MATERIALIEN ZUR NEUREGLUNG DES § 218 STGB
zusammengestellt und eingeleitet von
Eberhard Heller
1. EINLEITUNG
Am 29.6.95 fand im Bundestag endlich ein Drama seinen einstweiligen
Höhepunkt, das vor Jahren von der Abtreibungs-Lobby inszeniert worden
war und welches wie kein anderes Ereignis den moralischen und
rechtlichen Niedergang in Deutschland signalisiert: die Verabschiedung
der Gesetzesvorlage für die Neuregelung des § 218 StGB, die durch die
Unterschrift des Bundespräsidenten Herzog am 21.8.95 geschriebenes
Gesetz wurde. Der Bundestag hatte an diesem Tag, an dem die Kirche das
Fest der hll. Petrus und Paulus feiert, die Reform des § 218
beschlossen. 486 Parlamentarier stimmten bei 145 Gegenstimmen und 2l
Enthaltungen einer von CDU/CSU, FDP und SPD vorgeschlagenen Regelung
zu. Sie sieht im Kern vor, daß Abbrüche straffrei bleiben, wenn seit
der Empfängnis nicht mehr als zwölf Wochen vergangenen sind und die
Frau vorher auf den Lebensschutz hin beraten wurde. Das Umfeld einer
Frau wird mit Strafe bis zu fünf Jahren bedroht, wenn die Schwangere zu
einer Abtreibung gedrängt wird. Die Kosten für eine Abtreibung erhalten
die Frauen entsprechend den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts
erstattet, wenn die Eigenfinanzierung unzumutbar ist.
Danach kann also nach erfolgter Beratung 'legal' abgetrieben werden.
Alle Proteste aus der Bevölkerung, von den Lebensrechtsgruppen, die
zig-tausende von Unterschriften gegen diesen Entwurf gesammelt hatten,
waren schlicht übergangen worden. Die Neufassung war aufgrund des
Urteils des Bundesverfassungsgerichtes erforderlich gewesen, welches
eine Änderung des alten Paragraphen gefordert hatte. Darin wird zwar
einerseits eine Abtreibung als rechtswidrig charakterisiert,
andererseits kann sie aber unter bestimmten Bedingungen (siehe oben)
straffrei bleiben. (N.b. das mit dieser Bestimmung durch das höchste
deutsche Gericht die Idee des Staates als rechtlicher
Zwangsinstitution, d.h. als Einrichtung, die auch mit physischer Gewalt
das Recht vor unrechtmäßigen Übergriffen zu schützen hat, ad absurdum
geführt wurde, - nach dem Motto: du sollst, aber du darfst nicht -,
wird von den wenigsten überhaupt als Aufhebung der Rechtsstaatlichkeit
registriert.)
Denkwürdig ist, daß dem Gesetz auch von den höchsten staatlichen
Repräsentanten Deutschlands zugestimmt bzw. es unterschrieben wurde und
daß bei seiner Durchführung die angeblichen moralischen Institutionen,
die sog. 'Kirchen' mitwirken: so stimmte Bundeskanzler namentlich für
den Gesetzesentwurf (obwohl es den Alternativ-Antrag von Hüppe gegen
die Abtreibung gab!), Bun-despräsident Roman Herzog hat ihm - trotz
intensiver und massiver Proteste aus Juristenkreisen, es nicht zu tun -
durch seine Unterschrift Gesetzeskraft verliehen und die 'Kirchen' -
die Konzils-'Kirche' und die protestantischen Sekten - sind durch die
Ausstellung von sog. Beratungsscheinen, die für eine Abtreibung
conditio sine qua non ist, ebenso aktiv in die Abtreibung
involviert. Und sie sind auch nicht bereit, sich aus dieser sog.
Beratung wieder zurückzuziehen, obwohl Lehman, der Vorsitzende der sog.
Deutschen Bischofskonferenz, noch am 10.6.1992 erklärt hatte: "Die
Beratungsstellen können sich nicht in ein Verfahren einbinden lassen,
das die Ausstellung einer Beratungsbescheinigung zu einer wesentlichen
Voraussetzung für die straffreie Tötung eines ungeborenen Menschen
macht" (zitiert nach DT vom 23.1.96) und der Fuldaer Reform-Bischof -
der einzige, der sich aus der staatlichen Beratung verabschiedet hat -
geschrieben hatte: " Wir (d.i. die deutsche Reform-'Kirche',
anm.d.Red.) sind offensichtlich mit unseren Beratungsscheinen die
Feigenblätter für die Blößen dieses Unrechtssystems zu liefern." (FAZ
vom 27.7.95) bezeichnet hat. 'Ergo': tun sie weiter mit!
Festzuhalten ist, daß, wenn die Mehrheit in einem Staat ein
Unrechtsgesetz durchsetzen will, dieses auch 'legal' durchgesetzt
werden kann, und daß so der einstmalige Rechtsstaat sich zu einem
Unrechtsgebilde entwickelt, und daß es keine Kontroll-Institution gibt,
die dieses verhindern kann.
Interessant in diesem Zusammenhang ist, daß zumindest das Problem die
Involvierung der sog. 'kirchlichen' Beratungsstellen in die staatliche
Abtreibungsmechanerie inzwischen von vielen Lebensrechtsgruppierungen
offen angesprochen wird, nachdem ich durch einen entsprechenden
Beiträge in EINSICHT und CONCEPTE vor nun zehn Jahren auf diesen
Mißstand aufmerksam gemacht und das 'tabuisierte' Verschweigen von
Fehlverhalten und Mißständen bei den angeblich geistlichen Herren
durchbrochen hatte.
Immer wieder wird auf die Rolle Bayerns als Gegner in der
Abtreibungsfrage verwiesen, dessen Politik mehr oder weniger von der
CSU, einer angeblich christlich geprägten Partei, gestaltet wird. Wie
die verschiedenen Dokumente und Informationen belegen, entpuppt sich
solche Auffassung als reines Vorurteil.
Eberhard Heller
2. URTEIL DES BUNDESVERFASSUNGSGERICHT
- 2 BvF 2/90
- 2 BvF 4J92
- 2 BvF 5/92
Verkündet am 28. Mai 1993 - Kling, Regierungssekretärin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
IM NAMEN DES VOLKES
In den Verfahren wegen verfassungsrechtlicher Prüfung... hat das
Bundesverfassungsgericht - Zweiter Senat - ... auf grund der mündlichen
Verhandlung vom 8. und 9. Dezember 1992 durch Urteil für Recht erkannt:
I.
1. § 218a Absatz 1 des Strafgesetzbuches [Neufassung 92] ... ist
insoweit mit Artikel 1 Absatz 1 in Verbindung mit Artikel 2 Absatz 2
Satz 1 des Grundgesetzes unvereinbar, als die Vorschrift den unter den
dort genannten Voraussetzungen vorgenommenen Schwangerschaftsabbruch
für nicht rechtswidrig erklärt und in Nummer 1 auf eine Beratung Bezug
nimmt, die ihrerseits den verfassungsrechtlichen Anforderungen aus
Artikel 1 Absatz 1 in Verbindung mit Artikel 2 Absatz 2 Satz 1 des
Grundgesetzes nicht genügt.
Die Bestimmung ist insgesamt nichtig.
2. § 219 des Strafgesetzbuches [Neufassung 92] ... ist mit Artikel 1
Absatz 1 in Verbindung mit Artikel 2 Absatz 2 Satz 1 des Grundgesetzes
unvereinbar und nichtig.
3. § 24b des Fünften Buches Sozialgesetzbuch ist nach Maßgabe der
Urteilsbegründung mit Artikel 1 Absatz 1 in Verbindung mit Artikel 2
Absatz 2 Satz 1 des Grundgesetzes vereinbar.
4. §§ 200f, 200g der Reichsversicherungsordnung in der Fassung des
Gesetzes über ergänzende Maßnahmen zum Fünften Strafrechtsreformgesetz
(Strafrechtsreform-Ergän zungsgesetz - StREG) vom 28. August 1975 (...)
waren, soweit sie als Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung
bei Schwangerschaftsabbrüchen nach § 218a Abs. 2 Nummer 3 des
Strafgesetzbuches [Fassung 1976] ... vorsahen, nach Maßgabe der Gründe
mit Artikel 1 Absatz 1 in Verbindung mit Artikel 2 Absatz 2 Satz 1 des
Grundgesetzes vereinbar.
5. Artikel 15 Nummer 2 des Schwangeren- und Familienhilfegesetzes ist
mit Artikel 1 Absatz 1 in Verbindung mit Arti kel 2 Absatz 2 Satz 1 des
Grundgesetzes unvereinbar und nichtig, soweit dadurch die bisher in
Artikel 4 des Fünften Gesetzes zur Reform des Strafrechts (5. StrRG)
vom 18. Juni 1974 (...), geändert durch Artikel 3 und Artikel 4 des
Fünfzehnten Strafrechtsänderungsgesetzes vom 18. Mai 1976 (...),
enthaltene Vorschrift betreffend die Bundesstatistik über
Schwangerschaftsabbrüche aufgehoben wird.
6. Artikel 4 des Fünften Gesetzes zur Reform des Strafrechts in der
Fassung des Artikels 15 Nummer 2 des Schwangeren und
Familienhilfegesetzes ist mit dem bundesstaatlichen Prinzip (Artikel 20
Absatz 1, Artikel 28 Absatz 1 des Grundgesetzes) unvereinbar und
nichtig, soweit die Bestimmung die zuständigen obersten Landesbehörden
verpflichtet; sie ist im übrigen nach Maßgabe der Urteilsgründe mit dem
Grundgesetz vereinbar.
7. Die Anträge im Verfahren 2 BvF 2/90, betreffend die ver
fassungsrechtliche Prüfung des § 218b Absatz 1 Satz 1 und Absatz 2
sowie § 219 Absatz 1 Satz 1 des Strafgesetzbuches [Fassung 1976] ...,
sind erledigt.
II. Gemäß § 35 des Gesetzes über das Bundesverfassungsgericht wird angeordnet:
1. Das bisher nach Maßgabe des Urteils vom 4. August 1992 geltende
Recht bleibt bis zum 15. Juni 1993 anwendbar. Für die Zeit danach bis
zum Inkrafttreten einer gesetzlichen Neuregelung gelten in Ergänzung zu
den Vorschriften des Schwangeren- und Familienhilfegesetzes, soweit
diese nicht durch Nummer I. der Urteilsformel für nichtig erklärt
worden sind, die Nummern 2 bis 9 dieser Anordnung.
2. § 218 des Strafgesetzbuches in der Fassung des Schwangeren- und
Familienhilfegesetzes findet keine Anwendung, wenn die Schwangerschaft
innerhalb von zwölf Wochen nach der Empfängnis durch einen Arzt
abgebrochen wird, die schwangere Frau den Abbruch verlangt und dem Arzt
durch eine Bescheinigung nachgewiesen hat, daß sie sich mindestens drei
Tage vor dem Eingriff von einer anerkannten Beratungsstelle (vgl.
Nummer 4 dieser Anordnung) hat beraten lassen. Das grundsätzliche
Verbot des Schwangerschaftsabbruchs bleibt auch in diesen Fällen
unberührt.
3.
(1) Die Beratung dient dem Schutz des
ungeborenen Lebens. Sie hat sich von dem Bemühen leiten zu lassen, die
Frau zur Fortsetzung der Schwangerschaft zu ermutigen und ihr
Perspektiven für ein Leben mit dem Kind zu eröffnen; sie soll ihr
helfen, eine verantwortliche und gewissenhafte Entscheidung zu treffen.
Dabei muß der Frau bewußt sein, daß das Ungeborene in jedem Stadium der
Schwangerschaft auch ihr gegenüber ein eigenes Recht auf Leben hat und
daß deshalb nach der Rechtsordnung ein Schwangerschaftsabbruch nur in
Ausnahmesituationen in Betracht kommen kann, wenn der Frau durch das
Austragen des Kindes eine Belastung erwächst, die - vergleichbar den
Fällen des § 218a Absatz 2 und 3 des Strafgesetzbuches [Neufassung 92]
... - so schwer und außergewöhnlich ist, daß sie die zumutbare
Opfergrenze übersteigt. (...)
(2) Die Beratung bietet der schwangeren Frau Rat und Hilfe. Sie trägt
dazu bei, die im Zusammenhang mit der Schwangerschaft bestehende
Konfliktlage zu bewältigen und einer Notlage abzuhelfen. Hierzu umfaßt
die Beratung (...)
b) jede nach Sachlage erforderliche medizinische, soziale und
juristische Information, die Darlegung der Rechtsansprüche von Mutter
und Kind und der möglichen praktischen Hilfen, insbesondere solcher,
die die Fortsetzung der Schwangerschaft und die Lage von Mutter und
Kind erleichtern;
(3) Erforderlichenfalls sind ärztlich, psychologisch oder juristisch
ausgebildete Fachkräfte oder andere Personen zu der Beratung
hinzuzuziehen. Bei jeder Beratung ist zu prüfen, ob es angezeigt ist,
im Einvernehmen mit der schwangeren Frau Dritte, insbesondere den Vater
sowie nahe Angehörige beider Eltern des Ungeborenen hinzuzuziehen.
(...)
(5) Ist es nach dem Inhalt des Beratungsgesprächs dem Ziel der Beratung
(Absatz 1 <Satz 1>) dienlich, ist das Beratungsgespräch alsbald
fortzusetzen. Sieht die beratende Person die Beratung als abgeschlossen
an, hat die Beratungsstelle der Frau auf Antrag über die Tatsache, daß
eine Beratung nach den Absätzen 1 bis 4 stattgefunden hat, eine auf
ihren Namen lautende und mit dem Datum des letzten Beratungsgesprächs
versehene Bescheinigung auszustellen.
(6) Die beratende Person hat in einer Weise, die keine Rückschlüsse auf
die Identität der Beratenen erlaubt, in einem Protokoll das Alter, den
Familienstand und die Staatsangehörigkeit der Beratenen, die Zahl ihrer
Schwangerschaften, ihrer Kinder und früherer Schwangerschaftsabbrüche
festzuhalten. Sie hat ferner die für den Abbruch genannten wesentlichen
Gründe, die Dauer des Beratungsgesprächs und gegebenen falls die zu ihm
hinzugezogenen weiteren Personen zu ver merken. Das Protokoll muß auch
ausweisen, welche Informa tionen der Schwangeren vermittelt und welche
Hilfen ihr angeboten worden sind.
4.
(1) Stellen, die eine Beratung nach
Nummer 3 vornehmen, bedürfen - unabhängig von einer Anerkennung nach
Artikel 1 § 3 des Schwangeren- und Familienhilfegesetzes - besonderer
staatlicher Anerkennung. Als Beratungsstellen können auch Einrichtungen
freier Träger und Ärzte anerkannt werden.
(2) Beratungsstellen dürfen mit Einrichtungen, in denen
Schwangerschaftsabbrüche vorgenommen werden, nicht derart
organisatorisch oder durch wirtschaftliche Interessen verbunden sein,
daß hier-nach ein materielles Interesse der Beratungseinrichtung an der
Durchführung von Schwangerschafts- abbrüchen nicht auszuschließen ist.
Der Arzt, der den Schwangerschaftsabbruch vornimmt, ist als Berater
ausgeschlossen; er darf auch nicht der Beratungsstelle angehören, die
die Beratung durchgeführt hat. (...)
6. Das in Nummer 4 vorgesehene Anerkennungsverfahren ist auch für
bestehende Beratungsstellen durchzuführen. Bis zu dessen Abschluß,
längstens bis zum 31.Dezember 1994, sind sie befugt, gemäß Nummer 3
dieser Anordnung zu beraten.
7. Die Pflicht zur Führung einer Bundesstatistik und die Meldepflicht
nach Artikel 4 des Fünften Gesetzes zur Reform des Strafrechts (5.
StrRG) vom 18.Juni 1974 (Bundesge setzbl. I Seite 1297), geändert durch
Artikel 3 und Artikel 4 des Fünfzehnten Strafrechtsänderungsgesetzes
vom 18. Mai 1976 (Bundesgesetzbl. I Seite 1213), gelten auch in dem in
Artikel 3 des Einigungsvertrages genannten Gebiet.
8. Die Regelung des §37a des Bundessozialhilfegesetzes findet auch
Anwendung bei Abbrüchen der Schwangerschaft nach Nummer 2 dieser
Anordnung.
9. Bis zu einer Entscheidung des Gesetzgebers über eine etwaige
Einführung einer kriminologischen Indikation und deren Feststellung
können Versicherte der gesetzlichen Krankenversicherung und nach
Beihilfevorschriften Anspruchsberechtigte bei einem Abbruch der
Schwangerschaft auf Antrag Leistungen erhalten, wenn die
Voraussetzungen der Nummer 2 dieser Anordnung vorliegen und der
zuständige Amtsarzt oder ein Vertrauensarzt der gesetzlichen
Krankenkasse bescheinigt hat, daß nach seiner ärztlichen Erkenntnis an
der Schwangeren eine rechtswidrige Tat nach den §§ 176 bis 179 des
Strafgesetzbuches begangen worden ist und dringende Gründe für die
Annahme sprechen, daß die Schwangerschaft auf der Tat beruht. Der Arzt
kann mit Einwilligung der Frau eine Auskunft bei der Staatsanwaltschaft
einholen und etwa vorhandene Ermittlungsakten einsehen; die hierbei
gewonnenen Erkenntnisse unterliegen seiner ärztlichen Schweigepflicht.
[zitiert nach CHRIST UND ZUKUNFT Nr.53/93; das gesamte Urteil ist
erschienen als Sonderausgabe der "Juristen Zeitung" beim Verlag
J.C.B. Mohr, Tübingen, Postfach 20 40]
3. JURISTENVEREINIGUNG LEBENSRECHT NENNT NEUREGLUNG DES § 218 VERFASSUNGSWIDRIG
Freiburger Richter Büchner: Das verhängnisvolle Ergebnis eines überstürzten Kompromisses:
FREIBURGIBONN (DT/KNA). Die Neuregelung des Paragraphen 218 des
Strafgesetzbuchs ist nach Auffassung der Juristenvereinigung
Lebensrecht "in mehrfacher Hinsicht verfassungswidrig". Der Vorsitzende
dieser Vereinigung, der Freiburger Richter Büchner, wertete das neue
Gesetz in Freiburg als "verhängnisvolles Ergebnis eines überstürzten
Kompromisses, den unzählige ungeborene Kinder mit ihrem Leben bezahlen
werden".
Für Büchner kommt die Neuregelung einer Fristenregelung mit
Beratungspflicht gleich. Die vorgesehene Krankenkassenleistung bei
Bedürftigkeit mit späterer Kostenerstattung durch die Länder
widerspreche dem Sinn der Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts,
mit denen dieses eine solche Kassenleistung für "Fristenabtreibungen"
ausgeschlossen habe. Für besonders verhängnisvoll hält Büchner auch die
vorgenommene Erweiterung der medizinischen Indikation, womit die Tötung
behinderter ungeborener Kinder ohne zeitliche Beschränkung
gerechtfertigt werde.
Bemängelt wird von dem Juristen auch die Beratungsregelung, die an der
Wirk lichkeit vorbeigehe. Ein Gesetzgeber, der schon die bisherige
Praxis der Beratung ignoriert habe, werde auch künftig seiner
Beobachtungspflicht kaum nachkommen, befürchtet Büchner. So stelle die
Neuregelung nicht klar, daß die Beratung nur solchen Trägern anvertraut
werden dürfe, deren Grundeinstellung zum Schutz des ungeborenen Kindes
eine verfassungskonforme Beratung erwarten lasse. "Das verabschiedete
Gesetz bringt nirgendwo zum Ausdruck, daß die Tötung ungeborener Kinder
auch nach Beratung Unrecht bleibt", kritisierte Büchner. Jeder, der
sich an der gesetzlichen Schwangerenberatung beteilige, müsse wissen,
"daß seine Mitwirkung zum Ausschluß des Strafunrechts führt".
Der Bundestag hatte am Donnerstag die Reform des Paragraphen 218
beschlossen. 486 Parlamentarier stimmten bei 145 Gegenstimmen und 21
Enthaltungen einer von CDU/CSU, FDP und SPD vorgeschlagenen Regelung
zu. Sie sieht im Kern vor, daß Abbrüche straffrei bleiben, wenn seit
der Empfängnis nicht mehr als zwölf Wochen vergangenen sind und die
Frau vorher auf den Lebensschutz hin beraten wurde. Zudem gibt es eine
kriminologische und eine medizinische Indikation. Das Umfeld einer Frau
wird mit Strafe bis zu fünf Jahren bedroht, wenn die Schwangere zu
einer Abtreibung gedrängt wird. Die Kosten für Abbrüche erhalten die
Frauen entsprechend den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts nur
erstattet, wenn die Eigenfinanzierung unzumutbar ist.
In der überwiegend sachlichen Debatte verteidigten die
Verhandlungsführer von Union, FDP und SPD ihren Kompromiß. Das Gesetz
entspreche dem Grundgesetz wie auch den Karlsruher Anforderungen.
Parlamentarier warnten übereinstimmend auch vor einem neuen Gang nach
Karlsruhe und riefen gleichzeitig dazu auf, weitere familienpolitische
Verbesserungen anzustreben. Dies diene dem Lebensschutz.
Bundestagspräsidentin Süssmuth verteidigte ebenfalls das Gesetz. Die
Verhandlungsführer hätten keinesfalls leichtfertig gehandelt. Es gebe
keinen Kompromiß beim Lebenschutz, sondern nur bei der Frage nach dem
richtigen Weg dahin. Frau Süssmuth und der Unions-Verhandlungsführer
Göhner wandten sich gegen den Vorwurf, mit der medizinischen Indikation
werde der Tötung ungeborener Behinderter Tor und Tür geöffnet. Wer
diese Ansicht vertrete, wisse nicht, wovon er spreche.
Hubert Hüppe, der Wortführer der Unions-Minderheit, deren Antrag mit
105 Ja- bei 523 Gegenstimmen scheiterte, sprach von einem "schwarzen
Tag für das Lebensrecht". Jedes behinderte Kind könne nun bis zur
Geburt getötet werden. Das Leben Ungeborener müsse jedoch mindestens
ebenso geschützt werden wie das Leben von Tieren. Der Kompromiß sei
keiner, weil es beim Lebensschutz keinen Kompromiß gebe. (DT 1.7.95)
4. VERSTOSS GEGEN DAS GRUNDGESETZ
Die Arbeitsgemeinschaft Lebensrecht (AGL) hat Bundespräsident Herzog in
einem Schreiben aufgefordert, das Gesetz zur Neuregelung des
Paragraphen 218 nicht zu unterzeichnen und damit dessen Inkrafttreten
zu verhindern. Der neue Paragraph 218 sei grundgesetzwidrig und
entspreche nicht den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts, erklärte
AGL Koordinator und Vorsitzender der Juristen-Vereinigung Lebensrecht,
Bernward Büchner. Das Schreiben Büchners zum Schwangereren- und
Familienhilfegesetz, dem der Bundesrat am Freitag zugestimmt
hatte, trägt das Datum vom 14. Juli 1995 und hat den folgenden
Wortlaut:
Sehr geehrter Herr Bundespräsident!
Nachdem der Bundesrat heute dem o.g. Gesetz zugestimmt hat, liegt nun
die Entscheidung bei Ihnen, ob Sie es ausfertigen. Sie werden dabei
prüfen, ob das Gesetz verfassungskonform ist, insbesondere den Vorgaben
entspricht, die das Bundesverfassungsgericht in seinem Urteil vom
28.5.93 für die getroffene Neuregelung gedacht hat. Aufgrund unserer
Kenntnis der verfass- ungsrechtlichen Anforderungen, des geannten
Urteils und des beschlossenen Geetzes sind wir überzeugt, daß dieses
Gesetz dem anzulegenden Maßstab nicht entspricht. Drei wesentliche
Punkte möchten wir hervorheben:
1. Das Gesetz stellt keineswegs sicher, daß der Staat entsprechend dem
genannten Urteil die Beratung im Schwangerschaftskonflikt nur solchen
Einrichtungen anvertraut, die auch "nach ihrer Grundeinstellung zum
Schutz des ungeborenen Lebens, wie sie in ihren verbindlichen
Handlungsmaßstäben und öffentlichen Verlautbarungen zum Ausdruck
kommt", die Gewähr dafür bieten, daß die Be-ratung im Sinne der
verfassungsrechtlichen und gesetzlichen Vorgaben erfolgt (BVerfGE 88,
203, 287). Zu einer entsprechenden eindeutigen Klarstellung besteht um
so mehr Anlaß, als die Länder diese Vorgabe des Urteils bisher
ignoriert und sich mit schriftlichen Versicherungen der
Beratungsstellen begnügt haben. Paragraph 9 SchKG verlangt für die
Anerkennung lediglich, daß die Beratungsstelle "die Gewähr für eine
fachgerechte Schwangerschaftskonfliktberatung nach Paragraph 5 bietet"
(und zur Durchführung derselben nach Paragraph 6 in der Lage
ist).
2. Das Urteil geht zu Recht davon aus, daß "die Aufnahme einer
Konfliktberatung von vornherein nur mögiich (ist), wenn die Schwangere
der beratenden Person die wesentlichen Gründe mitteilt, die sie dazu
bewegen, einen Abbruch der Schwangerschaft in Erwägung zu ziehen". Die
Mitteilung der Gründe sei "unerläßlich". Eine "bloß informierende
Beratung" müßte "die der Beratung im Rahmen des Schutzkonzepts
zukommende Funktion ... verfehlen" (BVerME 88, 203, 284 f., 307).
Demgegenüber wird nach dem beschlossenen Gesetz die Mitteilung der
Gründe nur "erwartet" (Paragraph 5 Absatz 2 Satz I Nr. I SchKG). Auch
ohne die Gesprächs- und Mitwirkungsbereitschaft der Schwangeren soll
die "Beratung" vor Ablauf der Zwölf-Wochen-Frist bescheinigt werden
müssen (Paragraph 7, Absatz 3 SchKG).
3. Nach dem Verfassungsgerichtsurteil ist es strafrechtlicher Sanktion
zugänglich "und im Rahmen eines Beratungskonzepts bedürftig, ... daß
der Arzt sich die Gründe der Frau für ihr Abbruchverlangen darlegen
läßt ..." Das Gericht ging dabei von der Selbstverständlichkeit aus,
daß die Mitteilung der Gründe für den Abbruchwunsch der Schwangeren für
ärztlich verantwortliches Handeln unerläßlich ist (BVerfGE 88, 203, 292
f.). In eindeutigem Widerspruch hierzu bedroht Paragraph 218 c Absatz I
Nr. l StGB mit Strafe lediglich eine Pflicht des Arztes, der Frau
Gelegenheit zu geben, ihm ihre Gründe für ihren Abbruchwunsch
darzulegen. Ein Gesetz, das sich hiermit begnügt und dabei von der
Vorstellung ausgeht, Ärzte könnten sich als Handlanger zur Erfüllung
von Tötungswünschen und damit zur Begehung von Unrecht hergeben, ohne
auch nur die Gründe für solche Wünsche erfahren und bewerten zu können,
leistet einen geradezu zynischen Beitrag zum Abbau der ärztlichen
Standesmoral.
Verstößt ein Gesetz derart eindeutig gegen das Grundgesetz und gegen
ein Urteil des Bundesverfas-sungsgerichts, so darf es nicht in Kraft
treten, wenn das Vertrauen in die Verfassungsmäßigkeit un-serer
Gesetzesordnung und in die Verbindlichkeit verfassungsgerichtlicher
Entscheidungen nicht schweren Schaden nehmen soll.
Wir appellieren deshalb eindringlich an Sie: Unterschreiben Sie dieses Gesetz nicht!
(zitiert nach DT vom 18.7.95)
NACHTRAG:
Die Neuregelung des Paragraphen 218 gilt - WÜRZBURG (DT).
Bundespräsident Herzog hat das Gesetz über die Neuregelung des §
218 unterschrieben. Das geht aus einem jetzt bekannt gewordenen Brief
des Bundespräsidialamts hervor. Darin heißt es u.a.: "Nach ein gehender
Prüfung hat er das Gesetz, das vom Deutschen Bundestag mit großer
Mehrheit beschlossen worden ist und das auch im Bundesrat breite
Zustimmung gefunden hat, am 21. August 1995 unterzeichnet". Das Gesetz
ist damit rechtsgültig. Die Arbeitsgemeinschaft Lebensrecht hatte
Herzog aufgefordert, das Schwangeren- und Familienhilfeänderungsgesetz
nicht zu unterzeichnen und damit dessen Inkrafttreten zu verhindern.
Der neue § 218 des Strafgesetzbuchs sei grundgesetzwidrig und
entspreche nicht den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts, hatte der
Koordinator der Arbeitsgemeinschaft, Büchner, in einem Schreiben an den
Bundespräsidenten erklärt. (DT 7.9.95)
Durch seine Unterschrift unter dieses
Gesetz reiht sich Herzog als Bundespräsident als höchster Repräsentant
des Deutschen Volkes in die Reihe derjenigen mit ein, die für die ca.
300 000 Abtreibungen in Deutschland jährlich verantwortlich zeichnen!!!
5. KOMPROMISS ZU § 218 GEBILLIGT
Neues Abtreibungsrecht gilt spätestens vom 1. Oktober an - Abtreibungen
in den ersten zwölf Wochen einer Schwangerschaft werden vom Herbst an
nach einer Pflichtberatung nicht mehr bestraft. Die entsprechende
Neuregelung im Abtreibungsrecht nahm im Bundesrat die letzte
parlamentarische Hürde. Die Länder stimmten nehrheitlich für den
Gesetzentwurf von Union, FDP und SPD, auf den sich die Parteien nach
jahrelangem Streit geeinigt tten. Nordrhein-Westfalen, Sachsen-Anhalt
und Bayern wandten sich gegen das neue Abtreibungsrecht. Wenn das
Gesetz nach der Unterschrift durch Bundespräsident Roman Herzog noch in
diesem Monat im Bundesgesetzblatt veröffentlicht wird, tritt die neue
Abtreibungsregelung zum 1. September in Kraft; bei einer
Veröffentlichung erst im August väre es der 1. Oktober. Die Neuregelung
sieht unter anderem vor, daß die Pflichtberatung vor einer Abtreibung
dem Ziel dienen soll, das geborene Leben zu schützen. (...)
Schwangerschaftsabbrüche sind dann rechtmäßig, wenn die Gesundheit der
Schwangeren bedroht ist oder wenn die Frau vergewaltigt wurde.
Gestrichen wurde die Passage, wonach Abtreibungen auch dann erlaubt
sind, wenn das Kind voraussichtlich behindert zur Welt kommt. Bei
Bedürftigkeit der Frau sollen die Krankenkassen zunächst die Kosten für
den Eingriff übernehmen, sich das Geld aber später von den
Bundesländern erstatten lassen. Nordrhein-Westfalen stimmte
der Regelung unter anderem nicht zu, weil das Gesetz kein
Bundesleistungsgesetz zur Finanzierung von Schwangerschaftsabbrüchen
vorsieht. Das CSU-regierte Bayern votierte gegen die Reform, da nach
Ansicht der Landesregierung die Regelungen zum Lebensschutz nicht
ausreichen. Bayerns Bundesratsministerin Ursula Männle (CSU)
bekräftigte im Bundesrat, die Vorschriften zur Beratung könnten
unterschiedlich interpretiert werden, so daß der Schutz des ungeborenen
Lebens nicht eindeutig genug gewährleistet sei. Die aus Ostdeutschland
stammende Umweltministerin Sachsen-Anhalts, Heidrun Heidecke (Bündnis
90/Die Grünen), begründete die Ablehnung ihres Landes damit, daß die
Frauen in den neuen Ländern zu DDR-Zeiten ein besseres Abtreibungsrecht
gehabt hätten. Die Frauen im Osten seien die "Verliererinnen der
Einheit". (AFP) (SZ vom 15/16.7.95)
6. WIDERSPRÜCHE - DIE SOG. 'KIRCHE' UND IHRE BERATUNGSSTELLEN
Die DEUTSCHE TAGESPOST hat über die Herbstvollversammlung der
deutschen Bischöfe in Fulda berichtet (DT vom 30. September). Im Brief
von Johannes Paul II. an die deutschen Bischöfe vom 21. September zum
Beginn der Herbst-Vollversammlung der Deutschen Bischofskonferenz vom
25. bis 28. September in Fulda heißt es unter anderem: "Während in der
vorhergehenden Gesetzeslage die ärztliche Indikationsfeststellung die
wesentliche Voraussetzung für die straffreie Ab-treibung bildete und
der Nachweis der Beratung eher von zweitrangiger Bedeutung war, wie Ihr
auch wiederholt betont habt, ist die Beratungsbescheinigung nun de
facto die alleinige Voraussetzung für eine straffreie Abtreibung."
Demgegenüber steht im Pressebericht der Deutschen Bischofskonferenz vom
29.09.1995 zum Abschluß der Herbst-Vollversarnmlung, daß die
Ausstellung einer Beratungsbestätigung "eine der Voraussetzungen für
eine straffreie Abtreibung" war. Frage: Wer hat denn da Johannes Paul
II. falsch informiert? In einem Schreiben des Sekretärs der Deutschen
Bischofskonferenz vom 06.12.1989 (AZ SCH/lsch, JNr. S 9981/89) an einen
"Lieben Herrn Confrater" heißt es wörtlich: "Die Zustimmung der
Glaubenskongregation in Sachen Beratungsstellen liegt schriftlich vor."
Demgegenüber steht im Pressebericht der Deutschen Bischofskonferenz vom
29.09.1995 zum Abschluß der Herbst-Vollversammlung wörtlich: "Nach
einigem Zögern hat der damalige Dialog mit der römischen
Glaubenskongregation dazu geführt, daß die Entscheidung der
Bischofskonferenz überantwortet und freigestellt wurde." Frage: Was
stimmt denn nun?
Edgar Balling, 63768 Hösbach (DT 21.11.95)
7. OFFENER BRIEF AN DEN BAYERISCHEN MINISTERPRÄSIDENT, HERRN DR. STOIBER
Manfred Kerner Poing,
den 19.1.1994
Sehr geehrter Herr Ministerpräsident,
die Mitglieder der Landesversammlung der Christdemokraten für das Leben
(CDL) Bayern, haben beschlossen, Ihnen folgende Fragen zu stellen: Ist
Ihnen, Herr Ministerpräsident, bekannt
- daß seit September 1993 in der
Abtreibungspraxis der Herren Stapf und Dr. Freudemann in München,
Fäustlestr.5, nach deren eigenen Angaben täglich über 50 ungeborene
Kinder im Mutterleib getötet werden, obwohl Sie z.B. damals als
Innenminister versichert haben, Sie würden Herrn Stapf in Bayern bzw.
in München einen "Riegel vorschieben"?
- daß die Zulassung dieser Abtreibungsärzte als Vertragsärzte
regelrecht erschlichen wurde, weil die jetzigen Betreiber der
Tötungspraxis vor dem zuständigen Zulassungsausschuß für Kassenärzte in
München jeweils behaupteten, sie würden die ganze Breite ihres
ärztlichen Fachgebietes abdecken und jetzt doch ausschließlich ihr Geld
mit vorgeburtlichen Kindstötungen verdienen?
- daß diese Tatsache weder die Kassenärztliche Vereinigung Bayern,
Körperschaft des Öffentlichen Rechts, nocht die Vertreter der
Gesetzlichen Krankenkassen, geschweige denn die zuständigen Beamten für
ärztliches Berufsrecht und Kassenarztrecht im Bayerischen
Staatsministerium für Arbeit, Familie und Sozialordnung mißbilligend
zur Kenntnis nehmen wollen?
- daß es doch noch viele CSU-Mitglieder und Wähler abstößt, wenn diese
Massentötung nicht abgestellt wird, da ja gerade das u.a. aufgrund
zweier Normenkontrollklagen der Bayerischen Staatsregierung
zustandegekommene Bundesverfassungsgerichtsurteil fordert, daß Ärzte
sich nicht ausschließlich als Abtreiber betätigen dürfen, sondern daß
von Ärzten vielmehr eine Schutzfunktion auch für das ungeborene Kind
auszugehen habe? (siehe die diesbezüglichen zehn Seiten 119 bis 129 des
BVG-Urteils in dem vom BVG am 28.5. 1993 verteilten
Originalabdruck!)
- daß an der Basis sehr genau registriert wird, wie sich die
CSU-Führungsspitze innerhalb weniger Wochen (26. 8. 93 CDU/CSU
Gesetzentwurf und 20.9.93 Stapfs Zulassung in München als Vertragsarzt
trotz einer an Sie ergangenen Aufforderung, den KVB-Vorsitzenden der
Bezirksstelle München, Herrn Dr. Gerd Guido Hofmann, zu einem
Widerspruch gegen diesen Zulassungsbeschluß zu veranlassen) entgegen
ihrem öffentlich erklärtem Willen offenbar fremdbestimmen läßt?
CSU-Mitglieder und Wähler erwarten hier ebenso wie in der gegenwärtigen
"Europadiskussion" von Ihnen klare Aussagen, warum z.B. Sie, Herr
Ministerpräsident, aber auch unsere CSU-Bundestagsabgeordneten
umgeschwenkt sind, trotz "eine Fristenregelung? Nicht mit uns!" und
jetzt nicht einmal mehr hinter den Minimalforderungen des
Bundesverfassungsgerichtes stehen. Es erstaunt schließlich schon sehr,
wenn von der CSU die Katholische Deutsche Bischofskonferenz jetzt in
diesem Zusammenhang bemüht wird in der Absicht, dem von der
Regierungskoalition aus CDU/CSU/FDP geplanten Gesetzentwurf eine doch
nur scheinbare ethische Rechtfertigung zu geben (Schreiben vom
29.11.1993 des Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz an unsere
Bundesvorsitzende).
Nicht zuletzt im Hinblick auf die kommenden Wahlen des Jah res 1994
wären wir für eine baldige Antwort dankbar und verbleiben mit
freundlichen Grüßen
für den CDL-Landesverband Bayern
Gertrud Geißelbrecht
Manfred Kerner
Landesvorsitzende
stellv. Landesvorsitzender
8. CSU-PARTEI-BESCHLÜSSE IN DER FRAGE DER ABTREIBUNG
Im Zusammenhang mit der Klärung und der Kommentierung der "Sparpläne
für Privatschulen in Bayern" (DT vom 14.1.95) decken Herr Dr. med. Gero
Winkelmann und seine Frau auf, in welcher Weise die bayerische CSU, die
doch das Normenkontrollverfahren gegen die damalige Regelung des § 218
StGB angestrengt hatte, zur Abtreibungsproblematik eingestellt ist.
"Uns kommt der Vergleich von Zuckerbrot und Peitsche in den Sinn: Dient
die "Peitsche" als Drohung der bayerischen Staatsregierung an die
Kirchen, still zu halten und folgende Mißstände bei der
Regierungspartei zu dulden?
- Die CSU sprach sich 1994 für die (verdeckte) Fristenlösung bei der Kindertötung aus
- die Vorsitzende der CSU-Gruppe in der Frauen-Union befürwortete die Einführung der Kindertötungspille "RU 486";
- die Abtreibung bei "unzumutbarer" Schwangerschaft wird im
CSU-Parteiprogramm befürwortet; - ebenso die Einschaltung
(auch von kirchlichen) Beratungsstellen, um "eine Schwangerschaft
straffrei abbrechen zu lassen".
Dr. med. Gero Winkelmann, Maria Winkelmann, 82008 Unterhaching (DT 26.1.95)
9. WEITERE NACHRICHTEN
BUNDESKANZLER KOHL UND DIE ABTREIBUNG -
Ausweislich des Bundestagsprotokolls über die Sitzung vom 29. Juni 1995
hat Kohl bei der Abstimmung über den interfraktionellen Entwurf eines
Schwangeren- und Familienhilfeänderungsgesetzes, das nach Beurteilung
aller Sachkenner eindeutig verfassungswidrig ist, mit "Ja" gestimmt.
(...) Um so bedenklicher ist die Einmischung von Kohl in die Beratungen
der Deutschen Bischofskonferenz. Damit soll nicht nur erreicht werden,
daß die Bischöfe ihren pflichtgemäßen Protest aufgeben, sondern darüber
hinaus, daß sie sich an der rechtswidrigen Tötung ungeborener Kinder
durch Fortführung einer Schwangerenberatung im Rahmen der neuen
gesetzlichen Regelung beteiligen.(...) Leo Lennartz, 53879 Euskirchen
(DT vom 12.3.1996)
LEHMANN LOBT KATHOLISCHE BERATUNGSSTELLEN -
MAINZ (DT/KNA). Die Entscheidung über das Verbleiben katholischer
Einrichtungen im staatlichen System der Schwangeren-Konfliktberatung
fällt nach Auskunft des Vorsitzenden der Deutschen
Bischofskonferenz Lehmann, im Anschluß an ein Gespräch einer
Delegation der deutschen Bischöfe mit der römischen Kurie im Dezember.
Lehmann erklärte in Mainz, jährlich würden zwischen 5000 und 12000
Kinder nicht abgetrieben, weil ihre Mütter sich von einer kath.
Beratungsstelle zum Austragen der Schwangerschaft hätten bewegen
lassen. In den vergangenen Jahren ist nach Angaben Lehmanns "eine
ungeheure Steigerung bei der Anzahl der Konfliktberatungen"
festzustellen gewesen. (DT 2.12.95) Dagegen 'Erzbischof' Dyba:
"Wir sind offensichtlich dafür vorgesehen, mit unseren
Beratungsscheinen die Feigenblätter für die Blößen dieses
Unrechtssystems zu liefern." - Prälat Bocklet, ehemaliger Leiter des
katholischen Büros in Bonn, ist dagegen erfreut über Neureglung des
218. Die Aktion Leben e.V. fordert seine Absetzung. §218 erfüllt "die
Hauptforderung der Kirche". Daß künftig behinderte ungeborene Kinder
bis zum Eintritt der Wehen aus medizinischen Gründen abgetrieben werden
könnten, bezeichnete Bocklet zwar als "Schwachpunkt", aber als
Kompromiß, den "wir schlucken müssen". Man solle "zunächst auch froh
sein, denn der Streit (über den Kompromiß) hat lange genug gedauert".
(Christ und Zukunft, Nr. 60, 3/95)
APPELL AN DIE SOG. BISCHÖFE, KEINE BERATUNGSSCHEINE AUSZUSTELLEN -
MESCHEDE (DT/idea). Die "Christdemokraten für das Leben" (CDL) fordern
die katholischen Bischöfe auf, die Ausstellung von Bescheinigungen zur
Abtreibung durch kirchliche Beratungsstellen zu beenden. "Der
Beratungsschein hat keine andere Verwendungsmöglichkeit außer als
Lizenz zum straffreien Töten", erklärte die Vorsitzende der
unionsinternen Initiative, Johanna Gräfin von Westphalen. Sie erinnerte
in einer Stellungnahme an eine Erklärung des Vorsitzenden der Deutschen
Bischofskonferenz und Bischofs von Mainz, Lehmann, vom 10. Juni 1992.
Damals habe er geäußert, kirchliche Stellen könnten sich nicht in ein
Verfahren einbinden lassen, das die Ausstel-lung einer
Beratungsbescheinigung "zu einer wesentlichen Voraussetzung für die
straffreie Tötung eines ungeborenen Menschen macht". Die Vorsitzende
der "Christdemokraten für das Leben" widersprach auch der Präsidentin
des Zentralkomitees der deutschen Katholiken, Rita Waschbüsch, die
trotz erheblicher Bedenken die Ausstellung kirchlicher Beratungsscheine
für möglich hält. Keinesfalls dürften die Beratungsstellen allerdings
Kliniken für den Abbruch vermitteln, hatte Prau Waschbüsch gefordert.
Nach Ansicht von Gräfin Westphalen ist aber die Weitergabe der Adresse
einer Ab-treibungseinrichtung "vergleichsweise harmlos" gegenüber der
"Erteilung eines offiziellen Rechtstitels zur straffreien Tötung, wie
ihn ein Beratungsschein darstellt". Das Töten ungeborener Menschen
dürfe nicht den Anschein kirchlichen Segens erhalten. (DT vom 7.3.1996)
- Da die sog. deutschen Bischöfe weiterhin für die Ausstellung des
Beratungsscheines, der einer Tötungslizenz gleichkommt, eintreten,
wurde inzwischen der Vorschlag gemacht, daß nicht die einfache
Beraterin, die ja doch nur im Auftrage ihres 'Bischofs' handle, sondern
der zuständige 'Oberhirte' selbst diese Tötungslizenzen ausstellen
solle!
DYBA: IMMER NOCH 300 000 ABTREIBUNGEN PRO JAHR
- FULDA (DT/dpa). Die Bewertung der Arbeit der 260 katholischen
Schwangerenberatungsstellen ist nach Ansicht des Bischofs von Fulda,
Erzbischof Dyba, nur möglich, wenn die Zahl der straflosen Abtreibungen
nach einem Besuch der Beratungsstellen vorliegt. Dyba forderte am
Montag den Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz und Bischof von
Mainz, Lehmann, dazu auf, die Zahl dieser Fälle bekanntzugeben. Lehmann
hatte am vergangenen Mittwoch erklärt, jährlich würden in
Deutschland zwischen 5 000 und 12 000 Kinder nicht abgetrieben, weil
ihre Mütter sich in einer katholischen Beratungsstelle zum Austragen
der Kinder hätten bewegen lassen (siehe DT vom 2.12.95). Dyba stellte
diese Zahl nicht in Frage, merkte aber an, daß immer noch 300 000
Kinder jährlich in Deutschland abgetrieben würden. Lasse man die
kirchlichen Stellen im staatlichen System der
Schwangeren-Konfliktberatung, so bleibe alles beim alten, "wo ein
deutlicher Ruf zur Umkehr das Gebot der Stunde wäre". (...) (DT
vom 5.12.95) Und hier noch die Antwort eines engagierten Politikers zum
Thema "Beratungsschein": "Wie die Deutsche Tagespost in der Ausgabe vom
10. Oktober berichtet, kritisierte der Erzbischof von München und
Freising Kardinal Wetter, den an die kirchlichen
Schwangerschaftskonflikt-Beratungsstellen gerichteten Vorwurf, die von
ihnen ausgestellten Bescheinigungen seien eine Tötungslizenz. Sicher
hätte der Kardinal keine Bedenken, die von Pro Familia ausgestellten
Beratunsscheine solchermaßen zu qualifizieren. Nur, worin besteht der
Unterschied? Der Beratungsschein ist hier wie dort die Voraussetzung
für die straflose Abtreibung. Ganz sicher beraten die katholischen
Beratungsstellen für das Leben. Der von ihnen ausgestellte
Beratungsschein aber ist die Voraussetzung für die straflose Tötung des
ungeborenen Kindes. Das Leben des ungeborenen Kindes wird von dem
Beratungsschein einer katholischen Beratungsstelle genauso bedroht, wie
durch den Schein von einer anderen Beratungsstelle. Insoweit besteht
kein Unterschied. Die gute Meinung der Beraterin nützt dann dem
bedrohten Leben des Kindes überhaupt nichts. Die Kirche wird somit in
die schlimmste staatlich geregelte Tötungsmaschinerie aller Zeiten
eingebunden. Das ist der Skandal. (...) Norbert Geis, MdB, 53113 Bonn
(DT vom 14.11.95)
JÄHRLICH IN ALLER WELT 45 MILLIONEN ABTREIBUNGEN
- NEW YORK (DT/ Reuter). Nach Schätzungen der Vereinten Nationen werden
jährlich auf der ganzen Welt 45 Millionen Abtreibungen vorgenommen,
zwanzig Millionen davon illegal und unter für die Frauen gefährlichen
Umständen. In einem in New York veröffentlichten Bericht heißt es,
damit komme nahezu eine Abtreibung auf drei Lebendgeburten. In dem
Bericht heißt es, daß in Ländern, in denen die Abtreibung legal ist,
der Eingriff gewöhnlich nur ein geringes Gesundheitsrisiko für die
Schwangere darstelle, bei illegaler Abtreibung jedoch leicht Gefahr für
Gesundheit oder Leben der Frauen bestehe. (DT 17.2.96)
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