LESERBRIEF
Für kath. Christen, die es schon lange leid geworden sind, sich mit der
angeblichen und immer wieder aufgewärmten "Krise der Kirche" zu
befassen, und die auch jene 'frommen Gruppen' kennen, die sich
"unvermerkt zurückgezogen haben und nicht mehr danach trachten, die
gegenwärtige Krise (...) theologisch zu bewältigen, sondern statt
dessen in einem Zustand verharren, den man 'fromme Erwartung' nennen
könnte" - in der Tat hoffen sie schon seit geraumer Zeit nur noch auf
ein großes Wunder vom Himmel, das sie aus ihrer elenden Lage befreien
möge -, sind im Rahmen der Krisenstimmung bei Katholiken zwei
Stellungnahmen in der EINSICHT Nr. 6, 1993, recht aufschlußreich,
nämlich der Artikel "Arbeiten für die Kirche" und der Leserbrief eines
Studenten "A.N.". Darum stellen hier auch einige EINSICHT-Leser zwei
kritische und nüchterne Fragen, die sich einem geradezu aufdrängen:
1. Warum eigentlich wird denn nicht für
die Kirche (Jesu Christi) gearbeitet, sondern für so manches, das für
das Leben der Kirche völlig wertlos (nicht bloß nutzlos) ist?
2. Warum wohl existiert denn keine bzw. immer noch keine
"Sedisvakantisten- Bewegung" mit konkreten Zielsetzungen
religionspolitischer Natur zum Wohle der kath. Kirche?
Die erste Antwort auf diese beiden Fragen ist doch für kritische
Realisten, die in der Kirche sicherlich noch nicht ausgestorben sind,
nicht schwer, nämlich: weil in der kath. Kirche, die ein
geschichtliches Gebilde ist, viel zuviel zerstört worden ist, und zwar
nicht erst seit dem Vatikanum 2, wie manche meinen, die nicht die
interne Geschichte der kath. Kirche in den vorhergegangenen Zeitläuften
kennen. Geschichtliche Un-heilsprozesse, die immer durch Menschen
verursacht werden, haben eine ziemlich lange Vorgeschichte, so daß ihr
Anfang sehr oft im Dunkeln liegt, was sogar die Regel ist. Und wenn,
biblisch gesprochen, die "faulen Früchte" bereits generell wahrnehmbar
sind, dann ist sozusagen die Sache schon gelaufen und nicht mehr
rückgängig zu machen, so daß notwendig ein neuer Anfang in die Wege
geleitet werden muß. Wo aber und mit wem soll man heute anfangen? Kein
Katholik kann diesbezüglich sich darauf herausreden, das habe der
Teufel getan oder irgendein anderer "böser Geist". Nein, denn dies
waren Menschen, die in kirchlichen Dingen dafür die Hauptverantwortung
trugen, also grundsätzlich nicht die Laienschaft. Wenigstens dies
sollte doch deutlich gesehen werden.
Außerdem sollte man doch nicht ständig der heiklen Frage ausweichen:
Warum wohl sind denn nach (vermeintlich) "kurzer Zeit" vor unseren
Augen viele "Gruppen von Priestern und Gläubigen" zweifellos "zu
Sektierern geworden"? Indes hat auch dieses Faktum eine schon viel
längere Unheilsgeschichte, die sich innerhalb, nicht jedoch außerhalb
der kath. Kirche ereignete. Kurz gesagt: die vielen "Gläubigen" waren
(und sind) bekanntlich keine "Priester", viele "Priester" hingegen
keine "Gläubigen" - um es einmal dialektisch zu formulieren -, sonst
wäre auch nicht geschehen, zu was für einer Gesellschaft sich der kath.
Klerus nach dem "Konzil der Konzile" und schon während desselben
entwickelt hat. Dennoch aber gibt es immer noch sog. "Priester und
Gläubige", vor allem unter den Traditionalisten. Manche von ihnen
pilgern sogar nach Rom.
Es ist auch nicht bloß ein beklagenswerter Irrtum, wenn echte
Sedisvakantisten (im Unterschied zu den Semi-Sedisvakantisten) meinen
sollten, "selbst der Gedanke an eine Papst-Wahl ist in unserer heutigen
Situation unmöglich. Weitere Spaltungen und Streitigkeiten wären das
Resultat." Vielmehr sollte man sich darüber heutzutage nun gerade viele
und sachdienliche Gedanken machen, um unsachliche und dadurch
fruchtlose Streitigkeiten zu vermeiden, wobei es vor allem darauf
ankommt, den richtigen Weg für eine solche Wahl vorzubereiten und dann
zu beschreiten, weil dieser aufgrund der heutigen Situation niemals der
übliche oder gewöhnliche sein kann. Davor schrecken manche zurück, weil
sie zu wenig Mut aufbringen.
Eine andere Schwierigkeit besteht hier darin, daß die Anzahl echter
Sedisvakantisten nur eine geringe ist. Mir ist nicht einmal in
regionalen Bereichen eine Karteibekannt, die sie erfaßt haben könnte.
Mit statistischen Hochrechnungen läßt sich nichts anfangen. Außerdem
sollte man nicht übersehen, daß eine "Sedisvakantisten-Bewegung" - wenn
es sie gäbe - als eine politische Größe einer zentralen Leitung bedarf,
die ein Leitungs-Gremium (nicht eine Einzelperson) sein müßte. Wer aber
sollte und könnte ein solches Gremium ins Leben rufen? Mir ist auch
nicht bekannt, ob Mgr. Ngo-dinh-Thuc solche oder ähnliche Gedanken in
Verbindung mit seiner Sedisvakanz-Erklärung jemals in Erwägung gezogen
hat. Und mit der Weihe von Priestern zu Bischöfen war der
ungewöhnlichen Vakanz des Apostolischen Stuhles bei ihrem Eintreten
nach dem Tode Pius XII. jedenfalls nicht beizukommen. Dies zeigt sich
auch in kürzester Zeit. Wenn der Weg zu einer Papstwahl falsch ist, wie
soll dann die Wahl richtig verlaufen. (Anm.d.Red.: Mit den
Konsekrationen von Priestern zu Bischöfen war primär bezweckt worden,
die apostolische Sukzession zu retten, die zumindest für die röm. kath.
Kirche in Gefahr war. - Der Schreiber A.N. des Leserbriefes schließt
die Wahl eines Papstes nicht aus, sondern will sie für einen Moment
aufheben, der zumindest die kath. Christen vereint sieht.)
Es genügt auch nicht, die politische Parole auszugeben und in die
katholische Welt zu rufen: "Sedisvakantisten aller Länder, vereinigt
euch!" Denn diese wenigen katholischen Christen sind keine
Gesellschafts-Klasse in der Kirche, die von 'Rom' oder dem Vatikan
ausgebeutet und unterdrückt wird, da Sedisvakantisten in einer
kirchlichen Diaspora-Situation leben. Aus einer solchen aber kann sie
nur der HERR der Kirche herausziehen - wenn sie ohne Menschenfurcht nur
IHM wie eine verschworene Gefolgschaft nachfolgen und für IHN in Seinem
Namen kämpfen, zu Seiner Ehre und zu Seinem Ruhme "in dieser Welt". Für
einen solchen Kampf aber braucht man geeignete Waffen. Der Rosenkranz
ist keine Waffe, da er einen ganz anderen Zweck hat. Den Weg des
Kampfes aber hat uns Christus selbst vorgezeichnet, von dem nicht
abgewichen werden darf: er führt auf scharfkantigen Steinen, die einem
die Schuhe zerfetzen, zum Kreuze und durch das Kreuz zu einer geistigen
Auferstehung. Auch die von den Sedisvakantisten intendierte Papstwahl
liegt nicht außerhalb dieses Weges, wenn er von vielen beschritten
wird, da nur ein echter Gefolgsmann Jesu Christi zum Papst gewählt
werden kann. Dies liegt jedoch noch in weiter Ferne, leider! Außerdem
ist es nicht gut, wenn sich Sedisvakantisten von Katholiken
beeinflussen lassen, die ständig nach Rom schauen, obwohl sie dort als
Gesellschaftswesen gar nicht leben, um "für die Kirche arbeiten" zu
können. Auch der derzeitige 'römische Hirte', der sich aus purer
Anmaßung Johannes Paul II. nennt und von allen Narren respektiert wird,
ist kein Papst der röm.-kath. Kirche, sondern nur das Oberhaupt der
'röm. Konzilskirche' mit ihren 'Episkopaten', die alle
zusammenarbeiten. Dies kann man auch als kollegiale "Bonzokratie"
bezeichnen.
Es gibt auch keinen kurzen Weg von einem "Glied der Kirche" Jesu
Christi zu einem mündigen "Soldaten Christi", der wiederum nicht für
seinen einzigen HERRN im Himmel kämpft, sondern auf Erden im Hier und
Jetzt, d.h. nicht in der Vergangenheit und rückwärts blickend, sondern
in der Gegenwart und vorausblickend ohne sich Illusionen oder frommen
Wünschen hinzugeben. Niemand kann wissen, wie die kirchliche Zukunft
aussehen wird und was alles ihm noch bevorsteht. Der echte
Sedisvakantist steht seit vielen Jahren in einem nicht selten sogar
zermürbenden Kampfe, den man als einen Vielfrontenkrieg bezeichnen
kann. Darum ist es nicht richtig, sich immer nur auf eine einzige
Kampffront zu fixieren, weil man sonst leicht in die Falle geht. Von
Seiten der Feinde Christi und Seiner Kirche stehen seit dem Vatikanum 2
alle kath. Dogmen unter ständigem Beschuß, selbst diejenigen, die in
Vergessenheit geraten sind, was im ganzen kirchlich-katholischen
Bereich seine Wirkungen zeitigt. Dies kann man auf regionaler Ebene
sogar mit Händen greifen. Papst Pius X. war nicht der einzige kath.
Christ, der vor fast hundert Jahren klar erkannt hatte, daß der sog.
"Modernismus" sich zum "Sammelbecken aller Häresien" formierte und
seine Agitatoren innerhalb und außerhalb der kath. Kirche einen
Großangriff planten - am besten vermittels eines allgemeinen Konzils.
Den Modernisten schien, da sie in politischen Kategorien dachten, die
Zeit dafür bald reif zu sein. Fürwahr, sie irrten sich nicht. Zu diesen
'Theologen' gehörten aber auch die sich in der kath. Kirche
herumtreibenden "religiösen Beschwichtigungspolitiker", die sich auf
das "Wehen des Hl. Geistes" beriefen, was bei naiven Kirchengläubigen
großen Eindruck machte. Zu diesen Versöhnern und Beschwichtigern
gehörte auch der 'gute Papst', der liebe Johannes XXIII.', indem er
z.B. die Gefährlichkeit von Häresien, den "Pforten der Hölle" einfach
leugnete. Das Freudengeheul der Modernisten war überall zu hören, nur
nicht von denen, die es hätten hören sollen.
Wenn jemand den Sedisvakantisten Intransingenz vorwirft, dann sollte
dieserZeitgenosse beachten, daß diese ihre Wurzel in den Dogmen der
kath. Kirche hat, nicht aber in einem Moralrigorismus. (...)
Diether Wendland
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