ZUM PROBLEM EINER MÖGLICHEN PAPSTWAHL
von
Eberhard Heller
Ausgelöst durch Überlegungen in unserer Zeitschrift, die vorerst
unterbrochen wurden, die aber z.T. in KYRIE ELEISON weitergeführt
werden, ist das Problem einer möglichen Papstwahl mehr und mehr in das
Interesse der Gläubigen gerückt, die sich hiervon eine Lösung für den
desolaten kirchlichen Zustand erhoffen.
Um Mißverständnissen vorzubeugen oder um nicht falsche Vorstellungen zu
wecken, darf ich gleich eingangs feststellen: es geht mir in diesen
Anmerkungen nicht um eine eigene systematische Darlegung zu diesem
Problem, sondern nur um eine Rezeption der verschiedenen Auffassungen
dazu, die sich in letzter Zeit gebildet haben. Im Rahmen einer
kritischen Sichtung der vorgestellten Positionen, an die sich eine
systematische Einordnung dieses Themas und eine Reihe von Forderungen
an eine theologisch-rechtliche und praktische Lösung anschließen
sollen, genügt vorerst das Aufzeigen der Extrempositionen.
I. Wenn man die verschiedenen
Stellungnahmen sondiert, stellt man mit Überraschung fest, daß die Wahl
eines Papstes - als entscheidender Schritt zur Wiederherstellung der
kirchlichen Einheit - in den Reihen des katholischen Widerstandes
völlig unterschiedlich bewertet wird (aus den verschiedensten Gründen).
Eingedenk der makabren 'Wahl' von Herr Bawden aus den U.S.A. zum
'Papst' Michael I. vor gut zwei Jahren, die das Anliegen einer
Restitution und - darin eingeschlossen - auch der Wahl eines
rechtmäßigen Papstes in höchster Form diskreditiert hat, wird von
bestimmten Kreisen durch das Forcieren dieses Themas als solches und
der Vorbereitung zur Realisierung einer solchen Wahl befürchtet, eine
Wiederholung einer solchen Farce könne dem Gesamtanliegen,
einschließlich der Bewahrung des Glaubensgutes, nur weiter empfindlich
schaden. Dadurch wären dann die Möglichkeiten für einen tatkräftigen
und effizienten Wiederaufbau der Kirche verspielt - nach dem Beispiel
des Nachtwächters, der die Bürger einer Stadt mehrere Male mit
Probealarmen aus den Betten geschreckt hat, die aber dann, als es
tatsächlich brannte, auch durch die heftigsten Hornstöße sich nicht
mehr aus den Häusern locken ließen. . . bis die Stadt dann völlig in
Schutt und Asche lag. D.h. es wird befürchtet, daß durch solche
Abenteuer das wahre Interesse verbraucht wird und die Gläubigen durch
solche unsinnigen Manöver abstumpfen.
Dabei geht die Befürchtung eines Kritikers dieser Pläne noch weiter: er
befürchtet, daß die 'Konzils-Kirche' die tatsächlichen Nöte, d.h. die
Führungslosigkeit der wahren Katholiken mißbrauchen könnte, um Personen
aus den eigenen reformerischen Reihen mit konservativem Image in die
Gruppen des Widerstandes einzuschleusen. Dabei würde es schon genügen,
führende Personen oder Gruppierungen des Widerstandes so zu
konstellieren, daß sie zu (blinden?) Werkzeugen der 'Konzils-Kirche'
werden, um durch die Propagierung und Wiederholung einer 'Papstwahl' (a
la Bawden) das wirkliche Anliegen als solches öffentlich so lächerlich
zu machen, daß man in absehbarer Zeit nicht mehr daran denken kann, an
der Wiederherstellung der Kirche als Heilsinstitution ernsthaft zu
arbeiten, ohne sich von vorneherein dem Gespött selbst der engsten
Verbündeten auszusetzen. (Man denke in diesem Zusammenhang nur daran,
daß es im Nachkriegs-Deutschland bis heute unmöglich war/ist, eine
rechte Partei zu installieren, ohne sie zugleich der Polemik des
Nazismus auszusetzen.)
Der erwähnte Kritiker ist sogar der Auffassung, daß dieser Prozeß
bereits im Gang ist und daß gewisse Personen des Widerstandes, die er
auch namentlich nennt, bereits in ein solches Komplott mit einbezogen
wurden oder von außen in die entsprechende Richtung gesteuert werden.
Anstatt sich mit dieser, dem Allgemeinwohl nur schadenden Materie zu
beschäftigen, solle man besser alle Anstrengungen auf die Bewahrung des
Glaubens richten.
Vorbehalte gegen eine Papstwahl werden aber nicht nur aus taktischen Gründen angemeldet, sondern auch
a) aus Resignation bzw. Skepsis (eine
Papstwahl löse nicht alle Probleme; der Erwählte würde möglicherweise
wiederum nur einen kleinen Kreis repräsentieren, dem eine allgemeine
Anerkennung dann versagt bliebe),
b) aus theoretischen (theologisch-rechtlichen) Gründen, weil nach
Ansicht der Personen, die diese Vorbehalte haben, eine solche Wahl
unter Beachtung der kirchenrechtlichen Bestimmungen unmöglich sei: nach
dem derzeit geltenden Wahlrecht dürften nur Kardinale den Papst wählen,
aber Kardinale, die gültig wählen könnten, gibt es auf Grund deren
Apostasie nicht mehr. (Damit wäre der circulus vitiosus beschrieben, in
dem sich die reinen Legalisten, d.h. die Vertreter einer
Verabsolutierung der de facto geltenden Rechtsnormen drehen.)
Gegenüber diesen negativen Einstellungen hinsichtlich einer Papstwahl
betonen die Befürworter mit gutem Recht, daß die Kirche als societas
perfecta nur in und durch all ihre Glieder hindurch existieren könne
und daß der Papst als Garant und sichtbares Oberhaupt für das Leben und
Funktionieren der Kirche als Heilsinstitution unabdingbar sei.
Dabei gehen die Vorstellungen der Befürworter über den bloß
prinzipiellen Bereich, in dem auf die Bedeutung des Papstes für die
Kirche hingewiesen wird, weit hinaus. Es werden auch schon Konzepte
vorgestellt, wie eine solche Wahl durchzuführen sei. Ebenso werden die
pastoralen Wirkungen beschrieben, die davon ausgehen könnten. So
schreibt z.B. Herr Dr.jur. B. Klominsky aus Gablonz / Tschechoslowakei,
Herausgeber der Zeitschrift TRIDENT, in einem offenen Brief, man solle
sich auf einen der rechtgläubigen Bischöfe konzentrieren, der
gegebenenfalls als Kandidat in Frage käme. Die übrigen Bischöfe sollten
sich darauf festlegen, ihn zu unterstützen und die Kleriker und die
Gläubigen in aller Welt darüber zu informieren. Dieser Bischof, der
neben einer guten psychischen Konstitution auch die pastorale
Bereitschaft zeigen muß, die verschiedensten Gruppierungen weltweit
zusammenzuführen, falls noch nicht geschehen, ein Seminar gründen,
ebenso Orden. Informationen sollen über ein Nachrichtennetz in beiden
Richtungen laufen. Dem Bischof, der sich als Kandidat für das Papstamt
qualifizieren müßte, sich durch seinen Glaubenseifer profilieren
sollte, müßte über ein allseits verbreitetes Organ verfügen, um
Nachrichten und Informationen absetzen zu können. Die pastorale
Wirkung, die allein von einem solchen Bischof ausgehen würde,
hält Herr Klominsky für sehr entscheidend: es würden auch Zauderer, die
bisher nicht den entsprechenden konsequenten Schritt getan hätten, sich
an diesen Bischof wenden, der im Verbund mit den anderen Bischöfen,
Priestern und Laien eine natürliche Autorität ausstrahlen würde. Wenn
diese Voraussetzungen erfüllt wären, könnte dann endlich nach den von
Herrn Tello vorgelegten Wahlmodi die Papstwahl durchgeführt werden, die
auf einem Konvent stattfinden sollte, zu dem alle rechtgläubigen
Bischöfe eingeladen werden müßten. Auf diesem Konvent könnten dann auch
strittige Fragen behandelt werden... wie auf einem Konzil.
II. Zu den vorstehend skizzierten Positionen möchte ich folgendes sagen:
1. Das Problem einer berechtigten Papstwahl tritt in unserer Situation
nur für konsequente Vertreter des Sedisvakantismus im Zusammenhang mit
einer umfassenden Restitution der Kirche als der von Christus
gegründeten Heilsinstitution auf. (Für Gruppierungen, die der Theorie
von + Mgr. Guerard des Lauriers anhangen, wonach der jetzige Okkupant
materialiter, aber nicht formaliter Papst ist, stellt sich dieses
Problem nicht: sie warten darauf, daß sich Mgr. Wojtyla bekehrt, damit
er als materialiter Papst es auch (wieder) formaliter wird.)
2. Die theologische Debatte, die die Lösung der Restitution der Kirche
zum Ziel hat, muß intensiviert und weitergeführt werden; denn ohne die
Besinnung auf die Prinzipien, die der Gründung der Kirche durch
Christus zugrunde liegen, läßt sich die besondere Situation, die wir
ertragen müssen, nicht exakt bestimmen. Ohne eine solche genaue
theologische Ortsbestimmung lassen sich wiederum nicht die
Möglichkeiten erörtern, die zu einer Sanierung bzw. Restituierung der
Kirche führen könnten.
Wenn wir uns dieser Aufgabe nicht stellen, stünde unser Widerstand ohne
eigentliche Rechtfertigung da. Wir würden dann unweigerlich ins
Sektiertum abdriften, das seinen Nährboden längstens in dem latenten
Heilsegoismus vieler Gläubiger gefunden hat, und würden jegliches
Bewußtsein für das Besondere des kirchlichen Status, den Christus
seiner Gründung verliehen hat, verlieren. D.h. wir müssen uns alle mit
dem Problem der kirchlichen Ortsbestimmung beschäftigen, wenn wir
unseren Glauben bewahren wollen. In dieser Hinsicht ist bisher nicht
allzu viel getan worden. Das Problem blieb in den bekannten Journalen
und Zeitschriften bisher unbearbeitet. Je eher wir mit der "Sanierung
dieser Altlast" beginnen, um so eher bahnen sich auch Aussichten auf
eine stufenweise Rückgewinnung der Sichtbarkeit und Hohheit der Kirche
an. Innerhalb dieser Grundsatzdiskussion wird endlich auch das Problem
einer Papstwahl abzuhandeln sein, weil sich nämlich sehr schnell zeigen
läßt, welche zentrale Bedeutung dem Petrusamt für die lebendige
Existenz der Kirche zukommt. In dieser Hinsicht sind die Abhandlungen
von Herrn Tello / Spanien zu begrüßen, die bereits in unserer
Zeitschrift und in KYRIE ELEISON erschienen sind und noch weiter folgen
werden, obwohl in ihnen der Aspekt einer umfassenden Restitution m.E.
etwas unterbelichtet bleibt. In diesem Zusammenhang wäre es dann
wichtig, die Geschichte des Papstwahlrechtes zu studieren. In den
Köpfen vieler Gläubiger ist ein Papst nur eine Art kirchlicher
Souverän. Daß aber ein Papst nur Papst ist, weil er Bischof von Rom
ist, diese Doppelkonstruktion in eben dieser Verknüpfung ist den
wenigsten bewußt. So dringend eine Behebung des chaotischen Zustandes,
in dem wir mehr oder weniger hilflos umherirren (und fast verzweifeln),
auch sein mag, so bedürfte, nachdem die theologischen und rechtlichen
Probleme durchgeklärt wären, die praktische Durchsetzung der
Restitution eines sehr geduldigen und behutsamen Vorgehens und einer
sehr sorgfältigen, umsichtigen Planung, damit nicht Fehler unterlaufen,
die unsere Aktivitäten der Lächerlichkeit preisgegeben werden. (Ich
erinnere noch einmal an Herrn Bawden, der sich plötzlich 'Michael I.'
nannte.)
Vorbedingung solcher Aktivitäten wäre m.E. der weltweite Zusammenschluß
von Klerikern und Laien, die die (Rest)Kirche ausmachen. Ohne ein
solches Zusammengehen trügen alle Anstrengungen in der angegebenen
Richtung wiederum den Stempel des Sektierertums an sich. An diesen
Unierungsbemühungen bzw. der Re-Unierung, die eines der Hauptanliegen
von + Mgr. Carmona in den letzten Jahren war(en), mitzuarbeiten, sind
wir alle aufgerufen.
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