54. Jahrgang Nr. 7 / Dezember 2024
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1. WEIHNACHTEN 1996
2. PREDIGT AUF DAS WEIHNACHTSFEST
3. Allen aber, die Ihn aufnahmen...
4. BEWUSSTER BETRUG JOHANNES PAULS II.?
5. Avantgarde eines neuen Faschismus
6. DIE HEILIGEN DREI KÖNIGE BESUCHEN DAS JESUSKIND
7. WIR KÖNNEN HELFEN, WIR KÖNNEN HELFEN...
8. Gedanken über Formen heidnischer Antizipationen der Jungfrauengeburt
9. Ein prachtvoller Raufbold des Herrn
10. DAS BLAUE KREUZ
11. PSALM VON DER GÖTTLICHEN GLÜCKSELIGKElT
12. Buchbesprechungen
13. DER HEILIGE AMBROSIUS
14. NACHRICHTEN, NACHRICHTEN, NACHRICHTEN
15. Mitteilungen der Redaktion
16. BUCHEMPFEHLUNGEN
Gedanken über Formen heidnischer Antizipationen der Jungfrauengeburt
 
Gedanken über Formen heidnischer Antizipationen
der Jungfrauengeburt


von
Magdalena Gmehling


Die Verehrung des Messias und seiner jungfräulichen Mutter bestand schon lange vor der Erscheinung des Gottmenschen im Fleische. Ob esoterisch und zukunftsgerichtet für die Welt der Juden oder exoterisch und als verwirklicht betrachtet in der heidnischen Sphäre, die Gotteserkenntnis selbst, leuchtet seit der Urzeit in Formen antizipierenden Heilsdenkens auf. Oft verdunkelt oder in wehmütige Fernen gerückt, entfaltet die Offenbarung die Fülle ihres Lichtes in Christus.

Wir wollen diese Problematik nachfolgend historisch beleuchten. Hier sollen vor allem Zeugnisse zweier weitentfernter Kulturkreise berücksichtigt werden. Otto Willmann (1839-1920), der katholische Tradition mit Herbarts Pädagogik und Schleiermachers Soziallehre verband, schreibt: "Was die Heiden von der Wahrheit besaßen, ist geheimnisvolle Spende des Logos und weist auf ihn hin, wie die Prophezeihungen und das Gesetz des Alten Bundes, welche die Ankunft des Herrn verkündigten" ("Aus der Werkstatt der philosophia perennis", S. 12). "In principio erat verbum" (Joh. 1,14), am Anfang der Geschichte war das Wort und die Jungfrau, als Mutter des Erlösers, stand längst vor Christus - wie aufgezeigt werden soll - in höchster Verehrung.

Weit zurück in vorrömische Zeit reichen die Wurzeln der kultischen Verehrung. Das Wissen um die Jungfrauengeburt kann als alte esoterische Druidenweisheit der Gallier bezeichnet werden. Es han-delt sich um die Verehrung der sogenannten "virgo paritura" (der Jungfrau, die gebären soll). Teils legendäre, teils geschichtliche Überlieferungen wissen von Samotes, dem ersten König und Gesetzgeber der Gallier. Er führte die sogenannten Gomeriten (Nachkommen Japhets, eines Sohnes des Noah) in die Mitte des Landes (an die Stelle des heutigen Chartres) wo sie eine Kolonie anlegten. Dort sollen den Druiden auf geheimnisvolle Weise von einer Jungfrau prophezeit worden sein, die erstehen und ein Kind gebären würde. Man stellte auf einem Altar ihr Standbild - mit dem Kind auf dem Schoß - auf. Auch in anderen Orten Galliens entstanden ähnliche Weihestätten. So soll in Nogent-sous-Coucy noch im 17. Jahrhundert ein der "virgo paritura" geweihter Altar mit entspre-chender Inschrift zu sehen gewesen sein.

Von Bedeutung ist in diesem Zusammenhang auch die geschichtliche Kunde, die uns Gaius Julius Cäsar, der ja als Vertreter der römischen Staatsmacht dem Druidenwesen durchaus feindlich gesinnt war, im "Bellum gallicum" über das Land der Carnuten zukommen läßt. Er spricht davon, daß sich zu einer bestimmten Jahreszeit alle an einem heiligen Ort (Chartres, d.i. Carnutum oder Carnotum) versammeln, dort würden die Einweihungen vollzogen, die Misteln gepflückt, Inspirationen gesucht, Orakel befragt.

Im Jahre 52 v. Christus nahm von eben jenem Gebiet der Zentralstätten aus der letzte Aufstand gegen die Römer seinen Ausgang. Die Legende berichtet nun in zwei Versionen, wie auf diesen, von alters her geheiligten Boden das Christentum gebracht wurde. Von Rom aus habe der Apostel Petrus seine beiden Schüler Sabinianus und Potentianus nach Gallien gesandt, um das Evangelium zu verkünden. Sie fanden das Volk um Chartres bereits bekehrt, ja sogar eine Kapelle der Jungfrau-Mutter. Selbst die Druiden erkannten die Erfüllung der Erwartung so vieler Jahrhunderte. Die vorhandene Kirche wurde der Mutter Gottes geweiht und der hl. Aventinus als erster Bischof zurückgelassen.
 
Die zweite Überlieferung spricht von der Christenverfolgung nach dem Martyrium des hl. Stephanus. Diese habe die Flucht Maria Magdalenas, ihrer Schwester Martha sowie des Lazarus zur Folge gehabt. Sie seien mit Maximin, Altin und Eodald in die Provence gefahren. Von dort aus seien Eodald und Altin bis nach Chartres vorgedrungen, wo sie die Kapelle der Jungfrau vorfanden. Noch zu Lebzeiten der Gottesmutter habe Priscus, Fürst von Chartres, eine Botschaft zu dieser gesandt mit der Bitte, den Titel "Dame von Chartres" anzunehmen. Im Laufe der wechselvollen Geschichte des Ortes spielte immer wieder die Statue (der Druiden) eine Rolle. Sie soll in der unterirdischen Kapelle, "Notre Dame-soubs-Terre" gestanden haben und blieb auch durch die Jahrhunderte Gegenstand inniger Verehrung. Im Jahre 1793 zerstörten fanatische Jakobiner auch diese Statue. "Es ist sicher bemerkenswert, wie auf solche Weise die (...) Finsternismächte der französischen Revolution hier wie ja auch anderwärts den geheiligten Stätten der christlichen Vergangenheit wie mit sicherem Instinkt noch einmal gleichsam den letzten, ihnen allein möglichen Tribut entrichteten, indem sie sie zerstörten". 1)

Im Jahre 1833 fand man in Chalons sur Marne an der Stelle eines alten Heidentempels einen Stein mit der Inschrift: "Der Jungfrau, die gebären soll, gewidmet von den Druiden." Eine Halbplastik der Jungfrau mit dem Kind befindet sich im Giebelfeld über dem rechten Portal an der Westfront der Kathedrale von Chartres. Sie stammt aus dem 12. Jahrhundert. Schon kurze Zeit später wurde eine Nachbildung vom Bischof von Paris an der Fassade von Notre-Dame de Paris in Auftrag gegeben. Weitere Nachahmungen finden sich zunächst in Bourges und Toulouse, später zahlreich und häufig an verschiedenen Orten.

Aus einem anderen, weit entfernten Kulturkreis stammt das zweite typologische Zeugnis. Die geheimnisvolle Segenslinie des alten Bundes, die von Christus bis zum Sohne Adams, Seth, zurückreicht, spielt hier eine hochbedeutsame Rolle. Seth war im alten Ägypten gleichbedeutend mit Gott-Sohn und wurde später zum Bekämpfer des Osiris-Horus. "[S]o erhielt das Volk Israel als solches Sethcharakter, der sich beim Auszug aus Ägypten in Moses als dem führenden Haupt konzentrierte. Wegen der Plagen, die durch Moses über Ägypten verhängt wurden, und namentlich wegen der Entführung der Mumie Josephs von Ägypten wurde Moses zum verhaßten Gotte Seth, der den Osiris verstümmelte." 2) Die Hauptkultstätte des Osiris lag in Heliopolis. Hier konzentrierte sich für die Ägypter die Idee des Erlöser- und Sonnengottes. Sie wurde in Art einer Triade: Gott, Göttin und Sohn gesehen und zwar unter dem Namen: Osiris, Isis und Horus. Der Sohn (Horus) ist also jedes-mal eine Wiedergeburt seines Vaters (Osiris). Die Göttin-Gemahlin galt als eine Art Wiedergeburt der Göttin-Mutter. In dieser Triasidee, die sehr wohl zu unterseheiden ist von der christlichen Trinität, finden wir eine Art verzerrtes Wissen um die Jungfrau, die den Erlöser (Gottessohn) gebären soll. Letztere ist in Asien unter vielfachen Namen anzutreffen.

Bekannt sind Darstellungen des Osiris und der Isis, das Kind zwischen sich auf einem Thron erhöht. Anbetend strecken sie die Arme gegen dasselbe aus. Die ägyptische Religion weiß um die Erschaffung einer Jungfrau und eines Gott-Sohnes vor aller übrigen Schöpfung. Diese Erlösererwartung ist im Volk Israel prophetisch vertieft. "Die Jungfrau wird einen Sohn gebären, den sie 'Gott mit uns' nennen wird" (Jesaias 7, 14 ff). Der Prophet Micha spricht von der "Tochter Sion", welche den rettenden König erwartet. Plutarch, der in der Isis die jungfräuliehe Athene (die aus sich selbst entstandene und somit unbefleckt Geborene) sieht, weist auf die Anschauung der Ägypter hin, die Sonne tauche täglich wie ein neugeborenes Kind aus der Lotospflanze auf. Lotos (botaniseh Nymphaea = jungfräuliche Braut) kann in der orientalischen Bildersprache als Zweig Jesse und Blume aus der Wurzel Jesse aufgefaßt werden (Jesaias 11,1). Der Lotos, das Symbol des fortdauernden Lebens, wiegt, von der Sonne befruchtet, in seinem Kelche einen göttlichen Knaben. Diese Anschauung treffen wir heute noch an in der brahmano-buddistischen Welt. Viel später wurde sie auf Buddha und seine Inkarnationen bezogen.

Altorientalische Mysterienweisheit und Erlösererwartung finden im Isiskult auch bildlichen Niederschlag. "Wie Isis der Sitz der Gottheit war und hieroglyphisch durch einen Thron dargestellt wurde, so ist Maria 'die Wohnstätte Gottes'... Sie ist: ...Wohnstätte und zugleich Braut der Sapientia incarnata ... Ein bekanntes Symbol der Isis war auch das Schiff. Das Schiff war altorientalisches Weltbild für die Erde (terra). In den Sprüchen Salomons wird jene Stelle, wo unter den drei merkwürdigsten  Dingen der Welt: "von den Wegen des meerdurchschneidenen Schiffes" die Rede ist, auf die Menschwerdung Christi bezogen. Noch in einem Weihnachtsliede, welches Tauler zugeschrieben wird, heißt es von Maria:

"Es kumpt ein Schiff geladen   
recht uff sein höchstes port (bord)
es bringt uns den sune des Vaters
das ewig wahre Wort.

Uff einem stillen wage
kumpt uns das schiffelin es
bringt uns riche Gabe
die herren künigin" 3)

Hinzuweisen wäre auch noch auf die von Cicero übersetzten Weissagungen der eryträischen Sybille bezüglich der Jungfrauengeburt. Ferner auf die 4. Ekloge Vergils:
"Wieder auch kehret die Jungfrau, die bringet den lieblichen König" (Ekl. 4,5)
"Strahlender Mond, begrüße das neugeborene Knäblein,
Das eine goldene Zeit an Stelle des eisernen Alters spendet der Welt!
Denn unter seiner Gestalt wird Heilung jeglicher Wunde, Linderung findet das Weh der armen sündigen Menschheit." (Ekl. 4,8-14)

Anmerkungen:
1) Karl Heyer: "Das Wunder von Chartres", Verlag Rudolf Geering. Basel 1926, S. 33.
2) A. Frhr. von Ow: "Joseph von Ägypten und Aseneth", G. J. Manz. Regensburg 1918. S. 14  f.
3) a.a.O. S. 124 f. - Kampers I.c., S .70 ff.

 
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