54. Jahrgang Nr. 7 / Dezember 2024
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1. WEIHNACHTEN 1996
2. PREDIGT AUF DAS WEIHNACHTSFEST
3. Allen aber, die Ihn aufnahmen...
4. BEWUSSTER BETRUG JOHANNES PAULS II.?
5. Avantgarde eines neuen Faschismus
6. DIE HEILIGEN DREI KÖNIGE BESUCHEN DAS JESUSKIND
7. WIR KÖNNEN HELFEN, WIR KÖNNEN HELFEN...
8. Gedanken über Formen heidnischer Antizipationen der Jungfrauengeburt
9. Ein prachtvoller Raufbold des Herrn
10. DAS BLAUE KREUZ
11. PSALM VON DER GÖTTLICHEN GLÜCKSELIGKElT
12. Buchbesprechungen
13. DER HEILIGE AMBROSIUS
14. NACHRICHTEN, NACHRICHTEN, NACHRICHTEN
15. Mitteilungen der Redaktion
16. BUCHEMPFEHLUNGEN
Allen aber, die Ihn aufnahmen...
 
"Allen aber, die Ihn aufnahmen,
gab Er
Macht, Kinder Gottes zu werden" (Joh. 1, 12)


von
Eberhard Heller


Mit einer gewissen Überraschung habe ich in meinem Philosophiestudium verschiedene Male erfah-ren, wie am Ende langwieriger, alle Aufmerksamkeit heischender Reflexionsprozesse Ergebnisse standen, die mir - in anderer begrifflicher Gewandung - aus dem Religionsunterricht meiner Schulzeit vertraut waren. Überraschend war für mich nicht so sehr, daß Glaubensaussage und philosophische Reflexion koinzidierten - daß es sich so verhalten mußte, wußte ich - nein, es war die Art und Weise, wie sich beide Ebenen in einem gewissen Punkte überlagerten und sich gegenseitig interpretierten und bestätigten. Und neu war damals auch für mich, welche Durch- und Verklärung Aussagen, die unmittelbar im Glauben angenommen worden waren, durch Operationen der theoretischen Vernunft erhielten: sie wurden im wahrsten Sinne des Wortes "licht".

In einem ganz besonderen Sinne "licht" wurden so auch die Aussage des hl. Johannes: "Et verbum carum factum est" ("und das Wort ist Fleisch geworden" - 1, 14), und zwar in dem Sinne, daß hier philosophisches Postulat (nach der Erscheinung des Absoluten als Absolutes in der Erscheinung) auf das Ur-Ereignis stößt, welches zugleich als das Wunder schlechthin zu verstehen ist, das als das unableitbare, heilsgeschichtliche Faktum betrachtet werden muß, durch welche die gesamte Menschheitsgeschichte unmittelbar betroffen ist. Philosophisches Fordern findet in diesem heilsgeschichtlichen Ereignis seine Erfüllung. Das Unbegreifliche wird begriffen in der Erscheinung. Um es religiös zu sagen: Gott wird Mensch, Er erscheint als Gott-Mensch - Gott und Mensch zugleich -, um uns zu erlösen. Er greift revolutionierend in das interpersonal-geschichtliche Geschehen ein, um Heilsgeschichte zu schreiben. Und wir sind von diesem Heilsangebot betroffen!

Wenn man von dieser Herrlichkeit, die hier erscheint, etwas erahnen will, wenn man zugleich auch erfahren will, wie wenig wir selbst von diesem Geist noch getragen sind, dann lese man die visionären Berichte der gottseligen Anna Katharina Emmerich, die dazu ausersehen war, unserer verbürgerten, gleichförmigen, desinteressierten, boshaften, alt gewordenen und blinden Zeit Kunde zu bringen, was damals geschah. Und sie erzählt auch, wie elektrisiert und erfüllt jene Zeitgenossen, die Gott "aufnahmen", von der unmittelbaren Begegnung mit diesem Gottes-Sohn waren, "denn sie [hatten ja] Seine Herrlichkeit gesehen, die Herrlichkeit als des Eingeborenen vom Vater, voll Gnade und Wahrheit" (Joh. 1, 14).

Aber wie reagierten die meisten Menschen damals? Wir kennen auch den anderen Teil des Johannes-Prologs: "Er kam in sein Eigentum, doch die Seinen nahmen Ihn nicht auf." (1, 11) Sein auserwähltes Volk, dem alle Verheißungen gegolten hatten, war geistig blind, im Herzen verstockt. Ich erinnere nur an den logischen Aufbau des Evangeliums bei Matthäus, der gerade seinen jüdischen Zeitgenossen leidenschaftlich versucht aufzuzeigen, wie alle Prophezeiungen, die sich auf das Kommen des erwarteten (!) Messias beziehen, sich in Jesus Christus erfüllen... dennoch: sie "nahmen Ihn nicht auf". Dieses verstockte Verschließen gegen das Auftreten des absolut Heiligen, der da den Menschen als der Andere gegenübertritt, hat seinen Grund im menschlichen Stolz - dem Gegenteil von dem, was für Gottes Annahme unbedingt vorausgesetzt ist, nämlich Demut: Er darf doch gerade der nicht sein, der Er ist. Denn Er 'gefährdet' unmittelbar das eigene Bild, welches man sich von Ihm gemacht hat. Später gibt sich dieser Christus als Gott zu erkennen... und wird als Gotteslästerer verurteilt: 'Bild' und Realität stimmten in den Köpfen der Hohenpriester-'Richter' nicht überein.

Diese Einstellung kennen wir, da hat sich nicht viel geändert, sie ist heute gerade vorherrschend in jener Institution, die Christus eigentlich eingesetzt hat, um Sein Erbe, Sein Heilsangebot durch die Zeit hindurch verwalten zu lassen bis zum Jüngsten Tag, und die noch immer vorgibt, dies zu tun. Die Ablehnung des Gottes Sohnes findet zumindest teilweise auch in den Köpfen der heutigen Triumphalisten statt, den Krustentieren, die sich abgeschottet haben, auch gegen die Liebe Gottes, die geistig erstarrt sind. Auch sie werden sich schwer tun, sich darüber freuen zu können, daß ihnen Heil widerfahren ist.

Aber dann lesen wir weiter: "Denen, die ihn aufnahmen, gab er Macht, Kinder Gottes zu werden." (Joh. 1,12) - und erfahren es heute noch. Die ersten, denen die Kunde von der Geburt Christi - um es philosophisch zu sagen: von der Erscheinung des Absolutehn - zuteil wurde, die kamen, nieder-fielen und das Kind in der Krippe anbeteten, waren die Hirten von den nahe gelegenen Feldern, die nicht nur auf ihre Herden aufpaßten, sondern auch in ihrem Geist aufmerksam waren, sie die einfach dachten, die sich nicht hatten zerreißen lassen in tausend widerstrebende Interessen, die nicht ihr 'Heil' an Gott vorbei suchten, denen Er deswegen im 'Weg' war, sondern die eine große Freude in ihrem Herzen trugen, als sie das göttliche Kind besucht hatten: sie waren in der Tat die Privilegierten Gottes bei seinem Erscheinen.

Und wir, was wollen wir, die wir überladen mit Mühsalen und Sorgen unzufrieden, enttäuscht am Weg der Alltäglichkeiten wartend dastehen, denen der Mut gesunken ist, die dastehen mit müden Herzen, zermürbt durch viele Querelen mit unseren Mitmenschen, unseren Verwandten, mutlos ob all der Lieblosigkeit um uns herum, selbst gelähmt, Liebe zu verschenken, aufgewärmt ein wenig durch Gesten der Anteilnahme, die hier und da die Gleichgültigkeit durchbrechen... was wollen wir? Wenn noch ein wenig Sehnsucht in uns brennt, von all dem Ballast befreit zu werden, wenn wir noch Freude empfinden - und nicht Trockenheit -, dann raffen wir uns auf, 'klinken' uns aus dieser Wüste aus, hören wieder hin, was die Engel verkündet haben: ... und wir sehen sie wieder vor uns die Schar der Hirten, die voll Erwartung ist, voll Erwartung, welche nicht enttäuscht wird. Reihen wir uns ein in ihren Zug, um das Heil zu schauen. Machen wir uns - und hier möchte ich wieder auf die anfänglich erwähnte Koinzidenz von philosophischem Postulat und dem unableitbaren Heilswunder, welches dieses Sehnen konkret mit Leben erfüllt, hinweisen - auch reflexiv bewußt, daß auch uns das Heil geboren wurde, daß das Wort Fleisch wurde aus übergroßer Liebe, begreifen wir, daß wir daran Anteil haben, wenn wir IHN "aufnehmen", der zu uns gekommen ist, den Heiland der Welt: "Wir haben Seine Herrlichkeit gesehen"... und Freude wird auch unser Herz erfüllen.

Ihnen allen wünsche ich ein gnadenreiches Weihnachtsfest!

Eberhard Heller

 
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