54. Jahrgang Nr. 7 / Dezember 2024
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ZUM TODE VON S.E. BISCHOF DR. GÜNTHER STORCK
 
ZUM TODE VON S.E. BISCHOF DR. GÜNTHER STORCK

von
Eberhard Heller


Auch wenn viele um den schlechten Gesundheitszustand von S.E. Bischof Dr. Günther Storck wußten - er lag nach einem Zusammenbruch seit etwa einem Monat in einem Münchner Krankenhaus -, so kam die Nachricht von seinem Tode am 23. April für Außenstehende doch überraschend. Es bestand nämlich Aussicht auf Besserung und es waren auch schon Vorkehrungen für einen anschließenden Kuraufenthalt getroffen worden. Doch es kam anders. Bei Bischof Storck stellten sich innere Blutungen ein, die nicht mehr gestillt werden konnten. Über die Möglichkeit eines baldigen Ablebens informiert, hatten sich an seinem Sterbebett seine Priester versammelt und ein kleiner Kreis von Personen, die ihm in letzter Zeit besonders eng verbunden waren. Am Freitag, dem 30. April wurde für den Verstorbenen in St. Maria / München das feierliche Requiem gehalten - genau neun Jahre nach seiner Konsekration zum Bischof. Am darauffolgenden Montag, dem 3. Mai, fand die Beisetzung auf dem Münchner Westfriedhof statt.

1. Günther Storck war am 2. Oktober 1938 in Borken / Westfalen als jüngstes Kind der Eheleute Storck geboren worden, die einen Handwerksbetrieb führten. Der Vater verstarb früh, so daß die Mutter nicht nur die Obhut über die Familie übernehmen, sondern auch noch den Betrieb führen mußte. Der junge Günther Storck galt als geistig sehr sensibel und hoch begabt. Nach dem Abitur 1958 studierte er zunächst klassische Philologie und Germanistik an den Universitäten Münster, Berlin und München. Das Vernehmen seiner Berufung zum Priestertum ließ ihn 1962 nach Münster, seine Bischofsstadt, zurückkehren, wo er am dortigen Collegium Borromaeum mit dem Theologiestudium begann. Zwischendurch legte er die Staatsexamen in Philologie, Philosophie und Theologie ab. Nachdem die theologischen Modernismen im Gefolge vom II. Vaticanum auch Münster erreicht hatten, deren häretische Tendenzen bzw. deren Konsequenzen bis hin zur Verfälschung des Depositums Storck durchsichtig waren, setzte er seine Studien der Philosophie und der Theologie ab 1967 in München fort, auch darauf hoffend, von München aus eher einen orthodoxen Bischof finden zu können, der ihn weihen würde. Einige Jahre später fand er eine zeitlich terminierte Anstellung als Assistent am Dogmatischen Seminar der Universität München. Hier fand Storck Anschluß an den Freundeskreis der Una Voce. Die Herren Dr. Hiller und Prof. Lauth - letzterer war sein philosophischer Lehrer - standen in Verbindung mit dem Franziskaner-Bischof Blasius Kurz und waren dabei behilflich, daß Storck zu diesem Bischof Kontakt aufnehmen konnte. S.E. Mgr. Blasius Kurz 0.F.M. war Missionar in China gewesen, war von Pius XII. konsekriert worden und war nach einem langen Kreuzweg, der u.a. auch vom Verrat durch seine Mitbrüder gezeichnet war, wieder in sein Heimatland zurückgekehrt.

Von Mgr. Blasius Kurz wurde Günther Storck dann am 21. September 1973, dem Festtage des Apostels und Evangelisten Matthäus zum Priester geweiht. Die Weihe war nach Egg in der Schweiz verlegt worden, um den zu erwartenden Verfolgungen durch 'Kard.' Döpfner in München auszuweichen. Am Tage darauf, am 22. September, feierte H.H. Storck sein erstes hl. Meßopfer in der Damenstiftskirche in München.

Die Priesterweihe von H.H. Günther Storck löste nicht nur in München, sondern in den katholisch gebliebenen Kreisen Begeisterung und rege Zustimmung aus. Der junge Priester, der sich gegen den modernen Trend aus Überzeugung gestellt hatte und sich der katholischen Tradition verpflichtet wußte, fand schnell allerorten Vertrauen. Das Ordinariat München vermutete ein Komplott der Münchener Una Voce, Bischof Blasius Kurz und Mgr. Lefebvre, zu dem wir damals noch Kontakt hatten und dessen Seminar in Econe zu diesem Zeitpunkt schon fest installiert war. Ein Besuch von Mgr. Lefebvre im Winter 1973 in München konnte diesen Eindruck nur noch erhärten. Doch ein Gesuch von Storck, sich der Bruderschaft anschließen zu können, wurde von Mgr. Lefebvre zunächst abgelehnt. Dafür bahnte sich freundschaftlicher Kontakt zu H.H. Pfr. Aßmayr in Biberwier / Tirol an, bei dem H.H. Storck häufiger weilte, auch um dort Urlaub zu machen.
 
Eine Zeitlang war Storck Prediger in St. Benno / München, bis das Ordinariat Schwierigkeiten machte. Die Leitung der Kirche in Freiham bei München - wir hatten gehofft, hier ein religiöses Refugium errichten zu können - gab er aus dem gleichen Grunde bald wieder ab, worauf ihm vom Freundeskreis des Convents Pius VI. eine Kapelle eingerichtet wurde.

Zwischendurch nahm H.H. Storck seine Verpflichtungen am Dogmatischen Seminar wahr. Wenn der Leiter in Schwierigkeiten kam, die katholischen Positionen gegen moderne Theorien zu verteidigen, sprang Storck in die Bresche und konnte als geschulter Philosoph und Theologe die falschen ideologischen Ansätze dieser Theorien bloßlegen. Im Jahre 1976 schloß er mit dem Dr.theol. sein Studium ab. Danach wollte er St. Michael in München, das erste Meßzentrum in Deutschland, welches nach dem offiziösen 'Verbot' der hl. Messe vom Freundeskreis des Convents Pius VI. aufgebaut und eingerichtet worden war, als Seelsorger übernehmen. Doch Storck löste sein Versprechen nicht ein, sondern arbeitete, nachdem sein Vertrag mit der Universität ausgelaufen war, mit der Bruderschaft von Mgr. Lefebvre zusammen und war zunächst als Dozent an dem inzwischen gegründeten deutschsprachigen Seminar in Weißbad / Schweiz tätig. Später leitete er das Münchner Zentrum der Lefebvreisten, bis dieses von Abbé Schmidberger übernommen wurde.

H.H. Dr. Storck gründete daraufhin sein eigenes Zentrum in München und versuchte im Jahre 1980 zusammen mit der SAKA, ein Priesterseminar zu eröffnen, in welchem - im Gegensatz zu dem Econer Ordens-Seminar - Weltkleriker ausgebildet werden sollten. Das Seminar Hl. Blut wechselte mehrere Male seine Adresse, bis es schließlich in München in der Schellingstraße untergebracht wurde. Die ersten ins Seminar eintretenden Studenten wurden bald wieder von den Econern abgeworben. Schwierigkeiten bereitete auch die Sicherstellung der geistlichen Leitung, selbst dann noch, als mit Mgr. Guerard des Lauriers O.P. (über die Vermittlung von Herrn Lauth) ein Bischof der Tradition zur Verfügung stand. Am 3o. April 1984 wurde H.H. Dr. Storck schließlich selbst in Etiolles / Frankreich von Mgr. Guerard des Lauriers zum Bischof geweiht. Am 28. Oktober 1989 konnte dann Mgr. Storck in München seinen ersten Priester, Herrn Eugen Rissling, weihen, der ihn fortan in der Seelsorge unterstützen sollte. Neben dem Meßzentrum in München betreute Bischof Storck schon seit einiger Zeit die Zentren in Ulm und Stuttgart.

Bei seinem Besuch in München Ende Oktober 1991 war es S.E. Mgr. Carmona, der dabei war, den Dissenz zwischen den Klerikern und Laien zu beenden, ein Anliegen, auch mit Bischof Storck zusammenzutreffen, um mit ihm gegenseitige Konsultation und Kooperation zu vereinbaren. Dazu kam es nicht mehr: am Fest Allerheiligen des gleichen Jahres verunglückte Mgr. Carmona tödlich in Mexiko.

Inzwischen waren neue Studenten ins Seminar Hl. Blut eingetreten, die zum einen aus Gewissensgründen die Position von Mgr. Lefebvre nicht annehmen konnten wie z.B. Abbé Marmodée oder verschiedene Umwege gegangen waren, wie Rev. Krier, der kurz nach dem Besuch von Bischof Carmona bei uns in München eintraf und Fr. Baird, dem ehemaligen Philologen, um endlich aus der Hand von Bischof Storck das Sakrament der Priesterweihe zu empfangen. Diesen Geistlichen, die letztes Jahr ihr Amt angetreten haben, obliegt es nun, die Seelsorgearbeit und die theologische Aufklärungsarbeit ihres früh verstorbenen Bischofs, der nicht einmal 55 Jahre alt geworden war, fortzusetzen.

2. Günther Storck lernte ich persönlich kennen, als er im Jahre 1967 zur Fortsetzung seiner Studien wieder nach München kam, wo ich selbst seit einigen Jahren studierte. Mich faszinierte an ihm seine geistige Sensibilität, seine bereits ausgeprägte Fähigkeit, Seelenzustände und fremde Intentionen zu erfassen, zu analysieren und zu korrigieren. Er hatte ein umfassendes Wissen auf theologischem, aber auch auf philosophischem Gebiet. Er verstand es auch, den absoluten Anspruch Gottes im und für das Leben jedes einzelnen und die Unausweichlichkeit dieser Forderung für das konkrete handeln zu verdeutlichen. Am meisten hat mich aber immer beeindruckt, wie er das theoretisch erworbene Wissen im philosophischen Bereich ins Religiöse transponieren und dessen Bedeutung dafür explizieren konnte. Was Storck weniger vermitteln konnte, war das Gefühl vertrauensvoller Geborgenheit. Seine Vermittlung der Radikalität der Forderung Gottes blieb meiner Meinung nach in gewisser Weise isoliert von dessen Güte und Barmherzigkeit. So verstand es Storck zwar ausgezeichnet, Menschen in ihren religiösen Belangen anzusprechen, ohne sie jedoch dafür schnell zu gewinnen, wozu ihm m.E. auch der lange Atem fehlte, der 7 x 70 x am Tage verzeiht. Er schätzte an mir meine Unmittelbarkeit, eine gewisse Sicherheit im Umgang mit den konkreten Realitäten, die ihm abging, und eine gewisse willentliche Ungebrochenheit, die bereit war, auch schmerzliche Konsequenzen zu tragen.

Es entstand damals in München ein sehr lebendiger Kreis von Studenten, dem u.a. auch Klaus Wodsack angehörte und der sich neben den Problemen des studentischen Alltags auch mit den Fragen auseinandersetzte, die durch die Reformen in der Kirche über sie selbst gestellt werden mußten. Es wurden deshalb auch Tagungen organisiert - z.B. in Beuron -, auf denen Günther Storck als ausgezeichneter Exeget die entscheidenden dogmatischen Positionen auch heilsgeschichtlich untermauern konnte. Darüber hinaus haben wir viel unternommen. So eröffnete er mir und anderen den Zugang zur orientalischen Liturgie, die ich so schätzen lernte und begann, mich für die frühchristlichen Liturgien zu interessieren. Daneben vermittelte er die musikalisch umgesetzte Dramaturgie eines Verdi, dessen Opern wir analysierten und dann gemeinsam besuchten. (Das stundenlange Anstehen wegen Opernkarten habe ich immer gut 'gehaßt'.)

Über Günther Storck lernte ich meine spätere Frau kennen, eine entferntere Verwandte von ihm, die er aus einer Welt herausgeholt hatte, die ihren absoluten Hunger in Alltäglichkeiten und konventioneller Selbstgefälligkeit vergessen hatte, einer Welt, deren innere Hohlheit er kannte und der er selbst entflohen war.

Als er auf Vermittlung der Herren Hiller und Lauth endlich Kontakt zu S.E. Blasius Kurz O.F.M. aufnehmen konnte und von ihm, der trotz seines hohen Alters noch die Souveränität eines kommandierenden Generals ausstrahlte, in Egg zum Priester geweiht worden war, schien der Bann der kirchlichen Isolation, mit dem man uns, die wir schon damals die Position der Sedisvakanz vertraten, auch in 'traditionalistischen' Kreisen umgab, endlich gebrochen. Der Druck des bloßen Verharrens schien verschwunden. Die lange Wartezeit - H.H. Storck war bei seiner Weihe bereits 35 Jahre alt und hatte gelegentlich daran gezweifelt, überhaupt noch einen treu gebliebenen Bischof zu finden -, schien sich gelohnt zu haben: den Reformern war durch diesen Akt ein unübersehbares Zeichen des Widerstandes gesetzt.

Mit Rücksicht auf seine noch ausstehende Promotion im Fach Theologie wollte H.H. Storck erst nach deren Abschluß als Priester des Widerstandes in die Öffentlichkeit gehen. Inzwischen las er die hl. Messe in seiner Hauskapelle oder in Privatoratorien. Die Zelebration in öffentlichen Kirchen war ihm bald nach seiner Weihe untersagt worden, obwohl das Verbot, die tridentinische Messe zu feiern, noch nicht existierte. Es mag richtig sein, daß aus seiner Sicht diese Situation nicht gerade ideal war. Er hatte sich aber auch über die religiösen Verhältnisse keine Illusionen gemacht. Auch wenn die nachfolgenden Zitate erst Jahre später niedergeschrieben wurden - nach seiner Bischofsweihe -, so markieren sie auch seine Einschätzung der Lage für die Mitte der 70-iger Jahre:

"Wenn man den Charakter der Zeit, in der wir leben, religiös zu deuten sucht, so muß man die Feststellung treffen, daß unsere Zeit geprägt ist durch den Abfall vom wahren Glauben. Nicht eine von äußeren Umständen bestimmte Notlage, nicht eine von äußeren Feinden der Kirche auferlegte Verfolgung, sondern der von der Hierarchie der Kirche vollzogene Verrat charakterisiert die Situation unserer Zeit. Durch diesen Verrat ist die einzigartige Verfolgung heute gekennzeichnet, deren Auswirkung deshalb so umfassend ist, weil sie nicht klar und deutlich in Erscheinung tritt. Eine Fassade von 'Kirche' steht immer noch. Durch diese Fassade lassen sich all jene erfolgreich täuschen, die sich überreden (lassen), es sei letztlich doch alles in Ordnung, es sei letztlich - von einigen Dingen abgesehen - alles nicht so schlimm, man müsse nur der konziliaren Kirche und ihren hierarischen Vertretern gehorchen, man müsse einen Kompromiß mit ihnen suchen usw. Mit den Feinden Christi und Seiner Kirche kann es keinen Kompromiß geben. Alle, die einen derartigen Weg des Kompromisses gehen und empfehlen, sind die gefährlichsten Feinde Christi und Seiner Kirche. Man muß vielmehr eindeutig und entschieden für die Wahrheit eintreten, das heißt für Jesus Christus, der die Wahrheit ist, und für Seine Kirche, die Sein Leib ist. Das erste Gebot, das von uns fordert, Gott über alles zu lieben, ist auch in der raffinierten Verfolgung, der wir heute ausgesetzt sind, die erste und wichtigste Anweisung, die wir beachten müssen." (Vgl. SAKA-Informationen 6/1993, S. 133)

Auf der anderen Seite war aber auch eine größere Gruppe von Gläubigen bereit, seine pastorale Arbeit rückhaltlos zu unterstützen und ihm zu helfen, großzügig, auch in finanzieller Hinsicht.
 
Eine gewisse Ernüchterung ihm gegenüber setzte ein, als sich die Promotion verzögerte, die er schließlich in nur sechs Wochen mit einer Arbeit über das Problem der reflexiven Erkenntnis der Trinität aus dem transzendental-philosophischen Ansatz im Herbst 1976 in einer einzigen großen, konzentrierten Kraftanstrengung durchzog. (N.b. ich kenne keinen Theologen weltweit, der imstande wäre, eine solche Leistung nachzuvollziehen, weiß doch jeder Fachmann, daß dieses Thema zu einem der schwierigsten in der Theologie gehört.)

Wie groß war allerdings nach der erfolgreichen Promotion das Erstaunen, ja die Enttäuschung, als er nicht die von ihm zugesagte Seelsorgarbeit in St. Michael / München antrat, sondern ins Lager von Mgr.Lefebvre überwechselte, der nicht nur in entscheidenden theologischen Fragen eine völlig andere Position, die nicht einmal mit der von H.H. Storck in Einklang zu bringen war, einnahm und mit seinem Gehilfen Schmidberger begonnen hatte, die selbständigen Meßzentren zu kassieren. (H.H. Storck hat später versucht, seinen Wechsel damit zu rechtfertigen, daß er noch Hoffnung gehabt habe, Lefebvre würde mit der Zeit eine konsequentere Haltung einnehmen. Ich kann aus mehreren Gründen diesen Gedankengang nicht nachvollziehen.) Auf jeden Fall war dieser Positionswechsel, der signalisierte, daß Storck eher radikale Forderungen bei anderen erhob, ohne sie bei sich selbst zu verwirklichen, der Grund, warum wir uns von ihm distanzierten. Für mich persönlich war dieser Schritt ausgesprochen schmerzlich, da ich wußte, welches geistige Potential für den Widerstand zumindest neutralisiert war, und es war bitter daran zu denken, daß nun die theologische Auseinandersetzung und die Positionsbestimmung einen ihrer exzellentesten Köpfe vorerst verloren hatte und daß diese Arbeit fortan auf anderen Schultern lasten würde, die dazu viel weniger prädestiniert waren.

So war für Jahre der persönliche Kontakt zu H.H. Storck unterbrochen. Als er später die Zusammenarbeit mit Econe aufkündigte und uns den für das Seminar vorgesehenen Bischof Vitus Chang vorstellen wollte, sah ich ihn kurz wieder. Er besuchte uns überraschenderweise, als er in einer beruflichen Angelegenheit vermitteln wollte. Versuche einer Wiederannäherung, auch von dritten unternommen, scheiterten. Als ich davon erfuhr, daß er zum Bischof geweiht werden sollte, riet ich ihm und Mgr. Guerard des Lauriers davon ab. Auf meine öffentlich vorgebrachten Argumente, die die Erlaubtheit seiner Konsekration betraf, reagierte Bischof Storck mit der Stellungnahme vom 1. Juli 1984. Nach diesen Vorfällen schien eine Wiederaufnahme, eine Annäherung, ja sogar eine mögliche Zusammenarbeit gänzlich unmöglich.

Jahre vergingen. Inzwischen hatte sich die allgemeine Situation im Lager des (angeblichen) Widerstandes weiter verschlechtert. Weltweit hatte der Dissenz unter den Bischöfen der Tradition dazu geführt, daß deren Stimme verstummt war, daß die Darstellung des wahren katholischen Glaubens aus der Öffentlichkeit verschwunden und daß sich jeder sogar von jedem mit zutreffenden Argumenten distanzieren konnte. Auch die Zusammenarbeit zwischen dem Seminar Hl. Blut und der SAKA war zwischenzeitlich eingestellt worden. Da ergriff endlich Bischof Carmona die Initiative einer Re-integration der Kleriker und der Laien. Auch wenn er sich durch die Spendung von Weihen an weniger qualifizierte Kandidaten Kritik zugezogen hatte, so galt er doch wegen seiner eindeutigen, mutigen Stellungnahmen als ein Garant des Wiederstandes. (In Mexiko verkörperte er in seiner Person die Position eines kompromißlosen katholischen Christen, der zum lebendigen Zeugen für Christus in der mexikanischen Öffentlichkeit geworden war.) Nach seinem tragischen Tod und auch aufgeschreckt durch bittere Erfahrungen in den eigenen Reihen überlegte ich, ob es nicht angebracht sei, die Anstrengungen von Bischof Carmona, wenigstens im deutschen Bereich fortzusetzen und die Möglichkeiten einer erneuten Zusammenarbeit mit S.E. Bischof Storck auszuloten. Nach dem Tode von Mgr. Guerard des Lauriers war er übrigens der einzige Bischof in Europa, der über eine umfassende philosophische und theologische Ausbildung verfügte, die er - ungeachtet seiner angegriffenen Gesundheit - an seine Seminaristen vermittelt hatte.

Meine Idee stieß zunächst allseits auf wenig Gegenliebe. Mir wurde von diesem Versuch dringend abgeraten. Aber angesichts der desolaten Situation und der Einsicht, die wenigen noch vorhandenen Kräfte zu konzentrieren, kam es auf Vermittlung meiner Frau diesen Winter an einem Freitagabend doch zu einer Aussprache zwischen Bischof Storck und mir. Nach den Vorgesprächen hatte ich selbst nur noch wenig Hoffnung, daß durch dieses Gespräch etwas geklärt, geschweige denn geregelt werden könnte. Ich hatte mich darauf eingestellt, Vorwürfe anhören zu müssen. Es kam indes ganz anders: das Gespräch verlief zwar distanziert, aber ausgesprochen ruhig und sachlich. Die Einschätzung der allgemeinen Lage unterschied sich nur in Nuancen. Unterschiede in den Auffassungen gab es in der Beurteilung der Möglichkeit der Restitution der Kirche. Meine Absicht war es zu prüfen, ob und gegebenenfalls in welcher Weise die Ausbildung im Seminar ausgedehnt und wie Storck als Dozent entlastet werden könnte. Das Resultat dieser ersten Unterredung war schließlich besser als von mir erwartet. Es war zumindest ein erster Anfang gemacht mit der Aussicht, daß das Seminar weiterhin für neue Theologiestudenten offenstehen sollte. Persönlich überraschte mich, mit welcher Geduld und Ergebenheit Bischof Storck seinen gesundheitlich desolaten Zustand ertrug und hinnahm. Wahrscheinlich hatte er seit Jahren nicht mehr erfahren, was es heißt, über den Vollbesitz seiner Kräfte verfügen zu können.

Die Nachricht, er sei nach einem Zusammenbruch Ende März ins Krankenhaus eingeliefert worden, kam deshalb nicht ganz überraschend. Doch hatte man Hoffnung auf Besserung, zumal Storck selbst seinen Gesundheitszustand wesentlich ernster nahm als früher. Wie mir meine Frau, die ihn besuchte, erzählte, hatte er in dieser Zeit, in der er im Krankenhaus weilte, eine ganz neue Einstellung zu seiner naturhaften Umwelt eingenommen: von seinem Krankenzimmer beobachtete er, wie in diesem Jahr der Frühling gleichsam explodierte, wie draußen die Vögel zwitscherten und sangen. Als ich ihm selbst einen Besuch abstatten wollte, wurde ich davon durch Mitteilung abgehalten, der Patient wäre auf die Intensivstation verlegt worden. Innere Blutungen, die nicht mehr gestillt werden konnten, waren die unmittelbaren Ursachen für seinen Tod am 23. April abends gegen 18 Uhr.

Requiescat in pace.

Mgr. Storck hinterläßt vier geistliche Söhne, die die Absicht haben, seine pastorale Arbeit in den Zentren fortzuführen. Ich bete für das Seelenheil eines ehemaligen Freundes, aber ebenso für das Auf- und Weiterkeimen einer Saat, für deren Gedeihen wir Gottes Hilfe erflehen müssen.

Eberhard Heller

 
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