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Gedanken über Formen heidnischer Antizipationen der Jungfrauengeburt |
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Gedanken über Formen heidnischer Antizipationen
der Jungfrauengeburt
von
Magdalena Gmehling
Die Verehrung des Messias und seiner jungfräulichen Mutter bestand
schon lange vor der Erscheinung des Gottmenschen im Fleische. Ob
esoterisch und zukunftsgerichtet für die Welt der Juden oder exoterisch
und als verwirklicht betrachtet in der heidnischen Sphäre, die
Gotteserkenntnis selbst, leuchtet seit der Urzeit in Formen
antizipierenden Heilsdenkens auf. Oft verdunkelt oder in wehmütige
Fernen gerückt, entfaltet die Offenbarung die Fülle ihres Lichtes in
Christus.
Wir wollen diese Problematik nachfolgend historisch beleuchten. Hier
sollen vor allem Zeugnisse zweier weitentfernter Kulturkreise
berücksichtigt werden. Otto Willmann (1839-1920), der katholische
Tradition mit Herbarts Pädagogik und Schleiermachers Soziallehre
verband, schreibt: "Was die Heiden von der Wahrheit besaßen, ist
geheimnisvolle Spende des Logos und weist auf ihn hin, wie die
Prophezeihungen und das Gesetz des Alten Bundes, welche die Ankunft des
Herrn verkündigten" ("Aus der Werkstatt der philosophia perennis", S.
12). "In principio erat verbum" (Joh. 1,14), am Anfang der Geschichte
war das Wort und die Jungfrau, als Mutter des Erlösers, stand längst
vor Christus - wie aufgezeigt werden soll - in höchster Verehrung.
Weit zurück in vorrömische Zeit reichen die Wurzeln der kultischen
Verehrung. Das Wissen um die Jungfrauengeburt kann als alte esoterische
Druidenweisheit der Gallier bezeichnet werden. Es han-delt sich um die
Verehrung der sogenannten "virgo paritura" (der Jungfrau, die gebären
soll). Teils legendäre, teils geschichtliche Überlieferungen wissen von
Samotes, dem ersten König und Gesetzgeber der Gallier. Er führte die
sogenannten Gomeriten (Nachkommen Japhets, eines Sohnes des Noah) in
die Mitte des Landes (an die Stelle des heutigen Chartres) wo sie eine
Kolonie anlegten. Dort sollen den Druiden auf geheimnisvolle Weise von
einer Jungfrau prophezeit worden sein, die erstehen und ein Kind
gebären würde. Man stellte auf einem Altar ihr Standbild - mit dem Kind
auf dem Schoß - auf. Auch in anderen Orten Galliens entstanden ähnliche
Weihestätten. So soll in Nogent-sous-Coucy noch im 17. Jahrhundert ein
der "virgo paritura" geweihter Altar mit entspre-chender Inschrift zu
sehen gewesen sein.
Von Bedeutung ist in diesem Zusammenhang auch die geschichtliche Kunde,
die uns Gaius Julius Cäsar, der ja als Vertreter der römischen
Staatsmacht dem Druidenwesen durchaus feindlich gesinnt war, im "Bellum
gallicum" über das Land der Carnuten zukommen läßt. Er spricht davon,
daß sich zu einer bestimmten Jahreszeit alle an einem heiligen Ort
(Chartres, d.i. Carnutum oder Carnotum) versammeln, dort würden die
Einweihungen vollzogen, die Misteln gepflückt, Inspirationen gesucht,
Orakel befragt.
Im Jahre 52 v. Christus nahm von eben jenem Gebiet der Zentralstätten
aus der letzte Aufstand gegen die Römer seinen Ausgang. Die Legende
berichtet nun in zwei Versionen, wie auf diesen, von alters her
geheiligten Boden das Christentum gebracht wurde. Von Rom aus habe der
Apostel Petrus seine beiden Schüler Sabinianus und Potentianus nach
Gallien gesandt, um das Evangelium zu verkünden. Sie fanden das Volk um
Chartres bereits bekehrt, ja sogar eine Kapelle der Jungfrau-Mutter.
Selbst die Druiden erkannten die Erfüllung der Erwartung so vieler
Jahrhunderte. Die vorhandene Kirche wurde der Mutter Gottes geweiht und
der hl. Aventinus als erster Bischof zurückgelassen.
Die zweite Überlieferung spricht von der Christenverfolgung nach dem
Martyrium des hl. Stephanus. Diese habe die Flucht Maria Magdalenas,
ihrer Schwester Martha sowie des Lazarus zur Folge gehabt. Sie seien
mit Maximin, Altin und Eodald in die Provence gefahren. Von dort aus
seien Eodald und Altin bis nach Chartres vorgedrungen, wo sie die
Kapelle der Jungfrau vorfanden. Noch zu Lebzeiten der Gottesmutter habe
Priscus, Fürst von Chartres, eine Botschaft zu dieser gesandt mit der
Bitte, den Titel "Dame von Chartres" anzunehmen. Im Laufe der
wechselvollen Geschichte des Ortes spielte immer wieder die Statue (der
Druiden) eine Rolle. Sie soll in der unterirdischen Kapelle, "Notre
Dame-soubs-Terre" gestanden haben und blieb auch durch die Jahrhunderte
Gegenstand inniger Verehrung. Im Jahre 1793 zerstörten fanatische
Jakobiner auch diese Statue. "Es ist sicher bemerkenswert, wie auf
solche Weise die (...) Finsternismächte der französischen Revolution
hier wie ja auch anderwärts den geheiligten Stätten der christlichen
Vergangenheit wie mit sicherem Instinkt noch einmal gleichsam den
letzten, ihnen allein möglichen Tribut entrichteten, indem sie sie
zerstörten". 1)
Im Jahre 1833 fand man in Chalons sur Marne an der Stelle eines alten
Heidentempels einen Stein mit der Inschrift: "Der Jungfrau, die gebären
soll, gewidmet von den Druiden." Eine Halbplastik der Jungfrau mit dem
Kind befindet sich im Giebelfeld über dem rechten Portal an der
Westfront der Kathedrale von Chartres. Sie stammt aus dem 12.
Jahrhundert. Schon kurze Zeit später wurde eine Nachbildung vom Bischof
von Paris an der Fassade von Notre-Dame de Paris in Auftrag gegeben.
Weitere Nachahmungen finden sich zunächst in Bourges und Toulouse,
später zahlreich und häufig an verschiedenen Orten.
Aus einem anderen, weit entfernten Kulturkreis stammt das zweite
typologische Zeugnis. Die geheimnisvolle Segenslinie des alten Bundes,
die von Christus bis zum Sohne Adams, Seth, zurückreicht, spielt hier
eine hochbedeutsame Rolle. Seth war im alten Ägypten gleichbedeutend
mit Gott-Sohn und wurde später zum Bekämpfer des Osiris-Horus. "[S]o
erhielt das Volk Israel als solches Sethcharakter, der sich beim Auszug
aus Ägypten in Moses als dem führenden Haupt konzentrierte. Wegen der
Plagen, die durch Moses über Ägypten verhängt wurden, und namentlich
wegen der Entführung der Mumie Josephs von Ägypten wurde Moses zum
verhaßten Gotte Seth, der den Osiris verstümmelte." 2) Die
Hauptkultstätte des Osiris lag in Heliopolis. Hier konzentrierte sich
für die Ägypter die Idee des Erlöser- und Sonnengottes. Sie wurde in
Art einer Triade: Gott, Göttin und Sohn gesehen und zwar unter dem
Namen: Osiris, Isis und Horus. Der Sohn (Horus) ist also jedes-mal eine
Wiedergeburt seines Vaters (Osiris). Die Göttin-Gemahlin galt als eine
Art Wiedergeburt der Göttin-Mutter. In dieser Triasidee, die sehr wohl
zu unterseheiden ist von der christlichen Trinität, finden wir eine Art
verzerrtes Wissen um die Jungfrau, die den Erlöser (Gottessohn) gebären
soll. Letztere ist in Asien unter vielfachen Namen anzutreffen.
Bekannt sind Darstellungen des Osiris und der Isis, das Kind zwischen
sich auf einem Thron erhöht. Anbetend strecken sie die Arme gegen
dasselbe aus. Die ägyptische Religion weiß um die Erschaffung einer
Jungfrau und eines Gott-Sohnes vor aller übrigen Schöpfung. Diese
Erlösererwartung ist im Volk Israel prophetisch vertieft. "Die Jungfrau
wird einen Sohn gebären, den sie 'Gott mit uns' nennen wird" (Jesaias
7, 14 ff). Der Prophet Micha spricht von der "Tochter Sion", welche den
rettenden König erwartet. Plutarch, der in der Isis die jungfräuliehe
Athene (die aus sich selbst entstandene und somit unbefleckt Geborene)
sieht, weist auf die Anschauung der Ägypter hin, die Sonne tauche
täglich wie ein neugeborenes Kind aus der Lotospflanze auf. Lotos
(botaniseh Nymphaea = jungfräuliche Braut) kann in der orientalischen
Bildersprache als Zweig Jesse und Blume aus der Wurzel Jesse aufgefaßt
werden (Jesaias 11,1). Der Lotos, das Symbol des fortdauernden Lebens,
wiegt, von der Sonne befruchtet, in seinem Kelche einen göttlichen
Knaben. Diese Anschauung treffen wir heute noch an in der
brahmano-buddistischen Welt. Viel später wurde sie auf Buddha und seine
Inkarnationen bezogen.
Altorientalische Mysterienweisheit und Erlösererwartung finden im
Isiskult auch bildlichen Niederschlag. "Wie Isis der Sitz der Gottheit
war und hieroglyphisch durch einen Thron dargestellt wurde, so ist
Maria 'die Wohnstätte Gottes'... Sie ist: ...Wohnstätte und zugleich
Braut der Sapientia incarnata ... Ein bekanntes Symbol der Isis war
auch das Schiff. Das Schiff war altorientalisches Weltbild für die Erde
(terra). In den Sprüchen Salomons wird jene Stelle, wo unter den drei
merkwürdigsten Dingen der Welt: "von den Wegen des
meerdurchschneidenen Schiffes" die Rede ist, auf die Menschwerdung
Christi bezogen. Noch in einem Weihnachtsliede, welches Tauler
zugeschrieben wird, heißt es von Maria:
"Es kumpt ein Schiff geladen
recht uff sein höchstes port (bord)
es bringt uns den sune des Vaters
das ewig wahre Wort.
Uff einem stillen wage
kumpt uns das schiffelin es
bringt uns riche Gabe
die herren künigin" 3)
Hinzuweisen wäre auch noch auf die von Cicero übersetzten Weissagungen
der eryträischen Sybille bezüglich der Jungfrauengeburt. Ferner auf die
4. Ekloge Vergils:
"Wieder auch kehret die Jungfrau, die bringet den lieblichen König" (Ekl. 4,5)
"Strahlender Mond, begrüße das neugeborene Knäblein,
Das eine goldene Zeit an Stelle des eisernen Alters spendet der Welt!
Denn unter seiner Gestalt wird Heilung jeglicher Wunde, Linderung findet das Weh der armen sündigen Menschheit." (Ekl. 4,8-14)
Anmerkungen:
1) Karl Heyer: "Das Wunder von Chartres", Verlag Rudolf Geering. Basel 1926, S. 33.
2) A. Frhr. von Ow: "Joseph von Ägypten und Aseneth", G. J. Manz. Regensburg 1918. S. 14 f.
3) a.a.O. S. 124 f. - Kampers I.c., S .70 ff.
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