DIE HEILIGE ZAHL SIEBEN
- Eine kulturhistorisch-religionsgeschichtliche Betrachtung -
von
Magdalena S. Gmehling
Dem Menschen ist das Symboldenken ein Grundbedürfnis. Die Kraft
(melanesisch mana) des Wortes, die formelhafte Macht und
Zeichenhaftigkeit der Zahl, spielen eine geschichtlich tiefbedeutsame
Rolle. Bei Ägyptern und Babyloniern, Hebräern und Persern wird den
Zahlen im Geistesleben besondere Wichtigkeit zugemessen. Im
Volksglauben wie im Märchen tauchen immer wieder hervorgehoben
die Zahlen 3,7,9 und 12 auf. Siebenerlei Kraut muß einer finden, sieben
Zwerge gibt es, sieben Brüder, sieben Raben. Die Plejaden tragen den
Namen Siebengestirn.
7 galt als heilige Zahl, weil man glaubte, die 7 Planeten bestimmten
das Geschick der Menschen. Bei den Germanen erlangte die 7 erst durch
kirchlichen Einflu8 Bedeutung ( 7 Eideshelfer und 7 Heerschilde).
Vielfach vertraut war den Griechen die Sieben. Auf die Pythagoräer soll
die geheimnisvolle Grunddoktrin zurückgehen: Dinge sind wie Zahlen,
also analog den Zahlen. Da griechische Buchstaben auch als Zahlen
verwendet werden, konnte man von jedem Wort die Quersumme bilden.
Erinnert sei auch an die 7 Weisen: Kleobulos von Rhodos, Solon von
Athen, Chilon von Sparta, Pittakos von Mytilene, Thales von Milet, Bias
von Priene, Periandros von Korinth. Ferner die sieben Weltwunder: also
die ägyptischen Pyramiden, die hängenden Gärten der Semiramis, der
Tempel der Artemis in Ephesus, die Statue des Zeus in Olympia, das
Mausoleum von Halikarnassos, der Koloß von Rhodos, der Leuchtturm von
Pharos. 7 Städte stritten sich um die Ehre, Geburtsort Homers zu sein.
Rom wurde auf sieben Hügeln erbaut und soll nach der Gründung von 7
sagenhaften Königen beherrscht worden sein.
Der siebenarmige Leuchter (hebr. Menora) diente schon zur Beleuchtung
der Stiftshütte. Er gilt u.a. als Hauptsymbol des Judentums und stellt
in der Kabbala die enge Verbindung von Gott (3) und der Welt (4) dar.
Das Alte Testament hielt sich eng an die Bedeutung der Zahlen und auch
die Kirchenväter haben sie früh zum Gegenstand ihrer mystischen
Betrachtungen gewählt. Die christliche Kunst hat die Symbolik
übernommen. Grundlagen hierfür werden angeblich dem Bischof Melito von
Sardes (+ 195 n.Chr.) mit seinem "Clavis Sanctae Scripturae"
zugeschrieben. Das Christentum kennt die Sieben als heiliges Sinnbild
und verwendet die Zahl im Sinne einer gewissen Totalität. Von 7
Schöpfungstagen berichtet die Genesis. Sieben Erzengel werden genannt
und sieben Stufen der Himmel. 7 Worte spricht der sterbende Heiland am
Kreuz. In der Geheimen Offenbarung trägt das versiegelte Buch sieben
Siegel und vom Lamm heißt es: "Es hatte sieben Hörner und sieben Augen,
das sind die sieben Geister Gottes, ausgesandt auf die ganze Erde"
(Offb. 5,6). Der unvergessene lutherische Pastor Johann Friedrich
Oberlin (1740-1826), genannt "Vater des Steintals",
beschäftigte sich nicht nur ernsthaft und gründlich mit
Untersuchungen unerklärlicher Dinge, sondern auch mit
apokalyptischen Prophezeihungen. In Metzingen befindet sich in
Privatbesitz ein verglaster Kasten mit Edelsteinen. Sie stellen die
heilige Siebenzahl der vollendeten Gemeinde Gottes dar, umgeben von den
Mauern des neuen Jerusalems (12 Grund- und Edelsteine, symbolisierend
die 12 Apostel - vgl. Apg. 1, 13 und Off. 21. 19, 20)
Mit sieben Bitten wendet sich der Gläubige im Vaterunser an Gott.
Sieben geheimnisvolle von Christus eingesetzte Zeichen, die sieben
Sakramente, kennt der Neue Bund. Auf die Schriftstelle bei Isaias (11,
1-3), wo der Prophet den kommenden Erlöser schaut, geht die Lehre von
den sieben Gaben des hl. Geistes zurück: "Und ein Reis wird herkommen
aus der Wurzel Jesses, und eine Blume aufgehen aus seiner Wurzel. Und
der Geist des Herrn wird auf ihm ruhen, der Geist der Weisheit und des
Verstandes, der Geist des Rates und der Stärke, der Geist der
Wissenschaft und der Frömmigkeit und der Geist der Furcht des Herrn
wird ihn erfüllen ..." . Bei der Taufe Christi, so Augustinus, sei
diese Prophezeihung in Erfüllung gegangen. Der heilige Geist sei mit
seinen sieben Gaben auf Jesus herabgestiegen und ruhe seitdem auf allen
mit Christus verbundenen Gerechten. Sieben Schmerzen und sieben Freuden
Mariens kennt die Tradition, sieben Tugenden und sieben Laster (7
Todsünden).
Auf die berechnende Frage des Petrus, wie oft er seinem Bruder, der
gegen ihn sündigt vergeben müsse, etwa bis zu siebenmal?, antwortet
Jesus mit dem Hinweis auf die stets verzeihende Liebe: "Nicht bis
siebenmal, sondern bis siebzigmal siebenmal" ( vgl.Mt. 18, 21-23).
Die Bibel verwendet auch das Wort von den "sieben Teufeln"
(Unzucht, Hochmut, Gaumenlust, Lüge, Grausamkeit,
Neugierde, Launenhaftigkeit) als Metapher für spukhafte
Triebverstrickung, ja für Besessenheit. Die sieben Dämonen der Maria
aus Magdala verweisen auf die Tyrannei des Bösen, welcher diese
holdselige Frau unterlag, bevor Jesus sie von Grauen und Wahn befreite.
Nicht von ungefähr wurde die Büßerin in der altchristlichen Tradition
zur Hüterin der Höhle der Sieben-schläfer. Die Legende weiß von sieben
Brüdern, die während der Christenverfolgung des Kaisers Decius
(249-251) in einer Höhle bei Ephesus, nahe dem ehemaligen Heiligtum der
Artemis, lebendig eingemauert wurden, weil sie sich weigerten, den
römischen Göttern zu opfern. 150 Jahre später seien eben diese Brüder
auferstanden, um vor Kaiser Theodosius II. Zeugnis für die Auferstehung
der Toten abzulegen. Nach Meinung mancher Gelehrter wurde in der Höhle
von Ephesus, über der sich die Trümmer einer Basilika aus dem 5.
Jahrhundert erheben auch Maria Magdalena beigesetzt. Das Fest der
Siebenschläfer wird im Martyrologium Romanum am 27. Juli gefeiert und
gilt im Volksglauben als Lostag, an welchem sich die Großwetterlage der
nächsten sieben Wochen einspielt. |