Der Name ist zwar nicht alles, aber...
zur Namensfindung der rechtgläubigen röm.-kath. Gruppierungen
Günter Kabath
Schon während des Pontifikats Papst Pius' XII. (1939-1958) hatten die
Modernisten die römisch-katholische Kirche in aller Stille unterminiert
und wichtige Posten in der Hierarchie besetzt. Vor allem die
Liturgische Bewegung wurde schon fast vollständig von diesen "ärgsten
Feinden der Kirche" (hl. Pius X.) beherrscht. Schlagartig mit dem Tod
Pius' XII. begann der Generalangriff der Modernisten gegen die
katholische Kirche, worauf die gläubigen Katholiken (von ganz wenigen
Ausnahmen abgesehen) in keiner Weise gefaßt waren.
Durch ihren mit großem Elan geführten Angriff gelang es den Modernisten
binnen 12 Jahren fast die gesamte römisch-katholische Kirche in ihre
Hand zu bekommen und in ihre
modernistisch-synkretistisch-freimaurerische "Konzilskirche"
umzuwandeln - unter Beibehaltung des Namens "röm.-kath. Kirche", was
dazu führte, daß das dramatische Geschehen von der Welt kaum
wahrgenommen wurde und bis heute allenfalls als bloßer Richtungsstreit
zwischen eher progressiver- und eher konservativen Katholiken angesehen
wird. Der durchschlagende Erfolg des Generalangriffs der Modernisten
ist durch drei herausragende Daten und Ereignisse gekennzeichnet:
1. das Konklave von 1958 mit der entscheidenden personellen Weichenstellung (Wahl des Freimaurerfreundes Kard. Roncalli);
2. die vatikanische Räubersynode von 1962-1965 (mit der weitgehenden
Durchsetzung der modernistischen Häresien), die ihren Status als
Räubersynode auch dadurch nicht verliert, daß sie sich selbst als
"hochheiliges Konzil" bezeichnet hat (die zuerst verabschiedete
Konstitution über die Liturgie vom 4.12.1963 lautet bekanntlich
"Sacrosanctum Concilium");
3. die von Paul VI. 1970 vorgenommene "Herz-Transplantation": der
Austausch des wahren hl. Meßopfers gegen eine modernistische
"Eucharistiefeier" (wobei man sich darüber streiten kann, ob den
Architekten des NOVUS ORDO MISSAE eher Calvin oder eher Cranmer als
Vorbild diente).
Obwohl für die Katholiken zumeist nur die beiden zuletzt genannten
Ereignisse eine herausragende Rolle spielen, muß hier einmal
festgestellt werden, daß in Wirklichkeit das zuerst genannte Ereignis
(die Wahl Roncallis auf dem Konklave von 1958 mit der hauptsächlichen
Intention, der Kirche unwiderruflich eine neue - modernistische -
Ausrichtung zu geben) entscheidend war und den eigentlichen Wendepunkt
der Kirchengeschichte u.a. mit dem Ende des konstantinischen Zeitalters
markierte. Alles andere folgte mehr oder weniger logisch und
zwangsläufig aus diesem größten Verrat der Kirchengeschichte.
Diese ihm bekannte Tatsache gegenüber seinen Anhängern verschwiegen zu
haben, ist einer der Vorwürfe, die man gegen Erzbischof Lefebvre
erheben muß. Daß sich Lefebvres Widerstand fast ausschließlich gegen
Paul VI. und gegen die von diesem zu verantwortenden Änderungen
richtete, hatte m.E. zwei Gründe:
1. Erzbischof Lefebvre gehörte selbst zum progressiven Flügel der
Liturgischen Bewegung (man lese hierzu das Kapitel 2 in seinem Buch
"Ein Bischof spricht", S.17 ff, insbesondere S. 20 und 21) und wandelte
sich diesbezüglich erst mit der Präsentation der MISSA NORMATIVA
Annibale Bugninis (der späteren "Neuen Messe") vom "Saulus zum Paulus"
(allerdings nur halbherzig: er gab weder zu, früher ein Saulus gewesen
zu sein, noch distanzierte er sich von seinem früheren Drängen auf
liturgische Änderungen);
2. mit Roncalli verband Erzbischof Levebvre eine gewisse geistige
Verwandtschaft (man lese hierzu S. 21 unten seines Buches "Meine
vierzig Bischofsjahre" - wenn die beiden sich nicht bestens verstanden
hätten, wäre Lefebvre wohl kaum so häufig von Roncalli zum Mittagessen
eingeladen worden!); er konnte diesen nicht angreifen, ohne selbst in
einem schlechten Licht dazustehen. Mit der Wahl des hl. Pius X. zum
Patron der von ihm gegründeten Priesterbruderschaft wollte Erzbischof
Lefebvre möglicherweise auch ein wenig von seiner Übereinstimmung mit
Roncalli ablenken. (Eine kleine Frage am Rande: Wäre Lefebvre wohl noch
1962 zum Generaloberen seiner Missionskongregation gewählt worden, wenn
nicht sein gutes Verhältnis zu Johannes XXIII. bekannt gewesen wäre?)
An dieser Stelle noch ein Wort zu Johannes XXIII.: In seiner Ansprache
zur Eröffnung der vatikanischen Räubersynode am 11.10.1962 führte
Roncalli u.a. (sinngemäß) aus: "Die Kirche liebt es heute nicht mehr,
zu verurteilen. Sie zieht es vor, sich eher des Heilmittels der
Barmherzigkeit zu bedienen." Diese Aussage ist sowohl inhaltlich als
auch von den Folgen her betrachtet derart ungeheuerlich, daß sie für
sich genommen bereits ausreicht, um Johannes XXIII. in Grund und Boden
zu verdammen. Das ganze Desaster der "Konzilskirche" seit 40 Jahren ist
in dieser Aussage bereits vorgezeichnet. Auf die Verurteilung von
Irrlehren und die Maßregelung von Irrlehrern zu verzichten, bedeutet
nichts anderes, als die Herde Jesu Christi schutzlos den Wölfen
preiszugeben. Es ist schwer zu begreifen, daß es auch heute noch
Katholiken gibt, die meinen, Johannes XXIII. sei weniger schlimm
gewesen als seine Nachfolger. (Zur Person Roncallis siehe auch EINSICHT
XXXIII/2, S. 41 f. vom März 2003)
Wie reagierten nun diejenigen Katholiken, die ihre Kirche liebten und
traurig oder entsetzt oder zornig, in jedem Fall aber ohnmächtig die
unheimliche Veränderung ihrer Kirche wahrnahmen, auf die
Machtergreifung durch die Modernisten? Nun, da bildeten sich im Laufe
der Zeit verschiedene Gruppen heraus, wobei die Übergänge zwischen
diesen Gruppen bis heute fließend sind.
Da gibt es zum einen die Ästheten, denen es im wesentlichen nur darum
geht, die zahllosen liturgischen Mißstände abzustellen und zu der
früheren feierlichen Form der Liturgie (wozu auch der Gebrauch des
Lateins zählt) zurückzukehren. Zu dieser Gruppe sind Bewegungen wie
"Una Voce" (nicht zu verwechseln mit unserer Gruppierung, die sich noch
vor deren Bildung als "Freundeskreis e.V. der Una Voce - Gruppe Maria"
konstituiert hatte; Anm.d.Red.), "Pro Missa Tridentina" und "Pro Sancta
Ecclesia" (inzwischen auch die Priesterbruderschaft "St. Petrus") zu
rechnen.
Dann gibt es die Gruppe der Traditionalisten, die zwar bemerkt haben,
daß mit der Änderung der Formen auch die Glaubensinhalte verändert
wurden, und die sich daher gegen alle Änderungen seit dem "II.
Vaticanum" erbittert zur Wehr setzen, ohne jedoch die Rechtmäßigkeit
der Papstwahlen seit 1958, des "II. Vaticanums" oder des NOM in Frage
zu stellen. Diese Gruppe wird durch die Priesterbruderschaft "St. Pius
X." und die mit ihr verbundenen Vereinigungen repräsentiert.
Eine dritte Gruppe umfaßt diejenigen Katholiken, die sich selbst
Sedisvakantisten nennen, den Stuhl Petri als seit dem Tod Pius' XII.
unbesetzt ansehen und erkannt haben, daß diejenige Institution, die
heute noch von aller Welt als "römisch-katholische Kirche" bezeichnet
wird, in Wirklichkeit die modernistisch-synkretistisch-freimaurerische
"Konzilskirche" ist, mit deren Konstituierung der in der Hl. Schrift
genannte große Abfall eingeläutet wurde. Zu dieser Gruppe gehören in
Deutschland u.a. die "Liga katholischer Traditionalisten" und der
"Freundeskreis der Una Voce".
Die Zahl der Katholiken, die sich der dritten Gruppe zurechnen, ist im
Vergeich zur Mitgliederzahl der beiden zuerst genannten Gruppen sehr
gering. Bei der "Liga katholischer Traditionalisten" fällt auf, daß sie
sich mit dieser Bezeichnung ein falsches Namensschild umgehängt hat.
Die "Liga" sollte sich einmal in verschiedenen Rechtschreib- und
Fremdwörterbüchern die Definitionen für die Begriffe "Tradition" und
"Traditionalismus" ansehen. Es geht dieser Vereinigung keineswegs nur
um das Festhalten an Traditionen, sondern - wie allen Sedisvakantisten
- darum, das gesamte DEPOSITUM FIDEI, also den katholischen Glauben,
gegen dessen Verfälschung oder Zerstörung durch die Modernisten zu
verteidigen und sich im übrigen dem Mahlstrom der "Konzilskirche" zu
entziehen. Ãœberhaupt sollten die Katholiken mit dem Gebrauch des Wortes
"Tradition" sparsam umgehen, seitdem Johannes Paul II. (und mit ihm die
gesamte "Konzilskirche") dazu übergegangen ist, alle Religionen nur
noch als "religiöse Traditionen" zu bezeichnen.
Auch der Ausdruck "Sedisvakantisten" ist, wenngleich nicht fasch, nicht
sehr glücklich, weil er den Gedanken impliziert, es ginge denjenigen
Katholiken, die sich so nennen, ausschließlich darum, ihre Überzeugung
von der seit Jahrzehnten andauernden Vakanz des Apostolischen Stuhles
zu verbreiten. Meines Erachtens wäre es angebracht, statt
"Sedisvakantisten" die Bezeichnung "orthodoxe Katholiken" zu wählen
(vgl. den 3. Satz des Kanons der hl. Messe: "allen Rechtgläubigen"),
wobei noch zu erwägen wäre, diese Bezeichnung namensrechtlich zu
sichern - und zwar, indem sich z.B. der Verein "Freundeskreis der Una
Voce e.V." in "Orthodox-katholische Kirche e.V." umbenennt. Daß es ein
staatlich geschütztes Recht am Namen gibt und was dieses Recht wert
ist, hat die Priesterbruderschaft St. Pius X. vor einigen Jahren
anläßlich ihres Rechtsstreits mit dem Erzbistum Köln um die Bezeichnung
"römisch-katholisch" schmerzhaft erfahren. (Es ist in diesem
Zusammenhang übrigens erstaunlich, daß der EINSICHT das Recht, sich
"römisch-katholische Zeitschrift" zu nennen, bisher anscheinend noch
nicht streitig gemacht wurde.) Spätestens dann, wenn es einmal zu einer
Restitution der Kirche kommen sollte, wird die Frage nach dem Namen
akut werden. Hier liegt es dann nahe, in Abgrenzung zur
"römisch-katholischen Kirche" (sprich: "Konzilskirche") einerseits und
zur "alt-katholischen Kirche" andererseits den Namen
"orthodox-katholische Kirche" zu verwenden. |