuzes über den Tod
anzudeuten.
Anmerkungen:
1) Clemens von Alexandrien: Stromata 1, 13, hrsg.von Stählin, Leipzig 1906. S. 36.
2) Ludwig Derleth: Das Werk 3. Verlag Hinder und Deelmann. Bellnhausen über Gladbach/Hessen, S. 318 f.
3) Doering, Oskar: Christliche Symbole. Freiburg i. Br. 1940.
4) a.a.O., S. 73 f.
***
Weise Enthaltsamkeit
"Eine große Zahl von Nackten und Obdachlosen hat uns die gegenwärtige Zeit gebracht...
Diesen komme zu Hilfe, du der fastest. Sei freigebig gegen die unglücklichen Brüder.
Was du deinem Bauch entziehst, das laß dem Hungrigen zukommen.
Deine Gottesfurcht zeige sich gerecht, indem sie gleichmäßig verteilt.
Heile durch weise Enthaltsamkeit zwei einander entgegengesetzte Zustände:
deine Übersättigung und den Hunger des Mitbruders."
Gregor von Nyssa
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