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ZUM TODE VON S.E. BISCHOF DR. GÜNTHER STORCK |
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ZUM TODE VON S.E. BISCHOF DR. GÜNTHER STORCK
von
Eberhard Heller
Auch wenn viele um den schlechten Gesundheitszustand von S.E. Bischof
Dr. Günther Storck wußten - er lag nach einem Zusammenbruch seit etwa
einem Monat in einem Münchner Krankenhaus -, so kam die Nachricht von
seinem Tode am 23. April für Außenstehende doch überraschend. Es
bestand nämlich Aussicht auf Besserung und es waren auch schon
Vorkehrungen für einen anschließenden Kuraufenthalt getroffen worden.
Doch es kam anders. Bei Bischof Storck stellten sich innere Blutungen
ein, die nicht mehr gestillt werden konnten. Über die Möglichkeit eines
baldigen Ablebens informiert, hatten sich an seinem Sterbebett seine
Priester versammelt und ein kleiner Kreis von Personen, die ihm in
letzter Zeit besonders eng verbunden waren. Am Freitag, dem 30. April
wurde für den Verstorbenen in St. Maria / München das feierliche
Requiem gehalten - genau neun Jahre nach seiner Konsekration zum
Bischof. Am darauffolgenden Montag, dem 3. Mai, fand die Beisetzung auf
dem Münchner Westfriedhof statt.
1. Günther Storck war am 2. Oktober 1938 in Borken / Westfalen als
jüngstes Kind der Eheleute Storck geboren worden, die einen
Handwerksbetrieb führten. Der Vater verstarb früh, so daß die Mutter
nicht nur die Obhut über die Familie übernehmen, sondern auch noch den
Betrieb führen mußte. Der junge Günther Storck galt als geistig sehr
sensibel und hoch begabt. Nach dem Abitur 1958 studierte er zunächst
klassische Philologie und Germanistik an den Universitäten Münster,
Berlin und München. Das Vernehmen seiner Berufung zum Priestertum ließ
ihn 1962 nach Münster, seine Bischofsstadt, zurückkehren, wo er am
dortigen Collegium Borromaeum mit dem Theologiestudium begann.
Zwischendurch legte er die Staatsexamen in Philologie, Philosophie und
Theologie ab. Nachdem die theologischen Modernismen im Gefolge vom II.
Vaticanum auch Münster erreicht hatten, deren häretische Tendenzen bzw.
deren Konsequenzen bis hin zur Verfälschung des Depositums Storck
durchsichtig waren, setzte er seine Studien der Philosophie und der
Theologie ab 1967 in München fort, auch darauf hoffend, von München aus
eher einen orthodoxen Bischof finden zu können, der ihn weihen würde.
Einige Jahre später fand er eine zeitlich terminierte Anstellung als
Assistent am Dogmatischen Seminar der Universität München. Hier fand
Storck Anschluß an den Freundeskreis der Una Voce. Die Herren Dr.
Hiller und Prof. Lauth - letzterer war sein philosophischer Lehrer -
standen in Verbindung mit dem Franziskaner-Bischof Blasius Kurz und
waren dabei behilflich, daß Storck zu diesem Bischof Kontakt aufnehmen
konnte. S.E. Mgr. Blasius Kurz 0.F.M. war Missionar in China gewesen,
war von Pius XII. konsekriert worden und war nach einem langen
Kreuzweg, der u.a. auch vom Verrat durch seine Mitbrüder gezeichnet
war, wieder in sein Heimatland zurückgekehrt.
Von Mgr. Blasius Kurz wurde Günther Storck dann am 21. September 1973,
dem Festtage des Apostels und Evangelisten Matthäus zum Priester
geweiht. Die Weihe war nach Egg in der Schweiz verlegt worden, um den
zu erwartenden Verfolgungen durch 'Kard.' Döpfner in München
auszuweichen. Am Tage darauf, am 22. September, feierte H.H. Storck
sein erstes hl. Meßopfer in der Damenstiftskirche in München.
Die Priesterweihe von H.H. Günther Storck löste nicht nur in München,
sondern in den katholisch gebliebenen Kreisen Begeisterung und rege
Zustimmung aus. Der junge Priester, der sich gegen den modernen Trend
aus Überzeugung gestellt hatte und sich der katholischen Tradition
verpflichtet wußte, fand schnell allerorten Vertrauen. Das Ordinariat
München vermutete ein Komplott der Münchener Una Voce, Bischof Blasius
Kurz und Mgr. Lefebvre, zu dem wir damals noch Kontakt hatten und
dessen Seminar in Econe zu diesem Zeitpunkt schon fest installiert war.
Ein Besuch von Mgr. Lefebvre im Winter 1973 in München konnte diesen
Eindruck nur noch erhärten. Doch ein Gesuch von Storck, sich der
Bruderschaft anschließen zu können, wurde von Mgr. Lefebvre zunächst
abgelehnt. Dafür bahnte sich freundschaftlicher Kontakt zu H.H. Pfr.
Aßmayr in Biberwier / Tirol an, bei dem H.H. Storck häufiger weilte,
auch um dort Urlaub zu machen.
Eine Zeitlang war Storck Prediger in St. Benno / München, bis das
Ordinariat Schwierigkeiten machte. Die Leitung der Kirche in Freiham
bei München - wir hatten gehofft, hier ein religiöses Refugium
errichten zu können - gab er aus dem gleichen Grunde bald wieder ab,
worauf ihm vom Freundeskreis des Convents Pius VI. eine Kapelle
eingerichtet wurde.
Zwischendurch nahm H.H. Storck seine Verpflichtungen am Dogmatischen
Seminar wahr. Wenn der Leiter in Schwierigkeiten kam, die katholischen
Positionen gegen moderne Theorien zu verteidigen, sprang Storck in die
Bresche und konnte als geschulter Philosoph und Theologe die falschen
ideologischen Ansätze dieser Theorien bloßlegen. Im Jahre 1976 schloß
er mit dem Dr.theol. sein Studium ab. Danach wollte er St. Michael in
München, das erste Meßzentrum in Deutschland, welches nach dem
offiziösen 'Verbot' der hl. Messe vom Freundeskreis des Convents Pius
VI. aufgebaut und eingerichtet worden war, als Seelsorger übernehmen.
Doch Storck löste sein Versprechen nicht ein, sondern arbeitete,
nachdem sein Vertrag mit der Universität ausgelaufen war, mit der
Bruderschaft von Mgr. Lefebvre zusammen und war zunächst als Dozent an
dem inzwischen gegründeten deutschsprachigen Seminar in Weißbad /
Schweiz tätig. Später leitete er das Münchner Zentrum der
Lefebvreisten, bis dieses von Abbé Schmidberger übernommen wurde.
H.H. Dr. Storck gründete daraufhin sein eigenes Zentrum in München und
versuchte im Jahre 1980 zusammen mit der SAKA, ein Priesterseminar zu
eröffnen, in welchem - im Gegensatz zu dem Econer Ordens-Seminar -
Weltkleriker ausgebildet werden sollten. Das Seminar Hl. Blut wechselte
mehrere Male seine Adresse, bis es schließlich in München in der
Schellingstraße untergebracht wurde. Die ersten ins Seminar
eintretenden Studenten wurden bald wieder von den Econern abgeworben.
Schwierigkeiten bereitete auch die Sicherstellung der geistlichen
Leitung, selbst dann noch, als mit Mgr. Guerard des Lauriers O.P. (über
die Vermittlung von Herrn Lauth) ein Bischof der Tradition zur
Verfügung stand. Am 3o. April 1984 wurde H.H. Dr. Storck schließlich
selbst in Etiolles / Frankreich von Mgr. Guerard des Lauriers zum
Bischof geweiht. Am 28. Oktober 1989 konnte dann Mgr. Storck in München
seinen ersten Priester, Herrn Eugen Rissling, weihen, der ihn fortan in
der Seelsorge unterstützen sollte. Neben dem Meßzentrum in München
betreute Bischof Storck schon seit einiger Zeit die Zentren in Ulm und
Stuttgart.
Bei seinem Besuch in München Ende Oktober 1991 war es S.E. Mgr.
Carmona, der dabei war, den Dissenz zwischen den Klerikern und Laien zu
beenden, ein Anliegen, auch mit Bischof Storck zusammenzutreffen, um
mit ihm gegenseitige Konsultation und Kooperation zu vereinbaren. Dazu
kam es nicht mehr: am Fest Allerheiligen des gleichen Jahres
verunglückte Mgr. Carmona tödlich in Mexiko.
Inzwischen waren neue Studenten ins Seminar Hl. Blut eingetreten, die
zum einen aus Gewissensgründen die Position von Mgr. Lefebvre nicht
annehmen konnten wie z.B. Abbé Marmodée oder verschiedene Umwege
gegangen waren, wie Rev. Krier, der kurz nach dem Besuch von Bischof
Carmona bei uns in München eintraf und Fr. Baird, dem ehemaligen
Philologen, um endlich aus der Hand von Bischof Storck das Sakrament
der Priesterweihe zu empfangen. Diesen Geistlichen, die letztes Jahr
ihr Amt angetreten haben, obliegt es nun, die Seelsorgearbeit und die
theologische Aufklärungsarbeit ihres früh verstorbenen Bischofs, der
nicht einmal 55 Jahre alt geworden war, fortzusetzen.
2. Günther Storck lernte ich persönlich kennen, als er im Jahre 1967
zur Fortsetzung seiner Studien wieder nach München kam, wo ich selbst
seit einigen Jahren studierte. Mich faszinierte an ihm seine geistige
Sensibilität, seine bereits ausgeprägte Fähigkeit, Seelenzustände und
fremde Intentionen zu erfassen, zu analysieren und zu korrigieren. Er
hatte ein umfassendes Wissen auf theologischem, aber auch auf
philosophischem Gebiet. Er verstand es auch, den absoluten Anspruch
Gottes im und für das Leben jedes einzelnen und die Unausweichlichkeit
dieser Forderung für das konkrete handeln zu verdeutlichen. Am meisten
hat mich aber immer beeindruckt, wie er das theoretisch erworbene
Wissen im philosophischen Bereich ins Religiöse transponieren und
dessen Bedeutung dafür explizieren konnte. Was Storck weniger
vermitteln konnte, war das Gefühl vertrauensvoller Geborgenheit. Seine
Vermittlung der Radikalität der Forderung Gottes blieb meiner Meinung
nach in gewisser Weise isoliert von dessen Güte und Barmherzigkeit. So
verstand es Storck zwar ausgezeichnet, Menschen in ihren religiösen
Belangen anzusprechen, ohne sie jedoch dafür schnell zu gewinnen, wozu
ihm m.E. auch der lange Atem fehlte, der 7 x 70 x am Tage verzeiht. Er
schätzte an mir meine Unmittelbarkeit, eine gewisse Sicherheit im
Umgang mit den konkreten Realitäten, die ihm abging, und eine gewisse
willentliche Ungebrochenheit, die bereit war, auch schmerzliche
Konsequenzen zu tragen.
Es entstand damals in München ein sehr lebendiger Kreis von Studenten,
dem u.a. auch Klaus Wodsack angehörte und der sich neben den Problemen
des studentischen Alltags auch mit den Fragen auseinandersetzte, die
durch die Reformen in der Kirche über sie selbst gestellt werden
mußten. Es wurden deshalb auch Tagungen organisiert - z.B. in Beuron -,
auf denen Günther Storck als ausgezeichneter Exeget die entscheidenden
dogmatischen Positionen auch heilsgeschichtlich untermauern konnte.
Darüber hinaus haben wir viel unternommen. So eröffnete er mir und
anderen den Zugang zur orientalischen Liturgie, die ich so schätzen
lernte und begann, mich für die frühchristlichen Liturgien zu
interessieren. Daneben vermittelte er die musikalisch umgesetzte
Dramaturgie eines Verdi, dessen Opern wir analysierten und dann
gemeinsam besuchten. (Das stundenlange Anstehen wegen Opernkarten habe
ich immer gut 'gehaßt'.)
Über Günther Storck lernte ich meine spätere Frau kennen, eine
entferntere Verwandte von ihm, die er aus einer Welt herausgeholt
hatte, die ihren absoluten Hunger in Alltäglichkeiten und
konventioneller Selbstgefälligkeit vergessen hatte, einer Welt, deren
innere Hohlheit er kannte und der er selbst entflohen war.
Als er auf Vermittlung der Herren Hiller und Lauth endlich Kontakt zu
S.E. Blasius Kurz O.F.M. aufnehmen konnte und von ihm, der trotz seines
hohen Alters noch die Souveränität eines kommandierenden Generals
ausstrahlte, in Egg zum Priester geweiht worden war, schien der Bann
der kirchlichen Isolation, mit dem man uns, die wir schon damals die
Position der Sedisvakanz vertraten, auch in 'traditionalistischen'
Kreisen umgab, endlich gebrochen. Der Druck des bloßen Verharrens
schien verschwunden. Die lange Wartezeit - H.H. Storck war bei seiner
Weihe bereits 35 Jahre alt und hatte gelegentlich daran gezweifelt,
überhaupt noch einen treu gebliebenen Bischof zu finden -, schien sich
gelohnt zu haben: den Reformern war durch diesen Akt ein unübersehbares
Zeichen des Widerstandes gesetzt.
Mit Rücksicht auf seine noch ausstehende Promotion im Fach Theologie
wollte H.H. Storck erst nach deren Abschluß als Priester des
Widerstandes in die Öffentlichkeit gehen. Inzwischen las er die hl.
Messe in seiner Hauskapelle oder in Privatoratorien. Die Zelebration in
öffentlichen Kirchen war ihm bald nach seiner Weihe untersagt worden,
obwohl das Verbot, die tridentinische Messe zu feiern, noch nicht
existierte. Es mag richtig sein, daß aus seiner Sicht diese Situation
nicht gerade ideal war. Er hatte sich aber auch über die religiösen
Verhältnisse keine Illusionen gemacht. Auch wenn die nachfolgenden
Zitate erst Jahre später niedergeschrieben wurden - nach seiner
Bischofsweihe -, so markieren sie auch seine Einschätzung der Lage für
die Mitte der 70-iger Jahre:
"Wenn man den Charakter der Zeit, in der wir leben, religiös zu deuten
sucht, so muß man die Feststellung treffen, daß unsere Zeit geprägt ist
durch den Abfall vom wahren Glauben. Nicht eine von äußeren Umständen
bestimmte Notlage, nicht eine von äußeren Feinden der Kirche auferlegte
Verfolgung, sondern der von der Hierarchie der Kirche vollzogene Verrat
charakterisiert die Situation unserer Zeit. Durch diesen Verrat ist die
einzigartige Verfolgung heute gekennzeichnet, deren Auswirkung deshalb
so umfassend ist, weil sie nicht klar und deutlich in Erscheinung
tritt. Eine Fassade von 'Kirche' steht immer noch. Durch diese Fassade
lassen sich all jene erfolgreich täuschen, die sich überreden (lassen),
es sei letztlich doch alles in Ordnung, es sei letztlich - von einigen
Dingen abgesehen - alles nicht so schlimm, man müsse nur der
konziliaren Kirche und ihren hierarischen Vertretern gehorchen, man
müsse einen Kompromiß mit ihnen suchen usw. Mit den Feinden Christi und
Seiner Kirche kann es keinen Kompromiß geben. Alle, die einen
derartigen Weg des Kompromisses gehen und empfehlen, sind die
gefährlichsten Feinde Christi und Seiner Kirche. Man muß vielmehr
eindeutig und entschieden für die Wahrheit eintreten, das heißt für
Jesus Christus, der die Wahrheit ist, und für Seine Kirche, die Sein
Leib ist. Das erste Gebot, das von uns fordert, Gott über alles zu
lieben, ist auch in der raffinierten Verfolgung, der wir heute
ausgesetzt sind, die erste und wichtigste Anweisung, die wir beachten
müssen." (Vgl. SAKA-Informationen 6/1993, S. 133)
Auf der anderen Seite war aber auch eine größere Gruppe von Gläubigen
bereit, seine pastorale Arbeit rückhaltlos zu unterstützen und ihm zu
helfen, großzügig, auch in finanzieller Hinsicht.
Eine gewisse Ernüchterung ihm gegenüber setzte ein, als sich die
Promotion verzögerte, die er schließlich in nur sechs Wochen mit einer
Arbeit über das Problem der reflexiven Erkenntnis der Trinität aus dem
transzendental-philosophischen Ansatz im Herbst 1976 in einer einzigen
großen, konzentrierten Kraftanstrengung durchzog. (N.b. ich kenne
keinen Theologen weltweit, der imstande wäre, eine solche Leistung
nachzuvollziehen, weiß doch jeder Fachmann, daß dieses Thema zu einem
der schwierigsten in der Theologie gehört.)
Wie groß war allerdings nach der erfolgreichen Promotion das Erstaunen,
ja die Enttäuschung, als er nicht die von ihm zugesagte Seelsorgarbeit
in St. Michael / München antrat, sondern ins Lager von Mgr.Lefebvre
überwechselte, der nicht nur in entscheidenden theologischen Fragen
eine völlig andere Position, die nicht einmal mit der von H.H. Storck
in Einklang zu bringen war, einnahm und mit seinem Gehilfen
Schmidberger begonnen hatte, die selbständigen Meßzentren zu kassieren.
(H.H. Storck hat später versucht, seinen Wechsel damit zu
rechtfertigen, daß er noch Hoffnung gehabt habe, Lefebvre würde mit der
Zeit eine konsequentere Haltung einnehmen. Ich kann aus mehreren
Gründen diesen Gedankengang nicht nachvollziehen.) Auf jeden Fall war
dieser Positionswechsel, der signalisierte, daß Storck eher radikale
Forderungen bei anderen erhob, ohne sie bei sich selbst zu
verwirklichen, der Grund, warum wir uns von ihm distanzierten. Für mich
persönlich war dieser Schritt ausgesprochen schmerzlich, da ich wußte,
welches geistige Potential für den Widerstand zumindest neutralisiert
war, und es war bitter daran zu denken, daß nun die theologische
Auseinandersetzung und die Positionsbestimmung einen ihrer
exzellentesten Köpfe vorerst verloren hatte und daß diese Arbeit fortan
auf anderen Schultern lasten würde, die dazu viel weniger prädestiniert
waren.
So war für Jahre der persönliche Kontakt zu H.H. Storck unterbrochen.
Als er später die Zusammenarbeit mit Econe aufkündigte und uns den für
das Seminar vorgesehenen Bischof Vitus Chang vorstellen wollte, sah ich
ihn kurz wieder. Er besuchte uns überraschenderweise, als er in einer
beruflichen Angelegenheit vermitteln wollte. Versuche einer
Wiederannäherung, auch von dritten unternommen, scheiterten. Als ich
davon erfuhr, daß er zum Bischof geweiht werden sollte, riet ich ihm
und Mgr. Guerard des Lauriers davon ab. Auf meine öffentlich
vorgebrachten Argumente, die die Erlaubtheit seiner Konsekration
betraf, reagierte Bischof Storck mit der Stellungnahme vom 1. Juli
1984. Nach diesen Vorfällen schien eine Wiederaufnahme, eine
Annäherung, ja sogar eine mögliche Zusammenarbeit gänzlich unmöglich.
Jahre vergingen. Inzwischen hatte sich die allgemeine Situation im
Lager des (angeblichen) Widerstandes weiter verschlechtert. Weltweit
hatte der Dissenz unter den Bischöfen der Tradition dazu geführt, daß
deren Stimme verstummt war, daß die Darstellung des wahren katholischen
Glaubens aus der Öffentlichkeit verschwunden und daß sich jeder sogar
von jedem mit zutreffenden Argumenten distanzieren konnte. Auch die
Zusammenarbeit zwischen dem Seminar Hl. Blut und der SAKA war
zwischenzeitlich eingestellt worden. Da ergriff endlich Bischof Carmona
die Initiative einer Re-integration der Kleriker und der Laien. Auch
wenn er sich durch die Spendung von Weihen an weniger qualifizierte
Kandidaten Kritik zugezogen hatte, so galt er doch wegen seiner
eindeutigen, mutigen Stellungnahmen als ein Garant des Wiederstandes.
(In Mexiko verkörperte er in seiner Person die Position eines
kompromißlosen katholischen Christen, der zum lebendigen Zeugen für
Christus in der mexikanischen Öffentlichkeit geworden war.) Nach seinem
tragischen Tod und auch aufgeschreckt durch bittere Erfahrungen in den
eigenen Reihen überlegte ich, ob es nicht angebracht sei, die
Anstrengungen von Bischof Carmona, wenigstens im deutschen Bereich
fortzusetzen und die Möglichkeiten einer erneuten Zusammenarbeit mit
S.E. Bischof Storck auszuloten. Nach dem Tode von Mgr. Guerard des
Lauriers war er übrigens der einzige Bischof in Europa, der über eine
umfassende philosophische und theologische Ausbildung verfügte, die er
- ungeachtet seiner angegriffenen Gesundheit - an seine Seminaristen
vermittelt hatte.
Meine Idee stieß zunächst allseits auf wenig Gegenliebe. Mir wurde von
diesem Versuch dringend abgeraten. Aber angesichts der desolaten
Situation und der Einsicht, die wenigen noch vorhandenen Kräfte zu
konzentrieren, kam es auf Vermittlung meiner Frau diesen Winter an
einem Freitagabend doch zu einer Aussprache zwischen Bischof Storck und
mir. Nach den Vorgesprächen hatte ich selbst nur noch wenig Hoffnung,
daß durch dieses Gespräch etwas geklärt, geschweige denn geregelt
werden könnte. Ich hatte mich darauf eingestellt, Vorwürfe anhören zu
müssen. Es kam indes ganz anders: das Gespräch verlief zwar
distanziert, aber ausgesprochen ruhig und sachlich. Die Einschätzung
der allgemeinen Lage unterschied sich nur in Nuancen. Unterschiede in
den Auffassungen gab es in der Beurteilung der Möglichkeit der
Restitution der Kirche. Meine Absicht war es zu prüfen, ob und
gegebenenfalls in welcher Weise die Ausbildung im Seminar ausgedehnt
und wie Storck als Dozent entlastet werden könnte. Das Resultat dieser
ersten Unterredung war schließlich besser als von mir erwartet. Es war
zumindest ein erster Anfang gemacht mit der Aussicht, daß das Seminar
weiterhin für neue Theologiestudenten offenstehen sollte. Persönlich
überraschte mich, mit welcher Geduld und Ergebenheit Bischof Storck
seinen gesundheitlich desolaten Zustand ertrug und hinnahm.
Wahrscheinlich hatte er seit Jahren nicht mehr erfahren, was es heißt,
über den Vollbesitz seiner Kräfte verfügen zu können.
Die Nachricht, er sei nach einem Zusammenbruch Ende März ins
Krankenhaus eingeliefert worden, kam deshalb nicht ganz überraschend.
Doch hatte man Hoffnung auf Besserung, zumal Storck selbst seinen
Gesundheitszustand wesentlich ernster nahm als früher. Wie mir meine
Frau, die ihn besuchte, erzählte, hatte er in dieser Zeit, in der er im
Krankenhaus weilte, eine ganz neue Einstellung zu seiner naturhaften
Umwelt eingenommen: von seinem Krankenzimmer beobachtete er, wie in
diesem Jahr der Frühling gleichsam explodierte, wie draußen die Vögel
zwitscherten und sangen. Als ich ihm selbst einen Besuch abstatten
wollte, wurde ich davon durch Mitteilung abgehalten, der Patient wäre
auf die Intensivstation verlegt worden. Innere Blutungen, die nicht
mehr gestillt werden konnten, waren die unmittelbaren Ursachen für
seinen Tod am 23. April abends gegen 18 Uhr.
Requiescat in pace.
Mgr. Storck hinterläßt vier geistliche Söhne, die die Absicht haben,
seine pastorale Arbeit in den Zentren fortzuführen. Ich bete für das
Seelenheil eines ehemaligen Freundes, aber ebenso für das Auf- und
Weiterkeimen einer Saat, für deren Gedeihen wir Gottes Hilfe erflehen
müssen.
Eberhard Heller
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