"Unser Bruder Herbert"
und seine Ideen für eine "öffentliche Hygiene"
Anmerkung der Redaktion:
Vor einiger Zeit wurde mir das Protokoll eines Vortrages zugesandt,
welchen der emeritierte Prof. für kath. Dogmatik, Herr Prof. Dr.
Herbert Vorgrimmler, in der Loge "Ver sacrum" zu Köln gehalten hat. Die
Meinung eines konziliaren Protagonisten zu dem Problem, wie mit Gegnern
der Freimaurerei zu verfahren sei - vorgetragen in der dem Vortrag
folgenden Aussprache -, halte ich für lesenswert.
E. Heller
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Vortrag am 3.3.1997, 20.00 Uhr von Herrn Prof. Dr. Herbert Vorgrimmler,
emeritierter Prof. für Dogmatik in Münster, in der Loge "Ver sacrum", Hardefuststr. 9, 50677 Köln
Der Vortrag war in der Tageszeitung angekündigt, jedoch ohne Angabe des
Referenten. Herr Prof. Dr. Herbert Vorgrimmler wurde bei der Eröffnung
des Vortrages als "unser Bruder Herbert" vorgestellt.
Thema:
"Die katholische Kirche und die Freimaurerei"
Der grundlegende Unterschied zwischen der Freimaurerei und der kath.
Kirche ist die Frage nach der Allmacht Gottes. Für die Freimaurer kann
Gott nicht in die Welt eingreifen. Er hat die Welt einmal geschaffen
und läßt sie durch die Evolution sich selbst entwickeln. Nach
Vorgrimmler ist die Kirche nicht von Christus eingesetzt, sondern sie
ist auch ein Produkt der Evolution. Er prägt dabei den Begriff der "Kirchenwerdung".
25.06.1717 wird die Loge von London gegründet - Geburtsstunde der
Freimaurerei. Ein Grün-dungsmitglied war presbyterischer Geistlicher,
der damit beauftragt wurde, die Statuten neu zu bearbeiten, die er 1723
herausgegeben hat. Anfänglich waren auch Katholiken bei der
Freimaurerei involviert, weil nämlich die Freimaurerei nicht
antikirchlich, sondern antiklerikal ist. Da alle anderen Kirchen keinen
Klerus (im katholischen Sinne) kennen, ist die kath. Kirche der einzige
größere Gegner. 1737 wird die erste deutsche Loge in Hamburg gegründet.
Weil die Logen den Geist der Aufklärung propagierten, gerieten sie in
Gegnerschaft zu den "absolutistischen Regimen". Kardinal Fleury war
zusätzlich Premierminister König Ludwigs XV. Von daher wollte er
aufgrund der politischen Probleme die Freimaurerei kirchlich bekämpft
wissen und wandte sich in dieser Angelegenheit an Papst Clemens XII.
Dieser sei - nach Vorgrimmler - von 1732 an blind gewesen und von 1737
an ohne Gedächtnis. Im darauffolgenden Jahr 1738 - Papst Clemens war 86
Jahre alt, was Vorgrimmler deutlich betonte -, erließ der Hl. Vater die
Bulle "In eminenti", die die Freimaurerei verurteilte und den
Katholiken die Mitgliedschaft in der Freimaurerei verbot.
Vorgrimmler deutet diesen Konflikt politisch und geht davon aus, daß es
der Umgebung des Hl. Vaters darauf ankam, das damals regierende
englische Königshaus Hannover, das in der Freimaurerei involviert war,
durch das katholische Haus Stuart zu ersetzen. Die Enzyklika "In
eminenti" hat nach Vorgrimmler nur bedingte Wirkung gezeigt,
vornehmlich auf der Iberischen Halbinsel und im Kirchenstaat, wobei auf
der Iberischen Halbinsel Personen verfolgt wurden, während man sich im
Kirchenstaat darauf beschränkte, freimaurerische Schriften zu
verbrennen. 1884 erläßt der - nach Vorgrimmler - "sonst so vernünftige
Papst Leo XIII. die Enzyklika "Humanum genus", die nochmals in
deutlicher Weise die Freimaurerei verurteilt. 1917 gibt Papst Benedikt
XV. den Codex Iuris Canonici heraus. In diesem Gesetzbuch beschäftigt
sich can 2335 mit den Freimaurern und droht jedem Katholiken bei
Mitgliedschaft in der Freimaurerei die Exkommunikation ipso facto an.
Nach Vorgrimmler beginnt der Dialog der Freimaurerei mit der
katholischen Kirche im Jahre 1928, zuerst mit den theistischen Logen.
Seit 1961 auch mit dem Grand Orient in Frankreich, der sich bewußt als
atheistisch bezeichnet. Das II. Vat. Konzil wird von Prof. Vorgrimmler
zutiefst gelobt, was die Frage der Menschenrechte und die
Religionsfreiheit betrifft. Diese erwähnte er wörtlich.Im Jahre 1969
findet eine Übereinkunft zwischen der kath. Kirche und der
italienischen Großloge statt. Beide Seiten bekunden ihre Zusammenarbeit
auf den Gebieten der Menschenrechte, der Religionsfreiheit und der
gegenseitigen Toleranz. Im gleichen Jahr wird von der offiziellen
Kirche aus eine Dialogkommission ins Leben gerufen, die aus vier
Mitgliedern besteht. Nur zwei werden von Herrn Prof. Vorgrimmler
namentlich erwähnt, nämlich Kard. König von Wien und er selbst,
Vorgrimmler. Diese Kommission veröffentlichte ihre Arbeitsergebnisse in
dem österreichischen Ort Lichtenau. Von daher wird dieses Dokument
"Lichtenauer Erklärung" genannt. Darin äußert sich die kath. Kommission
den Freimaurern gegenüber in Aufgeschlossenheit.
In den Jahren 1970-1974 wird eine eigene Kommission der deutschen
Bischofskonferenz zur Frage der Freimaurerei eingesetzt. Auch diese hat
vier Mitglieder, von denen wiederum nur zwei Mitglieder erwähnt werden,
nämlich Bischof Stimpfle, Augsburg und Vorgrimmler. Über die Berufung
Bischof Stimpfles als Vorsitzenden zeigte sich Vorgrimmler auch 27
Jahre danach noch äußerst erbost. Diese Kommission kam, entgegen der
Lichtenauer Erklärung, zu dem Ergebnis, daß eine Mitgliedschaft von
Katholiken bei der Freimaurerei nach wie vor nicht mit dem christlichen
Selbstverständnis zu vereinbaren ist, weswegen Vorgrimmler (1974)
erbost dieser Kommission seine Mitgliedschaft aufkündigte. Die
Ergebnisse dieser deutschen Kommission mündeten im Jahre 1980 in einer
Erklärung der deutschen Bischfskonferenz, die sich nun auch offiziell
negativ über die Freimaurerei äußerte. Der neue CIC aus dem Jahre 1983
erwähnt die Freimaurerei nicht mehr!
Als Ausblick auf die weitere Zusammenarbeit zwischen Kirche und
Freimaurerei sieht Vorgrimmler eine große Möglichkeit zur Verständigung
in der Tatsache, daß die kath. Kirche sich auf ihre Ortskirchen
reduziert hat: "DIE Kirche gibt es nicht mehr!" Daraus schlußfolgert
Vorgrimmler, daß eine Verständigung nicht mehr vornehmlich mit Rom zu
erfolgen hat, sondern daß sich jede Ortskirche selbst mit der
Freimaurerei arrangieren kann.
Aussprache nach dem Vortrag:
Nach Prof. Vorgrimmler zeigen Katholiken, die die Freimaurerei
kritisieren, eine faschistische Gesinnung. Er bezeichnet die Gegner der
Freimaurerei als "pathologische Figuren". Er führte namentlich auf:
"Johannes Rotkranz, H.H. Manfred Adler, Pater Johannes Wild S.J." Der
Konflikt mit Pater Wild dauert lt. Vorgrimmler schon eine geraume Zeit.
Nach seiner Aussage hat er (Vorgrimmler) sich schon an den General des
Jesuitenordens gewandt mit dem Anliegen, Pater Wild das Sprechen über
die Freimaurerei zu verbieten. Der General lehnte dieses Ansinnen
mit der Begründung ab, daß man keinem Mitglied des Ordens die freie
Meinungsäußerung verbieten könne. Vorgrimmler sagt wörtlich: "Man
bräuchte Journalisten, die diesen Pater ausfindig machen und
aufspießten!" Man müßte diese Leute, gemeint sind diejenigen, die durch
Wort und Schrift gegen die Freimaurerei Stellung beziehen, wegen
Verleumdung und Beleidigung gerichtlich belangen. Diese Personen - so
Vorgrimmler - seien nicht Brüder im Glauben, obwohl sie denselben Papst
hätten. Ihre strafrechtliche Verfolgung sei ein Akt "öffentlicher
Hygiene".
Der Besuch des Hl. Vaters in der Synagoge zu Rom im Jahre 1986, ebenso
wie das Religionstreffen im selben Jahr seien ein positives Zeichen. Da
der Hl. Vater aber aus seinen eigenen Reihen enorme Kritik deswegen
erhalten habe, könne man eine Offenheit in Bezug auf die Freimaurerei
von ihm nicht erwarten, zumal in seinem Alter. Der Erzbischof von Köln
ist in den Augen Vorgrimmlers kein Ansprechpartner in Sachen
Freimaurerei. Vorgrimmler: "Er fühle sich durch Herrn Meisner nicht
vertreten." Vorgrimmler propagierte eine "Theologie nach Auschwitz". Er
sieht eine bedeutende Schuld des Christentums am Holocaust, obwohl er
auf Nachfrage zugibt, daß die führenden und ausführenden Personen des
nationalsozialistischen Regimes keine Christen mehr waren. Vorgrimmler
stellt auch fest, daß die Frage des Religionsunterrichtes in der Schule
keine Frage des Glaubens sei. Die Kirche solle sich auf das Wirken in
ihrem Raum beschränken.
Die abschließenden Worte des "Meisters vom Stuhl" bezogen sich auf die
Freimaurerei, die immer auf dem Weg sei. (Anmerkung: Wanderndes
Gottesvolk) Angesprochen auf den "freimaurerischen Kult" sprach er von
einer Art "Brauchtumsfeiern". Ein gewisser Pater Alois Kehl SVD,
Seelsorger bei den Celitinnen in Köln-Lindenthal ist als Mitglied der
Loge offiziell vorgestellt worden. |