Buchbesprechung:
Mary Ball Martinez
"Die Unterminierung der (katholischen) Kirche"
von
Gloria Riestra De Wolff
übersetzt von Dr. Harald van Scherpenberg
Vorbemerkung der Redaktion:
Das Buch von Marx Ball Martinez - ins Deutsche übersetzt von Johannes Rothkranz - wurde bereits
in einer Kurzbesprechung von Rev. Fr. Krier in EINSICHT XXIV/3, S. 85
f., vorgestellt. Wegen verschiedener Nachfragen und der Verwirrung, mit
der die "Unterminierung der Kirche" auch den Widerstand 'unterminiert'
hat, indem die Autorin munter Pius XII. mit in die Schar der
Revolutionäre einreiht, ist eine weitere Klärung nötig. Aber auch zur
Aufklärung über die ausgesprochen leichtsinnige, ja direkt falsche
Interpretation kirchlicher Dokumente, die Frau Martinez unterlaufen
ist, halten wir es für angebracht, auch die ausführliche Rezension von
Frau Riestra / Mexiko zu publizieren.
E. Heller
***
Allgemeine Einschätzung:
1. Die Verfasserin schreibt wie eine unparteiische Beobachterin
(es hat nicht den Anschein, daß sie katholisch ist), als ob sie über
eine politische Macht berichtet, wo sie doch über die katholische
Kirche schreibt.
2. Das Werk, in der Anlage ungenügend geordnet, läßt sich
zusammenfassend bezeichnen als Darstellung des - wie es die Verfasserin
sieht - "Komplotts" von Ereignissen, mit denen das II. Vaticanum
vorbereitet wurde. Und das, indem die Fakten nach einer ganz nebulösen
und konfusen Vision interpretiert werden. Nach Ansicht der Autorin
reichen die Vorbereitungen für Vaticanum II zurück bis auf Benedikt
XIV., als dieser ein überaus wichtiges Papier an den späteren Papst
Pius XII. übergab, den Martinez für den geistigen Wegbereiter dieses
Konzils hält, den "Bahnbrecher der Revolution", etc.
3. Um ihren eigenen Behauptungen den Vorrang zu geben,
entschuldigt sich die Verfasserin für das Fehlen genauer Quellenangaben
damit, daß sonst ein 2-3fach so dickes Buch entständen wäre. Ihre
'Beweise' beschränken sich darauf, die verbreitesten Versionen
"wiederzugeben über Fakten und Personen", und das auch in höchst
entscheidenden Fragen wie den Erklärungen zu Pius XII.!!!
4. Man muß nicht nur die Tatsache rügen, daß sie in den wichtigsten
Fragen nicht nur nicht die Wahrheit sagt, sondern daß sie grundsätzlich
die Kirchen- und Dogmengeschichte in den behandelten Problemen wie z.B.
bezüglich der Anliegen der Enzykliken usw. ignoriert.
5. In ihrer offensichtlichen Abneigung gegen Pius XII. deutet die
Autorin alles in ihrem Sinn um, im Sinne der hier und dort während
ihrer Tätigkeit als Vatikan-Korrespondentin aufgeschnappten Ansichten,
um ihm soviel Verantwortung wie möglich anzulasten, ohne Kenntnis von
Fakten und Ursachen. Woher diese Aversion gegen Pius XII.stammt, wissen
wir nicht.
6. Auf dem Posten als Korrespondentin in Rom müßte die
Verfasserinüber die vielfältigen Initiativen gegen Vaticanum II seitens
des Klerus und auch der Gläubigen unterrichtet gewesen sein, sowohl
ausgelöst durch das Konzil als auch schon vorher. Aber sie erwähnt nur
den Abbé de Nantes, P. Barbará und P. Guérard des Lauriers. Darin zeigt
sich eine gewisse Unaufrichtigkeit, da es sich ja um eine Schrift
handelt mit der Absicht zu informieren. P. Sáenz erwähnt sie noch am
Ende des Buches in einer Liste von interviewten Personen, sagt aber
kein Wort über seine Einwände und sein Werk. Ebensowenig erwähnt sie
die großen Bewegungen, die sich zur Zeit um eine Lösung bemühen, und
auch nicht die Anstrengungen von Msgr. Ngó-dinh-Thuc. Diese
"Parteilichkeit" wird aber nicht erklärt, weil sie sich zu keiner der
verschiedenen Gruppen bekennt. Sie erwähnt Msgr. Lefebvre. Sie sagt,
daß er zu spät protestierte und daß sein Werk zerfallen ist. Von den
mehr als tausend Orten auf der ganzen Welt, an denen die traditionelle
Messe zelebriert wird, sagt sie, daß "nicht alle diese Priester zu
Lefebvre gehören".
7. Sie bietet lediglich eine Vision der Probleme der katholischen
Kirche, die aber in ihrem Gesamtkonzept Verwirrung bei den Lesern
stiften muß, und erwähnt dabei keine der Lösungsmöglichkeiten, die die
Kirche selbst für solche Krisenfälle vorsieht. Die Autorin spricht viel
vom Respekt, den Msgr. Lefebvre den Autoritäten entgegenbrachte und
scheint selbst diesen Respekt in Bezug auf die Zerstörer zu teilen.
Ihre Schlußfolgerung ist einfach: die Kirche wird unterminiert bzw. ist
unterminiert worden und an ihrer Stelle sei eine "neue katholische
Kirche" entstanden. Diese Behauptung erscheint schon auf dem
Titelblatt. Es ist aber häretisch zu behaupten, es könne eine "neue
"katholische Kirche" auf den Trümmern der alten geben. Die Kirche ist
oder ist nicht, ganz einfach: dieselbe für immer. Eine neue Kirche auf
Ruinen der vorhergegangen gibt es nicht. Hier erkennt man, welch
geringe Kenntnisse die Verfasserin von der Lehre der Kirche besitzt.
8. Schlußfolgerung:
Nicht nur ist das Buch keine Hilfe, um in irgendeinem Sinn Licht in die
kirchliche Problematik zu bringen (wegen der Konfusion, der
Zweideutigkeit und der Unkenntnis des behandelten Stoffes), ganz
abgesehen von der grundlosen Abneigung gegen Pius XII., sondern es wird
auch Verwirrung und Entmutigung bei den Lesern verursachen, die in den
behandelten Fragen nicht Bescheid wissen.
Probleme mit der Enzyklika "Mystici corporis"
Allgmeine Einschätzung:
In ihrem Werk "Unterminierung der Kirche" wird Papst Pius XII.
dargestellt als "Wegbereiter" des Vaticanum II. Aber wie in vielen
anderen Punkten - in diesem vor allem - liefert die Autorin keine
genügenden Beweise. Sie gründet ihre Behauptungen auf Meinungen, die
sie hier und da aufgeschnappt hat, hauptsächlich während ihrer Zeit als
Vatikan-Korrespondentin.
In diesem Sinn stellt sie die Enzyklika "Mystici corporis" von Papst
Pius XII. als Beweisstück dar für nichts weniger als den "Anfang der
Revolution", die das II. Vaticanum in der Tat war. Ehe wir aber ihre
dürftigen Belege dafür zitieren, möchten wir im übrigen
versichern, daß es im Gegenteil gerade die besagte Enzyklika war
(ebenso wie auch "Mediator Dei" und "Humani Generis"), die die Absicht
Pius' XII. zeigen, einen Deich gegen die schon steigende Flut zu
errichten, deren Ströme schon in alle Bereiche der Kirche eingedrungen
waren. Ebenso möchten wir versichern, daß die Verfasserin des Buches -
eine einfache Journalistin - eine (wir sagen das Wort ungern,
aber es trifft genau zu im Hinblick auf ihre Dreistigkeiten) totale
Unkenntnis der katholischen Lehre hat, gerade in den behandelten
Aspekten, eben der Geschichte der Liturgischen Bewegung, die dem
Vaticanum II vorausging, sowie der verbreiteten dogmatischen Irrtümer
über die Verfassung der Kirche, also genau die Dinge, die Pius XII.
bekämpfte.
Mary Martinez zitiert - wie sie sagt, als Stütze ihrer Behauptungen
gegen "Mystici corporis" - den Jesuitenpater Virgilio Rotondi in einem
Auszug angeblich aus der Zeitschrift "Civiltá Cattolica". Rotondi
schreibt: "Jeder intelligente Mensch anerkennt, wenn er ehrlich ist,
daß die Revolution mit der Veröffentlichung der Enzyklika 'Mystici
corporis' von Pius XII. stattfand. Damals wurden die Fundamente gelegt
für die 'neue Zeit', aus denen das II. Vaticanum hervorgehen sollte."
Wenn die Behauptung von Frau Martinez stammte, wäre sie aus der
Zusammenhanglosigkeit (Inkonsistenz) ihres ganzen Werkes verständlich.
Wenn sie aber tatsächlich P. Rotondi geschrieben haben sollte (sie gibt
die genaue Quelle leider nicht an), würde das bei dem Pater eine
völlige Unkenntnis aufzeigen bezüglich der Vorbereitungsphasen und der
Inhalte der "Revolution", die diebesagte Enzyklika angeblich ausgelöst
hat. Die Revolution fand nicht nur nicht statt, begann nicht mit der
Enzyklika, die sie im Gegenteil in vielem vorwegnehmend bekämpfte,
sondern sie enthielt viele andere Elemente und begann viel früher, wie
wir alle wissen. Sie war bereits im Gange und viele ihrer Vorstöße
waren von den vorhergehenden Päpsten bereits verurteilt worden
(Pistoya, "Syllabus", "Quanta cura", etc.). Trotzdem wurde die Kirche
weiter unterminiert mit der Methode des Ungehorsams und der versteckten
Infiltration, mit vielen Komplizen unter dem Klerus und dann auch unter
den Laien.
Darum ist es einfach infantil, auf der Grundlage von "Mystici corporis"
von einer "Revolution" zu sprechen in der Weise, daß diese ein
feierliches Konzil hätte bewirken können. Wir wiederholen: die
Revolution, die dann kam, fügte sich aus vielen anderen Arten von
Häresien und Irrtümer zusammen: aus
Liberalismus, falschem Ökumenismus, falscher liturgischer Erneuerung
bis hin zu den christlich-marxistischen Vorstellungen und sie gipfelte
im jüdisch-freimaurerischen Triumph des religiösen Liberalismus. Die
Enzyklika sagt überhaupt nichts über die schlimmsten Irrtümer des II.
Vaticanums, einfach deshalb, weil das nicht zu ihrem Thema gehörte.
Aber die Phantasie ist grenzenlos, wenn sie sich, ohne sich mit
Beweisen aufzuhalten, in das Abenteuer der Verleumdung stürzt. Ein
weiteres Zitat bietet uns Mary Ball Martinez als angeblichen Beweis für
die von "Mystici corporis" verursachte "Revolution". Sie sagt, daß auch
der Jesuit Avery Dulles die Natur dieser "Explosion" erklärt: "Bis zu
diesem Zeitpunkt (Juni 1943) war das juridische und gesellschaftliche
Modell der Kirche unumstritten, damals aber wurde es ersetzt durch das
Konzept des Corpus Mysticum". Er fügt hinzu: "Die Bezeichnung war nicht
neu, da sie schon etwa 100 Jahre früher den Vätern des I. Vaticanums
vorgelegt worden war. Sechzig von ihnen verwarfen sie total als
'konfus, zweideutig, verschwommen und unangemessen biologisch'." (S.16)
Auch hier mußt man wieder anmerken, mit welch nebulösen Vorstellungen
die Autorin die Darstellung der Lehre vom Corpus Mysticum angeht. Sie
sagt, wo sie von der Ablehnung der 60 Konzilsväter von Vaticanum I, die
Kirche als Corporis Mysticum zu bezeichnen, spricht, es sei "die
wachsende Verbreitung einer ganzen Skala nebulöser theologischer
Vorstellungen gewesen, was Papst Pius IX. gedrängt hätte, ein Konzil
einzuberufen."
Nun also, wenn wir genau hinschauen, versichert sie selbst, es sei
"eine ganze Skala von Vorstellungen" gewesen, also wurde das Konzil
doch nicht nur zur Zurückweisung derjenigen vom Corpus Mysticum
einberufen! Andererseits, wenn dieser Titel - ordnungsgemäß in einem
Schema vorgelegt - abgelehnt wurde, kann niemand, wenn er nicht dieses
Schema präsentiert, sicher sein, daß darin dieselben Vorstellungen
enthalten sind, mit denen Pius XII. von der Kirche als Corpus Mysticum
spricht. Das Schema wurde eben abgelehnt und die Gründe dafür dürften
von zweitrangiger Bedeutung sein. Man hielt es z.B. nicht für opportun.
Im folgenden bringt die Autorin die Erklärung, mit der das I. Vaticanum
ausführt, daß die Kirche alle Eigenschaften einer wirklichen,
vollkommenen, in sich geschlossenen (distinkten) etc. Gesellschaft hat.
Aber Mary Martinez sagt nicht, ob diese Erklärung ausdrücklich verfaßt
wurde, um irgendeinen Irrtum zu widerlegen, der in einem Schema über
die Kirche als Corpus Mysticum ent-halten gewesen sei. Sie behandelt
ganz einfach die Verfassung der Kirche. Dann folgt eine Ungenauigkeit
großen Ausmaßes, denn die Autorin zitiert Roberto Belarmine (sic!)
(gemeint: Robert Bellarmin) in einer Art und Weise, daß es den Anschein
hat, nachdem sie dessen Text unter ihren "Beweisen" gegen die Lehre vom
Corpus Mysticum eingereiht hat, als ob der Heilige zu den Teilnehmern
von Vat. I gehört hätte.
Der Text des Heiligen über die Kirche, den sie zitiert, stellt aber
nichtsdestoweniger irgendeine Verteidigung dar gegen einen Irrtum in
Verbindung mit dem Corpus Mysticum, einer Lehre, die andererseits ja
schon bei Paulus zu finden ist und nachweisbar durch die ganze
Geschichte des kirchlichen Schrifttums, von den Vätern, speziell von
Augustinus und den Kirchenlehrern, besonders von dem "Doctor Angelicus"
vertreten wurde, die also keinerlei Neuigkeit darstellt und auch
innerhalb der Kirche nie als Widerspruch zur Lehre von der "Einen,
Heiligen Katholischen und Apostolischen Kirche" des Konzils von Nicäa
empfunden wurde.
Zugegebenermaßen war Papst Pius XII. in manchen Punkten schwach, in
anderen etwas kühn, wie bei den Liturgiereformen die wir erwähnten.
Aber wir finden es allzu riskant, gerade in dieser Frage die ganze
Verantwortung für die konziliare Revolution bzw. Ihren Beginn Pacelli
anzulasten. So geht die Autoren mit Zitaten um, die sie massenhaft als
angebliche Beweise anführt, sozusagen bis zur Erschöpfung. Die
Tatsache, daß in den Dokumenten von Vaticanum II sehr häufig Pius XII.
zitiert wird, ist - abgesehen davon, daß das Zitierte nicht die
heterodoxen Ideen stützt - genauso wenig ein klarer Hinweis, daß Pius
XII. das Konzil selbst vorbereitet hätte.
Das Fundierteste, was man darüber weiß, ist, daß Giovanni Roncalli die
Idee des Konzils hatte, wenn auch die Idee eines "Konzils" zur
Verkündung einer synkretistischen Religion aus den Zeiten des Abts La
Roca stammt, den die "Periti" unter den Begleitern vieler
Konzilsbischöfe bis zum Überdruß zitierten.
Daraus entstand eine neue kirchliche Wissenschaft, die sogenannte
"Ecclesiologie", zur Wiedererforschung der Kirche in der Folge einer
modernistischen Bewegung in den Jahre vor dem Konzil. Wir haben das
alle noch im Ohr: "Man muß die Kirche wiederentdecken", "Kirche, was
sagt du von dir selbst?" und ähnliches zur Vorbereitung von Klerus und
katholischem Volk auf die große Kehrtwendung unter dem allerdings
wirklich neuen Konzept von der "Kirche als Volk Gottes", das dasjenige
von der Einen und Heiligen Gemeinschaft und auch vom katholischen
"Corpus Mysticum" ersetzen sollte. Das war eine der vielen Ideen, die
über die Popularisierer der Rheinseiten-Reformer versprüht wurde. Aber
man kann nicht beweisen, daß sie die Frucht des Erscheinens von
"Mystici corporis" waren!
Die Ecclesiologie ist nie von Pius XII. als Studienobjekt gefördert
worden. Mehr noch, nicht einmal die Bezeichnung erscheint in den
theologischen Wörterbüchern seiner Zeit, auch nicht in anderen
Fachwörterbüchern für Enzykliken etc.. Und damit man sieht, daß das,
was Mary Martinez vom hl. Robert Bellarmin zitiert, um ihn in
Opposition zur Lehre von "Mystici corporis" erscheinen zu lassen, nicht
mehr als etwas "im Vorbeiflug" Erhaschtes ist, ohne Kenntnis von Lehre
und Person des Heiligen, zitiert Pius XII. selbst Bellarmin, um seine
Lehre über den Mystischen Leib zu stützen: "Wie Bellarmin subtil und
scharfsinnig bemerkt, kommt dieser Name 'Mystischer Leib Christi' nicht
allein aus der Tatsache, daß Christus als Haupt Seines geheimnisvollen
Leibes angesehen werden muß, sondern daß Er auch als ein Haupt seine
Kirche erhält und so in ihr lebt, daß sie wie in eine zweite Person
Christi verwandelt wird. Das bestätigt der Lehrer der Völker (St.
Paulus) im Brief an die Korinther, wenn er ohne weiteres die Kirche
'Christus' nennt, wobei er dem göttlichen Meister folgt, der ihn, den
Verfolger der Kirche, auf diese Weise ansprach: 'Saul, Saul, warum
verfolgst du Mich?'" ("De Romano Pontificias" - Pius XII.:"Mystici
Corporis". Edicion Guadalupe, Buenos Aires, 1830—1950)
Es empfiehlt sich, "Mystici corporis" noch einmal eingehend zu lesen,
woraus ich persönlich folgende Schlüsse gezogen habe: Pius XII.
beabsichtigte nicht, der Kirche eine neue Bezeichnung oder einen neuen
Sinn zu geben, da dieser ihr eminent mystischer Sinn mit dem Namen des
Mystischen Leibes Christi durch alle Zeiten der ganzen Kirche bewußt
war, vom hl. Paulus an über die Kirchenväter, die Kirchenlehrer und die
päpstlichen Lehrschreiben. Schon im Johannes-Evangelium ist Christus
der "Weinstock" und die Auserwählten die "Reben" (Joh. 15). Im
Hohenpriesterlichen Gebet betont Christus die Einheit und die
gegenseitige Innewohnung zwischen Ihm und den Menschen (Joh. 17).
Paulus entwickelt ausführlich das Thema vom mystischen Leib, indem er
Christus als einen Leib darstellt, von dem Er das Haupt und die
Menschen die Glieder sind (Kor., Col., Eph., Rö.). Seine Lehre vom
Mystischen Leib faßt dementsprechend Card. Pietro Parente, ein Kenner
dieser Problematik, in seinem "Lexikon der Dogmatischen Theologie"
zusammen ("Diccionario de Teologia Dogmatica", Editorial Liturgica
Espanola, 1943, S. 97): "Zusammenfassung der Lehre des hl. Paulus:
Christus, das Fleisch gewordene Wort, ist der neue Adam, Haupt der
durch Ihn erlösten Menschheit und bildet mit ihr einen Leib, den
Mystischen Christus. Dieser Leib umfaßt im weiteren Sinn das ganze
Menschengeschlecht, denn Christus ist für die Rettung aller gestorben,
aber im engeren Sinn ist er die Kirche, in die man durch die Taufe, die
Einfügung des Menschen in Christus, eintritt, um am übernatürlichen
Leben teilzuhaben, das vom Haupt zu den Gliedern strömt durch die
Tätigkeit des Hl. Geistes, der sozusagen die Seele des Mystischen
Leibes darstellt. Die Einheit dieses Organismus ist so tiefgehend, daß
der hl. Paulus nicht zögert zu sagen 'Unus estis in Christo' (Gal.
3,29), d.h. wie der Hl. Thomas übersetzt: 'Ihr seit mit Christus eine
mystische Person.' Hier steht 'mystisch' nicht im Gegensatz zu real,
weder der physischen noch der übernatürlichen Realität. 'Christus in
uns' ist für den hl. Paulus das große Mysterium, das von Gott im
Evangelium geoffenbart wurde; für ihn leben wir aus Christus und setzen
in uns Seine Passion, Seinen Tod und Seine Auferstehung fort
(Solidarität). Auf diesem Geheimnis gründet die Erlösung und die
Kirche."
Weiter schreibt Parente: "Die hl. Väter entwickeln das Denken des hl.
Paulus (über den mystischen Leib) weiter sowohl im ecclesiologschen
Sinn (Ignatius und Cyprian) als auch im weiteren soteriologischen Sinn
(Irenaeus, Athanasius, Cyrill, Chrysostomus), Augustinus in beiden."
Parente schließt seine Zusammenfassung mit der Erwähnung der damals
erst kürzlich herausgekommenen Enzyklika "Mystici corporis" von Pius
XII. Er schreibt: "Ein gründlicher und gelehrter lehramtlicher
Kommentar dieser Glaubenswahrheit ist die neue Enzyklika Mystici
corporis des Hl. Vaters Pius XII., die im Licht des Mystischen Leibes
zunächst die Beziehungen zwischen Christus und Seiner Kirche, deren
Haupt, Erhalter und Erlöser er ist, betrachtet und dann die Bindungen
der Gemeinschaft zwischen den Gläubigen und Christus. Dabei verurteilt
er die Übertreibungen eines falschen Mystizismus, die tendenziell den
Menschen und seine Personalität in Christus so aufgehen lassen, daß sie
in eine einzige physische Person zusammenfallen."
Schließlich kann ich es nicht unterlassen hinzuzufügen, daß die beim
hl. Paulus begründete Lehre vom mystischen Leib in hervorragender Weise
umfassend ausgeführt und kommentiert worden ist vom hl. Thomas, dem
allgemeinen Lehrer der Kirche. Und von den Päpsten bezieht sich Leo
XIII. in "Divini illiud" auf den Mystischen Leib wie auch viele andere,
die hier gar nicht aufgezählt werden können.Das festigt in uns die
Überzeugung, daß Pius XII. mit seiner Enzyklika keineswegs eine neue
und ausgefallene Lehre eingeführt hat.
(Fortsetztung folgt)
Wir haben also hier folgendes dargelegt:
1.) Wie eben gezeigt, hat Pius XII. nicht beabsichtigt, der Kirche eine
neue Bedeutung zu geben oder eine neue Doktrin einzuführen.
2.) Pius XII. leugnet nicht die juridische Verfassung der Kirche oder
ihre hierarchische Organisation in seiner Enzyklika "Mystici corporis",
er betont sogar ausdrücklich deren Wert und hebt die Vollmacht der
Kirche im Lehr-, Hirten- und Priesteramt hervor. Er hält die
Notwendigkeit einer Konversion aufrecht, um in die Gemeinschaft der
Kirche aufgenommen zu werden.
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