NACHLESE
- Anmerkungen zu den Reaktionen auf die
Darstellung des traditionalistischen Sektierertums -
(EINSICHT Nr. 4 vom November 1996)
von
Eberhard Heller
in Zusammenarbeit mit
Christian Jerrentrup
Obwohl die Aufklärung über das immanente Sektierertum in den angeblich
orthodox-katholischen Kreisen und dessen Enthüllung - eine Studie, die
sehr arbeitsintensiv war - zwar teilweise schockierend war, aber
überwiegend positiv aufgenommen wurde, ist es doch angebracht, sowohl
auf die unmittelbare als auch indirekte Kritik daran einzugehen. Sie
kommt vorwiegend von den Betroffenen in diesen Beiträgen.
Im nord- und südwestdeutschen Raum zirkuliert ein als
"Franziskaner-Gemeindebrief, Dez. 1996" firmiertes Schreiben, welches
an seinen stilistischen 'Eigenheiten' unschwer als aus Herrn Lingens
Feder geflossenes Opus erkennbar ist. 1) In ihm wird zwar lautstark von
fehlerhaften Darstellungen gesprochen, aber die Behauptungen von Herrn
Jerrentrup und mir über den angeblichen 'Bischof' Schneider und sein
'Kirchenmitglied, Herrn Lingen, werden in keinem einzigen Punkt
korrigiert oder Fehler in der Darstellung nachgewiesen. D.h. man darf
davon ausgehen, daß der Kreis um den sog. Altvater Schneider keine
wirklichen Einwände erheben kann. 2)
Einspruch gegen unsere Darstellungen der Sukzession von Schmitz
('Bischof' Georg) erhielten wir von dem Betroffenen selbst in Form
eines Einschreibens und später auch brieflich von Personen, die mit
Schmitz direkt oder indirekt in Verbindung stehen. Leider kam Schmitz'
Schreiben (abgefaßt am 5.11.96) gut eine Woche nach Redaktionsschluß
(1.11.96) an, so daß es bei der Abfassung unserer Darstellung leider
nicht berücksichtigt werden konnte. Es enthält neben polemischen
Passagen und verschiedenen Absichtserklärungen auch einige - allerdings
undokumentierte - Behauptungen Schmitz's, die in unserem Zusammenhang
durchaus interessant sind, um den verwirrenden Horizont der
Vagantenszene weiter aufzuhellen, aber letztendlich zu keinem anderen
Resultat hinsichtlich der Beurteilung der Schmitzschen Sukzession
führen. Deshalb gab es auch zunächst keinen Grund, die Auslieferung des
inzwischen gedruckten Heftes zu stoppen.
Wir hatten Schmitz unsere Recherchen mit der Bitte um Stellungnahme
zugesandt , um gegebenenfalls Korrekturen vornehmen zu können. Neben
der Ankündigung, eine Gegendarstellung presserechtlich zu erzwingen -
n.b. eine etwas unsinnige Geste -, ging er in seinem ersten Schreiben
auch auf Herrn Jerrentrups Manuskript ein, doch hatte er uns die für
seine Sukzession relevanten Nachrichten, die sein Brief vom 5.11.96
enthielt, in seinem Schreiben vom 26.9.96 zunächst vorenthalten. Wir
sandten ihm dann die überarbeitete Fassung zu mit dem Vorschlag, seine
Entgegnung mit unserer Darstellung gemeinsam zu publizieren, da uns an
einer gerechten und der persönlichen Situation von Herrn Schmitz
Rechnung tragenden Darstellung gelegen war. Auf dieses Angebot ging
Schmitz nicht ein und sah mit dem Brief vom 5.11.96 die Korrespondenz
als beendet an. Da er aber, wie u.a. der Brief eines
traditionalistisch-konservativen Klerikers an mich zeigt, die Version
verbreitet, er hätte uns "vor längerer Zeit seine Weiheunterlagen
zwecks Veröffentlichung zur Verfügung gestellt", worunter sich ein
"Zeugnis, woraus hervorgeht, daß Wiechert noch vor der Bischofsweihe
die katholische Priesterweihe empfangen hatte" 3), befunden hätte,
weswegen Wiecherts "Bischofsweihe gültig [ist] und infolgedessen die
Bischofsweihe von Georg Schmitz" - eine Version, die verbunden mit dem
unterschwelligen Vorwurf, wir hätten diese Dokumente unterschlagen, um
die Ungültigkeit von Schmitz Weihen zu konstruieren, in gewissen
Kreisen weiterhin für erhebliche Verwirrung sorgt -, werden wir deshalb
Schmitz's Behauptungen im Detail analysieren, auch wenn - wie bereits
gesagt - sein Brief keine weiteren Dokumente enthielt, die uns zu einer
Korrektur hinsichtlich der Ungültigkeit seiner Priesterweihe durch den
sektiererischen 'Bischof' Wiechert hätten veranlassen können.
Die entsprechende Passage aus Schmitz' Brief lautet: "Ich hatte die
Ehre, Msgr. Wiechert länger als ein Jahrzehnt persönlich zu kennen. Die
Herren Plazinski, Riediger und Jerrentrup nicht! Seine protest.
Ordination hat Bischof Wiechert nie als 'valide' (für andere Leser nie
als 'gültig') angesehen. Er stand auf einer zweifelsfrei katholischen
Glaubensgrundlage. Als Vollmacht für sein seelsorgerliches Wirken sah
er lediglich seine zweifelsfrei gültig empfangenen Priester- und
Bischofsweihe an. (...) Die Priesterweihe von Msgr. Thiesen wurde ja
weit vorkonziliar durch das HeiIige Offizium der Römischen Kirche,
beweisbar, als gültig anerkannt. Ich verweise auf die entsprechenden
Entscheidungen vom 9. November 1926. (Peter F. Anson: 'Bishops at
Large', S. 320) Bischof Wiechert verfügte über ein wohlgeordnetes
Archiv. Er zeigte mir in den Jahren unseres Bekanntseins gelegentlich
wertvolle, seltene Urkunden. Ich kann jederzeit auch vor Gericht
beeiden, daß sich in diesem Archiv auch die Dokumente über seine
Priester- und Bischofsweihe befanden. Wenn die Priesterweihe des Msgr.
Thiesen, weit vorkonziliar, durch das Heilige Offizium der Römischen
Kirche - beweisbar - als gültig anerkannt wurde, muß dies
logischerweise auch für Msgr. Wiechert gelten, da der
Ordinationsbischof Stumpfl (Weihespender) identisch war." (Brief
vom 5.11.96)
Diese Behauptung legt den Schluß nahe, daß Wiechert von Stumpfl nicht
nur die Bischofs-, sondern auch die Priesterweihe empfangen hat. Und da
die von Stumpfl gespendete Priesterweihe an Thiesen angeblich vom Hl.
Offizium als gültig anerkannt worden sei - so die Überlegungen von
Schmitz -, müssen folglich auch die Wiechert gespendeten Weihen über
zwanzig Jahre später auch gültig sein.
Gehen wir einmal davon aus, daß Schmitz wirklich die angegebenen
Weihedokumente in Wiecherts Archiv gesehen hat, halten wir aber auch
fest, daß er für seine Behauptung keinerlei Dokumente vorlegen kann und
daß die angebliche Priesterweihe Wiecherts auch in keiner der
angeführten Quellen angeführt wird. Die neue Ausgangslage nötigte uns,
den Fall Schmitz noch einmal genauer zu sichten. Denn in unserer ersten
Darstellung waren wir davon ausgegangen, daß Wiechert ohne
vorausgegangene Priesterweihe von Stumpfl zum 'Bischof' geweiht worden
war, was weitergehende Recherchen unnötig machte. Ich lasse hier die
Ergebnisse von Herrn Jerrentrup über die Gültigkeit der Weihen, die
Stumpfl empfangen hat, einfließen, um dann selbst noch auf einige
andere Punkte aufmerksam zu machen, die hier nicht unberücksichtigt
bleiben dürfen.
Herr Jerrentrup führt aus:
1. Das
von Peter Frederick Anson verfaßte Werk "Bishops at Large" wurde nicht
nach der 2. Auflage, London 1974 (vgl. EINSICHT XXVI, Nr. 4, S. 26),
sondern nach der 1. Auflage, London 1964, zitiert.
2. Die Schlußfolgerungen, die
in EINSICHT, ebd., S. 20-21 in bezug auf die Sukzessionsgültigkeit von
Herford, Vigué, Stumpfl, Thiesen, Wiechert und Schmitz gezogen wurden,
können aufgrund weiterer Nachforschungen erheblich präzisiert werden.
3. Von Ulric Vernon Herford
(EINSICHT, ebd., S. 18) konnte nun doch eine Priesterweihe nachgewiesen
werden. Diese fand am 23. November 1902 in Indien statt und wurde von
demselben Bischof gespendet, der Herford eine Woche später die
Bischofsweihe erteilte (Anson 135). Allerdings verwendete dieser
Bischof sowohl bei der Priester- als auch der Bischofsweihe Herfords
eine Form der Weihepräfation, die den in den anglikanischen Weiheriten
verwendeten Formen "bestechend ähnlich sieht" (Brandreth 92). Das
Dokument, das die Bischofsweihe Herfords bezeugt, führt diese
mangelhafte Form sogar wörtlich an: "Empfange den Heiligen Geist für
das Amt und die Aufgabe des Bischofs in der Kirche Gottes etc."
(Brandreth nach 92). Diese Weihen sind nach der Entscheidung Leos XIII.
in "Apostolicae Curae" von 1896 aufgrund mangelhafter Form als ungültig
anzusehen. Leo XIII. zitiert bei seiner Begründung der Ungültigkeit der
Form genau den bei Herfords Bischofsweihe nachweislich benützten
Wortlaut (DS/DH 3317 b). Als Laie konnte sich Herford auch nicht durch
Donkin 1905 gültig rekonsekrieren lassen. Weitere Weihehandlungen an
Herford sind nicht bekannt.
4. Alois Stumpfl wurde am
12. Juli 1923 von Herford zum Priester geweiht. (EINSICHT, ebd., S.
18). Diese Priesterweihe ist folglich ungültig, da ein Laie keine
Weihevollmachten besitzt.
5. Die Konsekration Stumpfls
durch Pierre-Gaston Vigué am 3. Juni 1924 (EINSICHT, ebd., S. 19) ist
einmal deshalb ungültig, weil die Bischofsweihe den gültigen Empfang
der Priesterweihe voraussetzt - das dürfte auch Schmitz nicht leugnen,
der eigens einen Brief Stumpfls an Geyer vom 30.4.1925 (Haack, "Edition
3", S. 18) anführt, worin Stumpfl darauf aufmerksam macht, daß der
Empfang der Bischofsweihe die empfangene Priesterweihe voraussetzt -
eine Auffassung, der nach Schmitz auch Wiechert gefolgt sei und die von
ihm als "zweifelsfrei katholische Glaubensgrundlage" (s.o.) bezeichnet
wird.
6. Über die Ungültigkeit
der Sukzession von Vigué (EINSICHT, ebd., S. 19) liegt darüber hinaus
noch ein indirektes Zeugnis der Amtskirche vor. Vigué hatte dem
hochkirchlichen Pfarrer und Hochschullehrer Friedrich Heiler am 25.
August 1930 sämtliche Weihen einschließlich der Bischofsweihe erteilt.
Heiler hat daraufhin dem hochkirchlichen Pfarrer Martin Giebner am 8.
Oktober 1930 die Priesterweihe und am 6. Oktober 1940 die Bischofsweihe
gespendet (Schubert 2, Giebner). Giebner konvertierte 1951 zur
römisch-katholischen Kirche und wurde am 19. Dezember 1953 vom
römisch-katholischen Bischof Rintelen von Magdeburg zum Priester
geweiht. Heiler wird also nicht als gültig geweihter Bischof angesehen,
Vigué indirekt auch nicht. (Vgl. Giebners Bericht - zusammen mit
drei anderen evangelischen Theologen-Konvertiten - in: Martin Giebner
(u.a.), Bekenntnis zur katholischen Kirche, Würzburg 19565, 33-34 und
52.)
7. Als Laie konnte
Stumpfl am 19. September 1925 Josef Maria Thiesen deshalb auch keine
gültige Priesterweihe spenden (EINSICHT, ebd., S. 17).
8. Dieser Version scheint zu
widersprechen, daß das Reskript des Hl. Offiziums vom 9.11. 1926, worin
es um die Wiederaufnahme Thiesens in die kath. Kirche ging, den Vermerk
truf, Thiesen habe "heilige Weihen aus den Händen eines schismatischen
Bischofs" empfangen (Anson, S. 320, Anm. 2 - wo er ohne Quellenangabe
zitiert wird! ; Plazinski S. 160). Dieser Vermerk dient Schmitz als
Beweis für die Gültigkeit der Weihen, die Stumpfl Thiesen und später
auch Wiechert gespendet haben soll. Dies trifft jedoch nicht zu.
(Möglicherweise sollten sich nicht nur Schmitz, sondern auch seine
theologischen Berater mit dem Kirchenrecht befassen.) Ein Reskript ist
der "schriftliche Bescheid einer Behörde, wodurch in einem konkreten
Falle eine Verfügung getroffen und für den Bedachten subjektives Recht
geschaffen wird" (Eichmann-Mörsdorf, Lehrbuch des Kirchenrechts, Bd. I,
München, Paderborn, Wien, 19599, 142-143, Hervorhebungen im Original).
Durch ein solches Reskript des Hl. Offiziums vom 9. Nov. 1926 (Anson
320, Anm. 2; Plazinski 160 nennt es "Erlaß"; das Reskript wurde in den
Acta Apostolicae Sedis der Jahrgänge 1926ff. nicht veröffentlicht)
wurde Thiesen durch den Erzbischof von Köln am 18. November 1926 wieder
in die römisch-katholische Kirche aufgenommen, ohne zu Amtshandlungen
zugelassen zu werden (Plazinski ebd.). Die Urkunde seiner Priesterweihe
wurde vom Generalvikar von Köln unter Verschluß genommen mit obigem
Vermerk. Anson behauptet, daß Thiesen gewarnt worden sei, daß eine
Erlaubnis, sein Priestertum auszuüben, nicht erteilt werden könne.
(Anson ebd.). - Ein Reskript des Hl. Offiziums kann seiner Natur nach
(s.o.) nur als Verfügung im Rechtsbereich angesehen werden, durch die
dogmatisch nichts bewiesen werden soll und auch nicht kann. Analoges
gilt für den von Anson zitierten Vermerk des Kölner Generalvikars, für
die ausgesprochene Warnung, das Priesteramt auszuüben, sowie für die
spätere Befreiung Thiesens vom Zölibat durch den Apostolischen Stuhl
vor Thiesens Eheschließung 1942. Außerdem führt der bekannte kath.
Sektenforscher Algermissen Stumpfl nur als 'Bischof' (in
Anführungszeichen) an (Algermissen, S. 760), womit er seine Zweifel an
der Gültigkeit von dessen Weihen ausdrücken will.
9. Die Rekonsekration Stumpfls
durch Willmott Newman am 22.6.1947 (EINSICHT, ebd., S. 19) ist allein
schon deshalb ungültig, weil die Bischofsweihe den gültigen Empfang der
Priesterweihe voraussetzt. (N.b. bezeugen all diese
Sub-conditione-Weihen - man vgl. auch die folgenden: Stumpfl hatte sich
im Ablauf nur eines Monats sogar zweimal nachweihen lassen -, daß der
Empfänger selbst Zweifel an ihnen hegte!)
10. Die Reordination sub
conditione des Laien Stumpfl durch Stannard am 20.7.1947 (niedere
Weihen) und 21.7.1947 (höhere Weihen bis zum Priestertum) kann gültig
sein. Stannard stritt eine Spendung der Bischofsweihe an Stumpfl ab
(EINSICHT, ebd., S. 19). Denn die Sukzession Stannards geht über
Whitebrook und Gulotti auf Vilatte zurück und kann gültig sein.
11. Die angebliche
Bischofsweihe Stumpfls durch McFall im September 1947, die als einziger
Thiesen in einem Brief vom 14.5.1960 annimmt (Haack-76, 20; vgl.
EINSICHT, ebd., 19), ist sicher nicht erfolgt, da McFall bereits 1944
verstorben war (Schubert 3, McFall).
12. Im allergünstigsten Fall kann Stumpfl daher ab dem 21. Juli 1947 gültig geweihter Priester gewesen sein.
13. Aus einem Schreiben von
Georg Schmitz an die Redaktion vom 5. November 1996 kann geschlossen
werden, daß Stumpfl der Spender der Priesterweihe an Friedrich Wiechert
war (vgl. EINSICHT, ebd., 16). Schmitz gibt kein Ordinationsdatum an,
ist aber bereit zu beeiden, eine entsprechende Ordinationsurkunde in
Wiecherts Archiv gesehen zu haben. Diese Priesterweihe müßte dann vor
Wiecherts Bischofsweihe durch denselben Stumpfl (am 14.4.1949) erfolgt
sein. Beide Weihehandlungen sind aber als ungültig zu betrachten, da
Stumpfl zu diesem Zeitpunkt günstigstenfalls Priester war.
14. Folglich ist die
Priesterweihe, die Schmitz am 15. August 1964 von Wiechert, und die
Bischofsweihe, die Schmitz am 14. Mai 1967 von Thiesen empfangen hatte
(EINSICHT, ebd., 16), ungültig. Schmitz blieb Laie. Als solcher konnte
er auch nicht von Paget King am 11. Mai 1968 gültig rekonsekriert
werden. Weitere Weihehandlungen an Schmitz sind nicht bekannt. Nach
allen vorliegenden Informationen ist Georg Schmitz daher unverändert
als Laie anzusehen.
15. Noch zur Ergänzung: Da Thiesen Laie und Stumpfl günstigstenfalls
Priester war, ist auch die Bischofsweihe Thiesens durch Stumpfl vom 17.
April 1949 - drei Tage nach Wiecherts 'Konsekration' - als ungültig
anzusehen (EINSICHT, ebd., 17). Außerdem hatte Stumpfl ihren
bischöflichen Charakter sowieso bestritten. Thiesen blieb Laie.
Folglich ist auch seine Rekonsekration durch Tollenaar vom 4. November
1951 ungültig. Nicht nur Wiechert, sondern auch Thiesen ist daher nur
als Laie - und nicht wie in der früheren Fassung noch möglicherweise
angenommen: als Priester - anzusehen.
Soweit die Ausführungen von Herrn Jerrentrup, die mit einigen
Anmerkungen aus meiner Feder ergänzt wurden. Ich hatte angekündigt, in
dieser Untersuchung noch einige Punkte anzusprechen, die nicht
unberücksichtigt bleiben dürfen:
Herr Jerrentrup ging bei seinen Überlegungen von der günstigsten
Ausgangsposition für Schmitz aus: er unterstellte, daß man aus Schmitz'
Behauptung, er habe die Weihedokumente von Wiechert eingesehen, welche
den Schluß zulassen, Wiechert sei von Stumpfl nicht nur zum Bischof,
sondern (vorher) auch zum Priester geweiht worden. Außer in dieser Form
eines Schlusses - in einer direkten Behauptung wird dieser Tatbestand
nicht einmal von Schmitz angegeben - gibt es sonst keine Hinweise auf
diesen Vorgang. An Schmitz' Aussagen kann deshalb gezweifelt werden: er
könnte sich auch hinsichtlich dessen, was er vermeintlich für die
Weiheurkunde gehalten hat, geirrt haben; denn auch gut informierte
Autoren wie Anson und Plazinski geben keinen Hinweis auf eine
Priesterweihe Wiecherts nach dem römischen Ritus. Dabei dürfte es doch
in Wiecherts ureigenstem Interesse gewesen sein, nicht nur seine
Bischofsweihe, sondern auch seine Priesterweihe bekannt zu machen, wenn
es stimmen sollte, daß er "auf einer zweifelsfrei katholischen
Glaubensgrundlage" gestanden haben soll. (Brief vom 5.11.96) (N.b. ich
habe bei Schmitz keine Angabe gefunden, welcher Religionsgemeinschaft
er vor seinem Übetritt zur Wiechert-Gemeinde angehörte.)
Hinzu kommt Schmitz' begrenztes theologisches Wissen bezüglich der
katholischen Sakramenten-lehre. Obwohl er dauernd die Gültigkeit von
Thiesens Weihen betont, unterschlägt er in seiner Sukzessionsliste, von
diesem am 14.5.1967 zum 'Bischof' geweiht worden zu sein, und läßt sich
von Paget King bereits am 11.5.1968 - fast genau ein Jahr später -
erneut die Bischofsweihe erteilen. Welche Gründe lagen dafür vor? Vom
orthodox-kath. Standpunkt - den ja Schmitz behauptet einzunehmen - käme
als Grund nur in Frage, daß Schmitz objektiv anführbare Zweifel an der
ersten Konsekration gehabt hätte... das aber weist er weit von sich.
Wahrscheinlich sah Schmitz die erneute Konsekration nur so als eine Art
Eintrittskarte in die "Old Roman Catholic Church" von England an,
nachdem ein Verbleiben in dem (moralisch defizienten) Verband Thiesens,
der uns auch einen Franck beschert hat, ihm nicht länger möglich war.
Deshalb bleibt unklar, ob es sich bei den Unterlagen, die Schmitz in
Wiecherts Archiv vor gut dreißig Jahre gesehen haben will,
tatsächlich um das Weihedokument von Wiecherts Priesterweihe gehandelt
hat oder ob sich Schmitz nach dieser langen Zeit nicht einfach irrt
hinsichtlich des Charakters des besagten Dokumentes.
Um zu verdeutlichen, warum Wiecherts Dokument einer angeblichen
Priesterweihe durch Stumpfl in der Literatur nirgends erwähnt wird,
warum ein solches möglicherweise gar nicht existiert, bietet sich noch
eine weitere Erklärung an. Nach Plazinski (S. 152) soll Wiechert als
evangelischer Pastor der Hochkirchlichen Bewegung nahe gestanden haben,
der u.a. auch der bereits erwähnte Theologe Heiler angehörte. Gegenüber
Luther vertreten die Angehörigen dieser Bewegung eine dem katholischen
Standpunkt angenäherte Position hinsichtlich der Sakramentalität des
Weihesakramentes und des Problems der apostolischen Sukzession. Diese
hochkirchliche Position wird neuedings recht gut von Karsten Bürgener /
Bremen vertreten. Nach ihm geht es dabei um eine "entschiedene
Rückbesinnung auf die sakramentale Dimension der Kirche, vor allem des
Amtes und des Abendmahls" 4) "Als Martin Luther 1520 die unbiblische
Äußerung tat, daß jeder, der aus der Taufe gekrochen sei, sich rühmen
dürfe, daß er schon zum Priester, Bischof und Papst geweiht sei, stand
er in einem Kampf auf Leben und Tod. (...) Unbegreiflich ist aber, daß
die ganze evangelische Theologie eine so offenkundig unbiblische
Aussage mehr als 400 Jahre festgehalten und fast in den Rang eines
Dogmas erhoben hat." 5) Diese "Rückbesinnung" begründet Bürgener so:
"Die Bibel setzt eine mit den Aposteln beginnende, von Jesus Christus
gewollte und in Gang gesetzte 'apostolische Sukzession' voraus. Das
apostolische Amtscharisma ist von den Aposteln an die ersten
urchristlichen Bischöfe durch eine segnende Handauflegung weitergegeben
worden (...) Später haben die altkirchlichen Bischöfe dieses Charisma
dann in einer Kette segnender Handauflegungen von Generation zu
Generation weitergegeben. Diese Segenskette ist in der katholischen und
in den orthodoxen Kirchen bis auf den heutigen Tag erhalten geblieben.
Die evangelischen Landesbischöfen stehen dagegen nicht in dieser
Sukzession." - "Die Behauptung einer geistlichen Sukzession von den
Aposteln zu den heutigen [evangelischen] Landesbischöfen ist einfach
absurd." 6) Im Gegensatz dazu glaubt ein kleiner Teil der evangelischen
Theologen, "daß ein Pfarrer auch ein Amtscharisma braucht und sie
wissen auch, daß dieses Charisma in apostolischer Sukzession vermittelt
sein muß. (...) Sie glauben aber, daß das Amtscharisma auch in
'presbyteraler Sukzession' vermittelt werden kann". Nach dieser
Auffassung kann auch ein gültig ordinierter Pfarrer wiederum gültig
ordinieren. 7) Tatsächlich haben sich dann diese Kreise um die
Erlangung der Sukzession bemüht und in Prof. Heiler ihren zunächst
prominentesten Vertreter gefunden. Wie bereits oben vermerkt, hatte
sich daraufhin der hochkirchliche Pfarrer und Hochschullehrer von Vigué
am 25. August 1930 sämtliche Weihen einschließlich der Bischofsweihe
erteilen lassen. 8)
Im Zusammenhang mit unseren Überlegungen bezüglich der Weihe oder der
Weihen, die der evangelische Pastor Wiechert angestrebt hat, könnte es
durchaus sein, daß er dieser katholisierenden Position anhing und es
ihm primär darauf ankam, das "Amtscharisma in apostolischer Sukzession"
vermittelt zu bekommen, was dann erklären könnte, warum er nur die
Bischofsweihe gespendet haben wollte. Ich gestehe, daß dies eine
Hypothese ist, die niemand teilen muß, die aber nichtsdestotrotz
versucht, dem evang. Pastor Wiechert nicht einfach ein katholisches
Mäntelchen umzuhängen, sondern sich bemüht, seine theologische Position
auszuleuchten, um daraus sein Handeln plausibel erscheinen zu lassen.
Damit dürfte die Debatte um die Gültigkeit der Weihen, die Herr Schmitz
erhalten hat, vorerst beendet sein. An dem Resultat hat sich nichts
geändert. Dennoch hat sich dadurch eine größere Transparenz der
Vagantenszene erzielen lassen. Wer es anzweifelt, müßte neues
Quellenmaterial bzw. neue Zeugnisse vorlegen. 9)
Selbstverständlich stehen auch die neu vorgelegten Recherchen unter dem
allgemeinen Vorbehalt, daß nur das Lehramt endgültige Entscheidungen in
diesen Fällen definieren kann. Dennoch sind wir gezwungen, in unserer
Situation, in der wir auf keine aktuellen Entscheidungen des Lehramtes
zurückgreifen können, zu handeln. Für das Lehramt gibt es auch keinen
Ersatz. 10) In vielen Fällen sind wir auf uns selbst gestellt, auf die
Resultate unsere eigenen, mühevollen Recherchen, wohl wissend, daß sich
damit die immanente Gefahr einer Protestantisierung auftun kann. Aber
es dürfte sicherlich für niemanden belanglos sein zu wissen, wer sich
uns da vorgeblich als Diener Gottes vorstellt. 11)
Anmerkungen:
1) Darin heißt es u.a.: "Wieder ein neuer Papst? Die seltsamen
'Einsichten' von Eberhard Heller, München - Im deutschsprachigen Raum
erscheint mehrmals im Jahr eine angeblich 'röm.-kath.' Zeitschrift
namens 'Einsicht' [...] Handelt es sich bei der 'Einsicht' wirklich um
eine katholische Zeitschrift? Leider nein! [...] In der Ausgabe
'November 1996/7' (sic!) wirft dieser Mann verschiedenen röm.-kath.
Bischöfen, darunter auch unserem Altvater S. Exz. Bischof P.
Bartholomäus Schneider, ferner dem Priester P. Rolf Lingen (der
'Hauptfigur' des Heller-Artikels), vor, nur Sektierer und obendrein
auch nur Laien zu sein. Wer ist Heller, daß [Original: das] er mit
Behauptungen um sich wirft, die erwiesenermaßen falsch sind? Die
folgenden Aspekte [...] der 'Einsicht' sollen - in aller Kürze -
klarmachen, daß es sich bei der 'Einsicht'-Truppe um ein
sektiererisches Unternehmen übelster Sorte handelt; das Abonnement, die
Aufbewahrung, die Lektüre und erst recht jede - bes. finanzielle -
Unterstützung dieser Zeitschrift ist gemäß dem katholischen
Kirchenrecht (s. cann. 1384-1405 CIC (allgemeine Bestimmungen des
Bücherverbotes); can. 2318 CIC (Verhängung der Exkommunikation)) jedem
grundsätzlich verboten. Die erschreckend vielen Unwahrheiten in der
Einsicht können natürlich nicht im einzelnen genannt und
richtiggestellt werden, deshalb folgt nur eine kleine Auswahl. Es steht
fest, daß der Teufel mit heller Freude auf die Einsicht blickt und
überhaupt auf das, was Heller so sagt und schreibt, 'denn er ist ein
Lügner und der Vater der Lüge' (Joh 8,44)." - In diesem Stil geht es
weiter. Es offenbart Lingens auch wissenschaftliche Ignoranz, wenn er
als Nicht-Philosoph - aus der mir vorliegenden Kurzbiographie geht
nicht hervor, daß er ein einziges Semester Philosophie studiert hat -
mir Pantheismus vorwirft oder über die als Psychotherapeutin
international anerkannte Frau Meves Unverschämtheiten ausbreitet. - Das
ist der Stil eines angeblichen Klerikers, für dessen moralische
Integrität m.E. auch nicht spricht, daß er dieses Pamphlet aus Furcht
vor einer Anklage wegen Verleumdung nicht namentlich unterschrieben
haben dürfte.
2) Auch Herrn Schneider hatten wir am 9.10. einige Fragen zu den
Weihespendern und seiner Kirchenzugehörigkeit zukommen lassen mit der
Bitte, dazu Stellung zu nehmen; eine Reaktion blieb allerdings aus. -
Ergänzend kann bezüglich der Sukzession von Bischof DDr. Lopez-Gaston,
von dem Schneider in die Kirche rekonziliiert worden sein soll -
EINSICHT XXVI, Nr. 4, S. 14 -, nachgetragen werden, daß Lopez-Gaston am
29.6.1992 von Mgr. de Mamistra konsekriert worden war, der die
Bischofsweihe über Mgr. Datessen (von Mgr. Ngô-dinh-Thuc 1982
konsekriert) von Bischof Pierre-Louis Sallé erhalten hatte. (Brief Mgr.
DDr. Lopez-Gastons vom 24.10.1994 an mich)
3) Der hochwürdige Herr verlangt - ohne sich um den impliziten Vorwurf
selbst zu kümmern - von uns eine Richtigstellung im nächsten Heft.
4) Bürgener, Karsten: "Sukzessionsliste der
evangelisch-lutherischen Bischöfe des Hochkirchlichen Apostolats
St. Ansgar" Bremen 1993.- Bürgener führt den Titel eines
evangelisch-lutherischen Bischofs des Hochkirchlichen Apostolats St.
Ansgar.
5) Bürgener, Karsten: "Segen, Amt und Abendmahl" Bremen 1995, S. 148 f.
6) a.a.O., S. 142 u. 152.
7) a.a.O., S. 155.
8) Heiler konnte nicht ahnen, daß diese Weihen von der kath. Kirche später als ungültig angesehen wurden.
9) Wir sind jetzt in der Lage, auf Anfrage relativ rasch auch andere
dubiose Personen, die sich Ihnen als angebliche Kleriker der Tradition
präsentieren, zu identifizieren und deren Sukzession zu durchleuchten.
10) Wenn wir Probleme lösen wollen, können wir uns in der überwiegenden
Mehrheit der Fälle auf Entscheidungen verlassen, die vom Lehramt der
Kirche gefällt wurden und die in den offiziellen Dokumenten (u.a. auch
in den A.A.S.) veröffentlicht wurden oder in den Rechtsvorschriften
ihren Niederschlag fanden. Nur wenn wir auf Probleme stoßen, die in
dieser Form der Kirche noch nicht vorlagen, für die deshalb auch noch
keine Entscheidung getroffen werden mußte, müssen wir versuchen, aus
den übergeordneten Prinzipien eine Lösung anzustreben.
11) Der angeführte Brief des traditionsverpflichteten Klerikers enthält
folgende denkwürdige Passage: "Aus einer Prüfung des erzbischöflichen
Ordinariats in Freiburg geht hervor, daß die Weihen von Schmitz gültig
sind. Erzbischof Lefebvre hat ebenfalls die Gültigkeit dieser Weihen
anerkannt." Ich führe mit einem gewissen Sarkasmus gedanklich weiter:
... deshalb erübrigt sich die Notwendigkeit einer weiteren Kontrolle
für uns. - Ich halte es für angebracht, diese Passage etwas näher zu
beleuchten, da sich darin nicht nur die Mentalität des betreffenden
Klerikers spiegelt, sondern auch die Einstellung vieler
Traditionalisten. Aus einem gewissen Obrigkeitsdenken wird hier das
eigene Urteilsvermögen an angebliche Autoritäten abgegeben, die diese
Selbstbeschränkung im Urteilen in keiner Weise rechtfertigen. Denn hier
hat nicht das Lehramt entschieden ("Roma locuta, cause finita"),
sondern zum einen eine Dienststelle jener Institution, die in toto vom
Glauben abgefallen ist, die sogar hinsichtlich des vorliegenden Falles
jegliche, auch sekundäre theologische Kompetenz verloren hat, nachdem
sie sowohl die Riten der Priester- als auch der Bischofsweihe
verfälscht hat, und zum anderen jene Person, nämlich Mgr. Lefebvre, der
es immer abgelehnt hat, Verantwortung für die Traditionalisten-Bewegung
zu übernehmen und der darüber hinaus zu keinem einzigen, für unsere
Situation entscheidendem Problem theologisch eine klare Stellungnahme
abgegeben, der im Gegenteil nur kirchenpolitisch taktiert hat. (Hier
zeigt sich zudem jene Mentalität, die Lefebvre quasi päpstliche
Autorität zubilligt - eine Haltung, die von den wirklichen
Sedisvakantisten dem Lefebvreismus immer wieder vorgeworfen wurde...
m.E. zu Recht!) Verwirrend ist auch die gleichberechtigte Anerkennung
zweier Institutionen, die doch offensichtlich gegensätzliche
Standpunkte vertreten sollen! Hier offenbart sich das Dilemma des
Traditionalismus unmittelbar: er gibt seine geistige Souverainität auf
und scheitert deshalb zwangsläufig.
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