NEUERSCHEINUNGEN
BUCHBESPRECHUNGEN:
P. Maximilian Breig SJ, Pierre Descouvemont, Helmut Nils Loose:
Theresia und Lisieux -
Das Leben der heiligen Theresia von Lisieux
Badenia Verlag, Karlsruhe 1996. Bild- und Textband. 352 Seiten. 567 zum
größten Teil farbige Ab-bildungen - ISBN 3-92 1009-294,
Preis DM 120.
Am 30. September 1997 jährt sich der 100. Todestag der hl. Theresia vom
Kinde Jesu. Eben rechtzeitig gibt das Theresienwerk e. V. Augsburg im
Badenia Verlag der Schulbrüder einen umfangreichen und durch den hohen
Quellenwert des archivarischen Materials bestechenden Band über die
liebenswerte fianzösische Karmelitin heraus. Es handelt sich um die
deutsche Übersetzung der Arbeit von Pater Pierre Descouvemont, Priester
der Diözese Cambrai, durch den inzwischen verstorbenen P. Maximilian
Breig SJ. Fotografisch betreut hat den Band Helmut Nils Loose, ein
Fachmann von europäischem Ruf.
Die zahllosen Zeugnisse aus dem kurzen Leben der Therese Martin
(1873-1897) wurden getreulich gesammelt und eingehend kommentiert. Es
gehören dazu Andachtsbilder, Gedichte, Gesprächsnotizen, Briefe, Fotos,
Manuskriptkopien und anderes mehr. Naturgemäß finden auch Devotionalien
Beachtung, die dem glatten spätbürgerlichen Massengeschmack um 1900
entsprechen. Seltene Erinnerungsstücke werden in gekonnter Aufmachung
präsentiert. Landschaftsaufnahmen und meditativ ansprechende
ganzseitige Blumenbilder komplettieren den anspruchsvoll gestalteten
Band.
Zahllos sind die Bekehrungen und Heilungen, die auf Fürbitte der
Heiligen erfolgten. Unter dem Namen "Pluie de Roses" wurden sie
veröffentlicht. Einige Päpste haben den Theresienkult besonders
gefördert, unter ihnen der heilige Papst Pius X.. Pius XI. erhob
Schwester Theresia vom Kinde Jesu am 17. Mai 1925 zur Ehre der Altäre
und nannte sie den "Stern seines Pontifikates". Im Volksbewußtsein lebt
die Heilige fort durch ihren "kleinen Weg". Ihre Aufzeichnungen, die in
dem Buch "Geschichte einer Seele" zusammengefaßt sind, weisen auch dem
heutigen Menschen die Bahn einer vertieften Laienspiritualität und
Selbstläuterung.
Magdalena S. Gmehling
***
Stefan Heid:
Zölibat in der frühen Kirche. Die Anfänge einer Enthaltsamkeitspflicht für Kleriker in Ost und West
Schöningh: Paderborn 1997, 339 Seiten, kart., DM 39,80 (ISBN 3-506-73926-3)
Bekanntlich hatte "Vaticanum II" mit dem "Ständigen Diakonat" eine
bisher nicht bekannte Neuerung eingeführt 1). In der Folge sind
Entstehung, Begründung und Beibehaltung bzw. Abschaffung des
Klerikerzölibats heiß diskutierte Themen geworden. Dabei konzentrierte
sich die Debatte vor allem auf die geschichtliche Entwicklung dieser
Norm. Im rechtgläubig-katholischen Bereich ist der Zölibat
unbestritten. Die Argumente zu seiner Verteidigung stehen seit langem
fest 2), die Einwände der Gegner 3) allerdings auch.
Nichtsdestotrotz darf der Zölibat exegetisch und historisch hinterfragt
werden. Wann ist seine Entstehung anzusetzen? Ist er göttlichen oder
kirchlichen Rechts? Geht er gar auf Jesus Christus und die Apostel
zurück?
Im vorigen Jahrhundert hatte vor allem die protestantische
Kirchengeschichtsschreibung behauptet, die Zölibatsverpflichtung sei
erst mit dem Zweiten Laterankonzil 1139 aufgekommen. In unserem
Jahrhundert war der Grundtenor, eine entsprechende Vorschrift habe
zuerst die Synode von Elvira im Jahre 306 erlassen.4) Aus diesem Grunde
sei der Klerikerzölibat "kein Dogma", nicht "göttlichen Rechts", schon
gar nicht "apostolischen Ursprungs", sondern eine "rein disziplinäre
Angelegenheit" der römischen Kirche, die man genausogut wieder ändern
könne, wenn es opportun sei. Schließlich seien die Apostel mehrheitlich
verheiratet gewesen. Das Neue Testament kenne keine Zölibatspflicht,
die ersten Jahrhunderte auch nicht. Der hochangesehene ägyptische
Wüstenbischof Paphnutios, Kronzeuge aller "Zwangszölibats"gegner, habe
sich, obwohl selbst völlig enthaltsam lebend, auf dem Konzil von Nizäa
gegen eine dort vorgeschlagene Zölibatsverpflichtung ausgesprochen,
woraufhin der Vorschlag vom Tisch war. Die Priester der Ostkirche seien
verheiratet. Papst Pius XII. selbst habe gelegentlich
Konvertiten-Priestern die Fortführung ihrer früheren Ehe gestattet 5).
- Wer wollte dagegen noch etwas vorbringen?
Umso erstaunlicher ist es, daß die seriös arbeitende Zölibatsforschung
mittlerweile zu Ergebnissen gelangt ist, die dieser Auffassung völlig
entgegenlaufen. Liebgewonnene Vorstellungen über die Entstehung des
Zölibats müssen korrigiert werden. Das Ergebnis wird heißen: der
Klerikerzölibat, nicht als einfach legales "Nichtverheiratetsein", auch
nicht als positiv fixierter Kanon irgendeiner frühchristlichen Synode,
sehr wohl aber als strenge Verpflichtung der völligen geschlechtlichen
Enthaltsamkeit für höhere Kleriker, seien sie nun vor ihrer Weihe
verheiratet, verwitwet oder ledig, ist in dieser Form apostolischen
Ursprungs und somit göttlichen Rechts 6). Spätere Entwicklungen lassen
sich schlüssig aus dieser Grundeinsicht ableiten.
Für den deutschen Sprachraum 7) war außer dem schmalen Bändchen von
Stickler bisher kein zuverlässiges Werk zum Thema greifbar, das diesen
neuesten Forschungsstand wiedergibt. Das hat sich mit der Arbeit von
Stefan Heid (H.), die hier vorgestellt werden soll, geändert.
Um es vorweg zu sagen: der Klerikerzölibat ist in der Tat eine
disziplinäre Frage, nicht eine dogmatische. Keine Messe wäre ungültig,
kein Sakrament "schlechter", wenn der betreffende Priester verheiratet
wäre und von seiner Ehe normalen Gebrauch machte. Aber die Frage, ob
eine existentiell so einschneidende Forderung auf Jesus Christus und
die Apostel zurückgeht, kann niemanden unberührt lassen und zugleich
eine allfällige Neubewertung des ganzen Komplexes einleiten - zum
Besten des Klerikerzölibats und der christlichen Ehe.
Die in sieben Kapitel aufgeteilte Darlegung behandelt zunächst "Die
verschlungenen Wege der Forschung" (11-20). Die Geschichte der
Erforschung des Zölibats erweist sich als Geschichte der
Fehlinterpretationen und Mißverständnisse (13-16). Wertvoll ist H.s
Herausarbeitung des Unterschieds von "Enthaltsamkeitszölibat"
(verheirateter, verwitweter oder lediger Kleriker) und
"Ehelosigkeitszölibat" (verwitweter oder lediger Kleriker). Ersterer
ist der frühkirchliche Zölibat bis zum 16. Jahrhundert, letzterer der
in der westlichen Kirche seit dem Trienter Konzil (1545-1563), eine
"Schrumpfform einer anfänglich weiter gefaßten Enthaltsamkeitspraxis"
(13).
Die "Enthaltsamkeit der Amtsträger in neutestamentlicher Zeit" (21-51)
als Untersuchung des biblischen Befunds und der Praxis des ersten
christlichen Jahrhunderts zeigt erschütternd, wohin exegetische
Verwahrlosung führt. Daß die völlige Enthaltsamkeit von Jesus und
seinen Aposteln normativ und nicht bloß "charismatisch" praktiziert
wurde, läßt sich nach H. selbst anhand kritischer Passagen (Mt 19,
9-12; 1 Kor 7, 1-40; 1 Tim 3, 1-7; Tit 1, 6), die von heutigen Exegeten
üblicherweise gegenteilig ausgelegt werden, schlüssig dartun, wenn man
nur den Text unverbildet und ideologiefrei sehen will. Es gelingt H.
sogar, bei Paulus Weihehindernisse im kanonischen Sinn nachzuweisen
(38). Einziger Unterschied zur heutigen Praxis: es wurden auch
verheiratete, meist ältere Männer geweiht, die aber "vom Tag ihrer
Weihe an völlig enthaltsam mit ihren Frauen leben [mußten]"(51).
Amtsträger, ledig oder verwitwet, durften nach ihrer Weihe nicht
(wieder) heiraten. H.s begründetes Resumée lautet, "daß schon seit der
Zeit der Apostel, zumindest aber seit spät-neutestamentlicher Zeit eine
Art Verpflichtung auf dauerhafte geschlechtliche Enthaltsamkeit (nicht
bloß der freie Vorsatz) für Amtsträger bestand, also eine Art
Zölibatsgesetz. [...] Die herrschende Meinung, das Neue Testament
entbehre jeden Belegs für eine Zölibatsdisziplin [...] kann somit einer
vertieften und differenzierten Prüfung kaum standhalten." (ebd.). Dem
ist nichts hinzuzufügen.
Bei der Eindeutigkeit des biblischen Befundes ist kaum zu erwarten, daß
sich in der "Klerikerenthaltsamkeit vom zweiten Jahrhundert bis 220"
(52-81) viel änderte. Zuzugeben ist nach H., daß die Zeugnisse zur
Klerikerenthaltsamkeit dünn gesät sind (52). Das lag aber gerade nicht
daran, daß es die Sache nicht gab, sondern daß die "Christen [...] sich
zielstrebig auf sexuelle Enthaltsamkeit, auch in der Ehe
[konzentrierten]; über allem erhebt sich der Gipfel totaler Abstinenz"
(53). Enthaltsamkeit war also die nicht weiter erwähnungsbedürftige de
facto-Norm. Leibfeindlichkeit des zweiten Jahrhunderts als Grund der
Einführung des Zölibats, Lieblingsthese aller Zölibatsgegner, war
gerade für Rom nachweislich falsch, entsprechende Positionen (Markion)
verlagerten sich nach Syrien und wurden als häretisch gebrandmarkt
(55-57). Männer in zweiter Ehe wurden nicht geweiht (69-77), das Verbot
von Zweitehen verheirateter oder verwitweter Kleriker konsequent
durchgesetzt (77-80). Mit Einzelnachweisen aus Klemens von Alexandrien,
Tertullian und Kallist von Rom belegt H. die Richtigkeit seiner
Behauptungen.
Das vierte Kapitel "Klerikerenthaltsamkeit vom dritten Jahrhundert bis
Nizäa (325)" (82-130) kommt neben weiteren literarischen Belegen
(Origines, Apostolische Kirchenordnung, Eusebius) zur vielbemühten
Synode von Elvira in Spanien des Jahres 306, deren 33. Kanon "als das
erste formale Zölibatsgesetz im Sinne einer Enthaltsamkeitsforderung"
(103) gilt. H. weist nach, daß die geforderte Enthaltsamkeit eine
dauernde ist (und nicht nur eine temporäre zu Zeiten des
Gottesdienstes). Aber genauso, wie Jesus die Apostel nicht berief, weil
sie verheiratet waren, sondern obwohl sie verheiratet waren, genauso
habe diese Synode den Zölibat nicht eingeführt, sondern ein vorhandenes
ungeschriebenes Recht wegen eingerissener Mißbräuche in ein Gesetz
überführt (102-104). Überraschend auch der Blick nach Osten: "[E]ine
generelle Klerikerenthaltsamkeit ist im Osten sicherer bezeugt als im
Westen" (130).
Über "Klerikerenthaltsamkeit in der östlichen Kirche des vierten
Jahrhunderts seit Nizäa" (131-182) handelt das fünfte Kapitel. Hier
sind die reichsten Zeugnisse vorhanden. H. zitiert Epiphanios von
Salamis, Hieronymus, Johannes Chrysostomos, beide Gregor von Nazianz,
Kyrill von Jerusalem und Athanasios von Alexandrien, aus denen
hervorgeht, daß Enthaltsamkeit für Kleriker im Osten im vierten
Jahrhundert Gesetzesnorm war, was im Hinblick auf die spätere
Entwicklung festzuhalten ist. Übertretungen kamen vor, wurden aber
geahndet. Die Weihe verheirateter Männer nahm mit der Ausbreitung von
Mönchspriestern immer mehr ab.
Die "Klerikerenthaltsamkeit in der westlichen Kirche des vierten und
beginnenden fünften Jahrhunderts" (183-258) behandelt, getrennt nach
Regionen (Nordafrika, Spanien, Italien, Gallien), die Entwicklung der
Gesetzgebung, wie sie sich aus den Akten rekonstruieren läßt. War in
Rom der Zölibat unbestritten, mußte in Nordafrika, Spanien und Gallien
die alte Ordnung mit gewissem Nachdruck wiederhergestellt werden. H.
weist nach, daß Rom dabei aber keine Neuerungen eingeführt hatte.
Vielmehr hatte die westliche Kirche "erste massive Schwierigkeiten mit
dem insgesamt längst etablierten Enthaltsamkeitszölibat zu bestehen"
(258).
Für den Westen wie den Osten läßt sich von da ab eine erstaunliche
Übereinstimmung in der Zölibatsdisziplin feststellen. "Das westliche
Modell der Klerikerenthaltsamkeit ist das gleiche wie im Osten. [...]
[D]ie Päpste [sind] mit ihrer Zölibatsinitiative keiner fixen Idee
[gefolgt], die sie sich eigenmächtig ausgedacht haben." (263). Papst
Siricius war der Überzeugung, diese "apostolischen Anordnungen" sei ein
"unlösliche[s] Gesetz" (264). Was aber wurde aus dem "gemeinsame[n]
Erbe der Klerikerenthaltsamkeit im weiteren Schicksal der Kirche"
(259-321)? Um diese Zeit entstand die eingangs erwähnte
Paphnutios-Episode, die der Kirchenhistoriker Sokrates wiedergibt. "Wir
können davon ausgehen, daß es sich um eine Zwecklegende handelt, um
eine antizölibatäre Propagandalüge." (275). Sie ist "eine typische
Rechtfertigungslegende, wie sie nur aus einer schismatischen oder
häretischen Sonderkirche kommen kann, die sich gegen eine Tradition der
überwältigenden Mehrheit der Bischöfe stemmt" (276). H. weist sie unter
Berufung auf Altphilologen den Novatianern zu (277) und schildert auch
detailliert ihre Entstehung (279). Da die Legende zugibt, auf dem
Konzil von Nizäa hätten alle (!) Bischöfe zunächst für den
Enthaltsamkeitszölibat gestimmt - was ja eine vorhandene Übung
voraussetzt -, erst Paphnutios habe sie dann alle (!) umgestimmt,
obwohl er nachweislich 8) nie in Nizäa war, fragt man sich, wieso diese
Fälschung nicht schon früher entdeckt wurde bzw. nach ihrer Entdeckung
immer noch geglaubt wird. - Die gesamte bestehende Zölibatsgesetzgebung
wurde nach H. von Kaiser Justinian zusammengefaßt (280-285). Erst die
Zweite Trullanische Synode des Jahres 691 führte in der östlichen
Kirche zum Bruch mit der gemeinsamen apostolischen Tradition, indem sie
von verheirateten Priestern und Diakonen die Enthaltsamkeit nur für die
Tage ihres liturgischen Dienstes forderte (285-289), die übrigen
Zölibatsgesetze aber beibehielt. Das ist die Praxis der gesamten
Ostkirche bis heute. Als "Beleg" bemühte diese Synode die "alte
kirchliche Überlieferung" und zitiert Kanones früherer Synoden
sinnentstellend (288). Unter Berufung auf Roman Cholij zeigt H., "daß
es hier zu einer Neuerung kommt, die an keine früheren Gesetze
anknüpfen kann" (285-286) "Das bedeutet einen späten Sieg
novatianischer Geschichtsdarstellung." (288). Die westliche Kirche hat
allerdings später bei unierten Ostkirchen diese Praxis gebilligt, wohl
vertrauend auf die Paphnutios-Legende, die unerkannt über Gratian ins
kanonische Recht eingesickert war. Eine heute zu führende Polemik
sollte aus diesem historischen Nachweis aber nicht entstehen, zumal
sich die Verhältnisse in der Ostkirche nicht mehr ändern lassen. -
Überlegungen zum "Konsens zwischen östlicher und westlicher
Zölibatsdisziplin" beschließen dieses letzte Kapitel (289-318).
H. beschränkt seine Untersuchung auf die Zeit bis zum siebten
Jahrhundert. Ein wünschenswerter Folgeband hätte nicht nur die
Entwicklung bis zur Gegenwart darzustellen, sondern auch
Ungereimtheiten der neuzeitlichen Entwicklung in der Ostkirche als auch
fragwürdige "Sondergenehmigungen" und "Ausnahmeregelungen" im Westen
mit der gleichen kritischen Akribie aufzuhellen.
Jedes Kapitel endet mit einer Zusammenfassung, so daß der
Argumentationsgang schnell nachvollzogen werden kann. Quellen- und
Abkürzungsverzeichnis sowie Personen- und Schriftstellenregister runden
das Werk ab. Das leider unvollständige Literaturverzeichnis trübt das
Bild ein wenig; auch ein Sachverzeichnis wird schmerzlich vermißt.
Ärgerliche Folge der vermutlich im Eigensatz produzierten Druckvorlage
sind die mehr als ein Dutzend Umbruchfehler.
Nichtsdestotrotz ist die Leistung von H. nicht hoch genug
einzuschätzen. Eine ganze Epoche historisch falscher und exegetisch
unzuverlässiger Zölibatsbegründungen wird hinweggefegt. Beachtet man
die intellektuelle Redlichkeit des Autors, der sich keine Argumente
zuschreibt, die andere vor ihm herausgearbeitet hatten (H. nennt vor
allem Cochini), und dem man daher auch Fehler (z. B. "Konzil von Trient
(1521-1545)", S.12) und Ungereimtheiten untergeordneter Art (z. B. die
unhalt-bare Spätdatierung des Matthäusevangeliums auf das Jahr 90, S.
21) nachsieht, so kann der Band uneingeschränkt empfohlen werden. Sein
Erscheinen, zumal zu diesem Kampfpreis, ist eine pub-lizistische
Großtat ohnegleichen, die der Gegenwart ihre diesbezügliche Verfäulnis
wie einen Brenn-spiegel unbarmherzig vor Augen hält. Ja, noch mehr: das
Werk, dem man viele Auflagen und Über-setzungen in alle Weltsprachen
wünscht, vermag ein uraltes, originär christliches Ideal mit
unge-heurer Begeisterung neu zu erfüllen: Enthaltsamkeit um des
Himmelreiches willen ist jetzt nachge-wiesen als
authentisch-normierender Wille Jesu Christi und der Apostel - und damit
qualitativ etwas ganz anderes als das bloße Befolgen eines kanonischen
Zölibatsgesetzes (CIC/1917 can. 132 § 1), dessen allseits bekannte,
historisch unzureichende Fundierung hiermit irrelevant wird.
Die Realität wirkmächtig zum Besseren verändern zu können, ist das
schönste Zeugnis, das man einem Buche ausstellen kann. Das besprochene
Werk bringt die Voraussetzungen dazu mühelos mit. War die
Enthaltsamkeit um des Himmelreiches willen das Merkmal der Urkirche,
kann sie mit der nun vorliegenden Legitimation nicht erst recht zum
Zeichen der Kirche in der Endzeit werden?
Anmerkungen:
1) Dekret Lumen gentium, n. 29. - Unter "Ständigem
Diakonat" wird die Spendung der Diakonatsweihe an verheiratete Männer
reiferen Alters verstanden, die ihre Ehe fortsetzen, aber nicht das
Priestertum anstreben.
2) Pohle-Gierens-Gummersbach, Lehrbuch der Dogmatik, Bd. 3, 10. Aufl.
Paderborn 1960, 583-588; Anton Scharnagl, Art. Zölibat, LThK1 X,
1087-1091; Klaus Mörsdorf, Artikel Zölibat, LThK2 X, 1395-1401.
3) Diese können sich inzwischen sogar leisten, für den Zölibat zu
plädieren: "Zölibat ist feministisch", "Zölibat macht schlank",
"Zölibat ist lustig" (Kapitelüberschriften in Hans Conrad Zander, Zehn
Argumente für den Zölibat, Düsseldorf 1997). In diesem Stil geht es
weiter. Zander entblödet sich nicht, umfangreiche Kalkulationen über
die Kosten eines nicht-zölibatären Klerus in Deutschland anzustellen
(ebd., 43ff.).
4) Kritisch dazu Alfons Maria Stickler, Der Klerikerzölibat. Seine
Entwicklungsgeschichte und seine theologischen Grundlagen, Abensberg
1993, 12-13. Stickler nennt die katholischen Kirchenhistoriker Franz
Xaver Funk, Elphä-ge Florent Vacandard und Henri Leclerq, die unter
Mißachtung des Unterschieds zwischen "Recht" und "Gesetz" (Eine Norm
kann lange mündliches "Recht" sein, bevor sie geschriebenes "Gesetz"
wird) diese spekulative Behauptung in diversen Lexika und
kirchengeschichtlichen Standardwerken verbreiteten.
5) So bei der Konversion und Priesterweihe von vier evangelischen
Theologen Anfang der fünfziger Jahre (Martin Giebner, Bekenntnis zur
katholischen Kirche, 5. Auflage Würzburg 1956).
6) Diese These ist nicht von H. neu entwickelt worden, sondern wurde
bereits von Cochini und Cholij (vgl. Fußnote 7) vollgültig dargelegt,
nachdem sie in der römischen Kirche immer latent da war, aber in der
Neuzeit in den Hintergrund geriet. "Der Erkenntnisgewinn der
vorliegenden Arbeit gegenüber Cochini liegt nicht im Gesamtergebnis,
das die These eines apostolischen Enthaltsamkeitszölibats bestätigt.
Vertieft oder korrigiert werden jedoch vielfach Einzelinterpretationen
bestimmter Quellentexte. Ferner kommt der historisch-gesellschaftliche
Hintergrund der frühkirchlichen Klerikerenthaltsamkeit ausführlich zur
Sprache." (20).
7) Für den französischen Sprachraum können hier Christian Cochini SJ,
Origines apostoliques du célibat sacerdotal, Paris 1981, für den
italienischen Filippo Liotta, La Continenza die Chierici nel pensiero
canonistico classico, Mailand 1971, für den englischen Roman Cholij,
Clerical Celibacy in East and West, Herefordshire 1989 sowie die
englische Übersetzung von Cochini, Apostolic Origins of Priestly
Celibacy, San Francisco 1990 genannt werden.
8) H. beruft sich auf Winkelmann, der 1968 den Nachweis führte, daß es
sich bei diesem von der Legende geschilderten "Paphnutios" um eine
Synthese zweier Gestalten handelt, und daß ein solcher "Paphnutios" nie
Teilnehmer des Konzils von Nizäa gewesen sein kann (Friedhelm
Winkelmann, Paphnutios, der Bekenner und Bischof, in: P. Nagel (Hrsg.),
Probleme der koptischen Literatur, Halle 1968, 145-153).
Christian Jerrentrup
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