EIN SOLCHER RELIGIONSUNTERRICHT VERDIENT NICHT SEINEN NAMEN
von
Gertrud Dörner
(DEUTSCHE TAGESPOST vom 13.1.94)
Vorbemerkung der Redaktion:
Von vielen von uns unbemerkt, weil wir nicht unmittelbar davon
betroffen oder weil wir keine schulpflichtigen Kinder (mehr) haben, die
solches Gedankengut mit nach Hause bringen könnten, hat sich im
schulischen Religionsunterricht eine Revolution vollzogen, die weit
über die bekannte Einschleiferei von katholischen und protestantischen
Glaubenspositionen hinausgeht. Angepeilt ist ein synkretistisches
Religionsbild, das, weil es sich dennoch nolens volens als bestimmtes
behaupten muß, sich als esoterisch-okkultes (satanisches) Gedankengut
präsentiert und sich als New-Age-Modell entpuppt. In Wirklichkeit
handelt es sich, wie der Untertitel zu diesem Beitrag es beschreibt, um
"Versuche, eine universelle Religion und Esoterikan die Stelle von
konfessioneller Verantwortung zu setzen".
Die Autotrin - eine Reformer-Insiderin, die keinesfalls unsere
sedisvakantistische Position teilt und die die Einschränkungen Johannes
Pauls II., der ja selbst nach besten Kräften dieses Synkretismus
vorantreibt, keinesfalls als Krokodilstränen durchschaut - ist für uns
eine um so glaubwürdigere Zeugin dieser Vorgänge, weil sie selbst als
Reformerin den Verrat an ihrer Position und deren Scheitern beschreibt.
Wer will, kann für diese revolutionären Vorgänge im Religionsunterricht
auch den Chef der sog. Glaubenskongregation, 'Kardinal' Ratzinger
anführen, der Verständnis dafür zeigte, daß am Religionsunterricht
interessierte Eltern ihre Kinder von demselben abmeldeten.
E. Heller
***
Man glaubte, die Flucht der Schüler aus dem Religionsunterricht mit
diesem Modell aufhalten zu können: Doch, das zeigte sich unlängst bei
der Generalversammlung des Arbeitskreises Theologie und Katechese, mit
dem "konfessionell-kooperativen Religionsunterricht" hat man sich ein
"Trojanisches Pferd" in die Klassenzimmer geholt. Mit diesem Titel
informierte in Düsseldorf der Religionspädagoge Alfons Benning über
eine Entwicklung, die letztlich auf eine Beseitigung des von den
Konfessionen getrennt verantworteten Religionsunterrichts hinausläuft.
Das Modell, so berichtete Benning, entstammt der religionspädagogischen
Diskussion Ende der sechziger, Anfang der siebziger Jahre auf einer
Tagung in Weinheim 1972, daher "Weinheimer Modell" genannt. Es bezog
sich zunächst nur auf die ersten beiden Klassen der Primarstufe und
grenzte sich gegen einen ökumenischen und interkonfessionellen
Religionsunterricht ab. Damals schon herrschte über den genauen Inhalt
der Begriffe keine Einigkeit. Aus rechtlichen Gründen verwarf man das
Modell 1973. Doch es feierte Auferstehung: in einem Papier des
Deutschen Katechetenvereins vom Herbst 1992 mit der Überschrift
"Plädoyer für den Religionsunterricht". Dasselbe gilt für ein Buch des
schon 1972 an dem Modell beteiligten Norbert Scholl:
"Religionsunterricht 2000 - Welche Zukunft hat der
Religionsunterricht?", erschienen 1993 im Benzinger-Verlag. Welche
Ziele verfolgt nun der konfessionell-kooperative Religionsunterricht,
den Pädagogen unter sich mit "Ko-ko-ru" abkürzen? Zunächst muß man
beachten, daß es nicht darum geht, ob die Konfessionen zusammenarbeiten
sollen, denn das ist unbestreitbar gut und sinnvoll. Vielmehr steht ein
"multi-konfessioneller" Religionsunterricht im Mittelpunkt, den man
über die Zwischenstufe eines "interkonfessionell-kooperativen"
Unterrichts einführen will. Von letzterem schreibt Norbert Scholl im
genannten Buch. Im gleichen Sinn spricht das Vorstandsmitglied des
Katechetenvereins, Ralph Sauer, einer Zeitungsmeldung zufolge, von
einem "bekenntnisverschiedenen Religionsunterricht". Das Ziel ist
"Einheit als versöhnte Verschiedenheit".
Am Ende all dieser Bemühungen soll jedoch das Herausbrechen eines
konfessionell gebundenen und orientierten Religionsunterrichts aus dem
Schulsystem stehen. Nachprüfen kann man diese Absicht an der ersten
praktischen Ausführung dieser Art von Religionsunterricht im Kanton
Zürich. Der dort für die katholische Schulkatechese verantwortliche
Kurt Bucher gab zu, daß diese Art Unterricht in staatlicher
Verantwortung stehe und nichts mehr mit der Kirche zu tun habe. Der
gemeinsame Lehrplan von 1991 in Zürich verbietet bereits das Gebet oder
spezielle religiöse Handlungen in der Schule. Außer Kurt Bucher haben
auch andere Verantwortliche diese Art des Religionsunterrichts bereits
als "Übergangsform" in einer "mehr und mehr multikulturellen
Gesellschaft" bezeichnet. Befürworter weisen in überschwenglicher Weise
auf eine angeblich besonders "ökumenische" Wirkung dieses
Religionsunterrichts hin. Doch das ändert nichts an den nach wie vor
bestehenden tiefgreifenden Unterschieden in Glaubensfragen, die
zwischen den Konfessionen bestehen und die auf diese Weise nicht zu
lösen sind. Oft argumentiert man, organisatorische, didaktische oder
soziologische Vorteile sprächen für diese Form der Kate-chese. So
beklagt man zum Beispiel das "Auseinanderreißen" der Klassen, besonders
in den unteren Jahrgängen, die "Trennungen", für die Kinder kein
Verständnis hätten. (...) Solche Plädoyers übergehen, daß die mehr oder
weniger deutliche Auflösung der Klassengemeinschaft an anderer Stelle
geradezu als Fortschritt ausgegeben wird und daß Schüler ohne
Kirchenbindung eine gesonderte Art von Unterricht benötigen, nicht aber
einen "Religionsunterricht" in der beschriebenen Weise. Beim
Adlimina-Besuch der Deutschen Bischöfe im November und Dezember 1992
wandte sich Papst Johannes Paul II. in Anspielung auf das Papier des
Katechetenvereins gegen einen solcherart "ökumenischen"
Religionsunterricht unter Hinweis auf die eindeutige Regelung des
Grundgesetzes. In einer Ansprache an die Bischöfe aus Süddeutschland
meinte er wörtlich: Es seien weniger die evangelischen Brüder und
Schwestern, die auf eine Entkonfessionalisierung des
Religionsunterrichts hinarbeiteten. "Die Ablehnung des
Konfessionsprinzips ist vielmehr auf eine alte und immer wieder neu
auflebende Strategie einer Anti-Evangelisierung zurückzuführen." Daß
diese Strategie jedoch von einem Verein vorangetrieben wird, der
innerhalb der Kirche der bevorzugte Gesprächspartner der Deutschen
Bischofskonferenz in Fragen des Religionsunterrichts ist, ist
bedauerlich.
Auf evangelischer Seite wird die Einführung des
"konfessionell-kooperativen Religionsunterrichts" vom
Religionspädagogischen Institut Loccum und seinem Publikationsorgan
"Pelikan" vorangetrieben. Hier wirbt man nicht nur seit Monaten für
diese Art des Religionsunterrichts, es werden auch
konfessionsübergreifende "Veranstaltungen für Religionslehrer"
angeboten. In allen Beiträgen zu diesem Thema im "Pelikan" ist man sich
einig, daß man in den Schulen bereits bedeutend "weiter" sei, als es
die Kirchenleitungen erlaubten. Weitere Bemühungen in dieser Richtung
zeigt der "Aktionsausschuß niedersächsischer Religionslehrer", der
dafür eintritt, den konfessionell-kooperativen Religionsunterricht "aus
der Grauzone von Verbot und Duldung zu befreien". Eine gute Ergänzung
hierzu bot auf der Tagung des Arbeitskreises Theologie und Katechese
der Fundamentaltheologe Josef Schumacher. Er informierte über
Jugendsatanismus, bezog aber auch die New Age Welle als konzentrierte
Esoterik mit ein. Wo findeten sich Gedankengut des Satanismus und New
Age im Religionsunterricht oder in Religionsbüchern? Besonders
deutlich, so erfuhren die Mitglieder des Arbeitskreises, taucht
esoterisch-okkultes Gedankengut in einem "Religionsbuch" auf, das die
Lehrbuchkommission der Deutschen Bischofskonferenz für den kaholischen
Religionsunterricht zugelassen hat: dem Unterrichtswerk "Religionsbuch"
von Hubertus Halbfas, das die Klassen 1 bis 10 umfaßt, also das Alter
von sechs bis sechzehn Jahre.
Das "New Age" ist eine totalitäre, religiös verbrämte Ideologie, die
heute in "sanfter Verschwörung" alle Gebiete des Lebens unterläuft,
einschließlich der Kirche und der theologischen Wissenschaft. Das "New
Age" soll an die Stelle des durch Horizontalismus und Dogmatismüs
angeblich verfälschten Christentum treten und will eine plausiblere
Weltsicht anbieten als das vermeintlich überkommene Christentum. In den
Halbfas-Büchern begegnet man auf Schritt und Tritt der Symbolsprache
des New Age. An die Stelle des christlich-abendländischen linearen
Denkens tritt dort das zyklische Denken. Im Bildmaterial spiegelt sich
die mythische Fabelwelt nach Art des Michael Ende, des erfolgreichsten
Multiplikators der New-Age Gedankenwelt. Es dominiert in diesen Büchern
Indifferentismus, eine besondere Wertschätzung der fernöstlichen
Religiosität, eine pantheistisch-synkretistische Grundhaltung,
verbunden mit dem deutlichen Wunsch nach einer Welteinheitsreligion.
Das Christentum jedoch wird herabgesetzt durch tendenziöse
geschichtliche Darstellungen, Karikaturen der Amtsträger und
regelrechte Blasphemien, z.B. in der Art der Bilder des Gekreuzigten.
Tatsächliche und angedichtete Fehler der Kirche werden weiträumig
abgehandelt, periphere Entgleisungen von Amtsträgern verallgemeinert.
Das Buch sät Mißtrauen im Gewand der Toleranz und des Pazifismus, das
alles steht jedoch offenkundig im Dienst der Verhetzung. Das "bessere
Christentum" ist ohnehin in diesen Büchern das reformatorische, noch
besser aber ist das "esoterische" bzw. ein synkretistisches Konglomerat
von Elementen aller Religionen. Feste Regeln oder Gesetze für das
Verhalten soll es demnach nicht geben. Im Buch dominiert das moralische
Chaos und in den Bildern der Falkenkopf und der Ziegenkopf,
ausgesprochen satanistische Symbole, die auf destruktive Arbeit
hinweisen, letztlich im Dienst des Satanismus. Man säubert den
katholischen Religionsunterricht seit Jahren mit unterschiedlichen
Begründungen mehr und mehr von allem Katholischen, ja diese Elemente
sollen auf die Dauer offenbar ganz verschwinden. Zugleich dringen
andere weltanschauliche, vor allem esoterische, Elemente ungehindert in
den Religionsunterricht ein und benutzen ihn als Vehikel.
Ein solcher "Religionsunterricht" verdient seinen Namen nicht mehr.
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